(erstellt: April 2008)
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1. Name
Das west-semitische ‘nt (ausgesprochen: Anatu; vgl. Akkadisch danatu; vgl. dchanat) geht auf den Namen der Chanaer (Cha-nu-ú) zurück, eine im 18. Jh. v. Chr. in → Mari
2. Anat im 2. Jahrtausend
2.1. Syrien-Palästina
Anat kommt als Name in den Maritexten (→ Mari
2.2. Ugarit
Die ugaritischen Texte (→ Ugarit
2.2.1. Ein Haus für Baal
Anat ist eine Kriegerin. Im Baal-Epos lesen wir (KTU 1.3,II), wie sie kämpft und die Menschen erschlägt:
„Sie machte Köpfe fest an ihrem Rücken, / sie band Hände an ihren Gürtel. / Sie tauchte mit den Knien ins Blut der Starken, / mit den Oberschenkeln ins Gerinsel der Soldaten.” (TUAT III, 1138).
Sie tut dies zweimal, und dann jauchzt sie in dieser Orgie von Blut, wäscht sich, schmückt sich mit Purpur, nimmt eine Leier und singt ein Lied über die Liebe des → Baal
„Ich habe abgeknickt die sich windende → Schlange
Anat spielt eine große Rolle im Streit um Baals Haus. Sie vermittelt zwischen dem Gott → El
„Ich werde [dir] auf deinen Schädel schlagen, / ich werde aus deinem grauen Haar Blut strömen lassen, / aus deinem grauen Bart Gerinsel!” (KTU I.3,V,23-25 = TUAT III, 1148).
Er antwortet, er wisse, dass sie mannhaft sei und dass keine unter den Göttinnen solchen Spott kenne!
Zusammen reisen Baal und Anat zu Aschera, um ihre Sache zu vertreten, und sie geht zu El, der schließlich den Entschluss fasst: „Baue für Baal ein Haus!” Anat ist diejenige, die Baal die gute Nachricht übermittelt (KTU 1.4,V).
2.2.2. Baal und Mot
In der Beschreibung des Streits Baals mit dem Totengott → Mot
„Wie das Herz der Kuh nach ihrem Kalb, / wie das Herz des Mutterschafs nach ihrem Lamm, so war das Herz der Anat hinter Baal her. / Sie ergriff den El-Sohn Mot: / Mit einem Schwert spaltete sie ihn, / mit einem Sieb worfelte sie ihn, / mit Feuer verbrannte sie ihn, / mit einem Mühlstein zermahlte sie ihn, / auf das Feld säte sie ihn aus.“ (KTU 1.6,I,28-35 = TUAT III, 1190).
El hat eine Vision, dass Baal ins Leben zurückkehrt, und Anat übermittelt der Sonnengöttin Schapschu den Auftrag Baal zu finden (KTU 1.6,III,-IV). Durch Anats Einsatz wird Baal wiederbelebt.
2.2.3. Aqhat-Epos
Im Aqhat-Epos (KTU 1.17,VI) begehrt Anat den Bogen des jungen Aqhat und verspricht ihm Silber und Gold dafür, aber er weigert sich. Sie sagt ihm dann:
„Wünsche dir Leben, oh Mann Aqhat, / wünsche dir Leben, und ich werde es dir geben, / Nicht-Tod, und ich werde ihn dir senden!” (Z. 26-28 = TUAT III, 1273-1274).
Noch ist er nicht überzeugt und meint, alle Menschen müssten sterben. Ein Bogen sei außerdem für Krieger bestimmt, nicht für eine Frau (Z. 38-41). Wie ein zweijähriges Kind stampft sie mit den Füßen auf und fliegt von der Erde weg (Z. 46). Sie beklagt sich (wieder drohend wie im Baal-Zyklus) bei ihrem Vater El (KTU 1.18,I), der erkennt:
„Ich kenne dich, meine Tochter, du benimmst dich zu männlich / und un[ter den Göttinnen] ist deine Verachtung ohnegleichen” (1.18,I,16-17 = TUAT III, 1278).
Anat plant ihre Rache und nimmt ihren Diener Jatpan wie ein Adler in ihren Beutel. Sie schwebt zwischen den Adlern, und über Aqhat lässt sie ihn los und schlägt ihm zweimal auf den Scheitel, dreimal aufs Ohr. Er stirbt, aber auch der Bogen ist verloren.
2.2.4. Anat und Baal
Anat ist eine Tochter des El (KTU 1.18,I,15-19) und wird „Schwester“ Baals genannt (KTU 1.3,IV,39; 1.10,II,16, 20; vgl. 1.6,II,12 – Baal als ihr Bruder). Das deutet nicht unbedingt auf ein Liebesverhältnis hin wie im → Hohenlied
Baal hat auch andere Schwestern (KTU 1.10,II,15). Anat ist die Mitkämpferin und Partnerin des Baal, aber nie seine Frau. Zudem ist sie eigentlich nicht sexuell aktiv. Anat und Baal haben offensichtlich keinen Sex miteinander. Viele Texte (KTU 1.5,V,18-22; 1.10-11, 13), die das nahelegen könnten, werden heute anders gelesen (Day, 1999; Walls, 1992; dagegen noch Dever, 2005, 270-271). Sie ist in KTU 1.10-11 als „Herrin der Tiere“ beschrieben. In KTU 1.96 wird nicht mehr Anat gelesen (Lewis 1996). Sie ist keine Mutter- oder Fruchtbarkeitsgöttin, wie oft behauptet wird, sondern eher eine Kriegsgöttin (→ Göttin
Anat ist (wie Baal) mit dem Berg Zaphon verbunden und trägt in Ritualtexten das Epitheton „Anat des Zaphon” (KTU 1.46,17; 1.109,13–14,17,36; 1.130,18, 26). Ihr Sitz selbst ist der Berg inbb (KTU 1.1,II,14; 1.3,IV,34; 1.13,32; 1.94,20; 1.100,20), aber eine irdische Lokalisierung wie beim Berg Zaphon gibt es nicht. Sie wurde wahrscheinlich zusammen mit Baal in seinem Tempel auf der Akropolis Ugarits verehrt.
2.2.5. Sonstiges
Anat trägt die Titel „die Herrin des Königtums, die Herrin der Herrschaft, die Herrin des hohen Himmels, die Herrin der Königskappe“ (KTU 1.108,7 = TUAT II, 823) sowie btlt, was einfach „junge Frau“ bedeutet oder mit Walls (1992, 75) „adolescent female”. Sie ist noch unverheiratet und will weder ihrem Vater unterstehen, noch will sie sich mit einem Ehemann als ihrem Herrn (baal) verbinden! Deshalb bleibt sie so kämpferisch.
Im Keret-Epos stillen die Göttinnen → Astarte
Anat hat Flügel und kann fliegen (KTU 1.3,IV,4-5; 1.4,V,20-21; 1.10,II,10-12; 1.13,8; 1.17,VI,46; 1.18,IV,18-34; 1.108,8-9). Ferner hat sie Hörner (KTU 1.10,II,21-22) – ein typisches Erkennungszeichen altorientalischer Gottheiten. Sie ist die lieblichste unter den Schwestern Baals (KTU 1.10,II,15-16; vgl. III,10), und ihre Schönheit ist wie die der Göttin → Astarte
2.3. Ägypten
Anat ist eine der syro-palästinischen Gottheiten, die sehr populär bei den Ägyptern im → Neuen Reich
Sie spielt (im Gegensatz zu → Reschef
In Ägypten gab es Anat-Tempel bei → Tanis
In Zaubertexten und magischen Papyri bekämpft sie → Dämonen
3. Anat im 1. Jahrtausend
Anat ist vor allem eine Göttin der Bronzezeit. Im 1. Jahrtausend verliert sie an Bedeutung, doch gibt es auch aus dieser Zeit Quellen.
Akkadische Texte aus dem 8. Jh. v. Chr. (CScr 2.115C-D) zeigen, dass Anat durchaus Bedeutung hatte; sie wird gepriesen als die stärkste der Göttinnen, und eine Stadt Anat ist nach ihr benannt.
Im 7. Jh. v. Chr. wird Anat als Anat-Bethel (→ Bethel
Im 5. Jh. v. Chr. findet man Anat als Anat-Jahu in den Papyri der jüdischen Gemeinde von → Elephantine
Identifiziert wurde Anat mit der griechischen Göttin Athena. Auf einer → Bilingue
Im 3. Jh. n. Chr. findet man Anat in Namen im Palmyra (→ Tadmor
4. Anat im Alten Testament
Als selbstständige Gottheit spielt Anat im Alten Testament keine Rolle, und es gibt gegen sie keine Polemik wie z.B. gegen Baal. Sie ist nicht mit → Jahwe
Motive der Anat leben möglicherweise in einigen Texten weiter (z.B. → Debora
5. Ikonographie
Anats Ikonographie in Palästina ist dank der Stele eines ägyptischen Beamten aus → Bet-Schean
In anderen Fällen (nur aus Ägypten!) wird sie als Gottheit mit einer Keule gezeigt. Auf einer Stele wird sie mit erhobener Waffe dargestellt. Manchmal wird sie als schlagende („smiting”) Göttin beschrieben. Aber sie schlägt keinen Gegner und ist von daher angesichts ihrer Geste eher als drohende („menacing”) Göttin zu bezeichnen.
Anat trägt verschiedene Waffen, vor allem eine Keule, einen Speer und einen Schild. Auf dem Kopf hat sie die Atef-Krone (weiße Krone mit Federn wie bei dem ägyptischen Gott → Osiris
Obwohl Anat in → Ugarit
Auf einem ugaritischen Rollsiegel (Cornelius / Niehr, 2004, Abb. 90; Cornelius, 2004, Pl. 2.2) sitzt eine geflügelte Frau mit Hörnerkrone auf einem Stier. Sie hält als „Herrin der Tiere” einen Löwen. Aufgrund der Flügel könnte es Anat sein, aber als thronende Göttin kommt auch die Hauptgöttin → Aschera
Ein berühmtes Objekt ist Teil eines großen Elfenbeinpaneels aus dem ugaritischen Königspalast (Cornelius / Niehr, 2004, Abb. 65; Cornelius, 2004, Pl. 3.11). Eine Frau mit einer Hathorfrisur mit Hörnern und vier Flügeln ist sicherlich eine Göttin. An ihren Brüsten stillt sie zwei Jungen. Diese sind wahrscheinlich keine Götter, sondern eher Königskinder. Wie oben gesagt, ist es unsicher, ob die Göttin Anat im Keret-Epos die Kronprinzen stillt. Es wird oft behauptet, bei der geflügelten Göttin könnte es sich um Anat handeln, da sie Flügel habe und fliegt (siehe oben). Es bleibt aber umstritten, ob Text und Bild in beiden Fällen direkt zu verbinden sind.
Es ist auch nicht sicher, ob Anat auf einem Pferd dargestellt wird. Es geht hier wohl eher um → Astarte
Eine kopflose Göttin auf der Stele des Šamaš-rēš-uṣur aus → Babylon
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
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- The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
- Dictionnaire de la civilisation phénicienne et punique, Turnhout 1992
- Der Neue Pauly, Stuttgart / Weimar 1996-2003
- Dictionary of Deities and Demons in the Bible, 2. Aufl., Leiden 1999
- Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen, Leuven 2002-2003
- Iconography of Deities and Demons in the Biblical World, Electronic Prepublications, Download
)
2. Weitere Literatur
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- Cornelius, I., 2004, The Many Faces of the Goddess (OBO 204), Freiburg (Schweiz) / Göttingen
- Cornelius, I. / Niehr, H., 2004, Götter und Kulte in Ugarit. Kultur und Religion einer nordsyrischen Königsstadt in der Spätbronzezeit, Mainz
- Day, J., 2000, Yahweh and the Gods and Goddesses of Canaan, Sheffield
- Day, P., 1999, Art. Anat, Dictionary of Deities and Demons in the Bible, 2. Aufl., Leiden, 36-43
- Dever, W.G., 2005, Did God have a Wife?, Grand Rapids
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- Gitin, S.N. / Dothan, T. / Naveh, J., 1997, A Royal Dedicatory Inscription from Ekron, IEJ 47, 1-17
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- Keel, O. / Uehlinger, C., 1992, Göttinnen, Götter und Gottessymbole. Neue Erkenntnisse zur Religionsgeschichte aufgrund bislang unerschlossener ikonographischer Quellen (QD 134), Freiburg
- Lewis, J.T., 1996, The Disappearance of the Goddess Anat, BA 59, 115-121
- Mayer-Opificius, R., 1995, Das Relief des Šamaš-rēš-uṣur aus Babylon, in: O. Loretz / M. Dietrich (Hgg.), Vom Alten Orient zum Alten Testament, Kevelaer / Neukirchen-Vluyn, 333-348
- Lipiński, E., 1995, Dieux et Déesses de l’univers Phénicien et Punique (OLA 64), Leuven
- Niehr, H., 1998, Religionen in Israels Umwelt. Einführung in die nordwestsemitischen Religionen Syrien – Palästinas (NEB Erg. Reihe 5), Würzburg
- Pardee, D., 2002, Ritual and Cult at Ugarit (Writings from the Ancient World Society of Biblical Literature 10), Atlanta
- Smith, M. S., 2002, The Early History of God, Grand Rapids
- Stadelmann, R., 1967, Syrisch-Palästinische Gottheiten in Ägypten (PdÄ 5), Leiden
- Van der Toorn, K., 1992, Anat-Yahu, Some other Deities, and the Jews of Elephantine, Numen 39, 80-101
- Walls, N., 1992, The Goddess Anat in Ugaritic Myth, Atlanta
Abbildungsverzeichnis
- Anat auf einer Stele aus Bet-Schean. Aus: O. Keel / Chr. Uehlinger, Götter, Göttinnen und Gottessymbole (QD 134), Freiburg 5. Aufl. 2001, Abb. 108; © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz
- Anat mit Atef-Krone sitzt neben Ramses II. (Granit-Stele aus dem Tempel der Anat (?) in Tanis). Aus: P. Montet, Les nouvelles fouilles de Tanis, Paris 1933, pl. LIV (vgl. Cornelius, 2004, Pl. 2.1)
- Anat auf einer Stele aus Dēr el-Medīne (unteres Register). Aus: H. Gressmann, Altorientalische Bilder zum Alten Testament, Berlin / Leipzig 2. Aufl. 1927, Abb. 270
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