Prediger 3
5. Die völlige Abhängigkeit des menschlichen Tuns von einer unabänderlichen Weltordnung
a) Alles hat seine Zeit
1Jegliches Ding hat seine Zeit und alles Vornehmen unter dem Himmel seine Stunde. 2Das Geborenwerden hat seine Zeit und ebenso das Sterben; das Pflanzen hat seine Zeit und ebenso das Ausraufen des Gepflanzten; 3das Töten (oder: Zerstören) hat seine Zeit und ebenso das Heilen; das Einreißen hat seine Zeit und ebenso das Aufbauen; 4das Weinen hat seine Zeit und ebenso das Lachen; das Klagen (oder: Trauern) hat seine Zeit und ebenso das Tanzen; 5das Hinwerfen von Steinen hat seine Zeit und ebenso das Sammeln von Steinen; das Liebkosen hat seine Zeit und ebenso das Meiden der Liebkosung; 6das Suchen hat seine Zeit und ebenso das Verlieren; das Aufbewahren hat seine Zeit und ebenso das Wegwerfen; 7das Zerreißen hat seine Zeit und ebenso das Zusammennähen (oder: Flicken); das Schweigen hat seine Zeit und ebenso das Reden; 8das Lieben hat seine Zeit und ebenso das Hassen; der Krieg hat seine Zeit und ebenso der Friede.
b) Aber der Mensch kennt die von Gott festgesetzte Zeit nicht und ist ihr gegenüber ohnmächtig
9Welchen Gewinn hat also der Tätige davon, daß er sich abmüht? 10Ich habe die (leidige) Aufgabe betrachtet, die Gott den Menschenkindern gestellt hat, sich damit abzuplagen. 11Alles hat Gott vortrefflich eingerichtet zu seiner Zeit, ja auch die Ewigkeit hat er ihnen ins Herz gelegt, nur daß der Mensch das Tun Gottes von Anfang bis zu Ende nicht zu durchschauen (oder: verstehen) vermag. 12So habe ich denn erkannt, daß es nichts Besseres für den Menschen gibt, als sich der Freude hinzugeben und sich gütlich zu tun in seinem Leben; 13freilich auch, daß, sooft jemand ißt und trinkt und zum Genießen bei all seiner Mühsal kommt, daß das auch eine Gabe Gottes ist. 14Ich habe erkannt, daß alles, was Gott tut (oder: bestimmt hat), ewige Geltung hat: man kann da nichts hinzufügen und nichts davon wegnehmen; und das hat Gott so eingerichtet, damit man sich vor ihm fürchte. 15Was da ist, das ist schon längst gewesen, und was geschehen wird, ist längst dagewesen; denn Gott sucht das Entschwundene (oder: in Vergessenheit Geratene) wieder hervor.
6. Das Ausbleiben der sittlichen Weltordnung neben der alles beherrschenden Naturordnung
a) In der Menschenwelt herrscht Gottlosigkeit und Unrecht, aber Gott ist der Weltrichter
16Weiter aber habe ich unter der Sonne wahrgenommen: an der Stätte des Rechts (d. h. wo Recht sein sollte), da herrschte das Unrecht, und an der Stätte der Gerechtigkeit, da herrschte die Gesetzlosigkeit. 17Da dachte ich bei mir in meinem Sinn: »Den Gerechten wie den Gottlosen wird Gott richten; denn er hat für jedes Vorhaben und für alles Tun eine Zeit festgesetzt.«
b) Das Gesetz der Vergänglichkeit besteht für Menschen wie für Tiere und mahnt zum Lebensgenuß
18Da dachte ich bei mir selbst: »Um der Menschenkinder willen ist das so gefügt, damit Gott sie prüft und damit sie einsehen, daß sie an und für sich den Tieren gleichstehen.« 19Denn das Schicksal der Menschen und das Schicksal der Tiere ist ein und dasselbe: die einen sterben so gut wie die anderen, und sie haben alle den gleichen Odem, und einen Vorzug des Menschen vor den Tieren gibt es nicht: 20alles geht an denselben Ort; alles ist vom Staube geworden (oder: genommen), und alles kehrt zum Staube zurück. 21Wer weiß denn vom Lebensodem des Menschen, ob er aufwärts in die Luft emporsteigt, und vom Lebensodem des Tieres, ob er nach unten zur Erde hinabfährt? 22So habe ich denn eingesehen, daß es für den Menschen nichts Besseres gibt, als daß er sich freue bei seinem Tun; ja das ist sein Teil (oder: Lohn); denn wer wird ihn dahin bringen, daß er Einsicht in das gewinnt, was nach ihm sein wird?
Die Heilige Schrift, übersetzt von Hermann Menge. Neuausgabe © 1949/2003 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart. Apokryphen aus: Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments, übersetzt von Hermann Menge © 1967, Württembergischen Bibelanstalt, Stuttgart