Aristeasbrief
Schlagworte: Aristaiosbrief; Aristaeosbrief
(erstellt: August 2007)
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Bei dem Aristeasbrief (der Titel ist wohl nicht ursprünglich) handelt es sich um einen pseudepigraphen Briefroman in gehobener griechischer Sprache, der eine Apologie des hellenistischen Judentums ausführt und dabei in legendarischer Weise von der Entstehung einer griechischen Übersetzung des Pentateuchs, der → Septuaginta
1. Einleitungsfragen
Verfasser. Der Verfasser, der vorgibt, bei den Ereignissen dabei gewesen zu sein, gibt sich zwar als Nichtjude aus, entstammt jedoch der Oberschicht des hellenisierten alexandrinischen Judentums.
Zeit. Die fiktive Erzählung stammt aus der zweiten Hälfte des 2. Jh.s v. Chr. Dafür sprechen der Gebrauch von Titeln und formelhaften Wendungen, die in ptolemäischen Dokumenten erst nach 150 v. Chr. belegt sind (§§ 32.37.40 u.ö.), historische Irrtümer des Erzählers (§ 9) und die Betonung seiner Distanz gegenüber der erzählten Zeit (§§ 28.182). Gegen eine Datierung ins 1. Jh. v. Chr. spricht das Fehlen einer kritischen Haltung gegenüber der hellenistischen Kultur. Der Aristeasbrief ist bereits → Philo von Alexandrien
Form. Die Schrift weist starke Gattungsähnlichkeit mit zeitgenössischen hellenistischen Fürstenspiegeln auf, die das Musterbild eines Herrschers und seiner Rechte, Pflichten und Befugnisse darstellen (z.B. Isokrates, Orationes 2 [ad Nicoclem] und 9 [Euagoras]). Als Quellen sind biblische Traditionen (Ez 40-48
2. Inhalt
Der Aristeasbrief schildert, wie die bereits beim Exegeten Aristobulos (Frg. 3) erwähnte und von → Demetrios
Sodann schildert der mit der alexandrinischen Gesandtschaft nach Jerusalem gereiste Aristeas seine Reiseeindrücke, wobei er eine idealisierende Beschreibung der Stadt und des Tempels bietet. Aristeas wird vom Jerusalemer Hohenpriester über einige jüdische Speise- und Reinheitsgebote und deren Bedeutung belehrt. Mit einer Torarolle und den Übersetzern kehrt die ptolemäische Delegation wieder in ihre Heimatstadt Alexandria zurück und wird aufgrund der hohen Bedeutung ihrer Aufgabe sofort vom König selbst empfangen. Während eines siebentägigen prächtigen Mahls bekommen die jüdischen Gäste zunächst Gelegenheit, ihre mustergültige Weisheit unter Beweis zu stellen. Ihre Übersetzungsarbeit verrichten die 72 Übersetzer sodann gemeinsam in einem geräumigen Gebäude im Norden der Insel Pharos. Die durch Lektüre und Interpretation gewonnenen Einzelübersetzungen werden von ihnen durch Vergleichung und Mehrheitsentscheidung zur Übereinstimmung gebracht. Nach der öffentlichen Verlesung der innerhalb von 72 Tagen fertiggestellten und von Demetrios aufgezeichneten Gesamtübersetzung der Tora approbieren die Exponenten der alexandrinischen Juden das Werk der 72 Übersetzer als „gut und fromm (…) und völlig genau“ (§ 310). Erst nach dieser Approbation durch die jüdische Gemeinde kommt das Werk vor den ägyptischen König, der die außerordentliche Qualität der Übersetzung und des Inhalts lobt. Die Übereinstimmung der Zahl der Übersetzer und der Zahl der von ihnen für ihre Arbeit benötigten Tage betont den inspirierten Charakter des Werks. Aus diesem Grund solle fortan auch keine Änderung des griechischen Heiligen Textes gestattet sein. Diese Absicherung der Unveränderlichkeit der angefertigten Übersetzung der Tora für alle Zukunft geschieht durch einen öffentlichen Verfluchungsakt, der fortan jegliche Zusätze, Umstellungen oder Auslassungen verhindert, „wie es bei ihnen Sitte ist“ (§ 311).
3. Funktion und religionsgeschichtliche Bedeutung
Indem der Verfasser des Aristeasbriefs den Jerusalemer Ursprung der hebräischen Vorlage des Übersetzungswerks und ähnliche Begleitumstände wie bei der Gabe der Tora am Sinai behauptet, versucht er, einer bestimmten traditionellen griechischen Toraübersetzung Anerkennung und Autorität zu verleihen. Dies geschieht, um Widerstände bei der jüdischen Rezeption dieser Übersetzung zu beseitigen oder um sie gegenüber anderen zu seiner Zeit kursierenden griechischen Pentateuchübersetzungen als die älteste, von höchsten Stellen autorisierte und deshalb alleingültige zu legitimieren und sie vor „Verbesserungen“ bzw. vor Erweiterungen oder Veränderungen zu schützen.
Die Bedeutung der legendarischen Schilderung der inspirierten Übersetzung der Tora ins Griechische darf allerdings gegenüber der propagandistischen und religionspolitischen Gesamttendenz der Schrift nicht überbewertet werden, denn sie steht weder hinsichtlich des Textumfangs noch in Bezug auf die Thematik im alleinigen Mittelpunkt des Darstellungsinteresses. Der Aristeasbrief ist geprägt von dem apologetischen Bemühen, jüdische Gebote und jüdischen Kult dem hellenistischen Denken nicht nur als unantastbar und ehrwürdig, sondern auch als sinnvoll und vernünftig darzulegen, indem er die überlegene Weisheit der Tora demonstriert und das Judentum mit Hilfe zeitgenössischer popularphilosophischer Kategorien als attraktiv darstellt. Die Gebote der Tora gelten gleichsam als ideale Verwirklichung der hellenistischen Tugendlehre. Daneben ist dem jüdischen Anonymus vor allem an der Betonung der kultischen Position Jerusalems und der engen Beziehung dieser Stadt zur alexandrinischen Gemeinde gelegen.
4. Wirkungsgeschichte
Siehe den Exkurs im Artikel → Kanon
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
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- Woschitz, K.M., Parabiblica, Wien 2005, 152-176
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