4. Wendung des Gerichts zum Heil Israels
a) Der größere Teil der Juden ist zwar verstockt und von Gott verstoßen, aber schon jetzt ist ein kleiner Teil durch Gottes Gnade zum Heil bestimmt
1So frage ich nun: Hat Gott sein Volk etwa verstoßen? (Ps 94,14) Keineswegs! Ich bin doch auch ein Israelit, aus Abrahams Nachkommenschaft, aus dem Stamme Benjamin. 2Nein, Gott hat sein Volk, das er zuvor ersehen (= sich von Anfang an zum Eigentum erwählt) hat, nicht verstoßen. Oder wißt ihr nicht, was die Schrift bei (der Erzählung von) Elia sagt, als dieser vor Gott gegen Israel mit der Klage auftritt (1. Kön 19,10.14): 3»Herr, deine Propheten haben sie getötet, deine Altäre niedergerissen; ich bin allein übriggeblieben, und nun trachten sie mir nach dem Leben«? 4Aber wie lautet da die göttliche Antwort an ihn? »Ich habe mir noch siebentausend Männer übrigbehalten, die ihre Knie vor Baal nicht gebeugt haben.« (1. Kön 19,18) 5Ebenso ist nun auch in unserer Zeit ein Rest nach der göttlichen Gnadenauswahl vorhanden. 6Ist er aber durch Gnade (ausgesondert), so ist er es nicht mehr aufgrund von Werken; sonst würde ja die Gnade keine Gnade mehr sein.
7Wie steht es also? Was Israel erstrebt, das hat es (in seiner Gesamtheit) nicht erreicht; der auserwählte Teil aber hat es erreicht; die übrigen dagegen sind verstockt worden, 8wie geschrieben steht (Jes 29,10; 5. Mose 29,3): »Gott hat ihnen den Geist der Betäubung (= Unempfänglichkeit) gegeben, Augen des Nichtsehens (= um nicht zu sehen) und Ohren des Nichthörens (= um nicht zu hören), bis auf den heutigen Tag.« 9Und David sagt (Ps 69,23-24): »Möge ihr Tisch ihnen zur Schlinge und zum Fangnetz werden, zum Fallstrick und zur Vergeltung! 10Ihre Augen sollen verfinstert werden, damit sie nicht sehen, und den Rücken beuge ihnen für immer!«
b) Die göttliche Heilsabsicht bei der Berufung der Heiden war die, den Unglauben der Juden durch Reizung zur Nacheiferung zu besiegen; ihre Verwerfung ist nicht endgültig
11So frage ich nun: Sind sie etwa deshalb gestrauchelt, damit sie zu Fall kommen (= ins Verderben fallen) sollten? Keineswegs! Vielmehr ist infolge ihrer Verfehlung das Heil den Heiden zuteil geworden; das soll sie (d. h. die Juden) wiederum zur Nacheiferung reizen. 12Wenn aber schon ihre Verfehlung ein reicher Segen für die Menschheit und ihr Zurückbleiben ein reicher Segen für die Heiden geworden ist, um wieviel segensreicher wird (dann erst) ihre Vollzahl (oder: ihr vollzähliges Eingehen) sein!
13Euch Heiden(christen) aber sage ich: Gerade weil ich Heidenapostel bin, tue ich meinem Dienst um so größere Ehre an, 14(wenn ich bemüht bin) ob ich vielleicht meine Volksgenossen zur Nacheiferung zu reizen und (wenigstens) einige von ihnen zu retten vermag. 15Denn wenn schon ihre Verwerfung zur Versöhnung der Welt geführt hat, was wird da ihre Annahme anderes sein als Leben aus den Toten? 16Wenn aber das Erstlingsbrot (d. h. die Erstlingsgabe vom Teig) heilig ist (4. Mose 15,19-21), so ist es auch die (ganze übrige) Teigmasse; und wenn die Wurzel heilig ist, so sind es auch die Zweige.
17Wenn nun aber einige von den Zweigen herausgebrochen worden sind und du, der du ein wilder Ölbaum(zweig) warst, unter sie eingepfropft worden bist und dadurch Anteil an der Wurzel, die dem Ölbaum die Fettigkeit schafft, erhalten hast, 18so rühme (oder: überhebe) dich deswegen nicht gegen die (anderen) Zweige! Tust du es dennoch (so bedenke wohl): nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich. 19Du wirst nun einwenden: »Es sind ja doch Zweige ausgebrochen worden, weil ich eingepfropft werden sollte.« 20Ganz recht! Infolge ihres Unglaubens sind sie ausgebrochen worden, und du stehst infolge deines Glaubens (an ihrer Stelle). Sei nicht hochmütig, sondern sei auf deiner Hut! 21Denn wenn Gott die natürlichen Zweige nicht verschont hat, so wird er auch dich nicht verschonen. 22Darum beachte wohl die Güte, aber auch die Strenge Gottes: seine Strenge gegen die Gefallenen, dagegen die Güte Gottes gegen dich, vorausgesetzt daß du bei der (dir widerfahrenen) Güte verbleibst; denn sonst wirst auch du (aus dem Ölbaum) wieder herausgeschnitten werden, 23während umgekehrt jene, wenn sie nicht im Unglauben verharren, wieder eingepfropft werden; Gott hat ja die Macht (oder: das Recht) dazu, sie wieder einzupfropfen. 24Denn wenn du aus dem wilden Ölbaum, dem du von Haus aus angehörst, herausgeschnitten und gegen die Natur in den edlen Ölbaum eingepfropft worden bist: wieviel eher werden diese, die von Natur dahin gehören, ihrem ursprünglichen Ölbaum (wieder) eingepfropft werden!
c) Der ganze Rest vom Volke Israel wird schließlich nach Bekehrung der Heidenauswahl zum Glauben gelangen, und alles wird zur Rechtfertigung und Verherrlichung Gottes gereichen
25Ich will euch nämlich, meine Brüder, über dieses Geheimnis nicht in Unkenntnis lassen, damit ihr nicht in vermeintlicher Klugheit auf eigene Gedanken verfallt: Verstockung ist über einen Teil der Israeliten gekommen bis zu der Zeit, da die Vollzahl der Heiden (in die Gemeinde Gottes) eingegangen sein wird; 26und auf diese Weise wird Israel in seiner Gesamtheit gerettet werden, wie geschrieben steht (Jes 59,20-21; 27,9): »Aus Zion wird der Retter (oder: Erlöser) kommen; er wird Jakob von allem gottlosen Wesen frei machen; 27und darin wird sich ihnen der von mir herbeigeführte Bund zeigen, wenn ich ihre Sünden wegnehme (oder: tilge).« 28So sind sie im Hinblick auf die Heilsbotschaft zwar Feinde (Gottes) um euretwillen, aber im Hinblick auf die Erwählung sind sie Geliebte (Gottes) um der Väter willen; 29denn unwiderruflich sind die Gnadengaben (oder: Gnadenverheißungen) und die Berufung Gottes. 30Denn wie ihr einst ungehorsam gegen Gott gewesen seid, jetzt aber infolge des Ungehorsams dieser Erbarmen erlangt habt, 31ebenso sind wiederum diese jetzt ungehorsam geworden, um durch das euch gewährte Erbarmen (dereinst) ebenfalls Barmherzigkeit zu erlangen. 32Denn Gott hat alle zusammen in Ungehorsam verschlossen, um allen Erbarmen widerfahren zu lassen.
33O welch eine Tiefe des Reichtums (= der Gnadenfülle) und der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind seine Gerichte (oder: Urteile) und unerforschlich seine Wege! 34»Denn wer hat den Sinn (= die Gedanken) des Herrn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen?« (Jes 40,13) 35Oder »wer hat ihm zuerst etwas gegeben, wofür ihm Vergeltung zuteil werden müßte?« (Hiob 41,2; Jer 23,18) 36Denn von ihm und durch ihn und zu ihm (oder: für ihn) sind alle Dinge: ihm gebührt die Ehre in Ewigkeit! Amen.