Einführung: Das Hohelied
Das Hohelied ist eine Sammlung von Liebes- und Hochzeitsliedern, die im Zeitraum von 300–200 v. Chr. entstanden ist. Die Sammlung ist mit »Lied der Lieder« überschrieben, das bedeutet »das schönste Lied«. Es wird mit König Salomo in Verbindung gebracht, der in Israel als Spruch- und Liederdichter hoch angesehen war (vgl. 1. Könige 5,12). Wahrscheinlich ist die Sammlung in Jerusalem entstanden, da in ihr wiederholt von den Töchtern Jerusalems die Rede ist (1,5; 2,7; 3,5; 5,8; 5,16; 8,4).
Das Hohelied ist als Dialog zwischen Frau und Mann komponiert. Die einzelnen Lieder reihen sich aneinander wie Perlen auf einer Schnur. In rascher Folge wechseln die Szenen: Mal ist der Königspalast, mal der Weinberg, die Stadt, der Garten oder das Weideland Schauplatz für das Gespräch der Liebenden. Das Thema der Liebe wird in seiner ganzen Breite entfaltet. Es geht um Träume, Hoffnungen, Sehnsucht und Erfüllung, aber auch um Ängste, Enttäuschung und Liebeskummer. Durch zahlreiche Naturvergleiche und erotische Andeutungen werden alle Sinne angesprochen: Sehen, Hören, Tasten, Riechen und Schmecken.
Die meisten Lieder haben ihren Ursprung in Volksliedern und teilen ihre Motive und Bilder mit anderen Dichtungen der orientalischen Welt. In der Sammlung finden sich Sehnsuchtslieder (1,2-4; 8,1-4), Bewunderungslieder (1,9-11; 4,8-11) und Prahllieder (6,8-10; 8,11-12). Besonders eindrucksvoll sind die aus dem Alten Orient bekannten Beschreibungslieder. Sie preisen die körperlichen Vorzüge der Freundin oder des Freundes. Dabei stammen die poetischen Vergleiche aus der Tier- und Pflanzenwelt (4,1-7; 5,10-16) oder aus dem Kunsthandwerk (7,2-6). Das Motiv der Türklage, das auch in ägyptischen Liebesliedern begegnet, handelt davon, dass der Freund (vielleicht vergeblich) vor dem Haus seiner Geliebten wartet (2,10-14).
Mit der Aufnahme der Liebeslieder in die Heilige Schrift wurde das Hohelied in den Zusammenhang der Geschichte Gottes mit den Menschen gestellt. Daraus ergaben sich neue Lese- und Deutungsmöglichkeiten. Bereits das frühe Judentum bezog das Hohelied auf die Liebe zwischen Gott und Israel als seinem erwählten Volk. Im Christentum deutete man es auf die Beziehung zwischen Christus und der Kirche als seiner erwählten Braut.
Häufig wird vom Hohelied eine Verbindungslinie ins Neue Testament gezogen und auf 1. Korinther 12,31–13,13 verwiesen. Dieser Text von Paulus trägt in den meisten Bibelübersetzungen – und so auch in der BasisBibel – die Überschrift »Das Hohelied der Liebe«.