Deutsche Bibelgesellschaft

Amos / Amosbuch

(erstellt: September 2006)

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1. Das Amosbuch im Kontext

Amos Abb 1
Das Amosbuch ist Teil des → Zwölfprophetenbuchs (Dodekapropheton). Hier steht es in der hebräischen Bibel an dritter Stelle nach Hosea, Joel und vor Obadja, Jona, Micha.

In der → Septuaginta (LXX) steht Amos dagegen unmittelbar hinter Hosea. Nach einem historischen Gesichtspunkt sind hier zunächst die Bücher zusammengestellt, die in der Überschrift Könige des 8.Jh.s nennen, also Hosea, Amos und Micha, dann folgen die undatierten Schriften Joel, Obadja und Jona.

Eine weitere, in → Qumran belegte Schriftenfolge (in 4QXIIa folgt nach Maleachi sehr wahrscheinlich noch Jona) ist hier nicht von Interesse, weist aber darauf hin, dass es möglicherweise mehrere Anordnungsvarianten gab.

2. Gestalt und Aufbau des Buches

Die Prophetenschrift umfasst 9 Kapitel, die als Botschaft des in der Überschrift vorgestellten Autors verstanden werden sollen. Das besagt das „und er sagte“ in Am 1,2.

Am 1,1: die Überschrift. Am 1,1 nennt Amos als Autor. Der Name עָמוֹס ‘āmôs „Amos“ stellt wohl eine Kurzform von Amasjah / Amasjahu o.ä. dar. Er ist von עמס ‘ms „heben / aufheben / tragen“ abzuleiten und bedeutet „der (von Jahwe) Getragene“. Ein Vatersname wird nicht mitgeteilt, was die Namenseinführung mit Ob 1 und Mi 1,1 verbindet, wo ebenfalls allein der Herkunftsort genannt wird. Tekoa ist sehr wahrscheinlich ein Ort in der judäischen Wüste südöstlich von Jerusalem (auch wenn man eine Lokalisierung im Nordreich Israel erwogen hat). Der Titel „Die Worte des Amos“ ist für ein Prophetenbuch ungewöhnlich (im Zwölfprophetenbuch nur in Am 1,1 gebraucht), hat aber eine direkte Entsprechung in Jer 1,1, dann in weisheitlichen Schriften (Worte Agurs, Spr 30,1; Worte Qohelets, Pred 1,1). Der Titel legt Wert auf den menschlichen Sprecher und nicht auf die göttliche Herkunft der Worte.

Amos Abb 2

Statt des Vatersnamens wird der Beruf des Amos angegeben: „der unter den Tierzüchtern (בנקדים) aus Tekoa war“. Eine weitere Ergänzung („der schaute wider Israel“) benennt den zentralen Gehalt der Botschaft und geht über in eine Datierung, bei der der judäische König → Usija / Asarja zuerst genannt und durch das nordisraelitische Pendant → Jerobeam (II.) ergänzt wird. Das spricht dafür, dass der erste Satz des Buches aus judäischer Optik formuliert wurde. Endlich folgt noch eine, jedenfalls für damalige Leser, präzisere Datierung: „zwei Jahre vor dem Erdbeben“.

Am 1,2: das Motto: Der erste Spruch in Am 1,2 führt die auf Jerusalem orientierte Perspektive ein, aus der das Folgende zu lesen ist: mit einer Theophanieschilderung wird ausgesagt, dass der eigentliche Autor der aus Zion / Jerusalem laut redende Gott Jahwe ist.

Am 1,3-2,15: ein Zyklus von Völkersprüchen. Der Leseanweisung in Am 1,2 folgt eine Serie von knappen, aber mit stereotypen Elementen ausgestatteten Worten gegen fremde Völker (Am 1,3-2,3). In einer für eine prophetische Schrift unüblichen Bucheröffnung werden Damaskus, die Hauptstadt der Aramäer (Am 1,3-5), Gaza, eine Stadt der Philister (Am 1,6-8), Tyrus (Am 1,9f), Edom (Am 1,11f), Ammon (Am 1,13-15) und Moab (Am 2,1-3) mit Unheilsankündigungen bedacht. Der Völkerzyklus gipfelt in Worten über Juda (Am 2,4-5) und Israel (Am 2,6-16), wobei im letzten Spruch die Begründung des Unheils im schuldigen Verhalten (Am 2,6-8) und die Unheilschilderung (Am 2,13-16) erheblich breiter thematisiert werden als in den Fremdvölkersprüchen vorher. Beide Abschnitte werden durch Am 2,9-11(.12) miteinander verbunden, der das fundamentale göttliche Heilshandeln in Exodus, Landgabe etc. thematisiert. So stellt dieser erste auf Israel bezogene Spruch eine Art Grundsatzerklärung zum Thema „Israel“ dar.

Am 3-6: Gerichtsworte gegen Israel. Die vier Kapitel sind mit Hilfe von einleitenden Aufforderungen zum Hören in Am 3,1 und Am 5,1 strukturiert, die in gewolltem Bezug aufeinander formuliert sind. Im ersten Falle wird das zu hörende „Wort“ expliziert mit der Wendung „das Jahwe über / wider euch sprach, Söhne Israels…“, während es im zweiten Fall als ein Wort gilt, das das prophetische Ich als Leichenklagelied „wider euch“ richtet. Im Unterschied zur Anrede „Söhne Israels“ zielt die Titulierung als „Haus Israel“ auf die politisch verfasste Existenz der angesprochenen Menschen. In Am 3-4 ist durchgehend von „Israeliten“ (Am 3,1.12; Am 4,5), in Am 5-6 dagegen vom „Haus Israel“ (Am 5,1.3.4.25; Am 6,1.14) und vom „(Haus) Josef“ (Am 5,6.15; Am 6,6) die Rede. Das verweist auf eine gewollte Abfolge der Texte und einen entsprechenden Aufbau. Das zeigt sich daran, dass in Am 5-6 die einleitende Leichenklage immer wieder ihr Echo findet bis zu den beiden „Weherufen“ in Am 5,18 und Am 6,1 und der in Am 6,9-10 weitergeführten Todessituation. Innerhalb von Am 3-4 strukturieren Redeformen, die zum „Hören / Hörenlassen“ auffordern (Am 3,9.13; Am 4,1). Am 5,1-17 bildet eine Textcollage, die konzentrisch aufgebaut ist und in dieser Anlage Motive einer „Umkehr“-Forderung (Motiv der Jahwe-Suche, Am 5,4-6 // Am 5,14-15) so einarbeitet, dass diese als überholte Möglichkeit präsentiert werden. Da der Hinweis darauf, dass Gott „vielleicht“, freilich nur einem „Rest Josefs“, Gnade walten lassen wird, in Am 5,16-17 wieder von düsterer Leichenklage abgelöst wird, die Am 5,2f aufnimmt, erscheint es so, als hätten die Hörer des Amos die Chance zur Umkehr nicht genutzt und der Untergang Israels sei nun besiegelt. Der Untergang wird in Am 5,27 und Am 6,14 als militärische Niederlage beschrieben.

Am 7,1-9,6: ein Zyklus von Visionen. Mit Am 7,1 ändert sich der Charakter der Überlieferung. Es folgt ein prophetischer Ich-Bericht über fünf → Visionen (Am 7,1-3.4-6.7-8[.9], Am 8,1-2[.3]; Am 9,1-4), der in seinem stereotypen Aufbau an die Völkerwortreihe in Am 1f erinnert. In diesen Ich-Bericht ist ein Fremdbericht über die Begegnung des Amos mit dem Priester von → Bethel, → Amazja, eingefügt (Am 7,10-17). In beiden Berichten begegnet erstmals seit Am 1,1 wieder der Name Amos. Die Steigerung des katastrophalen Wollens Gottes hin zu der Ansage eines „Endes (oder: Ernte)“ für Israel in Am 8,2 führt offensichtlich dazu, dass in dem Abschnitt Am 8,4-14 verschiedene Worte eingefügt wurden, die diese katastrophische Situation weiter entfalten. Mit Am 9,1-4 folgt eine fünfte Vision, die indessen formal andere Wege geht als die ersten vier. Sie inszeniert ein eindrückliches Finale: Man hat das Gefühl, dass die fünfte Vision dazu dient, die katastrophische Situation, die seit Am 8,1 thematisch ist, auszuweiten und in kosmische Bezüge einzuordnen. Das wird durch einen Hymnenteil in Am 9,5f manifest, der bereits durch ähnliche Fragmente in (Am 1,2;) Am 4,13; Am 5,8(f) (vgl. Am 8,8) vorbereitet wurde. Vermutlich sollen diese hymnischen Partien den Textverlauf gliedern.

Am 9,7-15: ein abschließendes Heilswort. Mit Am 9,7 beginnt der letzte Abschnitt des Buches. In 9,7-10 wird die Vernichtung des „sündigen Königreichs“ angekündigt, wobei neben der politischen Dimension v.a. auf die zu vernichtenden „Sünder meines Volkes“ abgehoben wird, die der prophetischen Botschaft skeptisch bis feindlich gegenüber stehen. Daran schließt sich sodann, in dramatischer Wende, ein heilvoller Schluss an, der eine wunderbare Wiederherstellung Jerusalems und des davidischen Königtums („Hütte Davids“ Am 9,11f) und eine überwältigende Fruchtbarkeit des Landes anvisiert, in dem die Bestraften dann endgültig wohnen werden (Am 9,13-15).

Eine breite Richtung der Forschung versucht, der so beschriebenen Buchgliederung durch Überlegungen zu Aufbauprinzipien oder durch rhetorische Analysen einen Sinn abzugewinnen. Möller (2003) hat diese Versuche neuerdings gesichtet und weitergeführt. Er rechnet mit einer Entstehung des Gesamtbuches am Ende des 8.Jh.s. Es habe dazu gedient, die Reden des Amos an die Israeliten so darzubieten, dass die assyrische Eroberung Israels 722 v. Chr. als deren Erfüllung verstehbar wurde. Zugleich konnte die Amosschrift für judäische Leser als Warnung präsentiert werden. Die einem synchronen Ansatz verpflichteten Analysen überzeugen auf der mikrostrukturellen, nicht jedoch auf der auf das Buchganze bezogenen makrostrukturellen Ebene, da sie literarkritische Fragen überspielen. Insgesamt muss man urteilen, dass die Forschung quer zu den verschiedenen Richtungen anerkennt, dass zwischen den Teilen Am 1-2; Am 3-6 und Am 7-9 strukturelle Differenzen bestehen.

3. Zur Entstehung des Buches

Die Extrempositionen hinsichtlich der Frage der Buchentstehung markieren auf der einen Seite Rosenbaum (1990), nach dessen Meinung das Amosbuch die wortgetreue Fassung einer 20minütigen Rede sei, die Amos in Bethel gehalten und nach seiner Ausweisung in Tekoa eigenhändig aufgeschrieben habe, und auf der anderen Seite Fritz (1987/1989), der nur einige wenige kleine Textstücke auf Amos zurückführt. Die Wahrheit dürfte irgendwo und irgendwie in der Mitte liegen.

3.1. Forschungsgeschichte

1) Das Amosbuch als einheitliches Werk

Für die konservativere Forschung steht wegen Am 1,1 (fast) das gesamte Buch mit Amos in Verbindung und wird um die Mitte des 8.Jh.s datiert. So plädiert der Kommentar von Rudolph (1971) dafür, den Anteil an redaktionellem Gut so stark zu minimieren, dass man nicht von einer „Redaktion“ sprechen kann. Noch weiter in diese Richtung geht Koch (1995). Auf der anderen Seite kann die Orientierung am Gesamtbuch auch bedeuten, dass man es als ein Produkt der nachexilischen Ära versteht, was ältere Tradition nicht unbedingt ausschließen muss, die aber nicht interessiert (Coggins, 2000). Das gilt auch für die Frage nach Amos selbst.

Dazwischen liegen Auffassungen, die mit einer mehr oder weniger komplizierten Entstehung des Buches rechnen, also eine größere oder kleinere Anzahl von Redaktionen in Anschlag bringen. Dabei ist in der neueren Diskussion der Anteil des (am Anfang der Überlieferungsbildung stehenden) historischen Amos besonders kontrovers.

2) Das Amosbuch als mehrschichtiges Werk

Für die Buchentstehung entwickelte man verschiedene Modelle. Klassisch ist die Vorstellung zu nennen, die mit einem großen Anteil von Amosworten aus der Zeit um 760 rechnet, die zunächst verschriftlicht wurden und dann durch verschiedene Redaktionen kleineren Umfangs (wobei die Annahme einer deuteronomistischen Redaktion durch W.H.Schmidt, 1965, am einleuchtendsten war) zum vorliegenden Buch ausgebaut wurden. So rechnet der Kommentar von H.W. Wolff (1969) mit folgenden Verhältnissen:

a) die älteste Schicht geht auf Amos selbst zurück;

b) seine Schüler („Amosschule“) interpretieren diese schriftlich weiter;

c) eine Bethel-Interpretation verarbeitet die Vernichtung des Bethel-Tempels durch Josia;

d) dem folgt die deuteronomistische Redaktion;

e) endlich gestaltet eine nachexilische Heilsinterpretation das heutige Buchganze.

In neueren Darstellungen werden demgegenüber nur sehr wenige Worte Amos selbst zugerechnet, v.a. einige goldene Worte (Vergleiche, Bildworte, Weherufe), die eine urtümliche, weisheitsanaloge Sammlung der „Worte des Amos“ (Am 1,1) bildeten. Am radikalsten ist die Analyse von Fritz (1987/1989), der nur zwei oder drei Worte (Am 3,12*; Am 5,3) und die beiden ersten Visionen (Am 7,1-6*) Amos zuschreibt. Die eigentlich buchproduktiven Phasen gestalten das alte Material radikal um und stellen allererst einen prophetischen Amos her (so z.B. auch Kratz, 2003; Becker, 2001; Lescow, 1998/1999). In ausführlicher Analyse unterscheidet dabei Lescow (1998/1999) vier Phasen der Buchwerdung jenseits der Amos-Worte, von denen zwei vor und zwei nach dem exilischen Einschnitt anzusetzen sind.

Eine noch weitergehende Verfeinerung der Analyse stellt Rottzolls (1996) Unterscheidung von zwölf Stufen der Buchwerdung dar, von denen allerdings neben der Urgestalt der Amosworte (größeren Umfangs, Rottzoll orientiert sich für die Urgestalt v.a. an den Angaben über das Erdbeben in Am 1,1 und ordnet dem entsprechende Worte in Am 3-6 neben dem Völkerwort-Zyklus und dem Visionenzyklus einschließlich von Am 9,1a* zu) v.a. vier von redaktionellem Gewicht sind. An der These einer deuteronomistisch beeinflussten Redaktion (W.H. Schmidt, 1965) wird man festhalten müssen, auch wenn versucht wird, hier stärker zu differenzieren (Rottzoll, 1996; Schart, 1998).

3) Die Entstehung des Amosbuchs im Rahmen der Entstehung des Zwölfprophetenbuchs

Neuerdings versucht man, das Werden des Amosbuches mit dem des Zwölfprophetenbuchs zu verbinden. J. Jeremias (1995) zeigt, dass Redaktoren der Bücher Hos und Am schon früh auf das jeweils andere Buch Bezug genommen haben. Nach Schart (1998; vgl. Nogalski, 1993; etwas zurückhaltender Jeremias, 1997) folgen einer selbständigen Sammlung von Amosworten in Kap. 3-6 verschiedene Neufassungen (Schichten), die mit dem Werdegang des Zwölfprophetenbuchs zusammenhängen:

a) Die sog. Tradentenfassung in Am 1-9 wird mit dem Buch Hos korreliert (im Sinne der Herstellung eines Zwei-Prophetenbuches Hos+Am);

b) die 2. Schicht, die deuteronomistisch geprägt ist, wird mit der Entstehung eines erweiterten Werkes (Hos / Am / Mi / Zef) in Verbindung gebracht;

c) die 3. Schicht („Hymnenschicht“) schließt noch Nah und Hab ein;

d) die 4. Schicht („Heilsschicht“) umfasst neben dem voll ausgeformten Buch Mi als Fortführung von Zef noch Hag und Sach 1-8;

e) die 5. Schicht („eschatologische Schicht“) entwickelt ein Zehnprophetenbuch;

f) der Ausbau zum Zwölfprophetenbuch mit Jona und Mal hat keine Rückwirkungen auf das entstandene „Buch“ Am mehr gehabt.

Die weitere Forschung wird diese redigierenden Übergriffe in andere literarische Bereiche hinein zu prüfen haben.

Es gibt zwei weitgehend konsensfähige Ausgangspunkte für die kritische Betrachtung des Buches: 1. das Buch ist in seiner Endfassung ein Produkt der (nach)exilischen Ära. 2. Das Buch hat in seinen drei Teilen (Am 1-2; Am 3-6; Am 7-9) ein unterscheidbares Profil. Man sollte also zu diesen drei Teilen des Buches getrennt Stellung beziehen.

3.2. Redaktionsschichten

1) Die Endfassung. Die Endfassung des Buches stammt erst aus nachexilischer Zeit. Dies zeigen folgende Beobachtungen:

a) die Vorwürfe an die Adresse des „Bruder“volks der Edomiter (Am 1,11f) spielen auf Vorgänge an, die mit der → Eroberung von Jerusalem 587/6 und deren Folgen zu verbinden sind;

b) das sog. Kehrversgedicht Am 4,6-11(12) setzt wohl ebenfalls die Zerstörung Jerusalems voraus;

c) die Ankündigung des Wiederaufbaus der „Hütte Davids“ in Am 9,11-15 setzt deren Ende voraus;

d) auch Restitutionserwartungen (Am 9,14a) haben sich erst in der Exilszeit ausgebildet.

Möglicherweise setzen einige Texte die deuteronomistischen Königsbücher voraus (vgl. Am 1,5 mit 2Kön 16,5; Am 6,14 mit 2Kön 14,25; → Deuteronomismus). Insofern umspannt die Entstehung des Amosbuches eine Zeit, die vom historischen Amos zur Zeit der beiden Könige Usija und Jerobeam (um 780-750) bis in die nachexilische Zeit reicht.

2) Die deuteronomistische Redaktion. Fragt man hinter die Endfassung zurück, so bietet sich als weiterer breiter Konsens die Annahme einer deuteronomistischen oder deuteronomistisch geprägten Redaktion an, der folgende Texte zugeordnet werden:

a) die Worte gegen Tyrus und Edom (Am 1,9-12) sowie der Spruch gegen Juda (Am 2,4-5);

b) die Hinweise auf das göttliche Heilshandeln in Exodus, Wüstenwanderung und Landnahme (Am 2,9-10.11[12]; Am 3,1; Am 5,25; Am 9,7);

c) der Gedanke, dass Propheten das verkünden, was sie im göttlichen „Kreis“ gehört haben (Am 3,7);

d) das sog. Kehrversgedicht in Am 4,6-11(12), das die fehlende „Umkehr“ der Adressaten angesichts der von Gott gebrachten Katastrophen der Vergangenheit anspricht (vgl. das Tempelweihegebet Salomos, 1Kön 8);

e) vielleicht auch der Bericht über die Begegnung mit dem Priester Amazja in Bethel, Am 7,10-17, der am ehesten Bezüge zu deuteronomistisch tradierten Prophetenerzählungen aufweist, aber im Konflikt Priester-Prophet auch in Verbindung mit Jeremia-Texten steht.

Die Zufügung neuer Texte bringt ein neues Verständnis der vorgegebenen älteren Texte mit sich: So wird z.B. der vordeuteronomistische Spruch Am 4,4-5 (vgl. Am 5,4-5 usw.) durch die Anfügung des Kehrversgedichts Am 4,6-11 so verstanden, dass die kritisierten kultischen Vergehen darin ihren Grund hatten, dass „Israel“ in der „Sünde Jerobeams“, nämlich der Abkehr vom Jerusalemer Tempel, verharrte. Die deuteronomistische Buchfassung muss bis Am 9,7-10 gereicht haben.

3) Die hymnischen Teile des Buches (Am 4,13; Am 5,8f; Am 8,8 (?); Am 9,5-6, möglicherweise auch Am 1,2) sind schwer einzuordnen. Da sie in 9,5-6 vor der deuteronomistisch geprägten Schicht enden, sind sie höchst wahrscheinlich älter. Die Einsprengsel setzen die Unheilsverkündigung des Buches voraus und lehren Unheil, das in der Geschichte Israels ansteht (oder geschah), im Horizont des Schöpferhandelns dieses Gottes Israels zu verstehen. Die gottesdienstliche Einordnung der Hymnen bzw. Hymnenteile wird man zurückhaltend beurteilen müssen, da Hinweise auf einen anderen Sprecher (eine andere Sprechergruppe) nicht vorliegen, und die Interpretation als „Gerichtsdoxologien“ (Horst, 1961), die das Unheil als gerecht anerkennen, unwahrscheinlich ist.

Bleiben diese zwei redaktionellen Stufen vor der Endfassung recht wahrscheinlich, so scheint es angezeigt, sich für weitere Rückfragen nicht am Gesamtbuch, sondern an den genannten Buchteilen Am 1-2; Am 3-6; Am 7-9 zu orientieren.

3.3. Die einzelnen Teile des Amosbuches

1) Die Völkerwort-Reihe. Sie umfasste ursprünglich nur die Sprüche gegen Damaskus (Am 1,3-5), Gaza (Am 1,6-8), Ammon (Am 1,13-15) und Moab (Am 2,1-3) sowie den Kern des Israelspruchs in Am 2,6-8.13-16(*).Hier werden sicherlich schon erste Erfahrungen mit assyrischer Umsiedlungspolitik vorausgesetzt, jedoch noch nicht mit assyrischen Eroberungen, da die genannten Staaten bis auf Damaskus diese überstanden haben. Deswegen dürfte die Reihe aus der Zeit zwischen 760 und 722 stammen. Eine Vorgeschichte der Einzelworte ist nicht erkennbar, da sie von vornherein für die Reihe konzipiert sind. Die Gesamtkonzeption umfasst je zwei miteinander enger verbundene Worte (Damaskus / Gaza und Ammoniter / Moab) sowie ein finales Israelwort, das formal freier gebildet ist.

2) Die Visionen-Reihe (→ Visionen) ist nach dem gleichen Schema aufgebaut wie die Völkerwort-Reihe: Die beiden ersten Visionen sind dadurch miteinander verbunden, dass es Amos gelingt, das göttliche Unheil für „Jakob“ abzuwenden (Am 7,1-3.4-6). Zwei weitere Visionen folgen, in denen der göttliche Entschluss zum schonungslosen Eingreifen bis zum „Ende“ Israels proklamiert wird (Am 7,6-8[9]; 8,1-2[3]). Die fünfte, formal eigenständige Vision in Am 9,1*(-4) ist wohl wie der Israelspruch der Völkerwort-Reihe als überbietender Abschluss zu verstehen, auch wenn sie als Analogiebildung erst sekundär hinzugekommen sein mag.

Zumindest die ersten vier Visionen bilden einen literarischen Zusammenhang, der keine Rekonstruktion eines früheren Textstadiums erlaubt. Auch bei dieser Visionenreihe wird man aufgrund der Kennzeichnung von Jakob als „klein“ am ehesten an eine Zeit denken, in der der große Staat der Zeit → Jerobeams II. schon unter die Räder der assyrischen Westpolitik ab ca. 745 gekommen war und als Kleinstaat (der anderwärts als „Ephraim“ bezeichnet wird) eine gewisse Zeit bis 722 überleben konnte.

Die Visionenreihe (Am 7,1-8,2*) zeigt, dass Amos das Gericht zweimal abwendete, dann aber keine Chance mehr dazu sah. Insofern bezeugt die Visionenfolge auch, dass Amos nicht von Anfang an als Verkündiger einer Gerichtsbotschaft verstanden werden will (oder: verstanden werden soll), sondern dazu gegen seinen Widerstand, der in seiner Funktion als Fürbitter begründet lag, gebracht werden musste.

Die Ausarbeitung der Visionenreihe v.a. in Am 8,4-14 knüpft deutlich an die Völkerwort-Reihe Am 1-2 sowie an die Wortsammlung Am 3-6 an. Auf dieser Stufe ist deswegen mit einer literarischen Größe Am 1,1-9,4* zu rechnen. Am 1-2 und Am 7-9 dürften der zweiten Hälfte des 8. Jh.s entstammen, also ca. 30 Jahre später liegen als es der (deuteronomistisch beeinflussten) Ansetzung in Am 1,1 entspricht.

3) Die Wortsammlung Am 3-6. Sie ist gegenüber den großräumigen Fünfer-Strukturen in Am 1-2 und Am 7-9 ganz anders aufgebaut und aus kleinen literarischen Einheiten sehr unterschiedlicher Form (Gattung) komponiert.

Der 1. Teil (Am 3-4) ist am ehesten durch die Höraufrufe (und Ähnliches in Am 3,9) untergliedert: (Am 3,1;) Am 3,9.13; Am 4,1. Dabei relativieren Formulierungen wie Am 3,9 und Am 3,13 die Differenz von Sprecher und Adressaten dadurch, dass andere zum „Mitsprechen“ aufgerufen werden. Das kann darauf hinweisen, dass Amos und eine aufnehmende Gruppe („Schule“) sehr eng zusammengehören (zumindest in Am 3). Am 3,3-6.8 bildet eine adäquate Eröffnung, in der es um das von Gott gewirkte Unheil geht sowie um den Zwang, die prophetische Botschaft zu verkünden. Der Spruch Am 3,12(a) stammt unbestritten von Amos. Er greift sarkastisch ein Rechtsinstitut auf: Um zu beweisen, dass ein Schaf von einem Raubtier gerissen worden ist, soll ein Hirte ein Überbleibsel retten (Ex 22,12). Wie dieses Überbleibsel wird auch die reiche Oberschicht „gerettet“ werden. Das heißt aber: Es bleibt nicht mehr übrig als nötig ist, um ihren Untergang vor Augen zu führen. Dieser vermutlich älteste Text in Am 3-4 ist also bereits von der unerschütterlichen Gewissheit des Endes Israels geprägt, wie sie auch die dritte und vierte Vision kennzeichnet. Diese Ankündigungen sind kaum ohne eine Begründung geäußert oder gar überliefert worden, die das Unheil verständlich machen sollte.

Der 2. Teil (Am 5-6) umfasst eine konzentrisch aufgebaute Komposition (Am 5,1-17), zu der die Totenklagen in Am 5,2 und Am 5,16f gehören sowie zwei parallel aufgebaute Weherufe (Am 5,18ff; Am 6,1ff). Der konzentrische Aufbau von Am 5,1-17 dürfte relativ spät anzusetzen sein (er gehört eventuell mit der Hymnen-Schicht zusammen, s.o.). Fragt man hier nach älterer Überlieferung zurück, stößt man zunächst auf Am 5,4-5 (parallel zu Am 4,5-6). Dieser Text hat als Auslöser für weitere Texte gedient, die sich mit der Möglichkeit von Leben für Israel befassen. Zum ältesten Gut mag auch die Totenklage über die „Jungfrau Israel“ gehören (Am 5,2). Weiterhin kann man älteres Gut in Am 5,10-12 vermuten, sodass auf der ältesten Ebene Elemente der Kult- bzw. Kultorte-Kritik und der Rechts- und Sozialkritik mit dem politischen Ende verbunden worden wären.

In den beiden parallel aufgebauten Weherufen Am 5,18ff und Am 6,1ff folgt dem Ruf „Wehe“ (Am 5,18; Am 6,1) jeweils eine Einheit, die mit den Worten „ich hasse“ und parallelen Verben beginnt (Am 5,25; Am 6,8) und nach einer Frage (Am 5,25; Am 6,12) mit einer konkret formulierten, geographisch ausgelegten Strafankündigung endet (Am 5,27; Am 6,14). Diese Parallelstruktur ist nicht im Sinne einer geschichtlichen Abfolge zu interpretieren, denn sonst müsste Am 6,14 vor Am 5,27 stehen. Der erste Weherufe Am 5,18ff lässt eine große Nähe zum historischen Amos vermuten, der zweite ist sicherlich stark überarbeitet.

Die in Am 5,1-17 eingestreuten Mahnworte haben zu der Vermutung geführt, Amos habe in einer ersten Phase seiner Tätigkeit geglaubt, die Dinge mit Aufrufen zur Umkehr ändern zu können. Auch die ersten beiden Visionen könnten ein Verkündigungsstadium durchscheinen lassen, in dem Amos noch überzeugt war, das sich über Israel zusammen ballende Unheil abwenden zu können. Eine komplexe Vorstellung von verschiedenen Stadien der Verkündigung des Amos entfaltet z.B. der Kommentar von Andersen / Freedman (1989). Allerdings ist die Rekonstruktion verschiedener Phasen der mündlichen Verkündigung mit großen Schwierigkeiten belastet.

4. Theologische Gewichtungen

Unabhängig davon, welche Texte auf den historischen Propheten zurückgehen, sind die folgenden Gedanken im Amosbuch von besonderem Gewicht.

4.1. Israel und die Völker

Die Reihe der Völkerworte (Am 1,3-2,16) zeigt, dass Israel (und Juda) aufgrund seiner Sünde keine Sonderstellung hat, sondern wie die Nachbarvölker von Gottes Gerichtshandeln betroffen sein wird. Die Einleitung der Wort-Sammlung Am 3,1-2 betont, dass Israels Sonderstellung unter den Völkern, die sich in der Rettung aus Ägypten manifestiert, für Israel eine erhöhte Verantwortung bedeutet, die zu einer besonderen Ahndung der Schuld führt. Am 9,7 geht sogar soweit, einen heilsgeschichtlichen Vorrang Israels vor anderen Völkern zu bestreiten. Auch diese Völker hat Gott nämlich in einer dem Exodus vergleichbaren Weise geführt.

4.2. Israel und sein Gott in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

Das Buch Amos verwendet an einigen Stellen Überlieferungen, die im Einklang vor allem mit deuteronomistischen Texten die besondere Beziehung Jahwe-Volk durch die fundamentalen Gottestaten Exodus und Landgabe begründet und bestimmt sehen (Am 2,9-10.11; Am 3,1-2; Am 9,7). Diese Heilstaten Gottes werden in der Zukunft wieder zurückgenommen: das Volk wird die Heilsgabe des Landes verlieren (Am 7,11.17; Am 9,8). Dagegen spricht das Buchende wieder von einer Zukunft, die auch von der überwältigenden Fruchtbarkeit des (wiedergegebenen) Landes bestimmt ist (Am 9,13-15).

4.3. Die Forderung nach „Recht / Gerechtigkeit“

Die Forderung nach „Recht und Gerechtigkeit“ begegnet als Mahnung im Kontext der Kultkritik von Am 5,21ff (v24). In Am 5,7 und Am 6,12 wird konstatiert, dass die Israeliten „Recht und Gerechtigkeit“ beseitigt oder ins Gegenteil verkehrt hätten. Dadurch erscheinen beide Größen als eine (göttliche) Vor- und Aufgabe, an der sich Israel orientieren soll. Dabei hat Am 5,24 dank der Verbindung mit der Opfer- bzw. Kultkritik am ehesten Bezüge zu weisheitlicher Sprache und Denkwelt, erst in zweiter Linie mit „Recht und Gerechtigkeit“ als Elementen bzw. Motiven der Königsideologie. Allerdings ist das in Am 5,24 entwickelte Bild eines flutartig-kontinuierlichen Geschehens, als das sich „Recht und Gerechtigkeit“ darstellen sollten, ein Stück weit utopisch.

4.4. Die Kritik am sozialen und kultischen Verhalten

„Recht und Gerechtigkeit“ bilden Maßstab der Kritik des Amos, die man üblicherweise in Kritik am sozialen und am kultischen Verhalten Israels unterteilt, auch wenn sich diese Aspekte in den Texten überlagern.

1) Sozialkritik. Soziale Ungleichgewichte in der Gesellschaft werden drastisch kritisiert und gelten als Grund für die anstehende Katastrophe (bes. Am 2,6-8*; Am 4,1-2; Am 5,10-12; Am 6,1-6*; Am 8,4-6). Amos kritisiert die Reichen und Mächtigen, weil sie auf Kosten der Armen und Machtlosen leben, und auch den Luxus der Frauen der Führungsschicht (Am 4,1). Insofern kann man Amos, weit deutlicher als andere Propheten, als Fürsprecher der Armen verstehen. Dabei wird man bei den einzelnen Vorwürfen historisch differenzieren müssen: So scheint z.B. Am 8,4-6 unter Rückgriff auf älteres Amosgut (Am 2,6-8) einen neuen Tatbestand aufdecken zu wollen, nämlich das betrügerische Geschäftemachen. Auf Grund des Hinweises auf Neumond und Sabbat dürfte dieser Text eher in die nachexilische Epoche gehören.

2) Kultkritik. Die Kultkritik (bes. Am 4,4-5; Am 5,4-5.21-25(26f), auch Am 2,7b.8) ist mit der Ansage der Vernichtung von Kultorten verbunden (Am 3,13-15; Am 5,5-6; Am 7,9; auch Am 8,14). Die Kultkritik ist zunächst so begründet, dass die Kultteilnehmer an den Heiligtümern nicht wirklich Jahwe suchen. Würden sie das nämlich tun, würden sie auch das „Gute“ suchen. Die Mahnung, Jahwe zu suchen, wird als Suche des „Guten“ expliziert (Am 5,14 interpretiert in diesem Sinn Am 5,4-5.6). Die Kultkritik wird offensichtlich in Am 5,21ff am radikalsten entfaltet. Insbesondere Am 5,25 kann als Ablehnung des Opferkults verstanden werden.

Zumindest ab der deuteronomistischen Redaktion des Buches wird man die Kritik der Kultorte im Norden und Süden – genannt werden Bethel, Gilgal, Samaria, Dan und das judäische Beerscheba – so verstanden haben, als seien diese Kultorte illegitim, weil Gott ausschließlich Jerusalem als Kultort erwählt habe. Für frühere Phasen wird diese Sicht der Dinge kaum gelten.

Strittig ist, welches Ausmaß die Kritik an polytheistischen Verhaltensweisen einnimmt. Auf jeden Fall findet sich der Vorwurf des „Abfalls“ zu anderen Gottheiten, im deuteronomistischen Stil formuliert, im Judaspruch (Am 2,4). Ob vergleichbare Vorwürfe auch an das Nordreich Israel gerichtet werden, hängt davon ab, wie man die in Frage kommenden Stellen Am 5,26; Am 8,14; auch Am 2,7-8 versteht. Es ist sehr wahrscheinlich, dass jedenfalls der historische Amos hier kein Problem gesehen hat, spätere Redaktoren mögen den Vorwurf des Abfalls von Gott aber in Angleichung an Hosea hineingetragen oder -gelesen haben.

3) Weitere Kritikpunkte seien noch genannt: der Stolz auf militärische Leistung (Am 6,13) und die religiöse Existenz (als „Erstling der Völker“, Am 6,1), das Luxusleben (Am 3,12b; Am 5,11b; Am 6,4-5) und der Verfall der rechtlichen Institutionen (Am 5,10.15).

4.5. Ziel der Botschaft

Im Zentrum des Amosbuches steht – so eine breite Richtung der Forschung – die Gerichtsbotschaft von der Ankündigung des Endes Israels (Am 8,2). Bei dieser Sicht wird die Bedeutung der Mahnworte, die Umkehr fordern und damit das Kommen des Gerichts offen lassen, relativiert oder einer früheren Phase der Verkündigung des Propheten zugeordnet, wofür immerhin die beiden Visionen Am 7,1-6 sprechen könnten. Man wird allerdings sehen müssen, dass diese Mahnungen in der literarischen Anordnung der Worte als überholte Möglichkeiten präsentiert werden. So läuft das Buch grundsätzlich auf ein Ende Israel zu. Dabei gibt es aber unterschiedliche Vorstellungen im Buch, was das genau heißt. Es kann das Ende des Volkes, aber auch das Ende der Staatlichkeit (mit Überleben eines „Restes“, vgl. Am 3,12) oder das Ende der „Sünder meines Volkes“ meinen (Am 9,10). Für die älteren Schichten des Buches wird man sagen können, dass kaum darüber nachgedacht wurde, wer gegebenenfalls wie das Ende überlebt. Das Dass des Endes ließ solche Fragen als gewichtslos erscheinen. Nachdem das Ende in Gestalt der assyrischen Eroberung Israels allerdings eingetreten war, wurden die Bilder der älteren Amosworte so interpretiert, als hätten sie ausdrücklich das Überleben eines wie immer gearteten Restes im Blick gehabt (→ Läuterungsgericht).

Ebenso deutlich ist aber auch, dass das Buchende dieses Gericht einschränkt auf eine bestimmte Phase der Existenz des Volkes: es reformuliert die Botschaft für Juda. Mit der Metapher der „Hütte Davids“, die durch Gottes Eingreifen wieder errichtet werden soll, ist im Blick, dass sich das Herrschaftsgebiet der Israeliten analog zum Reich Davids auch über Edom und alle Völker erstreckt, die zu Jahwe gehören. Diese Veränderung des Buchsinnes gehört zweifellos erst in die (nach-)exilische Zeit. Die Fortsetzung dieser Restituitonshoffnung mit der Erwartung paradiesischer Fruchtbarkeit des Landes und der Heilswende kann als Aufhebung voranstehender Drohworte verstanden werden. Gleiches gilt auch für die Heilswende für „mein Volk Israel“ (qua Zwölfstämmevolk) und für die neue Landgabe, die nie wieder widerrufen werden soll. Das Heil, das hier verheißen wird, folgt dem zuvor zu vollziehenden Gericht, da Gott sein Volk nicht (völlig) fallen lassen kann, denn er ist und bleibt in allem Jahwe, Israels Gott (→ Eschatologie).

5. Zur Person des Amos

Die in Am 1,1 gegebenen Angaben werden durch den Fremdbericht in Am 7,10-17 ergänzt, sind zum Teil aber widersprüchlich.

1) Zeit. Man kann das Wirken des Amos nur grob um 760 v. Chr. ansetzen. Am 1,1 und Am 7,10 datieren sein Auftreten in die Regierungszeit → Jerobeams II. und – nur Am 1,1 – des judäischen Königs → Usija. Beide regierten von ca. 787-747, also etwa 41 Jahre lang (vgl. 2Kön 14f). Das in Am 1,1 ferner genannte Erdbeben lässt sich nicht datieren, sollte die Angabe „zwei Jahre vor dem Erdbeben“ jedoch zuverlässig sein, wogegen wenig spricht, ist Amos nicht länger als ein Jahr aufgetreten.

Man hat die Datierung in die Zeit Jerobeams II. für einen Irrtum der Überlieferung gehalten. Eigentlich sei Jerobeam I. gemeint (Levin, 1995). Deswegen muss man die Zeit des wirklichen Auftretens allein aus inhaltlichen Merkmalen der Botschaft ableiten. Man sieht die Katastrophenankündigungen im Kontext des sog. Syrisch-ephraimitischen Krieges (um 734-732 v. Chr.), wobei manche weisheitlichen Worte älter sein können. Andere datieren sie in die Zeit des Endes von Samaria (722 v. Chr.). Auch für die Völkerwortreihe hat man an eine entsprechende „produktive“ Verarbeitung der assyrischen Expansion in prophetischem Geiste gedacht (Fritz, 1987; erheblich später – (nach-)exilisch – datiert Fischer, 2002). Die Unsicherheit hängt auch daran, dass wir über die Zeit Jerobeams II. kaum etwas wissen. Aber es liegt immerhin am nächsten, einen Text wie Am 6,13 mit der Expansion Jerobeams im Ostjordangebiet zu verbinden (vgl. 2Kön 14,23-29, bes. v25). Sonst bleiben mögliche Bezüge auf historische Gegebenheiten der Sache nach mager. Das gilt auch für die sozialen Missstände im Nordreich, für die das Amosbuch die einzige Quelle ist.

2) Ort. Aufgetreten ist Amos mit großer Wahrscheinlichkeit im Nordreich, wie die häufige Rede über oder Anrede an die Orte → Samaria (Am 3,9.12; Am 4,1; Am 6,1), → Bethel und → Gilgal (Am 3,14 MT; Am 4,4-5; Am 5,4-5) zeigt. Dem gegenüber tritt der südliche Ort Beerscheba deutlich zurück und hat in Am 5,4-5 eher den Charakter eines Füllsels, zu dem man freilich, vom Norden her gedacht „hinübergehen“ kann; ebenso ist Zion in Am 6,1 marginal. Dieser Ausrichtung v.a. auf das Staatsheiligtum zu Bethel entspricht dann auch der Ort, an dem die Erzählung über eine Begegnung mit dem Priester Bethels, Amazja, verortet ist (Am 7,10-17). Die Erzählung enthält die Aufforderung an Amos, nach Juda zu gehen (Am 7,12). Die Nennung der judäischen Könige in Am 1,1 und die Erwähnung des Zion in Am 6,1 sprechen dafür, dass die Überlieferer der Amosworte annahmen, dass Amos tatsächlich nach Juda gegangen ist und dort auch noch gewirkt hat. In weiten Kreisen gegenwärtiger Forschung gilt Am 7,10-17 jedoch als recht später Text (vgl. Werlitz, 2000).

Verdankt sich die judäische Perspektive des Amosbuches im Wesentlichen späterer redaktioneller Arbeit, so ist der Einschätzung des historischen Amos als Jerusalemer Kultprophet (aus weisheitlichen Kreisen Tekoas) ziemlich unwahrscheinlich (zu Lescow, 1998). Dass die späten Redaktionsschichten des Amosbuches dieses als ein Zeugnis für den Anspruch Jerusalems als alleinigem Kultort für Jahwe interpretieren, ist andererseits ebenso deutlich.

3) Beruf. Wenig konform sind in Am 1,1 und Am 7,14-15 die Angaben über den Beruf des Amos: War er Kleinviehbesitzer bzw. -hirte, Großviehbesitzer bzw. -hirte oder Ritzer von Maulbeerfeigen? Die Berufe werden meist als disparat wahrgenommen (anders Steiner, 2003), da es Maulbeerfeigen in Amos’ Heimatort → Tekoa nicht gibt, sondern nur in den Niederungen der → Schefela oder (eher) von → Jericho, jedenfalls nur in einiger Entfernung von Tekoa. Das gilt auch für Großvieh. Die Verwirrung steigert sich, wenn Am 7,15 Amos analog zu David (1Sam 16,11; auch Mose Ex 3,1) als „Kleinviehhirten“ durch Jahwe berufen sein lässt. Damit bedient sich der Text der Topik der Berufung eines Außenseiters (Belege bei Schult, 1971). Da alle diese Hinweise Informationen über Amos darstellen, die auf Dritte zurückgehen, wird man nur sagen können, dass er in ein bäuerliches Milieu am Westrand der Wüste Juda gehörte oder als dem zugehörig interpretiert wurde (vgl. jetzt grundlegend Steiner, 2003). Es ist allerdings zu konstatieren, dass die Angaben zum Beruf nahtloser für ein nordisraelitisches Tekoa passen könnten (Koch, 1995).

Wolff (1969) hat diese Basisinformationen durch eine semantische Analyse der Worte so ausgelegt, dass Amos als Mensch bäuerlicher Provenienz zusätzlich zu den „weisen“ Kreisen gehörte, die ein bestimmtes Weltbild pflegten und tradierten. Analysen der Amos-Worte haben den weisheitlichen Hintergrund der vermuteten Kern-Botschaft des Amos (in Vergleichen, Weherufen u.a.) bestätigt.

Alles weitere hängt von den Entscheidungen darüber ab, wie man sich die Entstehung des Buches Amos vorstellt (s.o.). Betrachtet man das Prophetische in Amos eher als sekundäre Bearbeitung, so sieht man den historischen Amos als Weisen, der auf Grund des Verfalls des alten Sippenethos dem Staat insgesamt eine katastrophale Entwicklung prognostiziert. Hält man dagegen das Szenario von Am 7,10-17 für historisch verlässlich und rechnet genuin prophetische Sprüche dem originalen Amosgut zu, so versteht man Amos als einen ursprünglich im ländlichen Milieu verankerten Mann, der durch das, was er als eine Bestimmung (Berufung) durch Jahwe versteht, zu einem prophetenähnlichen Sprecher des Gottes Israels wird, auch wenn er selbst darauf hinweist, dass er keine „prophetische“ Herkunft (Am 7,14 „Ich bin kein Prophet“) im Sinne prophetischer Schulung analog zu den in der Elisaüberlieferung erkennbaren Verhältnissen aufweisen kann (anders Koch, 1995).

6. Weiterwirkung – Rezeption

6.1. Innerhalb des Alten Testaments

Die Botschaft des Amos, bzw. der unter seinem Namen kursierenden Schrift, hat eine gewaltige Wirkung im alten Israel entfaltet. Folgende Gedanken und Motive des Amosbuches sind zu nennen:

▪ die → „Jahwe-Tags-Ankündigung“, die zu gestreuter Rezeption bei anderen Propheten führte (Zef 1; Jes 13; → Joel):

▪ die sog. Kultkritik, die in weiteren prophetischen Äußerungen ihre Aufnahme und ihr Echo findet (Am 5,21-27; Jes 1,10-17);

▪ die metaphorische Rede vom Tod Israels (Am 5,2);

▪ das ungeheure Wort vom „Kommen / Gekommensein des Endes Israels“ aus Am 8,1-2, das sowohl andere Propheten (bes. Ez 7,2ff), als auch die priesterliche Darstellung der Sintflut (Gen 6,13) beeinflusst hat (Smend, 1981); daneben kann Thr 4,18 dieser Wirkungsgeschichte zugeordnet werden;

▪ die Bedeutung der Vision für die Legitimation traditionssprengender prophetischer Inhalte (Am 7,7-8, Am 8,1-2; Jer 1,11-14);

▪ andere Amosworte mögen strukturelle Vorgaben für ähnliche Formulierungen geliefert haben, z.B. Am 5,19 für Jes 24,18, oder inhaltlich Vorbilder geliefert haben (der Einfluss von Am 1,3-5 auf Jer 49,23-27 dürfte manifest sein; weiteres nennt Dassmann, Art. „Amos“, RAC Suppl. I, 2001).

Wenn man davon überzeugt ist, dass große Teile des Amosbuches spät sind, wird man gegebenenfalls die Abhängigkeitsverhältnisse umdrehen müssen.

Die griechische Septuaginta-Übersetzung (LXX) geht durchaus eigene Wege (zuletzt Park, 2001; Schart, 2006; → Septuaginta), wobei m.E. auch antisamaritanische Elemente berücksichtigt werden müssen (vgl. z.B. Am 6,1 LXX „Weh denen, die geringschätzen den Zion“). Nimmt die LXX eine antisamaritanische Lektüreperspektive ein, so repräsentieren auch Bethel und Samaria modellhaft die mit Jerusalem konkurrierende samaritanische Religionsform. In Am 4,13 trägt die LXX den Begriff „Messias“ ein. Endlich ist die Universalisierung der Zukunftshoffnung zu nennen: In Am 9,11-12 LXX wird mit der Aufrichtung der Hütte Davids auch die Eingliederung des „Rests der Menschheit“ erwartet (statt ’ädom „Edom“ wird ’ādām „Mensch / Menschheit“ gelesen). Diese letztere Vorstellung ist dann für die Übernahme in Apg 15,16f entscheidend gewesen, wo Am 9,11-12 LXX als entscheidender Schriftbeweis für eine beschneidungsfreie Aufnahme von Heiden in die christliche Gemeinde angeführt wird (s.u.).

6.2. Zwischentestamentliche und neutestamentliche Literatur

In der zwischen- und neutestamentlichen Literatur spielt Amos kaum eine Rolle. Das gilt für Qumran wie für das Neue Testament, aber auch für Sir 49,12 (Lutherbibel: Sir 49,14) oder Flavius Josephus, Antiquitates. Einzig in Tob 2,6 (Lutherbibel: Tob 2,5-6) wird Amos erwähnt, und zwar als prophetischer Sprecher von Am 8,10. Die Lebenssituation Tobits in Assur gilt als Erfüllung des prophetischen Wortes. In Qumran wie im Neuen Testament wird er an wenigen Stellen anonym zitiert oder verwendet.

1) Qumran. Die Damaskus-Schrift (CD VII 14-18; → Qumran) verwendet Am 5,26-27; Am 9,11 und ein weiteres Mal Am 5,26. Der Text geht von einer Interpretation von Jes 7,17 aus: während Ephraim durch das Schwert fiel, rettete sich die Juda treue Richtung der Israeliten ins Land des Nordens, nach Damaskus. Diesen Exilsort entnahm man Am 5,27 (dabei wurde in Am 5,26 statt des masoretischen sikkut das Wort sukkat „Hütte“ gelesen, das wiederum nach Am 9,11 als „Hütte Davids“ interpretiert wurde). Den Ausdruck „Hütte“ betrachtete man als Metapher für die Torarollen, „David“ identifizierte man mit der rechtgläubigen Gemeinde und kijjûn „eure Bilder“ aus Am 5,26 mit den Schriftrollen der Propheten. Der „Stern“ in Am 5,26 wird – mit Hilfe von Num 24,17 (Wortgleichheit „Stern“) – auf den wahren Tora-Ausleger bezogen. Die Qumrangemeinschaft versteht sich also als die Gemeinde der Rechtgläubigen, die seit der Zeit der ersten Heimsuchung wahrhaft an der Tora festhält.

In 4Q174 begegnet Am 9,11 in einer messianischen Auslegung von 2Sam 7, wobei die Restitution der Hütte Davids auf die Rettung Israels bezogen wird. Der Davidsspross steht neben dem Tora-Erteiler.

2) Neues Testament. Im Neuen Testament wird Amos nur zweimal explizit zitiert. In der Rede des Stephanus wird Am 5,25-27 als Spruch aus dem „Buch der Propheten“ zitiert (Apg 7,42f). In der Rede des Jakobus auf dem sog. Apostelkonzil wird Am 9,11f (LXX) als der ausschlaggebende „biblische“ Beleg für die Aufnahme der Heidenchristen ohne Beschneidung angeführt (dabei wird die LXX-Lesung vorausgesetzt, s.o.). An anderen Stellen kann man Anspielungen auf Amos-Texte finden, wenn man will (vgl. z.B. Am 3,7 zu Apk 10,7; Am 3,13LXX zu Apk 1,8; Apk 4,8; Apk 15,3; Am 9,1 zu Apk 8,3). Andere sehen Bezüge zu Jak (Park, 2001). Doch ist das insgesamt ein magerer Befund. Sowohl in Qumran als auch im Neuen Testament sind andere „Kleine Propheten“ erheblich wichtiger als Amos.

6.3. Jüdische und rabbinische Überlieferung

In den zeitlich nicht präzise ansetzbaren Schrift „Leben der Propheten“ (vgl. Schwemer, 1995/6, versus Satran, 1995) wird über Amos gesagt, er stammte aus Tekoa, sei von Amazja in Bethel gefoltert sowie von dessen Sohn tödlich getroffen worden und sei schließlich in seiner Heimat begraben worden (Schwemer, 1995/6). In der Ascensio Jesajae wird er mit dem Vater des Propheten Jesaja identifiziert (AscJes 4,22), ein Einfall, der nur aufgrund der griechischen Wiedergabe der beiden Namen möglich ist. Später scheint man Amasja auch als König aufgefasst zu haben (Isidor Hispalensis).

Die recht bunte Auslegung zum Amosbuch in der rabbinischen Literatur hat Routtenberg (1971; vgl. Blechmann, 1937) gesammelt. Sie belegt ein methodisch vielfältiges Assoziieren, Argumentieren und Spielen mit den Texten zur israelitisch-jüdischen Identitätsbehauptung (man vgl. die Ausführungen zu Am 9,7). Ein unverkennbares Gewicht haben bei diesen Interpretationen die hymnischen Stücke des Buches. Vieles wird endzeitlich-„messianisch“ ausgelegt (z.B. der Jahwetag Am 5,18-20, der Nicht-Juden trifft). Daneben begegnen allegorische Auslegungen, aber auch Versuche auf grammatisch-sprachlichem Gebiet (z.B. zum Namen Amos). Als Mörder des Amos wird der König Usija genannt.

6.4. Kirchengeschichte

Auch in der Alten Kirche spielt Amos eine geringe Rolle (vgl. Dassmann, Art. „Amos“, RAC Suppl. I, 2001). Über die Person äußern sich verschiedene Schriftsteller knapp (Clemens, Origenes, Augustin). Wichtige verlorene (aber zum Teil später verwendete) Kommentierungen stammen von → Origenes und Clemens von Alexandria, aus späterer Zeit von Ephraim dem Syrer. Der erste (erhaltene) Kommentar zum Amos-Buch stammt von Hieronymus, der die schon damals vertretene Theorie bestreitet, Amos stamme aus einem nordisraelitischen Tekoa. Ferner liegen Kommentare vor von: Hesychius von Jerusalem; Julian von Aeclanum (Zuschreibung höchst wahrscheinlich); Theodor von Mospuestia; → Theodoret von Cyrus; Cyrill von Alexandrien. Mit Ausnahme von Hieronymus sind die Kommentatoren auf den griechischen oder lateinischen Text des Amosbuchs angewiesen und praktizieren eine im weiteren Sinne heilsgeschichtliche Einordnung, die auch christologische Elemente kennt.

Außerhalb dieser Kommentarwerke wird Amos wenig verwendet. Dassmann nennt die Stellen, die eine größere Rolle spielen: Am 4,13 (in Bezug auf die Frage, ob der Heilige Geist nur ein Geschöpf oder Gott sei), Am 8,9f und Am 5,18-20. Am häufigsten wird auf Am 8,11 (Hunger nach dem Wort) Bezug genommen. Man sieht darin den großen Erfolg der christlichen Missionspredigt vorhergesagt. Eine moralische Anwendung auf den Christen (als Warnung vor Unmäßigkeit, Unbarmherzigkeit usw.) fehlt nicht.

Für Savonarola war Amos einer der entscheidenden Kritiker der eigenen Zeit im Italien um 1500 und Ankündiger des bevorstehenden Gerichts (vgl. Martin-Achard, 1984).

Eine Liste einschlägiger mittelalterlicher Kommentare findet sich bei Krause (1962, 133). Aus der Reformationszeit ist der Kommentar von Johannes Brenz hervorzuheben. Ansonsten spielt Amos in jener Zeit keine größere Rolle. Auch bei Luther bleibt er recht insignifikant (Krause, 1962). Eine gewisse Rolle spielt bei den recht knappen Ausführungen Luthers immerhin (deutsch bei Walch, 1987), dass das Israel des Amos auch die Kirche seiner Gegenwart ist.

6.5. Neuere Zeit

Amos Abb 4 Dreikoenigssschrein 119

Amos wird in neuerer Zeit zum Advokaten der Armen und Entrechteten, der den Reichen bei Unbußfertigkeit das Gericht androht. Das passt einerseits in den westeuropäischen Marxismus der 60/70er Jahre des 20. Jh.s, aber auch in die Adaptionen des Propheten in der sog. Dritten Welt und in Äußerungen des Ökumenischen Rates der Kirchen. Vor allem Süd- und Mittelamerika, aber auch asiatische und afrikanische Länder sind hier zu nennen (Moon, 1985), wobei die Akzente der Rezeption sehr uneinheitlich sind (vgl. Carroll R., 2002). Auch in der BRD ist Amos in den 70er Jahren des 20. Jh.s wegen seiner Gesellschaftskritik zum Toppropheten aufgestiegen. Viele Autoren setzten die gesellschaftliche Situation dieser Jahrzehnte recht unvermittelt mit der Zeit des Amos gleich. Auch als Held einer größeren Erzählung ist er hervorgetreten (H. Koch, 1989).

6.6. Amos in der bildenden Kunst

Die Darstellung des Propheten hat eine lange, relativ insignifikante Tradition (Wandmalerei, Ikonostasen, Buchmalerei), in der Amos nur durch die Namensbeischrift von anderen Propheten (alten, bärtigen Männern) unterscheidbar ist; so z.B. auf dem Kölner Dreikönigsschrein (12. Jh.; Abb. 4). Im Gebetbuch der Hl. Elisabeth (13. Jh.) erscheint Amos über Jesaja als Prophet, der auf Christus verweist (Abb. 3). Neben der Ankündigungsszene („Sei gegrüßt, Maria, voll der Gnade“; Lk 1,28) hält er ein Spruchband mit dem Heilswort Am 9,13. Eine schöne Darstellung findet sich im serbischen Kloster Gračanica (heute Kossovo, 14. Jh.) am NW-Pfeiler der Kirche (Abb. 1). Miniaturen der Buchmalerei können etwas origineller sein: so in der Parc Abbey Bible, wo Amos in ein Horn stößt und in der Linken einen Hirtenstab trägt (Abb. 2). Im Stundenbuch des Jean de Berry wird (auf der Basis von Apg 15) Amos in einem wallenden Mantel mit Jakobus dem Jüngeren verbunden, der diesen Mantel ergreift oder festhält. Ausführlicher dargestellt wird Amos an der Kathedrale von Amiens (Westfassade, St.Honoré-Tor).

Amos Abb 5 17Jh Nicolaes Maes Geri

Ein Bild von Nicolaes Maes aus dem 17.Jh. zeigt als Sinnbild von Vergänglichkeit eine alte, schlafende Frau (Abb. 5). Eine Eieruhr – Symbol der verrinnenden Zeit – stützt eine vom Licht angestrahlte Bibel. Aufgeschlagen ist Amos als der Prophet, der die Menschen an Tod und Gericht erinnert.

Auch in neuerer Zeit gewinnt Amos in der Kunst kaum Bedeutung; vgl. jedoch Gustave Doré und Georg Meistermanns Glasfenster in St. Gereon in Köln von 1980. Bei der Aufnahme von Bildmotiven aus der Botschaft des Amos sticht in meinen Augen ein Relief in der Kathedrale von Coventry hervor, das sich an Am 7,7-8 orientiert (The Plumbline and the City, Fitz-Gerald, 1971).

Literaturverzeichnis

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  • Steins, G., 2004b, Amos 7-9 – das Geburtsprotokoll der alttestamentlichen Gerichtsprophetie?, in: F.-L. Hossfeld / L. Schwienhorst-Schönberger (Hgg.), Das Manna fällt auch heute. Beiträge zur Geschichte und Theologie des Alten, Ersten Testaments (FS E. Zenger; HBS 44), Freiburg u.a., 585-608.
  • Werlitz, J., 2000, Amos und sein Biograph. Zur Entstehung und Intention der Prophetenerzählung Am 7,10-17, BZ 44, 2000, 233-251.

5. Wirkung – Rezeption

  • Blechmann, M., 1937, Das Buch Amos in Talmud und Midrasch. Diss. Würzburg.
  • Carroll R., M.D., 1992, Contexts for Amos: Prophetic Poetics in Latin American Perspective (JSOT.S 132), Sheffield.
  • Janssen, H., K. de Kort (Zeichner), 1987, Amos – Ein Schafzüchter aus Tekoa, der Prophet der Gerechtigkeit Gottes, Utrecht.
  • Koch, H., 1989, Wenn der Löwe brüllt. Die Geschichte von Amos, dem Mann, der kein Prophet sein wollte. Eine dramatische Erzählung. Stuttgart, 8. Aufl.
  • Krause, G., 1962, Studien zu Luthers Auslegung der Kleinen Propheten (BHTh 33), Tübingen.
  • Lössl, J., 2001, Julian of Aeclanum´s Tractatus in Osee, Iohel, Amos, Aug(L) 51, 11-37.
  • Moon, C.H.S., 1985, A Korean Minjung Theology. An Old Testament Perspective. Maryknoll, NY.
  • Nägele, S., 1995, Laubhütte Davids und Wolkensohn. Eine auslegungsgeschichtliche Studie zu Amos 9,11 in der jüdischen und christlichen Exegese (AGJU 24), Leiden u.a.
  • Routtenberg, H.J., 1971, Amos of Tekoa. A Study in Interpretation, New York.
  • Satran, D., 1995, Biblical Prophets in Byzantine Palestine. Reassessing the Lives of the Prophets (SVTP 11), Leiden u.a.
  • Schwantes. M., 1991, Das Land kann seine Worte nicht ertragen. Meditationen zu Amos (KT 105), München.
  • Schwemer, A.M., 1995/6, Studien zu den frühjüdischen Prophetenlegenden Vitae Prophetarum, 2 Bde, Tübingen.

Abbildungsverzeichnis

  • Amos (Säulenmalerei in der Kirche des serbischen Klosters Gračanica bei Priština; 14. Jh.).
  • Amos mit Hirtenstab und Horn (Initiale „V“ [verba] in der Park Abbey Bible; 12. Jh.).
  • Amos und Jesaja verheißen Christus (Gebetbuch der hl. Elisabeth; 13. Jh.).
  • Amos (Dreikönigsschrein im Kölner Dom; 12. Jh.).
  • Dösende Frau (Nicolaes Maes; um 1656).

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