Deutsche Bibelgesellschaft

Älteste (AT)

(erstellt: Mai 2008)

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1. Einführung

Das Eigenschaftswort „alt“ bezeichnet im Biblischhebräischen (זקן zāqen) – wie in einigen anderen Sprachen – Amtsträger, die im Deutschen „Älteste“ genannt werden. Ob allerdings mit diesem Wort ein hohes Lebensalter (Gen 18,12), eine hohe Lebens- (2Sam 12,17) bzw. Berufserfahrung (2Kön 19,2) oder aber das politisch bedeutsame Ältestenamt gemeint ist, ergibt sich in der Regel nur aus dem Zusammenhang. Für die Entscheidung ist die Tatsache hilfreich, dass die Ältesten als Amtsträger fast ausschließlich im Plural (זקנים zəqenîm) vorkommen (s.u. 2.3.).

Für das Amt der Ältesten finden sich im Alten Testament mindestens 75 Belegstellen. Sie erlauben es, auch wenn einige Fragen offen bleiben müssen, sowohl das Profil als auch die Geschichte dieses Amtes nachzuzeichnen, und bieten zugleich interessante Informationen darüber, wie das gesellschaftliche Leben im alttestamentlichen Israel funktionierte.

2. Das Amtsprofil der Ältesten

2.1. Das Alter als persönliche Qualifikation

Das Alte Testament schweigt darüber, aufgrund welcher Voraussetzungen und auf welche Weise jemand Ältester wurde.

Gern wird zur Klärung dieser Fragen auf einen sprachlichen Zusammenhang des Verbs זקן zqn „alt sein / alt werden“ und des dazugehörigen Adjektivs זקן zāqen „alt / Ältester“ mit dem Wort זקן zāqān „Backen- und (spitzer) Kinnbart“ hingewiesen und von da aus die Ältesten als „d. Gesamtheit der (den Vollbart tragenden) im reifen Alter stehenden Männer“ gedeutet (HALAT, 267; vgl. auch Bornkamm, 655; Botterweck, 640; Becker, 462; → Alter). Diese Ableitung ist aber bereits Mitte des 19. Jh.s von → Gesenius angezweifelt worden (Berg, 1) und auch nur schwer nachzuvollziehen, da der Bart kein Alters-, sondern ein Geschlechtsmerkmal ist. Das hebräische Verb „alt sein / alt werden“ impliziert aber keine Genusaussage, sondern kann auch von Frauen ausgesagt werden (Gen 18,13; Rut 1,12; Spr 23,22). Ein Vergleich mit anderen semitischen Sprachen zeigt, dass das Verb זקן „alt sein / alt werden“ nicht von זקן „Bart“ denominiert (Berg, 1) ist, sondern beide vielmehr im Laufe der Sprachgeschichte des Hebräischen zu Homonymen geworden sind, weil der Reibelaut , mit dem das ugaritische Wort für „Bart“ begann und das arabische Äquivalent heute noch beginnt, im Hebräischen zu einem stimmhaften s geworden ist, welches das hebräische Verb זקן „alt sein / alt werden“ wohl immer schon als ersten Konsonanten besaß.

Wright (764) folgt der Meinung einiger Autoren, nach denen die Ältesten zu ihrem Amt weniger durch ihr Alter und die damit verbundene Erfahrung, sondern „by their substance – their family and their land” qualifiziert gewesen wären, und weist auf Hiobs Schilderung seiner früheren Existenz in Hi 29 als illustratives Beispiel für einen Ältesten in Israel hin. Hiob wird aber an keiner Stelle als Ältester bezeichnet, und bei den im Alten Testament erwähnten Ältesten lässt sich eine sozial herausgehobene Stellung nicht erkennen (Willis, 307).

Aus dem Wort זקן „alt / Ältester“ ist immerhin zu erschließen, dass sich das Kollegium der Ältesten aus älteren bis alten Leuten zusammensetzte, von denen man wohl aufgrund ihres Alters eine entsprechende Lebenserfahrung erwartete. Und da im Hebräischen der maskuline Plural selbst dann steht, wenn die benannte Gruppe neben männlichen auch weibliche Personen enthält, darf aus der Wortform זקנים nicht geschlossen werden, dass zum Gremium der Ältesten niemals Frauen gehört haben könnten.

2.2. Die Stadt als gesellschaftlicher Haftpunkt

Die „Namen, die die lokale Zugehörigkeit von Ältesten und damit ihre Kompetenzbereiche angeben, sind immer Ortsnamen“ (Schäfer-Lichtenberger, 255; vgl. schon Berg, 135 Anm. 434; ausführlicher Wagner 2002, 403-411). So werden die alttestamentlichen Ältesten in ihren Zuständigkeiten und Aufgaben stets auf Städte bezogen (Stadt allgemein: Dtn 19,11-12; Dtn 21,1-9; Dtn 21,18-21; Dtn 22,13-19; Dtn 25,7-10; Jos 20,1-9, so auch noch in Esr 10,14 gedacht; Bethlehem: 1Sam 16,4-5; Jesreel: 1Kön 21,8-13; Jerusalem: Klgl 1,19; Klgl 4,16; Klgl 5,12; z.T. namentlich genannte Städte in Juda: 1Sam 30,26-31; Samaria: 2Kön 10,1-11). Werden Älteste von Landschaften (Israel als Nordreich: 2Sam 3,17; 2Sam 5,3 = 1Chr 11,3; 1Kön 20,7-8; Juda: 2Sam 19,12; Juda mit Jerusalem: 2Kön 23,1-3 = 2Chr 34,29-31; Jes 3,1-3; des Landes: Jer 26,17-23, oder gar der Gesamtbevölkerung 1Sam 8,4-5) genannt, handelt es sich, wie 1Sam 30,26-31 beispielhaft zeigt, um konzertierte Aktionen der Ältesten einzelner Städte (Berg, 135-136); eine ausdrückliche Unterscheidung zwischen Stadtältesten und Ältesten Israels bzw. Judas (Freedman, 76; Bettenzoli, 49-50; Rüterswörden, 371) erscheint deshalb unnötig.

In Analogie zu antiken oder rezenten Stammesgesellschaften ist vermutet worden, dass auch im alttestamentlichen Israel die Ältesten ihren Haftpunkt in den auf Verwandtschaft basierenden Gliederungen der Gesellschaft gehabt hätten, d.h. die „Familien- oder Sippenoberhäupter“ (zuletzt wieder Berlejung, 83) gewesen wären. Für diese Hypothese gibt es aber im Alten Testament keine belastbaren Belege (so bereits Bornkamm, 655).

Vier Belegstellen werden in diesem Zusammenhang bemüht:

1. Das Alte Testament selbst redet lediglich in Dtn 31,28 von „alle[n] Ältesten eurer Stämme“ und verbindet das Amt auf diese Weise mit einer Gliederungseinheit der Stammesgesellschaft. Doch ist der Text unsicher überliefert: Einige Versionen lesen korrekterweise „die Häupter eurer Stämme“, was in einem Fall durch „und eure Ältesten“ ergänzt wird.

2. Nach Buchholz (77) zeige Ex 12,21 „die Ältesten der einzelnen Sippen … als verantwortlich für die Durchführung eines apotropäischen Ritus“, der seine „Wurzel noch unverkennbar in der Sippenverfassung hat“. Nun ist die Wendung „eure Sippen“ (hebräischer Text) aber kein Attribut, das die Ältesten näher bestimmt, sondern stellt die Bemessungsgrundlage für die Anzahl der Tiere dar, die zur Blutgewinnung angeschafft und geschlachtet werden sollen (Noth 1988, 76).

3. Neu (208-209) stützt sich auf Gen 24,13, wo Wasser holende Frauen als „Töchter der Männer der Stadt“ (hebräischer Text) bezeichnet werden. Da Neu in den Ältesten eine Untergruppe der „Männer der Stadt“ sieht, müssten auch die Ältesten Väter und damit „die ,natürlichen‘ Autoritätspersonen des patriarchalischen israelitischen V[erwandtschafts]systems in der anarchischen Zeit“ gewesen sein. Ob allerdings der Erzähler von Gen 24,13 mit seiner Wendung „Männer der Stadt“ einen verfassungsrechtlichen Begriff meint, bleibt fraglich.

4. In 1Kön 8,1 ist die asyndetisch angeschlossene Erläuterung der genannten „Ältesten Israels“ als „alle Häupter der Stämme und Obersten der Sippen in Israel“ offensichtlich ein späterer Zusatz, der in der griechischen Übersetzung noch fehlt (Noth 1983, 171.176).

Die Hypothese, das Amt der Ältesten sei seinem Wesen nach eine Institution in Stammesverfassungen mit ihren auf Verwandtschaft gegründeten Strukturen, bewährt sich auch nicht ohne weiteres in der altorientalischen bzw. orientalischen Umwelt Israels. „Die Institution der Ältesten ist im Kulturland häufiger belegt als im nomadischen Bereich“ (Thiel, 27). Im Gegensatz zu örtlichen Nachbarschaften findet sich ein besonderes Interesse an Abstammungsfragen und daraus abgeleiteten Gliederungssystemen eher bei nomadisierenden Gruppen, deren Ortsbindung schwach ist und die sich mittels tatsächlicher oder konstruierter gemeinsamer Abstammung ein friedliches Zusammenleben ermöglichen, sowie bei Umsiedlern und Rückkehrern, die ihre Ortsbindung verloren haben.

Was Berg (136 Anm. 434) vor einem halben Jahrhundert noch als vorsichtige Anfrage an Noth in eine Anmerkung versteckte, kann heute in den laufenden Text gestellt werden: Die Ältesten des Alten Testaments haben keinen Bezug zu durch Verwandtschaft definierte Gliederungen der Gesellschaft. Sie vertreten und agieren in Nachbarschaften und werden von den Repräsentanten der Familien und Sippen, für die das Biblischhebräische mit „Haupt“, „Häupter“ einen eigenen Begriff besitzt (s.u. 3.3.), zuweilen ausdrücklich unterschieden (Dtn 5,23; Dtn 29,9).

2.3. Ihr Auftreten als Kollegium

Von den Ältesten als Trägern eines öffentlichen Amtes wird im Alten Testament fast ausschließlich im Plural geredet.

Wenn Jesaja in Jes 3,2 und Jes 9,14 (hebräischer Text) den Singular verwendet, dürfte das stilistische Gründe haben und einer erwünschten Übereinstimmung im Numerus mit „Stütze“ / „Stab“ bzw. „Kopf“ / „Schwanz“ geschuldet sein. Und der in Ez 8,11 erwähnte Jaasanja ben Schafan steht in einem späteren Zusatz (Zimmerli, 193), der wohl den Namensträger kompromittieren soll, ohne ihn eindeutig als Ältesten auszuweisen.

Aus dem Befund kann geschlossen werden: Das Amt der Ältesten im alttestamentlichen Israel war ein kollegiales Amt (Berg, 30, u.v.a.). Den Ältesten kamen Kompetenz und Autorität nicht als Einzelpersönlichkeit, sondern lediglich zusammen mit anderen in einem Kollegium zu. Für dieses Ältestenkollegium besitzt das Biblischhebräische kein eigenes Wort. Da es offensichtlich ausreichte, bei Bedarf „einige der Ältesten“ zusammenzurufen (Jer 19,1; Rut 4,2), gab es für das Kollegium der Ältesten vielleicht auch kein Quorum.

In der Kollegialität ihres Auftretens und Handelns, in ihrer Bezogenheit auf Städte wie auch in ihrem Vorkommen in Texten über die Richter- und frühe Königszeit Israels ähneln die „Fürsten“ (סרנים) der Philisterstädte den Ältesten Israels. Die geringe Anzahl der Belege für die philistäischen „Fürsten“ lässt jedoch eine sichere Identifikation der beiden Ämter nicht zu.

2.4. Die Zuständigkeiten und Aufgaben

Die Belegstellen für die Ältesten im Alten Testament geben ziemlich detaillierte Auskünfte über die Zuständigkeiten und Aufgaben dieses Amtes. Sie sind in ihrer Ausführlichkeit mit den Informationen über das alttestamentliche Priesteramt vergleichbar.

2.4.1. Die notarielle und exekutive Funktion

Rechtsstreitigkeiten wurden der „Rechtsgemeinde“ als der „Gesamtheit der rechtsfähigen Bürger“ vorgetragen, von ihr beurteilt und von ihr entschieden (Köhler, 145-150). Das Kollegium der Ältesten ist mit der Rechtsgemeinde nicht identisch, sondern nimmt lediglich einige spezifische Funktionen in ihrem Rahmen wahr; Aussagen wie, die Ältesten seien „Träger der lokalen Gerichtsbarkeit“ gewesen (Conrad, 645) oder gar der Begriff „Ältestengerichtsbarkeit“ sind deshalb unangemessen (s.u. 2.4.3.).

1) Die notarielle Funktion der Ältesten in der Rechtsgemeinde

Nach Dtn 21,18-21 haben altgewordene Eltern das Recht, ihren Sohn, der durch seinen Lebenswandel das Familienvermögen verschleudert (Crüsemann, 295-296), zu den Ältesten im Stadttor zu führen und vor ihnen anzuklagen, woraufhin ihn „alle Männer seiner Stadt“ (hebräischer Text) steinigen sollen. Wer das Urteil über ihn spricht, ist nicht gesagt; im Zweifelsfalle werden es „alle Männer seiner Stadt“ sprechen, d.h. die Rechtsgemeinde, die das Urteil dann auch ausführt. Dass die Ältesten in irgendeiner Form in das Verfahren eingriffen, ist nicht zu sehen; sie sollen lediglich den Vorgang zur Kenntnis nehmen. Mit dieser Stelle ist Dtn 25,7-10 zu vergleichen (siehe auch Dtn 22,16-17; Jos 20,2-6; Rut 4,1-12). Hier kann von einer „notariellen“ Funktion der Ältesten innerhalb der Rechtsgemeinde gesprochen werden (Otto 1995a, 108; Willis, 307; Wagner 2002, 561-568).

Notariell sind die Ältesten in Jos 20,1-9 tätig, wenn sie die Erklärung eines Flüchtlings entgegennehmen, der jemanden unvorsätzlich erschlagen hat. Älteste in dieser Funktion fordert auch → Saul in 1Sam 15,30 an, um vor ihnen durch Samuel geehrt zu werden, oder → Ahab in 1Kön 20,7, um ihnen die feindselige Haltung → Ben-Hadads bekannt zu geben. Auch soll → Jeremia Älteste zu einer prophetischen Verkündigung mit Symbolhandlung mitnehmen (Jer 19,1-13). Selbst in der Poesie erscheinen sie in notarieller Funktion: Ps 107,23-32 ruft Schiffbrüchige auf, nicht nur der gesamten Gemeinde, sondern speziell auch den Ältesten von ihrer Rettung zu erzählen. Sogar über den Gatten der „tüchtigen Hausfrau“ sind die Ältesten im → Tor laut Spr 31,23 informiert.

Zwei Stellen illustrieren, wie die Ältesten ihr durch die Anwesenheit bei Zusammenkünften der Rechtsgemeinde und anderswo erworbenes Wissen wiedergeben: Zum einen tragen „Älteste des Landes“ bei einer Anklage gegen Jeremia zwei vergleichbare Fälle aus der Zeit → Hiskias und → Jojakims vor und stellen damit eine Entscheidungshilfe zur Verfügung (Jer 26,17-23). Und dann ist zum anderen das „negative Zeugnis“, das die Ältesten einer Stadt, in deren Reichweite ein von Unbekannten Erschlagener liegt, bei einer Symbolhandlung abgeben (Dtn 21,3-7): „Unsere Hände haben dies Blut nicht vergossen, und unsere Augen haben’s nicht gesehen.“ In diesem Sinne ist auch die Aufforderung in Dtn 32,7 zu verstehen, den Vater und die Ältesten nach der Vergangenheit zu befragen (manche Ausleger sehen hier allerdings die Alten, so Conrad, 641). Die praktische Bedeutung der notariellen Funktion der Ältesten liegt auf der Hand.

2) Die notarielle Funktion der Ältesten als Motiv in der alttestamentlichen Geschichtsschreibung

Rüterswörden (371) hat darauf aufmerksam gemacht, dass die deuteronomistische Geschichtsschreibung mit der Erwähnung der Ältesten historische Übergänge markiert (Jos 24,31; Ri 2,7; 1Sam 8,4ff.; 1Kön 8; 1Kön 12; 2Kön 23,1). Dass in den alttestamentlichen Erzählungen Älteste erwähnt werden, denen keine Aufgabe zukommt außer dabei zu sein, zuzusehen und zuzuhören, ist aber weiter verbreitet und sogar in Schilderungen über Epochen zu finden, in denen sich das Amt der Ältesten historisch nicht belegen lässt (s.u. 3.1. und 3.3.). Beispielhaft ist Ex 17,1-7: → Mose soll mit seinem Stab Wasser aus dem Felsen herausschlagen und dazu die Ältesten als Zeugen (diese Deutung hat bereits Berg [130] alternativ erwogen) mitnehmen; obwohl das gesamte Volk anwesend gedacht ist, tat „Mose … so vor den Augen der Ältesten von Israel“.

Vergleichbare, mehr oder weniger deutliche Belegstellen finden sich in der Darstellung der Vorgeschichte in Ex 3,18; Ex 4,29; Ex 17,1-7; Ex 18,12 (hier als notarielle Begleitung des Aaron); Ex 19,7; Ex 24,14; Lev 9,1; Num 16,25-26 (Zeugenschaft der Ältesten hier schon von Berg [131] erwogen); Dtn 27,1-8; Dtn 31,9; Jos 7,6 (die Ältesten vollziehen im weiteren zusätzlich ein Trauerritual); Jos 8,10; Jos 24,31 = Ri 2,7; in der Darstellung der Königszeit 2Sam 17,1-16; 1Kön 8,1-3 = 2Chr 5,2-4; 2Kön 23,1-3 = 2Chr 34,29-31; 1Chr 13,1 (nur LXX lukianische Rezension); 1Chr 21,16 und in den Berichten über die nachexilische Zeit: Esr 10,14. Hierzu sind auch die typischen Situationen in den Prophetenerzählungen zu stellen, nach denen die Ältesten „bei / vor“ dem „Propheten“ sitzen; wenn → Zimmerli (209) meinte, sie suchten bei dem Propheten Rat, so trifft das allein auf Ez 20,1-3 zu; in Ez 8,1-18; Ez 14,1-5 und 2Kön 6,31-33 ist diese Absicht nicht genannt und nicht zu erschließen, sie werden vielmehr Zeugen einer Vision oder einer Verfolgungssituation und sind wohl zu diesem Zwecke anwesend gedacht.

Das heißt: Die alttestamentliche Geschichtsschreibung verwendet das Motiv der Anwesenheit der Ältesten in Erinnerung an deren notarielle Funktion in den Rechtsgemeinden der Königszeit (Wagner 2002, 568-569). Bei diesem literarischen Befund ist Vorsicht geboten, Belege, an denen die Ältesten in den Erzählungen vom Exodus und der Wüstenwanderung als Empfänger von Informationen, die sie nicht weitergeben (etwa Ex 3,16), oder Anordnungen, die sie nicht zweifelsfrei selbst realisieren (Ex 12,21), dargestellt werden, für die Suche nach einem Ältestenamt in jenen Epochen auszuwerten (s.u. 3.1).

Einen Nachklang der historiographischen Verarbeitung des Motivs der notariellen Funktion der Ältesten stellt wohl ihre stereotype Beifügung in (z.T. anachronistischen) Aufzählungen verschiedener Ämter und Gruppen dar, in deren Masse sie profillos untergehen (Dtn 29,9; Dtn 31,28 [siehe dazu auch 2.2.]; Jos 8,33; Jos 23,2; Jos 24,1; 2Kön 10,1-5; 1Chr 15,25 [in der Parallelstelle 2Sam 6,12 sind die Ältesten nicht erwähnt]).

Eine andere Erklärung für die Erwähnung der Ältesten in den Erzählungen über den Exodus und die Wüstenwanderung hat Berlejung (84) vorgetragen. Sie erkennt hinter dem „Institut der Ältesten als Repräsentanten des gesamten Volkes … (Num 11,16.24f.; vgl. Ex 3,16.18; Ex 4,29-31; Ex 12,21; Ex 18,12; Dtn 27,1) … ein Ideal zur Demokratisierung der Leitung der nachexil. Gemeinde um Priester und Tempel …, das die Einheit und Geschlossenheit des wahren Gottesvolkes symbolisieren sollte.“ Die einschlägigen Belegstellen erwecken aber kaum den Eindruck, als sei dort an ein Mitsprache- und Mitentscheidungsrecht der Ältesten gedacht.

3) Die exekutive Funktion der Ältesten in der Rechtsgemeinde

Nach Dtn 22,18 haben die Ältesten die Aufgabe, einen Mann, der seine Frau unberechtigt beschuldigt, bei der Eheschließung nicht mehr Jungfrau gewesen zu sein, in die Zusammenkunft der Rechtsgemeinde zu holen. Dasselbe gilt laut Dtn 25,8 im Falle des Schwagers einer Frau, der sich der Leviratsehe verweigert. Und nach Jos 20,2-6 sollen die Ältesten den Aufenthalt eines Menschen, der jemanden unvorsätzlich erschlagen hat, in einer → Asylstadt organisieren. Diese Rechtssätze belegen die Autorität und die Pflicht der Ältesten, praktische Aufgaben zu erledigen, die der Rechtsgemeinde obliegen (vgl. auch Dtn 19,12; Dtn 21,2). Hier kann von einer exekutiven Funktion der Ältesten im Rechtsleben gesprochen werden (Wagner 2002, 561). Damit nehmen sie gegen Neu (209) durchaus ein Stück „Herrschaft“ und „Verwaltungskompetenz“ wahr; nach 1Kön 21,8-14 habe die exekutive Autorität der Ältesten immerhin bis zu einem erheblichen „Eingriff in das Wirtschaftsleben der Stadt“ durch die Ansetzung eines Fasttages gereicht (Schäfer-Lichtenberger, 297; vgl. dazu u. 4) und 2.4.4.). Vielleicht war diese exekutive Funktion nicht selbstverständlich, denn sie soll wohl mit Num 11,14-30 (ohne 18-24a und 25b-29) begründet werden: Mose braucht eine Unterstützung in den praktischen Angelegenheiten der Wüstenwanderung, wozu Älteste, die dieses Amt bereits innehaben, mit seinem → Geist ausgerüstet werden. Wenn die Erzählung von den so ins Amt Eingesetzten und ihrem spezifischen Wirken im weiteren nichts mehr zu berichten vermag, erweist das den ätiologischen Charakter dieses Textes (so schon Berg [131], allerdings allgemein für die „Ältesten Israels“). Zur exekutiven Funktion der Ältesten innerhalb der Rechtsgemeinde gehörte allerdings nicht der Strafvollzug; mindestens die Todesstrafe vollstreckten „alle / die Leute der / seiner Stadt“ (Dtn 21,18-21; Dtn 22,20-21) oder bei Tötungsdelikten auch der Bluträcher (Dtn 19,11-12).

4) Die exekutive Funktion der Ältesten als Motiv in der alttestamentlichen Geschichtsschreibung

Vergleichbar mit der Verwendung des Motivs der notariellen Funktion der Ältesten in der alttestamentlichen Geschichtsschreibung wurde in mindestens einem Fall später auch an die exekutive erinnert: 1Kön 21,8-14 erzählt, dass die Organisation eines von der Königin angeregten Fasttages in Jesreel in die Hände der Ältesten (zusammen mit einer anderen Gruppe von Amtsträgern) gelegt worden sei. Über eine eventuelle Beteiligung der Ältesten an einem Gerichtsverfahren gegen Nabot (Berg, 25) oder gar an dem „Komplott“ gegen ihn (Buchholz, 76) gibt der Text keine Auskunft.

2.4.2. Die städteübergreifenden Funktionen

„Erhebliche politische Bedeutung“ (Conrad, 645) kam den Ältesten der alttestamentlichen Städte dann zu, wenn sie für ihre Stadt oder gar in konzertierter Aktion als Älteste mehrerer Städte politische Ziele betrieben. Dies wird zum ersten Mal von der Ältesten der Landschaft → Gilead berichtet, die laut Ri 11,4-11Jeftah zum „Hauptmann“ im Kampf gegen die Ammoniter ernennen. Nach 1Sam 11,1-11 führten die Ältesten der Stadt → Jabesch die Verhandlungen mit dem Ammoniterkönig Nahasch. 1Sam 16,4-5 zeigt die Ältesten von Bethlehem in einem Sondierungsgespräch mit Samuel. Und in 1Sam 30,26-31 nehmen die Ältesten namentlich genannter Städte in Juda Geschenke von → David an. Von historischer Bedeutung für mehrere Jahrhunderte aber war die Forderung der Ältesten Israels, die Staatsform der Monarchie einzuführen (1Sam 8,4-5). Später schlossen sie mit David einen Vertrag, woraufhin „man“ ihn zum König salbte (2Sam 5,3 = 1Chr 11,3; vgl. auch 2Sam 3,17-18). Dementsprechend ließ sich David auch nach dem Scheitern des Absalomaufstandes von den Ältesten Judas zurückholen (2Sam 19,12-15; vgl. auch 2Sam 17,1-16; 1Kön 20,7-8; 2Kön 10,1-5). Das Ausmaß der politischen Macht der Ältesten im alttestamentlichen Israel kann also wohl gar nicht hoch genug eingestuft werden. Dass das Wirken der Stadtältesten auf dem innen- und außenpolitischen Parkett für sie selbst zuweilen negative Folgen gehabt haben könnte, ist leicht vorstellbar. Auch wenn man die Erzählung Ri 8,13-16 nicht als reine Geschichtsquelle lesen möchte, dürfte sie doch das mit dem politischen Wirken der Ältesten verbundene Risiko glaubhaft darstellen: Die Ältesten der Stadt → Sukkot sollen zusammen mit den Oberen nicht etwa stellvertretend (Conrad, 645), sondern für ihre Weigerung, → Gideons Heer zu versorgen, persönlich zur Rechenschaft gezogen worden sein.

2.4.3. Eine richterliche Funktion?

Einige Ausleger vermuten auch eine richterliche, das heißt: Urteil fällende Funktion der Ältesten. Es gibt aber nur eine einzige Belegstelle im Alten Testament, die sich daraufhin auslegen ließe: Dtn 22,18-19 könnte so verstanden werden, dass die Ältesten den Verleumder seiner Frau in einer Weise behandeln, die im hebräischen Wortlaut „zurechtweisen“ bis „züchtigen“ umfasst, und ihm zudem ein Bußgeld auferlegen sollen. Diese Deutung hängt aber davon ab, ob das Subjekt „die Ältesten jener Stadt“ über Dtn 22,18a hinaus weiterwirkt und sich auch hinter den folgenden Prädikaten verbirgt, wo eigentlich das unpersönliche „man“ der Rechtsgemeinde zu erwarten wäre.

Buchholz (68-69) erklärt die fehlende Belegbasis für Urteile der Ältesten im Tor damit, dass die richterliche Funktion in den Gesetzestexten „stillschweigend vorausgesetzt“ werden konnte, da sie „zum Geschäft der Ältesten … gehörte“. Letzteres wird jedoch in Ex 24,14 bestritten: Die Abwesenheit Moses hätte dem Erzähler einen guten Anlass für die Ätiologie einer richterlichen Funktion der Ältesten geboten, doch wird ihnen die Rechtsprechung nicht gestattet, vielmehr sollen sie die Rechtshilfe Suchenden an → Aaron und → Hur verweisen. In diesen Tenor fügt sich die Tatsache, dass die spätere Geschichtsschreibung im Gegensatz zu der oft literarisch erinnerten notariellen (und einmal auch exekutiven) auf eine ehemalige richterliche Funktion der Ältesten niemals anspielt. Ob die Ältesten richterliche Funktionen ausübten, bleibt also höchst fraglich, weswegen auch nicht von einer „Ältestengerichtsbarkeit“ gesprochen werden sollte.

2.4.4. Eine kultische Funktion?

Zuweilen werden den Ältesten in der Literatur Zuständigkeiten und Aufgaben im Bereich des Kultus zugeschrieben. Die hierfür herangezogenen Stellen können diese Hypothese aber kaum stützen.

Dass sich der Erzähler in Ex 3,18 vorstelle, die Ältesten, die Mose zum ägyptischen König begleiten sollen, hätten das gewünschte Schlachtopfer in der Wüste auch praktisch (mit) zu vollziehen (Ahuis, 49), ist aus dem „wir“ nicht zu schließen. In Ex 12,21-24 wird den Ältesten zwar der Befehl Gottes zum Schlachten des Kleinviehjungen für einen apotropäischen Akt übermittelt, ob sie diesen dann auch ausführen (Ahuis, 44; Buchholz, 77), wird nicht deutlich gesagt und ist wegen der anzunehmenden Vielzahl der Häuser, die mit dem Blut zu kennzeichnen sind (der Erzähler spricht in Ex 12,37 von „sechshunderttausend Mann … ohne die Frauen und Kinder“, die Ägypten verlassen hätten), auch praktisch schwer vorstellbar; nach Dautzenberg (71) sollen sie den Ritus nur anordnen, doch auch das hat keinen Anhalt im Text. In Ex 18,12 (genannt bei Alt, 117) nehmen die Ältesten (in notarieller Begleitung des Aaron) an einem Opfermahl teil, das aber → Jitro veranstaltet und zubereitet. Von der bloßen Teilnahme an einer gottesdienstlichen Handlung spricht auch Ex 24,9-11 (herangezogen von Ahuis, 49).

Für Berg (137-139) war die Formel „du sollst so das Böse aus deiner Mitte wegtun“ und ähnlich in Dtn 19,13; Dtn 21,9; Dtn 21,21 und Dtn 22,21 ein Hinweis darauf, dass die Rechtsfälle im Deuteronomium, an denen Älteste beteiligt sind, „nicht in die Kompetenz der bürgerlichen Rechtsgemeinde fallen, sondern als sakrales Bundesrecht zu verstehen sind“; damit hätten die Ältesten in gewisser Weise eine kultische Zuständigkeit und Aufgabe wahrgenommen. Sie agieren jedoch auch in Dtn 25,7-10, wo diese Formel nicht erscheint und der Rechtssatz zusammen mit den erstgenannten ein und demselben Kodextorso angehört (Wagner 1975, 234-240); die darin gesammelten Rechtssätze haben ihre Parallelen in den altorientalischen Rechtssammlungen (vgl. z.B. Wagner 2005, 246), die ein „sakrales Bundesrecht“ nicht kennen. Zudem sind die von Berg herangezogenen Formeln in den kasuistischen Rechtssätzen auch gattungsfremd und doch wohl redaktionell beigefügt, so dass sie keinen Rückschluss auf das Amtsprofil der Ältesten in den Rechtssätzen selbst zulassen.

Der von den Ältesten nach Dtn 21,1-9 zu vollziehende Ritus gehört nicht in den kultischen Bereich (Buchholz, 77), sondern ist eine Symbolhandlung des Rechtslebens, die das negative Zeugnis der Ältesten begleitet und augenfällig macht (Wagner 2005, 242-248). Wenn die Ältesten nach 1Sam 4,3 vorschlagen, die → Lade an die Front gegen die → Philister zu holen (und die dann von den Priestern gebracht wird), so heißt das weder, dass die Lade in ihrer „Obhut“ steht (Rüterswörden, 371), noch kann der Vorschlag (im Kohortativ) als „Anordnung“ eines sakralen Ritus (Dautzenberg, 71) gedeutet werden.

Gern wird in diesem Zusammenhang auf 1Kön 21,8-14 verwiesen. Aber auch das Ansetzen eines Fasttages ist kein ritueller Akt, sondern kann durch jeden, der damit rechnen darf, gehört zu werden, vorgenommen werden, und dies geschieht hier – vorgeblich im Namen des Königs – durch die Ältesten (und die Oberen) in ihrer exekutiven Funktion – s.o. 3) unter 2.4.1.; beim Ritus des Fastens selbst bleiben die Ältesten dann ohne spezifische Funktion.

Nach Berg haben die Ältesten als „Vertreter der Amphiktyonie im Bundesfestkult“ (135) und „Tradenten der Heilsgeschichte“ (Jos 24,31; Ri 2,7, Berg, 133; vor allem aber 1Sam 4,3, Berg, 77) die „Aufgabe, den Heilswillen Jahwes in der Geschichte und seine Gehorsamsforderung im Gottesdienst des Bundesfestes zu vernehmen und dieses Zeugnis an Israel weiterzugeben“ (142). Bilden hier mit der Amphiktyonie und dem Bundesfest stark umstrittene Hypothesen die Grundlage, gibt es auch nicht eine einzige Stelle, an denen die Ältesten „den Heilswillen Jahwes“ und „seine Gehorsamsforderung“ an Israel weitergeben würden; in 1Sam 4,3 ist das bestenfalls zwischen den Zeilen zu lesen.

Die aktive Beteiligung der Ältesten an einem gottesdienstlichen Akt findet sich allein in dem späten Ritual für das „Sündopfer der Gemeinde“ Lev 4,13-21. Sie sollen ihre Hände auf das Opfertier stützen, was sonst der Schuldige tun würde, jedoch bei der „Gemeinde“ mit einer Vielzahl von Schuldigen natürlich durch Vertreter geschehen muss. Offen bleibt aber, wer dann das Opfertier schlachtet; im hebräischen Text von Lev 4,15 steht die 3. Person Singular („er schlachtet“), was einige frühe Übersetzungen vermeintlich sinngemäß in den Plural („sie schlachten“) gesetzt haben. Mit Sicherheit kann zur Funktion der Ältesten nur gesagt werden, dass sie hier notariell agieren: Sie haben Kenntnis von der Verschuldung der Gemeinde und bekennen diese durch den Ritus der Handaufstützung (siehe zum Vergleich das negative Schuldbekenntnis der Ältesten in Dtn 21,7).

Das Fehlen eindeutiger Hinweise auf spezifische Zuständigkeiten und Aufgaben der Ältesten im Kult harmoniert mit der Tatsache, dass im Gegensatz zu anderen Ämtern wie Königen, Richtern und Propheten im Alten Testament niemals von göttlicher Erwählung und Beauftragung oder auch charismatischer Ausstattung Ältester gesprochen wird (Becker, 465). Num 11,14-30 widerspricht dem nicht, da hier Personen, die bereits Älteste sind, nur für eine Ausweitung ihres Amtsprofiles mit dem Geist des Mose ausgerüstet werden. So dürfte wohl Zimmerli mit seiner Erklärung von Ez 8,7-13 Recht haben, dass der Prophet das kultische Handeln der Ältesten als „einen frechen Übergriff in einen ihnen untersagten gottesdienstlichen Bereich“ aufgefasst habe (Zimmerli, 216).

2.4.5. Eine beratende Funktion?

Laut Ez 7,26 hat der Prophet kurz vor 586 v. Chr. vorausgesehen, dass den Ältesten mit dem bevorstehenden Zusammenbruch die Fähigkeit zur Beratung verlorengehen würde. Dementsprechend wird ihnen in einigen Darstellungen auch eine beratende Funktion zuerkannt, zuweilen die gesellschaftliche Gestaltungsmöglichkeit der Ältesten sogar darauf beschränkt (North, 87). Die wenigen Belegstellen, die hierfür herangezogen werden könnten, sind aber literarkritisch oder sachlich unklar bzw. stellen die Ratschläge der Ältesten sogar in ein negatives Licht.

Der genannte Abschnitt Ez 7,26 fällt stilistisch aus dem Kontext heraus und ist wohl ein Zusatz (Zimmerli, 172). In der Erzählung Ri 21,15-22 (zum syntaktischen Problem s.u. 3.1.) schlagen die „Ältesten der Gemeinde“, um einen Eidbruch zu vermeiden, nichts weniger als einen Menschenraub vor. In 1Sam 4,3-4 empfehlen sie, die → Lade im Kampf gegen die Philister mitzuführen, was sich im Nachhinein als verhängnisvoll erweist, da diese dann von Letzteren erbeutet wird. Nach 1Kön 20,7 nehmen sie zwar in ihrer notariellen Funktion den Bericht Ahabs entgegen, erteilen ihm einen Rat dann aber laut 1Kön 20,8 nur zusammen mit „allem Volk“. Und wenn Esr 10,8 behauptet, der Vorschlag zur Lösung des Mischehenproblems sei von den Oberen und Ältesten ergangen, so stammte er jedoch nach Esr 10,2 von Schechanja ben Jehiel, so dass seine Urheberschaft unklar bleibt.

3. Die Geschichte des Ältestenamtes

Die heute gängige Auffassung von der Geschichte des Ältestenamtes im alttestamentlichen Israel ist maßgeblich am Ende des 19. Jh.s durch Seesemann geprägt worden. „Ursprünglich handelt es sich bei den Ältesten um Familienhäupter. Mit der Ansiedlung Israels in den festen Ortschaften des Kulturlandes ist ein Zug zu einer strafferen Ordnung zu bemerken. Durch das Königtum wird der Einfluss der Ältesten – besonders in den Hauptstädten – zurückgedrängt. In und nach dem Exil kann ein Wiederaufleben der alten Geschlechterverfassung mit den Ältesten als ihren massgeblichen Funktionären beobachtet werden“ (Seesemann, 57; wiedergegeben nach Berg, VIII). Dem widerspricht das Alte Testament in seiner literarischen Endgestalt insofern, als es das Amt der Ältesten – mit Ausnahme der Patriarchenerzählungen – in allen seinen Überlieferungsschichten als Gegebenheit voraussetzt (Bornkamm, 655) und keinen Wandel in der gesellschaftlichen Bedeutung spüren lässt. Die Belegstellen zwingen jedoch zur Korrektur beider Darstellungen.

3.1. Vorgeschichte und Richterzeit

In den Patriarchenerzählungen kommen Älteste nicht vor. In den Darstellungen des Exodus und der Landnahme fügt die Geschichtsschreibung den handelnden Personen (→ Mose, → Aaron, → Josua) Älteste bei, teilt ihnen jedoch über ihre Anwesenheit hinaus keine aktive Rolle im Geschehen zu (zur Erklärung dieses Sachverhaltes s.o. 2) unter 2.4.1.).

Besteht heute zwar weitgehende Einmütigkeit darüber, dass man „aus dem reichlichen Vorkommen der Ältesten in der Exodus- und Wüstenzugtradition … kein[en] zwingende[n] Schluß auf ihre Funktion in der Zeit vor der Landnahme ziehen“ kann (Thiel, 41-42), sind doch immer wieder entsprechende Versuche unternommen worden. So hatte Noth (1948, 196) die Frage gestellt, ob nicht die Ältesten in Ex 18,12 oder Ex 24,1-11 ursprünglich als einzige erwähnt gewesen und die namentlich genannten Persönlichkeiten erst später hinzugesetzt worden sein könnten; die Texte, in denen die Nennung der Ältesten spürbar nachhinkt, legen diese Deutung aber kaum nahe. Und mangels eindeutiger Belege musste auch Dus’ Versuch scheitern, in den Ältesten Israels des Hexateuch einen „altisraelitischen senatus“ (233) der als „Staatsgebilde“ verstandenen Zwölfstämmeamphiktyonie (232) mit (vermeintlich laut Num 11,16-30) 72 Mitgliedern (234) zu sehen, dessen „rege[m] parlamentarischen Leben“ David ein Ende gesetzt hätte (240); abgesehen davon, dass die Amphiktyoniehypothese fragwürdig geworden ist, werden in seinen Hauptbelegstellen Älteste nicht erwähnt und erscheinen in Num 11,14-30 nicht 70 von 72, sondern lediglich 68 von 70 Ältesten, so dass der Bezug auf das Zwölfstämmesystem schwierig wird. (Dus’ Arbeit, entstanden in der totalitären Tschechoslowakei, reiht sich in die Versuche amerikanischer Orientalisten ein, das Vorbild demokratischer Staatssysteme im Alten Orient zu suchen; vgl. Berg, VII-VIII.)

Für die Zeit der Richter gibt es mit Ri 11,4-11, wonach die Ältesten von Gilead → Jeftah als „Hauptmann“ einsetzen, nur eine Belegstelle, die sich in das übliche Bild der Ältesten einfügt (vgl. etwa 2Sam 5,3).

Die anderen diese Epoche betreffenden Erzählungen sind (gegen z.B. Schäfer-Lichtenberger, 290) kaum authentische Quellen für das Amt der Ältesten: In Ri 8,13-16 werden die Ältesten von Sukkot zusammen mit den Oberen, d.h. Funktionsträgern der Königszeit (!), durch Gideon mit Dornen und Stacheln aus der Wüste gezüchtigt; in Ri 21,16 stellen die Ältesten die Frage, wie den Männern von Benjamin zu Frauen verholfen werden könne, und empfehlen, sollte das Subjekt „die Ältesten“ aus Ri 21,16a bis in Ri 21,19f. hinein syntaktisch wirksam sein, die Entführung von Mädchen aus → Silo; und in 1Sam 4,3-4 schlagen sie vor, die → Lade in der Schlacht gegen die → Philister mitzuführen, wobei diese dann verlorengeht. Diese Tätigkeiten bzw. Behandlungen fallen aus dem sonst belegten Amtsprofil der Ältesten spürbar heraus. Sollte Israel in der vorstaatlichen Zeit tribal organisiert gewesen sein (so z.B. Albertz, 112), kann es auch nicht verwundern, wenn es für ein auf Nachbarschaften bezogenes Amt wie das der Ältesten (vgl. oben 2.2.) so gut wie keine Belege gibt.

Das Amt der Ältesten in Israel war wohl vor der Königszeit erst im Entstehen begriffen (Neu, 207). → Albrecht Alt (117-118) sah zur Zeit der Konstituierung Israels einen allgemeinen Trend der palästinischen Stadtstaaten „zu einer aristokratisch-oligarchischen Verfassung“, in den die sich zu Israel zusammenfindenden Gruppen hineinwuchsen. Diese Vermutung wird auch durch die Geschichte der Stadttore nahegelegt (→ Tor): Laut Dtn 21,18-21; Dtn 22,13-19; Dtn 25,7-10; Jos 20,1-9 und Rut 4,1-12 sind die Ältesten eng mit dem Stadttor verbunden, in dem sie sich treffen und in dem sie für die Bevölkerung erreichbar sind. Nun lagen die aus dem 2. Jt. v. Chr. überkommenen Torbauten aber außerhalb der Stadtmauer und waren nicht nur nach außen, sondern auch nach innen gegen die Stadt hin verschließbar und somit eher ein Rückzugsgebiet für bedrängte Eliten der Stadt als der Treffpunkt einer demokratischen Körperschaft; die meisten der neu entstandenen Siedlungen waren überhaupt unbefestigte Dörfer, Weiler und Einzelgehöfte ohne jegliche Tore. In der Urbanisierungsphase der frühen Königszeit jedoch entstanden neue Stadtbefestigungen mit einem völlig anderen Tortyp: Nun ragte der Torbau in die Stadt hinein und blieb nach dieser hin offen (Weippert, 426-441; Otto 1995b, 371 u.ö.). In Verbindung mit dem unbebauten Vorplatz entstand so der ideale Versammlungs- und Ansprechort für das Kollegium der Ältesten.

3.2. Königszeit

Mit breiter Quellenbasis und mit exegetischer Sicherheit lässt sich das Amt der Ältesten nur für die Königszeit Israels und Judas (Eisen-II-Zeit) belegen (1Sam 8,4-5; 1Sam 11,3; 1Sam 15,30; 1Sam 16,4-5; 1Sam 30,26-31; 2Sam 3,17-18; 2Sam 5,3 = 1Chr 11,3; 2Sam 19,12-13; 1Kön 8,1-3 = 2Chr 5,2-4; 1Kön 20,7-8; 1Kön 21,8-14; 2Kön 6,31-33; 2Kön 10,1-5; 2Kön 23,1-3 = 2Chr 29-31; Jes 3,2.14; Jes 9,14; Jer 26,17-23; vgl. auch Dtn 19,11-12; Dtn 21,1-9.18-21; Dtn 22,13-19; Dtn 25,7-10 als Gesetzestexte aus [dem Ende] jener Epoche; vgl. Wagner 2002, 396-400). Selbst wenn sich nicht bei allen Belegstellen eine Herkunft des Textes aus der erzählten Zeit glaubhaft machen lässt, ist doch dort mindestens die Erinnerung an das Amt der Ältesten in der Königszeit lebendig.

Die häufig vertretene Meinung, das Königtum habe das Ältestenamt im Laufe der Zeit zurückgedrängt und durch andere Ämter ersetzt, lässt sich im Alten Testament nicht belegen (Buchholz, 85-86; Becker, 463; vgl. aber auch bereits Alt, 118). Nach Aussage der alttestamentlichen Überlieferung war das Ältestenamt vielmehr von vornherein und bis zu seinem Ende mit der Monarchie verfassungsmäßig eng verbunden: Nach 1Sam 8,4-5 kam den Ältesten die Urheberschaft bei der Errichtung des Königtums in Israel zu, und laut 2Sam 5,3 = 1Chr 11,3 haben die Ältesten mit David einen Vertrag geschlossen, woraufhin „man“ ihn zum König salbte. So verwundert es nicht, dass sich Belege für die Ältesten durch die gesamten Königszeit hindurch finden lassen, und noch nach dem Zusammenbruch von 586 v. Chr. die Ältesten (neben Priestern oder Oberen) genannt und ihr Schicksal bedacht werden (Klgl 1,19; Klgl 4,16; Klgl 5,12; vielleicht auch Klgl 5,14). Ja selbst das endzeitliche Königtum Jahwes konnte man sich auch sehr viel später noch nicht ohne Beteiligung der Ältesten vorstellen (Jes 24,23; Freedman, 76). Diese Texte weisen auf eine enge institutionelle Verknüpfung zwischen Königtum und Ältesten hin, die – abgesehen vom Schweigen der Quellen – eine Zurückdrängung des Ältestenamtes durch die Monarchie auch von der Sache her unwahrscheinlich erscheinen lässt (vgl. auch Becker, 462).

Einige Autoren (laut Gertz [86] als erster Riehm im Jahre 1854) rechnen mit der Einsetzung hauptamtlicher Richter in der Königszeit. Die dafür herangezogenen Belegstellen erwähnen aber entweder gar keine Richter (Mi 3,9-12, erwogen von Neu [302], doch s. die neueren Kommentare) oder lassen die Frage offen, ob sie mit dem Begriff „Richter“ tatsächlich eine hauptamtliche oder nicht vielmehr die ehrenamtliche Funktion der Mitglieder der Rechtsgemeinde (Dtn 16,18; Dtn 19,16-20; Dtn 21,1-9; Zef 3,3; s. Wagner 2005, 191-197; dort auch zur Konjektur von Dtn 25,2) meinen. Sollte Ersteres der Fall sein, wäre das aber auch nicht notwendig eine Zurückdrängung der Ältesten: 1. Sowohl die positiven (Dtn 17,8-12; 2Chr 19,5) als auch die kritischen (Jes 1,21-26; vgl. auch Jes 3,2 und Mi 7,3) Erwähnungen von „Richtern“ beziehen sich allein auf Jerusalem und die Festungsstädte und damit wohl auf den Bereich der speziellen Gerichtshoheit des Königs (dazu Macholz, zusammenfassend 177), der die Kompetenz der Rechtsgemeinden nicht berührte. 2. Eine Einsetzung hauptamtlicher Richter außerhalb Jerusalems und der Festungsstädte hätte zwar die Autorität der Rechtsgemeinden beschneiden können, nicht aber die der Ältesten, deren richterliche Funktion nicht eindeutig nachzuweisen ist (s.o. 2.4.3.), während aus dem bloßen Wort „Richter“ nicht hervorgeht, ob und wie weit ihnen auch die für die alttestamentlichen Ältesten typische notarielle und exekutive Funktion zugefallen wäre.

3.3. Exils- und Nachexilszeit

War das Amt der Ältesten konstitutionell mit dem Königtum in Israel verknüpft, ist es nicht verwunderlich, dass es auch zusammen mit der judäischen Monarchie zu Beginn des 6. Jh.s v. Chr. unterging (Wagner 2002, 401-403). Die Quellen dokumentieren sowohl den Bedeutungsverlust der Ältesten (Klgl 1,19; Klgl 4,16; Klgl 5,12; vgl. auch oben 2.4.5. zu Ez 7,26) als auch die Entartung ihrer Amtsführung (Ez 8,7-13; vgl. o. 2.4.4.).

Älteste gehörten auch zu den nach Babylonien Umgesiedelten (Jer 29,1; Ez 8,1; Ez 14,1; Ez 20,1-3; → Exil). Da die Belege keine konkreten Aktivitäten der Ältesten dort erkennen lassen, können keine Aussagen über ihre eventuellen Kompetenzen und Aufgaben innerhalb der Exulantenschaft gemacht werden; die Formulierung „Rest der Ältesten“ in Jer 29,1 legt jedenfalls nicht gerade nahe, in ihnen das „führende Organ der … Judäer“ im Exil (Conrad, 647) zu vermuten. Auch dass „die regionale Amtsstruktur der Ältesten im Land noch intakt blieb“ (Berlejung, 84), lässt sich nicht belegen. → Albrecht Alt (118) der ein „erhöhtes Ansehen“ der Ältesten im Rahmen der Provinzialverwaltung vermutete, führte dafür in seinem sonst mit Stellenangaben umfassend abgesicherten Artikel keinen einzigen Beleg an. Klgl 5,12 dokumentiert vielmehr die Nichtachtung der im Lande verbliebenen Ältesten.

In der nachexilischen Zeit scheint das Ältestenamt nicht wieder aufgelebt, sondern durch die „Häupter“ ersetzt worden zu sein (Conrad, 647, 649). Dies dürfte mit dem Wandel in der Gesellschaftsstruktur zusammenhängen: Die Ältesten der Königszeit vertraten und leiteten Städte und damit in Nachbarschaft lebende Bürger unterschiedlicher Herkunft (s.o. 2.2.). Durch das Exil und vor allem die Rückkehr aus Babylonien aber gewannen verwandtschaftliche Beziehungen und dementsprechende Gliederungen – Vaterhaus, Familie, Sippe, Stamm – an Bedeutung (vgl. das große Interesse der nachexilischen Literatur wie der Priesterschrift und dem chronistischen Geschichtswerk an genealogischen Zusammenhängen; Wagner 2002, 407-408; → Genealogie). Die Vertreter dieser neuen gesellschaftlichen Gliederungen bekamen die Bezeichnung roš / rāšîm „Haupt“ / „Häupter“ (Belege bei Beuken, 277). An einigen späteren Stellen wird zwischen Ältesten und Häuptern ausdrücklich unterschieden und werden Letztere den verwandtschaftlich begründeten Gruppierungen zugeordnet (Dtn 5,23; Dtn 29,9).

Der Wegfall des Ältestenamtes in der nachexilischen Zeit harmoniert wiederum mit der Geschichte der → Stadttore: Viele Orte waren während und nach dem Exil unbefestigt und entbehrten zusammen mit einer Stadtmauer auch entsprechender Torbauten (Weippert, 699-700; Zwickel, 92). Und wo in den befestigten Städten die alten Mauern noch vorhanden oder reparabel waren, begnügte man sich mit einem schmalen Mauerdurchbruch, der für die Zusammenkunft der Ältesten keinen Platz mehr bot.

Im Buch → Esra werden wohl keine Ältesten erwähnt. Das aramäische Wort, das man in Esr 5,5.9; Esr 6,7-8.14 traditionell als „Älteste“ deutet und übersetzt, würde einer seltenen Rechtschreibung (ś statt s) folgen und meint eher (heimgekehrte) „Exulanten“ (so die alten Übersetzungen für Esr 5,5; vgl. Wagner 2002, 401-402). Im hebräischen Teil behauptet Esr 10,8, der Vorschlag der Trennung von den fremden Frauen stamme von den „Oberen und Ältesten“, der jedoch laut Esr 10,2-3 auf einen gewissen Schechanja ben Jechiel zurückging, der weder als Oberer noch als Ältester bezeichnet wird; dem Erzähler lag offenbar mehr daran, durch die Nennung von Ämtern die Verbindlichkeit der Anordnung zu betonen, als ihre Urheberschaft nachprüfbar zu machen. Und die Erwähnung der „Ältesten einer jeden Stadt und ihre[r] Richter“ in Esr 10,14 erinnert stark an Dtn 21,2 und dürfte der dort begegnenden Redewendung nachgebildet worden sein. Aus diesen problematischen Stellen kann auf eine Existenz von Ältesten am Ende des 6. Jh.s v. Chr. nicht zweifelsfrei geschlossen werden.

Das Vorkommen des Wortes „Älteste“ in Jo 1,2.14; Jo 2,16 und Jo 3,1 wird gern als Hinweis darauf gedeutet, dass gegen Ende der persischen Zeit die Leitung der jüdischen Gemeinde in den Händen von Ältesten gelegen habe (Wolff, 3). Die gleichzeitige Erwähnung von Kindern in Jo 1,2-3; Jo 2,16 bzw. Jugendlichen in Jo 3,1 lässt hier aber nicht an das Amt der Ältesten, sondern an Menschen mit hohem Lebensalter denken. Und in Jo 1,14 wird das indeterminierte זקנים in asyndetischer Aufzählung ein sekundärer Zusatz sein.

Etwas wenigstens dem Namen nach mit dem Kollegium der alttestamentlichen Ältesten Vergleichbares, eine γερουσία gerusia „Ältestenrat“, scheint es erst wieder um 200 v. Chr. in Judäa gegeben zu haben (Ego, 980); eine verfassungsgeschichtliche Kontinuität zu den Ältesten des Alten Testaments lässt sich aber nicht nachweisen, vielmehr gibt es in der hellenistischen Umwelt zahlreiche Hinweise auf die Gründung bzw. die Existenz von „Ältestenrat“ genannten Gremien gerade in jener Epoche (Welwei, 980).

4. Der Vergleich mit benachbarten Kulturen

Häufig werden die alttestamentlichen Ältesten in der Literatur mit Amtsträgern der orientalischen Umwelt seit der sumerischen Zeit verglichen und identifiziert (s. etwa Conrad, 644-645). Solche Vergleiche mögen auf den ersten Blick naheliegen, wenn jene Funktionäre Bezeichnungen tragen, deren Semantik der Bedeutungserweiterung des hebräischen Verbs זקן „alt sein / alt werden“ zu זקנים „Älteste“ entspricht (vgl. z.B. akkadisch šību „grau / alt“, „Ältester“). So hat bereits Winer (59) die Ältesten Israels mit den Schechs der arabischen Beduinen verglichen, deren Benennung šaich „älterer, würdiger Mann / Ältester“ ebenfalls von einem Verb für „alt werden“ (šācha) abgeleitet ist. Nun ist aber die Heranziehung von Beispielen aus durch Jahrhunderte entfernten Epochen und durch Hunderte Kilometer getrennten Regionen methodisch nicht unbedenklich (so bereits Seesemann, 5). Zudem zeigt die ethnographische Forschung, welch unterschiedliche Rollen „Älteste“ genannte Amtsträger selbst in verfassungsmäßig nahe verwandten Gesellschaften innehaben können (Neu, 209). So darf es nicht überraschen, wenn sich in – dem alttestamentlichen Israel unmittelbar benachbarten und zeitgleichen – Ägypten ein ähnliches Amt gar nicht nachweisen lässt (Conrad, 644) und ein eingehender Vergleich mit den Ältesten benachbarter Kulturen der ersten Hälfte des 1. Jt.s v. Chr. fundamentale Unterschiede sichtbar macht.

Unter der Voraussetzung, dass Homer in seinen Dichtungen nicht die konstitutionellen und sozialen Verhältnisse der erzählten Zeit, sondern vielmehr seiner eigenen Epoche schildert, ist ein Vergleich der alttestamentlichen Ältesten mit den Geronten des vorklassischen Griechenlands aufschlussreich. Die Begriffsentwicklung erinnert zwar auch hier stark an das hebräische und akkadische Pendent: γέρων gerōn „ursprünglich (d.h. indoeuropäisch) grau, alt → Alter“ wird zu γέρων gerōn „Ältester“ / γέροντες gerontes „Älteste“. Doch während die Ältesten im Alten Testament stets nur als Kollegium auftreten, sind die Geronten herausragende Einzelpersönlichkeiten, in der biblischen Literatur am ehesten vergleichbar mit der Stellung Hiobs in Hi 29. Homer nennt viele Geronten mit ihrem Namen, wodurch deren adlige Abkunft und Position deutlich wird (vgl. z.B. Menesteus und Odysseus in Ilias 4,336ff). Sie führen ihr Amt sogar in Konkurrenz zu anderen Ältesten aus; die Gerichtsszene auf dem Schild des Achilleus in Ilias 18,497-508 zeigt Geronten, die in einem Prozess um die Zahlung des Wergeldes einer nach dem anderen ihren Richterspruch verkünden und darauf hoffen, dass sie den besten vortragen und dafür zwei Talente Gold als Preis erhalten. Dass die alttestamentlichen Ältesten keine sozial herausragende Stellung erkennen lassen und wohl auch keine richterlichen Kompetenzen besaßen, ist oben in 2.1. und 2.4.3. dargelegt. Bei überraschender Gleichheit des Begriffes haben die alttestamentlichen Ältesten und die vorklassisch-griechischen Geronten offensichtlich ganz unterschiedliche Amtsprofile.

Bei den Ältesten des Alten Testaments handelt es sich um ein Amt sui generis. Auch wenn die Gefahr besteht, dass der Ausdruck „Älteste“ zu Assoziationen mit zwar namensgleichen, aber dennoch ansonsten stark abweichenden Ämtern in der Umwelt des alttestamentlichen Israel führen kann, wird der traditionelle Begriff doch der Einfachheit halber weiterhin beibehalten werden müssen.

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