Weisheit 2
1Sie sagen nämlich bei sich selbst (oder zueinander), indem sie verkehrt urteilen: »Kurz und mühselig ist unser Leben; wenn es mit dem Menschen zu Ende geht, gibt es kein Heilmittel, und bekannt ist uns keiner, der aus der Unterwelt gerettet hätte. 2Denn durch Zufall sind wir entstanden, und nachher werden wir sein, als wären wir nie dagewesen; denn Dunst ist der Odem in unserer Nase und das Denken nur ein Funke, der durch die Bewegung unseres Herzens entsteht; 3erlischt dieser Funke, so wird der Leib zu Asche, und der Geist verfliegt wie dünne Luft. 4Selbst unser Name gerät mit der Zeit in Vergessenheit, und niemand gedenkt mehr unserer Taten; unser Leben geht vorüber wie die Spur einer Wolke und wird verweht wie Nebel, den die Strahlen der Sonne verscheuchen und den ihre Wärme zum Sinken bringt. 5Ein Schatten, der vorüberzieht, das ist unser Leben, und eine Wiederkehr unseres Endes gibt es nicht; denn fest versiegelt ist’s, und zurück kommt keiner«.
Die Genußsucht der Gottlosen und ihr Haß gegen die Gerechten (V. 6-20)
6»So kommt denn und laßt uns die Güter genießen, die uns zu Gebote stehen, und laßt uns eifrig die Welt ausnützen, da wir noch jung sind! 7Mit kostbarem Wein und mit Salben wollen wir uns reichlich bedenken, und keine Frühlingsblume soll ungepflückt bleiben; 8mit Rosenknospen wollen wir uns bekränzen, ehe sie verblühen, [keine Aue soll es geben, die wir nicht schwelgend durchstreifen]! 9Keiner von uns halte sich fern von unserem Wohlleben; überall sollen die Spuren unseres Frohsinns zurückbleiben; denn das ist unser Teil und unser Los. 10Laßt uns gegen den armen Gerechten gewalttätig vorgehen, gegen keine Witwe Schonung üben und dem grauen Haar des hochbetagten Greises keine Achtung beweisen! 11Nein, unsere Kraft soll der Maßstab für unser Rechtsverfahren sein, denn was schwach ist, erweist sich als wertlos. 12Dem Gerechten wollen wir aufsässig sein, weil er uns unbequem ist und unserm Tun entgegentritt, weil er uns Übertretungen des Gesetzes vorhält und uns Verfehlungen gegen die Zucht zum Vorwurf macht. 13Er rühmt sich, Gotteserkenntnis zu besitzen, und nennt sich selbst einen Gottesknecht. 14Er ist für uns eine beständige Anklage unserer Denkweise geworden, lästig ist er uns schon durch seinen Anblick; 15denn seine Lebensweise weicht von der aller anderen ab, und sein ganzes Verhalten ist völlig verschieden. 16Wir gelten ihm als falsche Münze, und er hält sich fern von unserm Tun und Lassen wie von Schmutz. Er preist das Endlos der Gerechten glücklich und prahlt mit Gott als seinem Vater. 17Nun, wir wollen sehen, ob er mit seinen Worten recht hat, und wollen abwarten, wie sein Ausgang sich gestalten wird. 18Denn ist der Gerechte wirklich ein Kind Gottes, so wird der ihm Beistand leisten und ihn aus der Gewalt seiner Widersacher erretten. 19Mit Hohn und Mißhandlung wollen wir ihn auf die Probe stellen, um seine Sanftmut kennen zu lernen und seine Standhaftigkeit in Leiden zu prüfen; 20zu schmachvollem Tode wollen wir ihn verurteilen, denn Rettung wird ihm ja, wie er behauptet, zuteil werden«.
3. Das Tun und das Los der Gottlosen im Gegensatz zu den Gerechten in Zeit und Ewigkeit
a) Übergang (2,21-24)
21So denken sie und gehen daher irre, denn ihre Bosheit macht sie blind; 22sie haben keine Kenntnis von Gottes Geheimnissen (= geheimen Ratschlüssen), haben keine Hoffnung auf einen Lohn für die Frömmigkeit und wollen nichts wissen von einem Ehrenpreis für unsträfliche Seelen. 23Denn Gott hat den Menschen zur Unvergänglichkeit geschaffen und ihn zum Abbild seines eigenen Wesens gemacht; 24aber durch den Neid des Teufels ist der Tod in die Welt gekommen, den die zu schmecken bekommen, welche jenem (d. h. dem Teufel) angehören.
Die Heilige Schrift, übersetzt von Hermann Menge. Neuausgabe © 1949/2003 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart. Apokryphen aus: Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments, übersetzt von Hermann Menge © 1967, Württembergischen Bibelanstalt, Stuttgart