9. Die Ölbergrede Jesu an seine Jünger von der Zerstörung des Tempels, vom Ende dieser Weltzeit, von seiner Wiederkunft und vom Gericht über die Völker
a) Einleitung: Anlaß der Rede (mit Ankündigung der Zerstörung des Tempels)
1Jesus verließ dann den Tempel und wollte weitergehen; da traten seine Jünger zu ihm heran, um ihn auf den Prachtbau des Tempels aufmerksam zu machen. 2Er aber antwortete ihnen mit den Worten: »Ja, jetzt seht ihr dies alles noch. Wahrlich ich sage euch: Es wird hier kein Stein auf dem andern bleiben, der nicht niedergerissen wird!«
3Als er sich dann auf dem Ölberg niedergesetzt hatte, traten die Jünger, als sie für sich allein waren, an ihn mit der Bitte heran: »Sage uns doch: wann wird dies geschehen? Und welches ist das Zeichen deiner Ankunft (bzw. Wiederkunft) und der Vollendung (= des Endes) der Weltzeit?«
b) Das Ende dieser Weltzeit
aa) Die ersten Vorzeichen
4Jesus antwortete ihnen: »Sehet euch vor, daß niemand euch irreführe! 5Denn viele werden unter meinem Namen kommen und behaupten: ›Ich bin der (wiederkehrende) Christus‹, und werden viele irreführen. 6Ihr werdet ferner von Kriegen und Kriegsgerüchten hören: gebt acht, laßt euch dadurch nicht erschrecken! Denn das muß so kommen, ist aber noch nicht das Ende. 7Denn ein Volk wird sich gegen das andere erheben und ein Reich gegen das andere (Jes 19,2); auch Hungersnöte werden eintreten und Erdbeben hier und da stattfinden; 8dies alles ist aber erst der Anfang der Wehen (d. h. der Nöte oder: der Leiden).«
bb) Die Jüngerverfolgungen
9»Hierauf wird man schwere Drangsale über euch bringen und euch töten, und ihr werdet allen Völkern um meines Namens willen verhaßt sein. 10Alsdann werden viele Anstoß nehmen (d. h. am wahren Glauben irre werden) und sich einander ausliefern (= verraten) und einander hassen. 11Auch falsche Propheten werden in großer Zahl auftreten und viele irreführen; 12und weil die Gesetzlosigkeit überhand nimmt, wird die Liebe in den meisten erkalten; 13wer jedoch bis ans Ende ausharrt, der wird gerettet werden. 14Und diese Heilsbotschaft vom Reich wird auf dem ganzen Erdkreis allen Völkern zum Zeugnis gepredigt werden, und dann wird das Ende kommen.«
cc) Der Höhepunkt der Drangsal in Judäa
15»Wenn ihr nun den Greuel der Verwüstung (= Entweihung), der vom Propheten Daniel angesagt worden ist (Dan 9,27; 11,31; 12,11), an heiliger Stätte stehen seht – der Leser merke auf! –, 16dann sollen die (Gläubigen), die in Judäa sind, ins Gebirge fliehen! 17Wer sich alsdann auf dem Dache befindet, steige nicht erst noch hinab (ins Haus), um seine Habseligkeiten aus dem Hause zu holen; 18und wer auf dem Felde weilt, kehre nicht zurück, um sich noch seinen Mantel zu holen. 19Wehe aber den Frauen, die guter Hoffnung sind, und denen, die ein Kind in jenen Tagen zu nähren haben! 20Betet nur, daß eure Flucht nicht in den Winter (vgl. Joh 10,22) oder auf den Sabbat falle! 21Denn es wird alsdann eine schlimme Drangsalszeit eintreten, wie noch keine seit Anfang der Welt bis jetzt dagewesen ist und wie auch keine wieder kommen wird (Dan 12,1); 22und wenn jene Tage nicht verkürzt würden, so würde kein Fleisch (= Mensch) gerettet werden; aber um der Auserwählten willen werden jene Tage verkürzt werden.«
dd) Weissagung der falschen Propheten
23»Wenn dann jemand zu euch sagt: ›Seht, hier ist Christus (= der Messias; vgl. 1,16)!‹ oder: ›Dort (ist er)!‹, so glaubt es nicht! 24Denn es werden falsche Christusse (oder: Messiasse) und falsche Propheten auftreten und werden große Zeichen und Wunder verrichten, um womöglich auch die Auserwählten irrezuführen. 25Seht, ich habe es euch vorhergesagt. Wenn man also zu euch sagt: 26›Seht, er (d. h. Christus) ist in der Wüste!‹, so geht nicht hinaus; und (sagt man:) ›Seht, er ist in den Gemächern (dieses oder jenes Hauses)!‹, so glaubt es nicht! 27Denn wie der Blitz vom Osten ausgeht und bis zum Westen leuchtet, so wird es auch mit der Ankunft (= Wiederkunft) des Menschensohnes sein; 28denn wo das Aas (= ein verendetes Tier) liegt, da sammeln sich die Geier.« (Lk 17,37; Hiob 39,30)
c) Die letzten Vorzeichen und die Wiederkunft des Menschensohnes mit ihren Begleiterscheinungen
29»Sogleich aber nach jener Drangsalszeit wird die Sonne sich verfinstern und der Mond seinen Schein verlieren (Jes 13,10); die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte des Himmels in Erschütterung geraten (Jes 34,4). 30Und dann wird das Zeichen des Menschensohnes am Himmel erscheinen, und dann werden alle Geschlechter (oder: Völker) der Erde wehklagen und werden den Menschensohn auf den Wolken des Himmels mit großer Macht und Herrlichkeit kommen sehen (Sach 12,10-12; Dan 7,13-14). 31Und er wird seine Engel unter lautem Posaunenschall aussenden, und sie werden seine Auserwählten von den vier Windrichtungen her versammeln, von dem einen Himmelsende bis zum andern (Sach 2,6).
32Vom Feigenbaum aber mögt ihr das Gleichnis lernen (= entnehmen): Sobald seine Zweige saftig werden und Blätter hervorwachsen, so erkennt ihr daran, daß der Sommer nahe ist. 33So auch ihr: wenn ihr dies alles seht, so erkennet daran, daß es (oder: er, d. h. der Menschensohn) nahe vor der Tür steht. 34Wahrlich ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis dies alles geschieht. 35Himmel und Erde werden vergehen, meine Worte aber werden nimmermehr vergehen. 36Von jenem Tage aber und von jener Stunde hat niemand Kenntnis, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern ganz allein der Vater. 37Denn wie es einst mit den Tagen Noahs gewesen ist, so wird es auch mit der Wiederkunft des Menschensohnes sein. 38Denn wie sie es in den Tagen vor der Sintflut gehalten haben: sie aßen und tranken, sie heirateten und verheirateten (ihre Töchter) bis zu dem Tage, als Noah in die Arche ging, 39und wie sie nichts merkten, bis die Sintflut kam und alle hinwegraffte, ebenso wird es auch mit der Zeit der Ankunft (= Wiederkunft) des Menschensohnes der Fall sein. 40Da werden zwei (Männer zusammen) auf dem Felde sein: der eine wird angenommen (oder: mitgenommen), der andere zurückgelassen; 41zwei (Frauen) werden (zusammen) an der Handmühle mahlen: die eine wird angenommen (oder: mitgenommen), die andere zurückgelassen.«
d) Schlußermahnung an die Jünger zur Wachsamkeit und zur Bereitschaft auf das Gericht
aa) Mahnung zur Wachsamkeit im allgemeinen
42»Seid also wachsam, denn ihr wißt nicht, an welchem Tage der Herr kommt. 43Das aber seht ihr ein: Wenn der Hausherr wüßte, in welcher Stunde der Nacht (14,25) der Dieb kommt, so würde er wach bleiben und keinen Einbruch in sein Haus zulassen. 44Deshalb haltet auch ihr euch bereit; denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, wo ihr es nicht vermutet.«
bb) Gleichnis vom treuen und vom untreuen Knecht
45»Wer ist demnach der treue und kluge Knecht, den sein Herr über seine Dienerschaft gesetzt hat, damit er ihnen die Speise (= Kost) zu rechter Zeit gebe? 46Selig ist ein solcher Knecht (zu preisen), den sein Herr bei seiner Rückkehr in solcher Tätigkeit antrifft. 47Wahrlich ich sage euch: Er wird ihn über seine sämtlichen Güter setzen. 48Wenn aber ein solcher Knecht schlecht ist und in seinem Herzen denkt: ›Mein Herr kommt noch lange nicht!‹, 49und wenn er seine Mitknechte zu schlagen beginnt und mit den Trunkenen ißt und trinkt, 50so wird der Herr eines solchen Knechts an einem Tage kommen, an dem er es nicht erwartet, und zu einer Stunde, die er nicht kennt, 51und er wird ihn zerhauen lassen und ihm seinen Platz (oder: sein gebührendes Teil) bei den Heuchlern anweisen: dort wird lautes Weinen und Zähneknirschen sein.«