9. Jesu Seepredigt in sieben Gleichnissen vom Himmelreich
a) Einleitende Bemerkungen; das Gleichnis vom Sämann und vierfachen Ackerfeld (mit Zwischenrede und Deutung)
1An jenem Tage ging Jesus von Hause weg und setzte sich am See nieder; 2und es versammelte sich eine große Volksmenge bei ihm, so daß er in ein Boot stieg und sich darin niedersetzte, während die ganze Volksmenge längs dem Ufer stand. 3Da redete er mancherlei zu ihnen in Gleichnissen mit den Worten: »Seht, der Sämann ging aus, um zu säen; 4und beim Säen fiel einiges (von dem Saatkorn) auf den Weg längshin (oder: daneben); da kamen die Vögel und fraßen es auf. 5Anderes fiel auf die felsigen Stellen, wo es nicht viel Erdreich hatte und bald aufschoß, weil es nicht tief in den Boden dringen konnte; 6als dann aber die Sonne aufgegangen war, wurde es versengt, und weil es nicht Wurzel (geschlagen) hatte, verdorrte es. 7Wieder anderes fiel unter die Dornen, und die Dornen wuchsen empor und erstickten es. 8Anderes aber fiel auf den guten Boden und brachte Frucht, das eine hundertfältig, das andere sechzigfältig, das andere dreißigfältig. 9Wer Ohren hat, der höre!«
Jesu Erklärung über den Grund und Zweck seiner Gleichnisse
10Da traten die Jünger an Jesus heran und fragten ihn: »Warum redest du in Gleichnissen (= Bilderreden) zu ihnen?« 11Er antwortete: »Euch ist es gegeben (oder: verliehen), die Geheimnisse des Himmelreichs zu erkennen, jenen aber ist es nicht gegeben. 12Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, so daß er Überfluß (oder: reichlich) hat; wer aber nicht (= so gut wie nichts) hat, dem wird auch das genommen werden, was er hat. 13Deshalb rede ich in Gleichnissen zu ihnen, weil sie mit sehenden Augen doch nicht sehen und mit hörenden Ohren doch nicht hören und nicht verstehen. 14So geht an ihnen die Weissagung Jesajas in Erfüllung (Jes 6,9-10), die da lautet: ›Ihr werdet immerfort hören und doch nicht verstehen, und ihr werdet immerfort sehen und doch nicht wahrnehmen (oder: erkennen)! 15Denn das Herz dieses Volkes ist stumpf (= unempfänglich) geworden: ihre Ohren sind schwerhörig geworden, und ihre Augen haben sie geschlossen, damit sie mit den Augen nicht sehen und mit den Ohren nicht hören und mit dem Herzen nicht zum Verständnis gelangen, und sie sich (nicht) bekehren, daß ich sie heilen könnte.‹ 16Aber eure Augen sind selig (zu preisen), weil sie sehen, und eure Ohren, weil sie hören! 17Denn wahrlich ich sage euch: Viele Propheten und Gerechte haben sehnlichst gewünscht, das zu sehen, was ihr seht, und haben es nicht gesehen, und hätten gerne das gehört, was ihr hört, und haben es nicht zu hören bekommen.«
Deutung des Gleichnisses vom Sämann
18»Ihr sollt also die Deutung des Gleichnisses vom Sämann zu hören bekommen. 19Bei jedem, der das Wort vom Reich (Gottes) hört und es nicht versteht, da kommt der Böse und reißt das aus, was in sein Herz gesät ist; bei diesem ist der Same auf den Weg längshin (oder: daneben) gefallen. 20Wo aber auf die felsigen Stellen gesät worden ist, das bedeutet einen solchen, der das Wort hört und es für den Augenblick mit Freuden annimmt; 21er hat aber keine feste Wurzel in sich, sondern ist ein Kind des Augenblicks; wenn dann Bedrängnis oder Verfolgung um des Wortes willen eintritt, wird er sogleich irre. 22Wo sodann unter die Dornen gesät worden ist, das bedeutet einen Menschen, der das Wort wohl hört, bei dem aber die weltlichen Sorgen und der Betrug des Reichtums das Wort ersticken, so daß es ohne Frucht bleibt. 23Wo aber auf den guten Boden gesät worden ist, das bedeutet einen solchen, der das Wort hört und auch versteht; dieser bringt dann auch Frucht, und der eine trägt hundertfältig, der andere sechzigfältig, der andere dreißigfältig.«
b) Das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen
24Ein anderes Gleichnis legte er ihnen so vor: »Mit dem Himmelreich verhält es sich wie mit einem Manne, der guten Samen auf seinem Acker ausgesät hatte. 25Während aber die Leute schliefen, kam sein Feind, säte Unkraut zwischen den Weizen und entfernte sich dann wieder. 26Als nun die Saat aufwuchs und Frucht ansetzte, da kam auch das Unkraut zum Vorschein. 27Da traten die Knechte zu dem Hausherrn und sagten: ›Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher hat er denn nun das Unkraut?‹ 28Er antwortete ihnen: ›Das hat ein Feind getan.‹ Die Knechte fragten ihn weiter: ›Willst du nun, daß wir hingehen und es zusammenlesen?‹ 29Doch er antwortete: ›Nein, ihr würdet sonst beim Sammeln des Unkrauts zugleich auch den Weizen ausreißen. 30Laßt beides zusammen bis zur Ernte wachsen; dann will ich zur Erntezeit den Schnittern sagen: Lest zuerst das Unkraut zusammen und bindet es in Bündel, damit man es verbrenne; den Weizen aber sammelt in meine Scheuer!‹«
c) Die zwei Gleichnisse vom Senfkorn und vom Sauerteig
31Ein anderes Gleichnis legte er ihnen so vor: »Das Himmelreich ist einem Senfkorn vergleichbar, das ein Mann nahm und auf seinen Acker säte. 32Dies ist das kleinste unter allen Samenarten; wenn es aber herangewachsen ist, dann ist es größer als die anderen Gartengewächse und wird zu einem Baum, so daß die Vögel des Himmels kommen und in seinen Zweigen nisten.« (vgl. Hes 17,23; 31,6)
33Noch ein anderes Gleichnis teilte er ihnen so mit: »Das Himmelreich gleicht dem Sauerteig, den eine Frau nahm und unter drei Scheffel Mehl mengte, bis der ganze Teig durchsäuert war.«
d) Erster Schluß der Gleichnisreden und Deutung des Gleichnisses vom Unkraut unter dem Weizen
34Dies alles redete Jesus in Gleichnissen zu den Volksscharen, und ohne Gleichnisse redete er nichts zu ihnen. 35So sollte sich das Wort des Propheten erfüllen, der da sagt (Ps 78,2): »Ich will meinen Mund zu Gleichnissen auftun, ich will aussprechen, was seit Grundlegung der Welt verborgen gewesen ist.«
36Hierauf entließ er die Volksmenge und begab sich in seine Wohnung. Da traten seine Jünger zu ihm und baten ihn: »Erkläre uns das Gleichnis vom Unkraut auf dem Acker!« 37Er antwortete: »Der Mann, der den guten Samen sät, ist der Menschensohn; 38der Acker ist die Welt; die gute Saat, das sind die Söhne (= Angehörigen) des Reiches; das Unkraut dagegen sind die Söhne (= Angehörigen) des Bösen; 39der Feind ferner, der das Unkraut gesät hat, ist der Teufel; die Ernte ist das Ende dieser Weltzeit, und die Schnitter sind Engel. 40Wie nun das Unkraut gesammelt und im Feuer verbrannt wird, so wird es auch am Ende der Weltzeit der Fall sein: 41Der Menschensohn wird seine Engel aussenden; die werden aus seinem Reich alle Ärgernisse (d. h. Verführer) und alle die sammeln, welche die Gesetzlosigkeit üben, 42und werden sie in den Feuerofen werfen: dort wird lautes Weinen und Zähneknirschen sein. 43Alsdann werden die Gerechten im Reich ihres Vaters wie die Sonne leuchten (vgl. Dan 12,3). Wer Ohren hat, der höre!«
e) Die drei letzten Gleichnisse (Schatz im Acker; kostbare Perle; Fischnetz); Abschluß der Gleichnisrede
44»Das Himmelreich ist einem im Acker vergrabenen Schatz gleich; den fand ein Mann und vergrub ihn (wieder); alsdann ging er in seiner Freude hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte jenen Acker.
45Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der wertvolle Perlen suchte; 46und als er eine besonders kostbare Perle gefunden hatte, ging er heim, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte sie.
47Weiter ist das Himmelreich einem Schleppnetz gleich, das ins Meer ausgeworfen wurde und in welchem sich Fische jeder Art in Menge fingen. 48Als es ganz gefüllt war, zog man es an den Strand, setzte sich nieder und sammelte das Gute (= die guten Fische) in Gefäße, das Faule (= die unbrauchbaren) aber warf man weg. 49So wird es auch am Ende der Weltzeit zugehen: Die Engel werden ausgehen und die Bösen aus der Mitte der Gerechten absondern 50und sie in den Feuerofen werfen: dort wird lautes Weinen und Zähneknirschen sein.«
51»Habt ihr dies alles verstanden?« Sie antworteten ihm: »Ja.« 52Da sagte er zu ihnen: »Deshalb ist jeder Schriftgelehrte (oder: Lehrer), der in der Schule des Himmelreichs ausgebildet ist, einem Hausherrn gleich, der aus seinem Schatze (oder: reichen Vorrat) Neues und Altes hervorholt (oder: austeilt).«
10. Verwerfung und Mißerfolg Jesu in seiner Vaterstadt Nazareth
53Als Jesus nun diese Gleichnisse beendigt hatte, brach er von dort auf; 54und als er in seine Vaterstadt (Nazareth) gekommen war, machte er in ihrer Synagoge durch seine Lehre solchen Eindruck auf sie, daß sie in Erstaunen gerieten und fragten: »Woher hat dieser solche Weisheit und die Machttaten (oder: Wunderkräfte)? 55Ist dieser nicht der Sohn des Zimmermanns? Heißt seine Mutter nicht Maria, und sind nicht Jakobus und Joseph, Simon und Judas seine Brüder? 56Wohnen nicht auch seine Schwestern alle hier bei uns? Woher hat dieser also dies alles?« 57So nahmen sie Anstoß (oder: wurden sie irre) an ihm. Jesus aber sagte zu ihnen: »Ein Prophet gilt nirgends weniger als in seiner Vaterstadt und in seiner Familie.« 58So tat er denn dort infolge ihres Unglaubens nicht viele Wunder.