Kuba: noch nie dagewesene Möglichkeiten
Im September 2023 geschah etwas Bedeutsames in Kuba: die Gründung einer Bibelgesellschaft. Wie war das möglich in einem Land, das Jahrzehnte lang kommunistisch regiert wurde? „Es gibt hier einen großen Hunger nach der Bibel. Wir haben nun die Möglichkeit, Menschen mit dem Wort Gottes zu versorgen. Bis vor ungefähr 25 Jahren war alles Christliche verpönt. Christen waren Bürger zweiter Klasse und haben starke Ablehnung erfahren, wurden fast schon verfolgt. Dann kam mehr Freiheit”, sagen Direktor Alain Montano Hernánedez und Präsident Joel Ortega Dopica von der Kubanischen Bibelgesellschaft. Beide sind Pastoren einer evangelischen Gemeinde.
Ein guter Ruf
„Heute ist die Situation völlig anders“, erklärt Ortega weiter. „Wir haben noch nie dagewesene Möglichkeiten, um die Kirchen mit Bibeln zu versorgen. Und die Kirchen wachsen. Warum? Es hat mit Kubas wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu tun, aber auch mit der Ausdauer und Treue der Kirchen, und wie sie die schwierigen Jahre von 1958-1995 überstanden haben. Das hat ihnen einen guten Ruf eingebracht. Wir als Kirchenmitglieder und Leiter mussten durchs Wasser und Feuer gehen, aber schaut, es gibt uns immer noch!“, lacht er, als er auf Jesaja 43,2 anspielt. „Wir sind unserem Glauben, unseren Werten und Prinzipien treu geblieben. Wir haben unser Licht in jenen dunklen Jahren leuchten lassen. Das Vertrauen der Kubaner in die Kirchen ist enorm.“
Kirchengemeinden in Kuba arbeiten zusammen, trotz Unterschieden. „Die Kirchen glauben, dass sie Teil von Gottes Plan für Kuba sind. Und wir als Bibelgesellschaft glauben, dass wir etwas Wichtiges beizutragen haben. Denn was sind Christen ohne eine Bibel?“
Ein großer Hunger nach der Bibel
Die wichtigste Aufgabe der Bibelgesellschaf in Kuba ist es, Bibeln zu verbreiten. „Jahrelang war das unmöglich”, sagt Ortega. „Das Projekt ‚Eine Million Bibeln für Christen in Kuba’, das von vielen Bibelgesellschaften weltweit unterstützt wurde, richtete sich nur an Kirchenmitglieder. Jetzt können wir Bibeln auch zu missionarischen Zwecken verbreiten. Es gibt über 50.000 Hauskirchen in Kuba und überall finden sich neue Gemeinden: katholische, evangelische, evangelikale, pfingstliche. Der Heilige Geist wirkt hier. Aber es frustriert uns, dass wir nicht genug Bibeln haben. Vor allem nicht für Kinder und junge Menschen, die gerade zum Glauben gekommen sind. Aber auch für andere Zielgruppen, wie zum Beispiel Gefangene.“
Kinderbibeln sind gefragt
„Unsere Kirchen sind voller Kinder. Und sie sind wichtig, um auch die Eltern zu erreichen“, fährt Ortega fort. „Kürzlich besuchte ich eine Gemeinde mit insgesamt 400 Kindern. Wir erleben das regelmäßig und es kommt in allen Denominationen vor. In den dunklen Jahren des letzten Jahrhunderts haben die Kirchen eine ganze Generation verloren, aber heute gibt es einen großen Bedarf an Kinderbibeln. Kinder kommen vom Kindergottesdienst oder Sommerfreizeiten mit Bibelgeschichten nach Hause. Durch die Kinder kommen die Kirchen auch in Kontakt mit den Eltern. In Kuba leben normalerweise drei Generationen zusammen in einem Haus. Selbst wenn es bereits eine Bibel gibt, ist das oft nicht genug.“
5000 Menschen an einem Tag
Was beide Kubaner am meisten beeindruckt, ist das enorme Wachstum der Kirchen und deren Arbeit. „Wir waren einmal im Osten des Landes unterwegs, 700 km von Havana entfernt, und besuchten einen Open-Air-Gottesdienst in einem Partyzentrum. Als wir ankamen, warteten schon 3.000 Menschen. Wir hatten 3.000 Bibeln zum Verteilen dabei und noch mal 2.000 für die Kirchen, aber nach der Hälfte des Gottesdienstes waren alle 5.000 Bibeln weg. Und immer noch kamen Menschen dazu, darunter viele Nicht-Christen. Sie kamen, weil ihnen die Musik und die Reden gefielen. Irgendwann fing es zu regnen an. Wir baten die Leute, heimzugehen und am nächsten Tag wiederzukommen, aber sie wollten nicht. Sie wollten nicht ohne eine Bibel gehen.”
Polizeikontrolle
Montano lebt in Havana. „Als ich eines Sonntags mit dem Auto unterwegs war, wurde ich von einem Polizisten angehalten“, erzählt er. „Er wollte meine Papiere sehen und fragte mich, woher ich kam. ‚Vom Gottesdienst ‘, antwortete ich. ‚Oh, haben Sie dann eine Bibel für mich?‘, fragte er. ‚Natürlich‘, meinte ich und gab ihm fünf, da ich noch fünf hatte. Genau eine Woche später überholte mich ein Polizist auf dem Motorrad mit Blaulicht und Sirene. Er bedeutete mir anzuhalten. Ich dachte schon, dass ich in Schwierigkeiten sei, und suchte meine Papiere zusammen. Aber der Polizist sagte: ‚Nein, nein, das ist keine Kontrolle – ich hätte gern mehr Bibeln!‘ Es war der Polizist, dem ich eine Woche zuvor die Bibeln gegeben hatte. Alle bei ihm zu Hause hatten darin gelesen und die Nachbarn wollten auch eine.“
Die Bibel verändert Kuba
Ein Bibeltext, der Ortega sehr wichtig ist, ist Jesaja 40,8: Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich. „Viele Kubaner sind bedrückt, frustriert, hoffnungslos. Sie sehen, wie Politiker und Ideologien kommen und gehen. Aber Gottes Botschaft der Liebe für die Welt hat Bestand und lässt Leute aufblühen.“ Er und Montano erleben, dass sich das Leben vieler Kubaner durch den Einfluss der Bibel verändert. „Die wirtschaftliche Situation ist normalerweise nicht gut. Ihr einziger Halt ist ihr Glaube. Und das beste Geschenk, das du ihnen machen kannst, ist die Bibel. Menschen sprechen oft von wirtschaftlicher Entwicklung und besseren Handelsbeziehungen, aber am meisten braucht es geistliches Wachstum. In reichen Ländern sind viele Menschen wohlhabend, aber kämpfen mit der Frage nach dem Sinn des Lebens und haben Gott verloren. Kuba braucht die Hoffnung und die Werte der Bibel, zum Beispiel Gemeinsinn, stabile Familien und gegenseitige Hilfe.“
Große Erwartungen
Die Gründung der Kubanischen Bibelgesellschaft ist ein historischer Moment. In den 1950er Jahren gab es ein Büro der Amerikanischen Bibelgesellschaft in Kuba. Doch nachdem Fidel Castro 1958 die Macht ergriffen hatte, wurde es zum „gewinnorientierten amerikanischen Unternehmen“ erklärt und musste schließen. 1983 wurde die Bibelkommission in Kooperation mit dem Weltverband der Bibelgesellschaften eingerichtet, um irgendwie Bibeln zugänglich zu machen. Insgesamt wurden so über 5 Millionen Bibeln verbreitet und mit über 60 Denominationen im Land zusammengearbeitet. Nach 40 Jahren gibt es nun endlich eine eigenständige Bibelgesellschaft. „Wir haben große Erwartungen“, sagen Joel Ortega und Alain Montano. „Wir glauben, dass die Bibel die Kraft hat, Leben zu verändern. Unser Land muss dringend Hoffnung finden und Ermutigung durch Gottes Wort, das für immer Bestand hat.“
Autor: Peter Siebe, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Bibelgesellschaft für die Niederlande und Flandern