Älteste (AT)
(erstellt: Mai 2008)
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1. Einführung
Das Eigenschaftswort „alt“ bezeichnet im Biblischhebräischen (זקן zāqen) – wie in einigen anderen Sprachen – Amtsträger, die im Deutschen „Älteste“ genannt werden. Ob allerdings mit diesem Wort ein hohes Lebensalter (Gen 18,12
Für das Amt der Ältesten finden sich im Alten Testament mindestens 75 Belegstellen. Sie erlauben es, auch wenn einige Fragen offen bleiben müssen, sowohl das Profil als auch die Geschichte dieses Amtes nachzuzeichnen, und bieten zugleich interessante Informationen darüber, wie das gesellschaftliche Leben im alttestamentlichen Israel funktionierte.
2. Das Amtsprofil der Ältesten
2.1. Das Alter als persönliche Qualifikation
Das Alte Testament schweigt darüber, aufgrund welcher Voraussetzungen und auf welche Weise jemand Ältester wurde.
Gern wird zur Klärung dieser Fragen auf einen sprachlichen Zusammenhang des Verbs זקן zqn „alt sein / alt werden“ und des dazugehörigen Adjektivs זקן zāqen „alt / Ältester“ mit dem Wort זקן zāqān „Backen- und (spitzer) Kinnbart“ hingewiesen und von da aus die Ältesten als „d. Gesamtheit der (den Vollbart tragenden) im reifen Alter stehenden Männer“ gedeutet (HALAT, 267; vgl. auch Bornkamm, 655; Botterweck, 640; Becker, 462; → Alter
Wright (764) folgt der Meinung einiger Autoren, nach denen die Ältesten zu ihrem Amt weniger durch ihr Alter und die damit verbundene Erfahrung, sondern „by their substance – their family and their land” qualifiziert gewesen wären, und weist auf Hiobs Schilderung seiner früheren Existenz in Hi 29
Aus dem Wort זקן „alt / Ältester“ ist immerhin zu erschließen, dass sich das Kollegium der Ältesten aus älteren bis alten Leuten zusammensetzte, von denen man wohl aufgrund ihres Alters eine entsprechende Lebenserfahrung erwartete. Und da im Hebräischen der maskuline Plural selbst dann steht, wenn die benannte Gruppe neben männlichen auch weibliche Personen enthält, darf aus der Wortform זקנים nicht geschlossen werden, dass zum Gremium der Ältesten niemals Frauen gehört haben könnten.
2.2. Die Stadt als gesellschaftlicher Haftpunkt
Die „Namen, die die lokale Zugehörigkeit von Ältesten und damit ihre Kompetenzbereiche angeben, sind immer Ortsnamen“ (Schäfer-Lichtenberger, 255; vgl. schon Berg, 135 Anm. 434; ausführlicher Wagner 2002, 403-411). So werden die alttestamentlichen Ältesten in ihren Zuständigkeiten und Aufgaben stets auf Städte bezogen (Stadt allgemein: Dtn 19,11-12
In Analogie zu antiken oder rezenten Stammesgesellschaften ist vermutet worden, dass auch im alttestamentlichen Israel die Ältesten ihren Haftpunkt in den auf Verwandtschaft basierenden Gliederungen der Gesellschaft gehabt hätten, d.h. die „Familien- oder Sippenoberhäupter“ (zuletzt wieder Berlejung, 83) gewesen wären. Für diese Hypothese gibt es aber im Alten Testament keine belastbaren Belege (so bereits Bornkamm, 655).
Vier Belegstellen werden in diesem Zusammenhang bemüht:
1. Das Alte Testament selbst redet lediglich in Dtn 31,28
2. Nach Buchholz (77) zeige Ex 12,21
3. Neu (208-209) stützt sich auf Gen 24,13
4. In 1Kön 8,1
Die Hypothese, das Amt der Ältesten sei seinem Wesen nach eine Institution in Stammesverfassungen mit ihren auf Verwandtschaft gegründeten Strukturen, bewährt sich auch nicht ohne weiteres in der altorientalischen bzw. orientalischen Umwelt Israels. „Die Institution der Ältesten ist im Kulturland häufiger belegt als im nomadischen Bereich“ (Thiel, 27). Im Gegensatz zu örtlichen Nachbarschaften findet sich ein besonderes Interesse an Abstammungsfragen und daraus abgeleiteten Gliederungssystemen eher bei nomadisierenden Gruppen, deren Ortsbindung schwach ist und die sich mittels tatsächlicher oder konstruierter gemeinsamer Abstammung ein friedliches Zusammenleben ermöglichen, sowie bei Umsiedlern und Rückkehrern, die ihre Ortsbindung verloren haben.
Was Berg (136 Anm. 434) vor einem halben Jahrhundert noch als vorsichtige Anfrage an Noth in eine Anmerkung versteckte, kann heute in den laufenden Text gestellt werden: Die Ältesten des Alten Testaments haben keinen Bezug zu durch Verwandtschaft definierte Gliederungen der Gesellschaft. Sie vertreten und agieren in Nachbarschaften und werden von den Repräsentanten der Familien und Sippen, für die das Biblischhebräische mit „Haupt“, „Häupter“ einen eigenen Begriff besitzt (s.u. 3.3.), zuweilen ausdrücklich unterschieden (Dtn 5,23
2.3. Ihr Auftreten als Kollegium
Von den Ältesten als Trägern eines öffentlichen Amtes wird im Alten Testament fast ausschließlich im Plural geredet.
Wenn Jesaja in Jes 3,2
Aus dem Befund kann geschlossen werden: Das Amt der Ältesten im alttestamentlichen Israel war ein kollegiales Amt (Berg, 30, u.v.a.). Den Ältesten kamen Kompetenz und Autorität nicht als Einzelpersönlichkeit, sondern lediglich zusammen mit anderen in einem Kollegium zu. Für dieses Ältestenkollegium besitzt das Biblischhebräische kein eigenes Wort. Da es offensichtlich ausreichte, bei Bedarf „einige der Ältesten“ zusammenzurufen (Jer 19,1
In der Kollegialität ihres Auftretens und Handelns, in ihrer Bezogenheit auf Städte wie auch in ihrem Vorkommen in Texten über die Richter- und frühe Königszeit Israels ähneln die „Fürsten“ (סרנים) der Philisterstädte den Ältesten Israels. Die geringe Anzahl der Belege für die philistäischen „Fürsten“ lässt jedoch eine sichere Identifikation der beiden Ämter nicht zu.
2.4. Die Zuständigkeiten und Aufgaben
Die Belegstellen für die Ältesten im Alten Testament geben ziemlich detaillierte Auskünfte über die Zuständigkeiten und Aufgaben dieses Amtes. Sie sind in ihrer Ausführlichkeit mit den Informationen über das alttestamentliche Priesteramt vergleichbar.
2.4.1. Die notarielle und exekutive Funktion
Rechtsstreitigkeiten wurden der „Rechtsgemeinde“ als der „Gesamtheit der rechtsfähigen Bürger“ vorgetragen, von ihr beurteilt und von ihr entschieden (Köhler, 145-150). Das Kollegium der Ältesten ist mit der Rechtsgemeinde nicht identisch, sondern nimmt lediglich einige spezifische Funktionen in ihrem Rahmen wahr; Aussagen wie, die Ältesten seien „Träger der lokalen Gerichtsbarkeit“ gewesen (Conrad, 645) oder gar der Begriff „Ältestengerichtsbarkeit“ sind deshalb unangemessen (s.u. 2.4.3.).
1) Die notarielle Funktion der Ältesten in der Rechtsgemeinde
Nach Dtn 21,18-21
Notariell sind die Ältesten in Jos 20,1-9
Zwei Stellen illustrieren, wie die Ältesten ihr durch die Anwesenheit bei Zusammenkünften der Rechtsgemeinde und anderswo erworbenes Wissen wiedergeben: Zum einen tragen „Älteste des Landes“ bei einer Anklage gegen Jeremia zwei vergleichbare Fälle aus der Zeit → Hiskias
2) Die notarielle Funktion der Ältesten als Motiv in der alttestamentlichen Geschichtsschreibung
Rüterswörden (371) hat darauf aufmerksam gemacht, dass die deuteronomistische Geschichtsschreibung mit der Erwähnung der Ältesten historische Übergänge markiert (Jos 24,31
Vergleichbare, mehr oder weniger deutliche Belegstellen finden sich in der Darstellung der Vorgeschichte in Ex 3,18
Das heißt: Die alttestamentliche Geschichtsschreibung verwendet das Motiv der Anwesenheit der Ältesten in Erinnerung an deren notarielle Funktion in den Rechtsgemeinden der Königszeit (Wagner 2002, 568-569). Bei diesem literarischen Befund ist Vorsicht geboten, Belege, an denen die Ältesten in den Erzählungen vom Exodus und der Wüstenwanderung als Empfänger von Informationen, die sie nicht weitergeben (etwa Ex 3,16
Einen Nachklang der historiographischen Verarbeitung des Motivs der notariellen Funktion der Ältesten stellt wohl ihre stereotype Beifügung in (z.T. anachronistischen) Aufzählungen verschiedener Ämter und Gruppen dar, in deren Masse sie profillos untergehen (Dtn 29,9
Eine andere Erklärung für die Erwähnung der Ältesten in den Erzählungen über den Exodus und die Wüstenwanderung hat Berlejung (84) vorgetragen. Sie erkennt hinter dem „Institut der Ältesten als Repräsentanten des gesamten Volkes … (Num 11,16
3) Die exekutive Funktion der Ältesten in der Rechtsgemeinde
Nach Dtn 22,18
4) Die exekutive Funktion der Ältesten als Motiv in der alttestamentlichen Geschichtsschreibung
Vergleichbar mit der Verwendung des Motivs der notariellen Funktion der Ältesten in der alttestamentlichen Geschichtsschreibung wurde in mindestens einem Fall später auch an die exekutive erinnert: 1Kön 21,8-14
2.4.2. Die städteübergreifenden Funktionen
„Erhebliche politische Bedeutung“ (Conrad, 645) kam den Ältesten der alttestamentlichen Städte dann zu, wenn sie für ihre Stadt oder gar in konzertierter Aktion als Älteste mehrerer Städte politische Ziele betrieben. Dies wird zum ersten Mal von der Ältesten der Landschaft → Gilead
2.4.3. Eine richterliche Funktion?
Einige Ausleger vermuten auch eine richterliche, das heißt: Urteil fällende Funktion der Ältesten. Es gibt aber nur eine einzige Belegstelle im Alten Testament, die sich daraufhin auslegen ließe: Dtn 22,18-19
Buchholz (68-69) erklärt die fehlende Belegbasis für Urteile der Ältesten im Tor damit, dass die richterliche Funktion in den Gesetzestexten „stillschweigend vorausgesetzt“ werden konnte, da sie „zum Geschäft der Ältesten … gehörte“. Letzteres wird jedoch in Ex 24,14
2.4.4. Eine kultische Funktion?
Zuweilen werden den Ältesten in der Literatur Zuständigkeiten und Aufgaben im Bereich des Kultus zugeschrieben. Die hierfür herangezogenen Stellen können diese Hypothese aber kaum stützen.
Dass sich der Erzähler in Ex 3,18
Für Berg (137-139) war die Formel „du sollst so das Böse aus deiner Mitte wegtun“ und ähnlich in Dtn 19,13
Der von den Ältesten nach Dtn 21,1-9
Gern wird in diesem Zusammenhang auf 1Kön 21,8-14
Nach Berg haben die Ältesten als „Vertreter der Amphiktyonie im Bundesfestkult“ (135) und „Tradenten der Heilsgeschichte“ (Jos 24,31
Die aktive Beteiligung der Ältesten an einem gottesdienstlichen Akt findet sich allein in dem späten Ritual für das „Sündopfer der Gemeinde“ Lev 4,13-21
Das Fehlen eindeutiger Hinweise auf spezifische Zuständigkeiten und Aufgaben der Ältesten im Kult harmoniert mit der Tatsache, dass im Gegensatz zu anderen Ämtern wie Königen, Richtern und Propheten im Alten Testament niemals von göttlicher Erwählung und Beauftragung oder auch charismatischer Ausstattung Ältester gesprochen wird (Becker, 465). Num 11,14-30
2.4.5. Eine beratende Funktion?
Laut Ez 7,26
Der genannte Abschnitt Ez 7,26
3. Die Geschichte des Ältestenamtes
Die heute gängige Auffassung von der Geschichte des Ältestenamtes im alttestamentlichen Israel ist maßgeblich am Ende des 19. Jh.s durch Seesemann geprägt worden. „Ursprünglich handelt es sich bei den Ältesten um Familienhäupter. Mit der Ansiedlung Israels in den festen Ortschaften des Kulturlandes ist ein Zug zu einer strafferen Ordnung zu bemerken. Durch das Königtum wird der Einfluss der Ältesten – besonders in den Hauptstädten – zurückgedrängt. In und nach dem Exil kann ein Wiederaufleben der alten Geschlechterverfassung mit den Ältesten als ihren massgeblichen Funktionären beobachtet werden“ (Seesemann, 57; wiedergegeben nach Berg, VIII). Dem widerspricht das Alte Testament in seiner literarischen Endgestalt insofern, als es das Amt der Ältesten – mit Ausnahme der Patriarchenerzählungen – in allen seinen Überlieferungsschichten als Gegebenheit voraussetzt (Bornkamm, 655) und keinen Wandel in der gesellschaftlichen Bedeutung spüren lässt. Die Belegstellen zwingen jedoch zur Korrektur beider Darstellungen.
3.1. Vorgeschichte und Richterzeit
In den Patriarchenerzählungen kommen Älteste nicht vor. In den Darstellungen des Exodus und der Landnahme fügt die Geschichtsschreibung den handelnden Personen (→ Mose
Besteht heute zwar weitgehende Einmütigkeit darüber, dass man „aus dem reichlichen Vorkommen der Ältesten in der Exodus- und Wüstenzugtradition … kein[en] zwingende[n] Schluß auf ihre Funktion in der Zeit vor der Landnahme ziehen“ kann (Thiel, 41-42), sind doch immer wieder entsprechende Versuche unternommen worden. So hatte Noth (1948, 196) die Frage gestellt, ob nicht die Ältesten in Ex 18,12
Für die Zeit der Richter gibt es mit Ri 11,4-11
Die anderen diese Epoche betreffenden Erzählungen sind (gegen z.B. Schäfer-Lichtenberger, 290) kaum authentische Quellen für das Amt der Ältesten: In Ri 8,13-16
Das Amt der Ältesten in Israel war wohl vor der Königszeit erst im Entstehen begriffen (Neu, 207). → Albrecht Alt
3.2. Königszeit
Mit breiter Quellenbasis und mit exegetischer Sicherheit lässt sich das Amt der Ältesten nur für die Königszeit Israels und Judas (Eisen-II-Zeit) belegen (1Sam 8,4-5
Die häufig vertretene Meinung, das Königtum habe das Ältestenamt im Laufe der Zeit zurückgedrängt und durch andere Ämter ersetzt, lässt sich im Alten Testament nicht belegen (Buchholz, 85-86; Becker, 463; vgl. aber auch bereits Alt, 118). Nach Aussage der alttestamentlichen Überlieferung war das Ältestenamt vielmehr von vornherein und bis zu seinem Ende mit der Monarchie verfassungsmäßig eng verbunden: Nach 1Sam 8,4-5
Einige Autoren (laut Gertz [86] als erster Riehm im Jahre 1854) rechnen mit der Einsetzung hauptamtlicher Richter in der Königszeit. Die dafür herangezogenen Belegstellen erwähnen aber entweder gar keine Richter (Mi 3,9-12
3.3. Exils- und Nachexilszeit
War das Amt der Ältesten konstitutionell mit dem Königtum in Israel verknüpft, ist es nicht verwunderlich, dass es auch zusammen mit der judäischen Monarchie zu Beginn des 6. Jh.s v. Chr. unterging (Wagner 2002, 401-403). Die Quellen dokumentieren sowohl den Bedeutungsverlust der Ältesten (Klgl 1,19
Älteste gehörten auch zu den nach Babylonien Umgesiedelten (Jer 29,1
In der nachexilischen Zeit scheint das Ältestenamt nicht wieder aufgelebt, sondern durch die „Häupter“ ersetzt worden zu sein (Conrad, 647, 649). Dies dürfte mit dem Wandel in der Gesellschaftsstruktur zusammenhängen: Die Ältesten der Königszeit vertraten und leiteten Städte und damit in Nachbarschaft lebende Bürger unterschiedlicher Herkunft (s.o. 2.2.). Durch das Exil und vor allem die Rückkehr aus Babylonien aber gewannen verwandtschaftliche Beziehungen und dementsprechende Gliederungen – Vaterhaus, Familie, Sippe, Stamm – an Bedeutung (vgl. das große Interesse der nachexilischen Literatur wie der Priesterschrift und dem chronistischen Geschichtswerk an genealogischen Zusammenhängen; Wagner 2002, 407-408; → Genealogie
Der Wegfall des Ältestenamtes in der nachexilischen Zeit harmoniert wiederum mit der Geschichte der → Stadttore
Im Buch → Esra
Das Vorkommen des Wortes „Älteste“ in Jo 1,2
Etwas wenigstens dem Namen nach mit dem Kollegium der alttestamentlichen Ältesten Vergleichbares, eine γερουσία gerusia „Ältestenrat“, scheint es erst wieder um 200 v. Chr. in Judäa gegeben zu haben (Ego, 980); eine verfassungsgeschichtliche Kontinuität zu den Ältesten des Alten Testaments lässt sich aber nicht nachweisen, vielmehr gibt es in der hellenistischen Umwelt zahlreiche Hinweise auf die Gründung bzw. die Existenz von „Ältestenrat“ genannten Gremien gerade in jener Epoche (Welwei, 980).
4. Der Vergleich mit benachbarten Kulturen
Häufig werden die alttestamentlichen Ältesten in der Literatur mit Amtsträgern der orientalischen Umwelt seit der sumerischen Zeit verglichen und identifiziert (s. etwa Conrad, 644-645). Solche Vergleiche mögen auf den ersten Blick naheliegen, wenn jene Funktionäre Bezeichnungen tragen, deren Semantik der Bedeutungserweiterung des hebräischen Verbs זקן „alt sein / alt werden“ zu זקנים „Älteste“ entspricht (vgl. z.B. akkadisch šību „grau / alt“, „Ältester“). So hat bereits Winer (59) die Ältesten Israels mit den Schechs der arabischen Beduinen verglichen, deren Benennung šaich „älterer, würdiger Mann / Ältester“ ebenfalls von einem Verb für „alt werden“ (šācha) abgeleitet ist. Nun ist aber die Heranziehung von Beispielen aus durch Jahrhunderte entfernten Epochen und durch Hunderte Kilometer getrennten Regionen methodisch nicht unbedenklich (so bereits Seesemann, 5). Zudem zeigt die ethnographische Forschung, welch unterschiedliche Rollen „Älteste“ genannte Amtsträger selbst in verfassungsmäßig nahe verwandten Gesellschaften innehaben können (Neu, 209). So darf es nicht überraschen, wenn sich in – dem alttestamentlichen Israel unmittelbar benachbarten und zeitgleichen – Ägypten ein ähnliches Amt gar nicht nachweisen lässt (Conrad, 644) und ein eingehender Vergleich mit den Ältesten benachbarter Kulturen der ersten Hälfte des 1. Jt.s v. Chr. fundamentale Unterschiede sichtbar macht.
Unter der Voraussetzung, dass Homer in seinen Dichtungen nicht die konstitutionellen und sozialen Verhältnisse der erzählten Zeit, sondern vielmehr seiner eigenen Epoche schildert, ist ein Vergleich der alttestamentlichen Ältesten mit den Geronten des vorklassischen Griechenlands aufschlussreich. Die Begriffsentwicklung erinnert zwar auch hier stark an das hebräische und akkadische Pendent: γέρων gerōn „ursprünglich (d.h. indoeuropäisch) grau, alt → Alter
Bei den Ältesten des Alten Testaments handelt es sich um ein Amt sui generis. Auch wenn die Gefahr besteht, dass der Ausdruck „Älteste“ zu Assoziationen mit zwar namensgleichen, aber dennoch ansonsten stark abweichenden Ämtern in der Umwelt des alttestamentlichen Israel führen kann, wird der traditionelle Begriff doch der Einfachheit halber weiterhin beibehalten werden müssen.
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