III. Dritter Teil: Der Rettungsplan der Judith und seine Ausführung
1. Judiths Auftreten; ihre Strafrede an die Ältesten der Stadt
1Dieses vernahm damals auch Judith, die Tochter Meraris, des Sohnes des Ox, des Sohnes Josephs, des Sohnes Oziels, des Sohnes Elkias, des Sohnes des Ananias, des Sohnes Gedeons, des Sohnes Raphains, des Sohnes Ahitobs, des Sohnes des Elias, des Sohnes des Helkias, des Sohnes Eliabs, des Sohnes Nathanaels, des Sohnes Salamiels, des Sohnes Sarasadais, des Sohnes Israels. 2Ihr Gatte Manasse war aus demselben Stamm und Geschlecht gewesen wie sie, war aber in den Tagen der Gerstenernte gestorben. 3Denn als er bei dem Garbenbinder auf dem Felde stand, hatte er bei dem Glutwind einen Sonnenstich erlitten, hatte sich zu Bett legen müssen und war in seiner Vaterstadt Betylua gestorben; man hatte ihn bei seinen Vätern auf dem Felde zwischen Dothaim und Balamon begraben. 4Judith war dann als Witwe drei Jahre und vier Monate in ihrem Hause geblieben, 5hatte sich auf dem Dache ihres Hauses eine Hütte eingerichtet, sich Sacktuch um ihre Hüfte gelegt und ihre Witwenkleidung ohne Unterbrechung beibehalten. 6Sie fastete an allen Tagen ihrer Witwenschaft außer an den Tagen vor dem Sabbat und an den Sabbaten, an den Neumonden und dem Tage zuvor und an den großen Festen und den Freudentagen des Hauses Israel. 7Sie war schön von Gestalt und eine reizende Erscheinung. Ihr Gatte Manasse hatte ihr Gold und Silber, Knechte und Mägde, Vieh und Äcker hinterlassen, in deren Besitz sie geblieben war. 8Niemand konnte ihr etwas Böses nachsagen denn sie war überaus gottesfürchtig.
9Judith hatte nun die bösen Reden des Volkes gegen den Vorsteher der Stadt vernommen, weil man wegen des Wassermangels mutlos geworden war; auch die ganze Antwort hatte sie gehört, die Ozias den Leuten gegeben hatte, wie er ihnen eidlich angekündigt hatte, er wolle die Stadt den Assyrern nach fünf Tagen übergeben. 10Da sandte sie ihre Zofe, die über ihr ganzes Hauswesen gesetzt war, und ließ die drei Ältesten der Stadt, Ozias, Chabris und Charmis, zu sich rufen. 11Als sie zu ihr gekommen waren, sagte sie zu ihnen: »Hört mich an, ihr Vorsteher der Bewohner von Betylua! Nicht recht ist die Rede gewesen, die ihr heute an das Volk gerichtet habt, und nicht recht, daß ihr einen Eid zwischen Gott und euch errichtet und euch verpflichtet habt, die Stadt unsern Feinden zu übergeben, wenn der Herr sich nicht in dieser Zeit dazu hinwende, uns Hilfe zu leisten. 12Ja, wer seid ihr denn, daß ihr am heutigen Tage Gott versucht habt und an Gottes Statt inmitten der Menschenkinder auftretet? 13Ja, erforscht nur den allmächtigen Herrn, ihr werdet doch in alle Ewigkeit nichts erkennen. 14Ihr könnt ja nicht einmal die Tiefe eines Menschenherzens ergründen und dessen geheime Gedanken erfassen: wie wollt ihr da Gott, den Schöpfer dieses ganzen Weltalls, erforschen und seinen Sinn erkennen und seine Gedanken verstehen? Nein, meine Brüder! reizt den Herrn, unsern Gott, nicht zum Zorn! 15Denn wenn er uns in den fünf Tagen nicht helfen will, so hat er doch die Macht, uns zu beschützen, an welchem Tage immer er will, oder aber auch uns vor den Augen unserer Feinde zu vernichten. 16Sucht ihr aber die Ratschläge des Herrn, unseres Gottes, nicht zu erzwingen; denn Gott läßt sich nicht drohen wie ein Mensch und ist nicht schwankend in seinen Entschlüssen wie ein Menschenkind. 17Darum laßt uns die Rettung von ihm geduldig erwarten und ihn zu unserer Hilfe anrufen: er wird auf unsern Hilferuf hören, wenn es ihm gefällt. 18Denn in unseren Geschlechtern ist es weder früher vorgekommen, noch ist es heutigestags der Fall, daß ein Stamm oder eine Familie, ein Gau oder eine Stadt Götter anbetet, die von Menschenhand gemacht sind, wie dies in früheren Zeiten geschehen ist, 19wofür unsere Väter dem Schwert und der Plünderung preisgegeben und vor unsern Feinden so tief ins Unglück geschleudert worden sind. 20Wir aber kennen keinen anderen Gott als ihn; darum hoffen wir auch, daß er uns und alle zu unserm Geschlecht Gehörigen nicht unbeachtet lassen wird. 21Denn wenn unsere Stadt erobert wird, so ist es um ganz Judäa geschehen; dann wird unser Heiligtum geplündert werden, und der Herr wird uns für dessen Entweihung verantwortlich machen, 22wird den Mord unserer Brüder und die Gefangenschaft der Landesbewohner und die Verwüstung unseres Erblandes uns zur Last legen unter den Völkern, wo immer wir ihnen als Knechte dienen müssen, und wir werden ein Gegenstand der Verachtung und der Schmach für die sein, die als Herren über uns schalten; 23denn unsere Knechtschaft wird nicht zum Segen über uns ausschlagen, sondern der Herr, unser Gott, wird sie uns zur Schmach werden lassen. 24Nun also, ihr Brüder, laßt uns unsern Brüdern zeigen, daß ihr Leben von uns abhängt und daß das Heiligtum, sowohl der Tempel als auch der Altar, fest auf uns gegründet ist. 25Im Hinblick auf dies alles laßt uns dem Herrn, unserem Gott, Dank sagen, der uns jetzt versucht, wie er’s auch bei unsern Vätern getan hat. 26Denkt an alles, was er mit Abraham gemacht und wie er Isaak versucht hat und was alles dem Jakob im syrischen Mesopotamien widerfahren ist, als er die Herden seines Oheims Laban hütete. 27Denn wie er jene ernstlich geprüft hat zur Erforschung ihres Herzens, so hat er auch uns jetzt nicht gestraft; sondern zur Warnung züchtigt der Herr die, welche ihm nahen«.
2. Antwort des Ozias; Judith verspricht ihre Hilfeleistung
28Da antwortete ihr Ozias: »Alles, was du gesagt hast, hast du mit aufrichtigem Herzen geredet, und niemand wird deinen Worten widersprechen; 29denn nicht heute erst ist deine Weisheit offenkundig, sondern vom Anfang deines Lebens an hat alles Volk deine Einsicht anerkannt, wie denn ja alles, was du sinnst und denkst, vortrefflich ist. 30Aber das Volk litt gar sehr unter dem Durst und hat uns gezwungen, so zu tun, wie wir ihnen versprochen haben, und uns durch einen Eid zu binden, den wir nicht brechen werden. 31Nun aber bete für uns, denn du bist eine fromme Frau, so wird der Herr den Regen senden, der zur Füllung unserer Zisternen nötig ist, damit wir nicht länger Mangel leiden«.
32Da erwiderte ihnen Judith: »Hört mich an! Eine Tat will ich vollführen, die bei den Angehörigen unsers Volks bis zu den spätesten Geschlechtern gelangen soll. 33Steht ihr diese Nacht hindurch am Tore; ich will dann mit meiner Zofe hinausgehen, und innerhalb der Tage, nach deren Ablauf ihr die Stadt den Feinden zu übergeben gelobt habt, wird der Herr durch mein Tun Israel gnädig heimsuchen. 34Fragt nicht, was ich zu tun gedenke; denn ich werde es euch nicht sagen, bis mein Vorhaben zur Ausführung gekommen ist«. 35Da sagten Ozias und die übrigen Vorsteher zu ihr: »Gehe hin in Frieden! und Gott der Herr sei mit dir, um Rache an unseren Feinden zu nehmen!« 36Hierauf verließen sie die Hütte (auf dem Dache) und begaben sich auf ihre Posten.