Deutsche Bibelgesellschaft

(erstellt: Januar 2009)

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1. Name

Die in der Literatur gebräuchliche Bezeichnung des Götterfeindes „Apophis“, auch „Apopis“, ist die gräzisierte Form des ägyptischen ‘3pp / ‘p‘p, was möglicherweise mit „Großer-an-Rumoren“ übersetzt werden kann. Noch im Koptischen ist der Name als aphoph / aphopi in der Bedeutung „Riese“ überliefert.

2. Wesen und Ikonographie

Apophis ist in der ägyptischen Religion die Verkörperung der Mächte des Ungeordneten und des Nichtseins par excellence. Entsprechend hatte Apophis nicht den Status einer Gottheit, er verfügte weder über einen eigenen Kult noch wurden Statuen von ihm hergestellt. Typisch ist seine Gestalt als gewaltige Schlange von 120 Ellen (ca. 62 m) Länge (Abb. 1; → Schlange). Alternativ wird er als Schildkröte dargestellt, die in Ägypten feindliche Mächte verkörperte. Apophis begegnet in den Texten unter zahlreichen Namen, die sich auf seine Schlangengestalt oder seinen aggressiven Charakter beziehen, wie etwa „Rek-Schlange“, „Nik-Schlange“, „Raugesicht“, „dessen Schwanz lang in seiner Höhle ist“, „der Böse“, „Verschlinger“, „der gewaltsam fortnimmt“. Einem kosmologischen Text im Tempel von Esna zufolge ist die Apophisschlange aus der Nabelschnur des Re entstanden, nachdem dieser von der Göttin Neith geboren worden war. Dazu passt hervorragend eine Aussage Plutarchs, nach der Apophis der Bruder des Sonnengottes sei (Plutarch, De Iside et Osiride, 36).

Apophis ist in Ägypten traditionell der Sonnenfeind, der den solaren Kreislauf anzuhalten sucht und dadurch die Ordnung und den Fortbestand der Welt gefährdet. Durch das Einschlürfen des Fahrwassers der Sonnenbarke des Re und mit den barriereartigen Windungen seines Schlangenleibes droht er die Fahrt des Gottes zum Stillstand zu bringen. Als Wesen des Chaos gehört er zwar der dunklen Welttiefe an, nähert sich aber während der gesamten Nachtfahrt des Re immer wieder drohend dem Sonnenboot an.

Die älteste namentliche Erwähnung des Apophis ist in den Inschriften des Grabes des Anchtifi überliefert (1. Zwischenzeit, Ende drittes Jahrtausend v. Chr.). Erste konkrete Anspielungen auf den Konflikt zwischen Re und Apophis finden sich in den etwas jüngeren → Sargtexten. Dort wird Apophis von der Sonnenbarke mittels des Zaubers vertrieben und durch Fesselung gebannt. Da der Verstorbene als → Osiris an der Fahrt im Sonnenboot und damit verbunden an der kosmischen Regeneration teilnimmt, wird Apophis auch zu seinem Feind. Sargtexte und → Totenbuch thematisieren entsprechend mehrfach die Vertreibung des Apophis durch den Toten (z.B. Sargtext 414, Totenbuch-Spruch 127). Hauptquelle für den täglichen Kampf des Sonnengottes und seiner Barkenmannschaft gegen die Chaosschlange Apophis sind die königlichen Unterweltsbücher des Neuen Reiches, welche die Nachtfahrt des Re ausführlich beschreiben (insbesondere „Amduat“ und „Pfortenbuch“; → Jenseitsvorstellungen in Ägypten).

Prominenter Bekämpfer des Apophis und Helfer des Re ist der Gott Seth. Er wird häufig am Bug der Sonnenbarke gezeigt, von wo aus er die Apophisschlange mit seinem Speer durchbohrt (vgl. damit Abb. 2). Nach Totenbuch-Spruch 108 bewirkt er durch den Stoß mit der Lanze, dass der Sonnenfeind das bereits verschluckte Fahrwasser wieder ausspeit, so dass die Fahrt fortgesetzt werden kann. Während der Spätzeit wird Seth als Mörder des Osiris in weiten Teilen des Landes allerdings selbst zum Inbegriff des „Götterfeindes“ und ähnlich vehement bekämpft wie Apophis.

Zahllose Alias-Bezeichnungen, unter denen Apophis in den Quellen erscheint, charakterisieren ihn als Vernichteten: „der Zerfleischte“, „der Bestrafte“, „der mit zerschnittenem Gesicht“ usw. Als Zeichen der Verfemung wird sein Name in den ägyptischen Papyri oft rot geschrieben. Die rituelle Vernichtung des Sonnenfeindes unter allen seinen Bezeichnungen wird im sogenannten „Apophisbuch“ geschildert, das vollständig auf einem Papyrus des späten 4. Jh.s v. Chr. überliefert ist.

Literaturverzeichnis

  • Borghouts, J.F., 2007, Book of the Dead [39]. From Shouting to Structure (Studien zum Altägyptischen Totenbuch 10), Wiesbaden
  • Brunner, H., 1983, Seth und Apophis — Gegengötter im ägyptischen Pantheon? (Saeculum. Jahrbuch für Universalgeschichte 34), 226-234
  • Goyon, J.-Cl., 1975, Art. Apophisbuch, in: W. Helck / E. Otto (Hgg.), Lexikon der Ägyptologie, Bd. 1, Wiesbaden, Sp. 354-355
  • Hornung, E. / Brodbeck, A., 1975, Art. Apophis, in: W. Helck / E. Otto (Hgg.), Lexikon der Ägyptologie, Bd. 1, Wiesbaden, Sp. 350-352
  • Leitz, Chr., (Hg.), 2002, Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen, Bd. 2 (Orientalia Lovaniensia Analecta 111), Leuven, 72b-75a
  • Morenz, L.D., 2004, Apophis: On the Origin, Name, and Nature of an Ancient Egyptian Anti-God (Journal of Near Eastern Studies 63), 201-205
  • Quack, J.F., 2006, Apopis, Nabelschnur des Re (Studien zur Altägyptischen Kultur 34), 377-379
  • Vittmann, G., 1995, „Riesen“ und riesenhafte Wesen in der Vorstellung der Ägypter (Veröffentlichungen der Institute für Afrikanistik und Ägyptologie der Universität Wien 71, Beiträge zur Ägyptologie 13), Wien, 10-11 und 57-58

Abbildungsverzeichnis

  • Der gebannte Apophis als gefesselte und mit Messern gespickte Schlange im Unterweltsbuch „Amduat“. Zeichnung H. Kockelmann nach Ausstellungskatalog „Immortal Pharaoh. The Tomb of Thutmose III“, curated by E. Hornung / Chr.E. Loeben / A. Wiese, Madrid 2005 (Photo Amduat, 7. Stunde)
  • Seth harpuniert die Apophisschlange. Zeichnung H. Kockelmann nach Ausstellungskatalog „Leben und Tod im Alten Ägypten. Meisterwerke aus dem Reichsmuseum für Altertümer in Leiden“, Hamm 1999, 33, Nr. 20 (Stele Leiden, Rijksmuseum van Oudheden AP 60, 19. Dynastie)

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