Apotropäische Riten
(erstellt: April 2008)
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1. Definition
Unter der Bezeichnung apotropäische Riten (von griechisch apotrépein „abwenden“; apotrópaios „Unheil abwehrend“) können alle rituellen und symbolischen Handlungen zusammengefasst werden, die der Prävention eines zukünftigen oder der Abwendung eines bereits eingetretenen Übels zumeist transzendenter Ursache dienen. Apotropäische Handlungen sind religionsphänomenologisch ein Teilbereich der → Magie
2. Im Alten Israel
Im Alten Israel, wie auch in seiner Umwelt (siehe unter 3.), spielten apotropäische Rituale eine wichtige Rolle, um ein mögliches Unheil von der Familie, ihrem Haus und ihrem Besitz abzuwenden und somit den Gefährdungen des Lebens zu begegnen. Zeugnisse für apotropäische Magie liefern sowohl das Alte Testament, wie auch archäologische Funde.
2.1. Biblisch
2.1.1. Beschneidung
Da die → Beschneidung
2.1.2. Passa-Ritual
Ein Bestandteil des Passarituals (→ Passa
2.1.3. Eherne Schlange
Das Alte Testament erwähnt in Num 21,4-9
Da die eherne Schlange – wie die in der Berufungsvision des Jesaja genannten Engelwesen (Jes 6,1-13
2.1.4. Priesterliche Rituale
Eine apotropäische Funktion haben auch die im Alten Testament überlieferten Eliminationsrituale in Lev 13-14
2.2. Archäologisch
Aus dem Alten Israel / Palästina sind weit über tausend Fayence-Amulette (→ Amulett
In der Eisenzeit sind (wenn auch selten) apotropäische Figürchen von → Hunden
2.3. Im hellenistischen und nachbiblischen Judentum
Apotropäische Riten und Praktiken waren im hellenistischen und nachbiblischen Judentum weit verbreitet und galten – sofern hierbei Jahwe angerufen wurde – als erlaubte Praxis. In Tob 6,1-9
Besonders zahlreich fließen die Quellen für apotropäische Riten im spätantiken und frühmittelalterlichen Judentum. Viele Texte apotropäischen Charakters gegen Krankheit, Dämonen und Hexerei sind auf unterschiedlichen Schriftträgern (→ Amulette
3. In der Umwelt Israels
Die Textzeugnisse aus der Umwelt Israels mit prophylaktischen und Unheil abwendenden Ritualen sind nicht als selbstwirksame (ex opere operato) magische Akte zu bezeichnen, sondern rufen die Götter um Hilfe an. Die Ritualtexte enthalten oftmals mythologische Passagen oder Verweise, die eine Ätiologie für die Wirksamkeit eines Rituals enthalten und seine Wirksamkeit auf eine göttliche Aktion in mythischer Zeit zurückführen, die in der Jetzt-Zeit wieder realisiert wird.
3.1. In Ugarit und Syrien
Zahlreiche der in der spätbronzezeitlichen Stadt → Ugarit
Aus dem Syrien des 1. Jt.s sind aufgrund der vergänglichen Schreibmaterialien nur wenige einschlägige Texte überliefert. Die wichtigsten Zeugnisse für apotropäische Magie sind zwei Gipsamulette des 7. Jh. v. Chr. aus Arslan Tasch.
Eines von ihnen zeigt auf der Vorderseite einen liegenden geflügelten Sphinx-Dämon („Fliegerin“ und „Würgerin des Lammes“) und einen Wolfs-Dämon („Zerschlagerin“), der einen Menschen verschlingt. Die Rückseite bildet einen Gott, wahrscheinlich Baal, ab, der die Dämonen vertreiben soll. Zur Hilfe angerufen werden neben den nordwestsemitischen Göttern Baal und Horon auch der assyrische Reichsgott Assur und weitere hilfreiche Wesenheiten, das „Geschlecht der Heiligen“.
3.2. In Mesopotamien
In der mesopotamischen Ritualliteratur nimmt die Abwehr von Unheil, das durch Hexerei, Totengeister, Dämonen oder Götter gewirkt wird, einen breiten Raum ein. Prophylaktische Rituale, die so genannten Namburbi-Rituale („Lösungs“-Rituale), dienen der Abwehr von Gefahr, wenn sich ein böses Omen in Naturerscheinungen, aber auch an Häusern oder am Menschen (Ausschlag etc.) zeigt. Ganze Ritualserien, insbesondere die Serien Maqlû und Šurpu (beides meint „Verbrennung“), widmen sich der Abwehr von Schadenszauber (akkadisch kišpum „Hexerei“) durch die symbolische Vernichtung des Hexers oder der Hexe mittels Verbrennung von Figürchen. Auch zur Abwehr von Dämonen und der durch diese hervorgerufenen Krankheiten gab es eine Vielzahl von Ritualen. Viele dieser Rituale und Ritualserien wurden in den Bibliotheken der assyrischen Könige von den Beschwörungspriestern (akkadisch āšipu) gesammelt und prophylaktisch zum Schutz des Königs regelmäßig vollzogen. Aber auch ein von Hexerei oder Dämonen betroffener Bürger konnte sich an den Beschwörungspriester wenden und (gegen Bezahlung) die notwendigen Abwehrrituale vollziehen lassen. Figuren und kleine Reliefs von unheilabwehrenden göttlichen Wesen (Schutzgenien, akkadisch apkallu) aus dem Kreis des Gottes Ea / Enki, aber auch von Hunden (dem Symboltier der Heilgöttin Gula) und Drachen (als Symbol des beschwörungskundigen Gottes Marduk) wurden insbesondere in Palastbauten, aber auch in Privathäusern unter den Türschwellen in Ziegelkapseln vergraben, um ein Gebäude und seine Bewohner vor Angriffen durch Hexen und Dämonen zu schützen. Häufig trugen die Figuren auch Aufschriften wie „Geh hinaus, Böses! Komm Herein, Gutes!“ oder „Beißer seines Feindes“.
Beschwörungsamulette (häufig aus Bronze, wie das Amulett gegen die Fieberdämonin Lamaschtu) konnten zu bestimmten Gelegenheiten oder bei Gefahr zur Anwendung gebracht und z.B. am Bett aufgestellt werden. Eine apotropäische Funktion kommt auch den Rollsiegeln zu, die häufig apotropäische Wesenheiten und Götter zum Schutz des Trägers abbilden.
3.3. In Ägypten
Auch aus Ägypten sind zahlreiche Zeugnisse für apotropäische Rituale aus unterschiedlichen Kontexten bekannt. Im Staatskult wurden vor allem Feindvernichtungsrituale („Das Zerschlagen der roten Töpfe“) vollzogen, in denen der König symbolisch die durch Töpfe oder Figuren repräsentierten potentiellen Feinde Ägyptens zerschlug. In den Bereich der persönlichen und familiären Religionsausübung gehören die zahllosen aus Ägypten überkommenen Fayence-Amulette mit den Darstellungen von Göttern, insbesondere des Gottes → Bes
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aufl., Tübingen 1957-1965
- Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007
2. Weitere Literatur
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Abbildungsverzeichnis
- Judäische Namenssiegel mit vierflügeligen Uräen, die je 2 Flügel nach beiden Seiten ausbreiten (8. Jh. v. Chr.). Aus: O. Keel / Chr. Uehlinger, Götter, Göttinnen und Gottessymbole (QD 134), Freiburg, 5. Aufl. 2001, Abb. 274b-d; © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz
- Objektamulette mit Udjat- oder Horusauge (Megiddo Stratum IV; Eisenzeit II). Aus: O. Keel / Chr. Uehlinger, Götter, Göttinnen und Gottessymbole (QD 134), Freiburg, 5. Aufl. 2001, Abb. 261a-b; © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz
- Gipssteintäfelchen mit Dämonen (Vorderseite) und Baal (Rückseite) aus aus Arslan Tasch. Aus: Keel, 1996, Abb. 97 a/b
- Lamaschtu-Amulett: Pazuzu soll die Hund und Schwein säugende Lamaschtu durch seine Löwengestalt und seine herausgestreckte Zunge abwehren (Nordsyrien; Eisenzeit II B/C). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
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