Ist die Bibel noch aktuell?
Die Bibel ist ein ganz besonderes Buch. Wer sie aufschlägt, sieht sich Texten gegenüber, die bereits vor tausenden von Jahren aufgeschrieben wurden. Doch die Fragen, die damals die Menschen bewegten, sind noch die gleichen wie heute geblieben. In der Bibel begegnen uns Menschen, die ähnlich empfunden haben wie wir heute: Sie erleben Freude und Leid, Hoffnung und Enttäuschung, großes Vertrauen und quälende Zweifel. Sie fragen nach Herkunft von Unrecht, Leid und Tod und nach den eigenen Grenzen. Sie suchen nach dem Ziel im Leben und stehen staunend vor den Wundern unserer Welt. Ja, die Bibel ist aktuell damals, heute und morgen.
Wie aktuell ist die Bibel?
Viele Leute denken: »Die Bibel ist ein uraltes Buch. Was geht sie uns heute noch an?«. Es stimmt, die Texte der Bibel sind 2.000 bis 3.000 Jahre alt! Und die Wurzeln dieser Geschichten, Lieder und Gebete reichen sogar noch viel weiter in die Vergangenheit zurück.
Und doch ist die Bibel keineswegs veraltet. Bis heute ist sie ein »Bestseller« auf dem Buchmarkt. Sie wurde in mehr Sprachen übersetzt als irgendein anderes Werk der Weltliteratur. Und nach wie vor fasziniert sie Menschen – überall auf der Welt. Denn die entscheidenden Fragen, die uns bewegen, sind über die Jahrtausende hin dieselben geblieben.
Die Geschichte Gottes mit diesen Menschen – das ist das Thema der Bibel. Und was Gott für sie damals war, das will und kann er auch für uns heute sein, wenn wir uns auf ihn einlassen: ein fester Halt und die Mitte unseres Lebens. Die Bibel kann uns helfen, Gottes Spuren in unserem eigenen Leben zu entdecken. Sie kann für uns zu einem Lebensbuch werden, zum Buch der Bücher, in dem wir – wie die Menschen von damals – Gott begegnen.
Beten in der Bibel
Die meisten Menschen beten, oft erst in Zeiten der Not, auch wenn viele den Wert des Gebets erkennen. Denn Gebet ist mehr als eine religiöse Pflicht, sondern ein wesentlicher Bestandteil des Lebens, eine Beziehung zu Gott. Die Bibel zeigt, dass alle bedeutenden Figuren, von Abraham bis Jesus, durch Gebet mit Gott verbunden waren. Gebete können unterschiedliche Formen haben, aber das Kernstück ist der Dialog mit Gott, in dem wir Trost, Ermutigung und Liebe finden können. In Momenten der Sprachlosigkeit können uns biblische Gebete Orientierung geben.
Das Vaterunser
»Herr, sag uns doch, wie wir beten sollen«, sagten die Jünger (Lukas 11,1). Jesus gab ihnen darauf das Vaterunser (Matthäus 6,9-13; Lukas 11,2-4), nicht nur zum Nachsprechen, sondern auch als »Muster« für ein eigenes, freies Beten. In sieben Bitten ist dieses große Gebet aufgeteilt:
- In den ersten drei geht es um Gottes Ehre: »Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe …«
- In den nächsten drei um unsere Nöte: »Gib uns … Vergib uns … Erlöse uns …«
- Am Schluss geht es wieder um Gottes Ehre: »Dein ist das Reich …«
Das ist der weite Horizont, in den Jesus unser Beten stellt. Es wäre so nahe liegend, mit uns selbst und unseren Bedürfnissen zu beginnen. Jesus empfiehlt uns jedoch, mit Gott und seiner Ehre anzufangen.
Gott weiß, schon bevor wir ihn bitten, was wir brauchen, und schenkt es uns (Matthäus 6,32-33).
Beten ist daher viel mehr als die Bitte um Hilfe. Im Gebet machen wir Gottes Anliegen zu unseren und erhalten von ihm selbst die Kraft, in dieser Welt für sein Reich einzutreten.
Die Psalmen
Der Psalter war durch die Jahrhunderte hindurch das Gebetbuch Israels und aller christlichen Kirchen und ist es bis heute. Die Psalmen zeigen uns, wie man mit Gott reden kann. In ihnen wird all das ausgesprochen, was uns beschäftigt, bedrängt oder froh macht. Viele Psalmen kann man unmittelbar mit- und nachbeten. Versuchen Sie es z.B. in Zeiten großen Leids mit einem Klage-Psalm wie etwa Psalm 13. Er wird Ihnen helfen, die Sprachlosigkeit zu überwinden und aus der Fixierung auf den Schmerz herauszufinden – hin zu neuer Zuversicht und zum Vertrauen auf Gott. Ermutigung zum Gottvertrauen gerade in den dunklen Zeiten des Lebens haben Menschen aller Zeiten auch aus Psalm 23 erfahren, der Gott als den guten Hirten preist, der sich um seine Herde kümmert.
Grausamkeiten im Alten Testament
Manche Geschichten des Alten Testaments erschrecken uns, weil das Handeln der Menschen darin grausam ist und auch das Handeln Gottes grausam erscheint. Doch deshalb sollte man das Alte Testament nicht vorschnell beiseitelegen. Denn gerade weil es realistisch ist, ist es so gewinnbringend zu lesen. Menschen können grausam sein. Und Gott wird geschildert als ein Gott mit Gefühlen, als einer, der seine Menschen liebt und deshalb über ihr Verhalten manchmal zornig wird. Er straft die Schuldigen, aber er schenkt ihnen auch das Leben immer wieder neu.
In der Geschichte von der Sintflut beispielsweise wird das Leben auf der Erde ausgelöscht, weil die Menschen »durch und durch böse« sind (1 Mose/Genesis 6,5). Aber es wird nicht gänzlich vernichtet, und am Ende verspricht Gott, dass er die Erde nie wieder so bestrafen wird. Das Leben auf der Erde soll für immer bestehen bleiben, obwohl die Menschen sich nicht geändert haben (1 Mose/Genesis 8,21-22). Gott erträgt und trägt die Menschheit in Zukunft so, wie sie ist.
Die Gebote, die Gott den Menschen gibt, sollen nicht zuletzt die Menschen vor ihrer eigenen Grausamkeit schützen. Das viel zitierte und missbrauchte »Auge um Auge, Zahn um Zahn« (2 Mose/Exodus 21,23-25) war zur Zeit des Alten Testaments eine sehr humane Regelung: Sie sollte die sich endlos steigernde Spirale der damals üblichen Blutrache begrenzen. Ähnlich hat auch manches andere, was uns heute im Alten Testament befremdet (z.B. Tieropfer), seine Ursache darin, dass die Texte aus einer anderen Zeit und Kultur stammen, in der diese Dinge als völlig normal galten.
Von seinem auserwählten Volk fordert Gott Gehorsam und bestraft es hart, wenn es nicht nach seinen Gesetzten lebte und andere Götter verehrte. Trotzdem hat er seine Fürsorge für Israel nie aufgegeben. Er verspricht, ihm immer beizustehen, sooft es auch den Bund mit ihm schon gebrochen hat.
Über einigen erschreckenden Geschichten, die Gott als harten Herrscher und strafenden Richter zeigen, wird oft vergessen, in welchem Maß gerade das Alte Testament Gott als Liebenden darstellt. Er ist der gute Hirte, bei dem die Menschen sich geborgen fühlen können (Psalm 23). Er liebt sein Volk so sehr, dass er diese Liebe nicht einmal aufgibt, als er wie ein betrogener Liebhaber dasteht, weil sein Volk immer wieder anderen Göttern nachläuft (Hosea). Nach jeder Strafe wird er es auch wieder trösten (Jesaja 40,1). Er kann es noch viel weniger verlassen als eine Mutter ihren Säugling (Jesaja 49,15-19).
Anstößig bleibt, dass Menschen und Völker, die Israels Feinde sind, oft grausam behandelt werden. Dazu muss man wissen, in welchen Situationen solche Texte entstanden sind: Oft waren es gerade Zeiten der äußersten Bedrückung, in denen Israel gar nicht die Möglichkeit hatte, grausam zu handeln, so dass die Texte eher Aufschreie der Entrechteten als Erzählung historischer Fakten sind. Mit seiner Aufforderung zur Feindesliebe (Matthäus 5,43-48) hat der Jude Jesus den Menschen einen ganz anderen Weg gewiesen.