Atalja
Andere Schreibweise: Gotholiah, Athaliah (engl.), Athalie (franz.)
(erstellt: Februar 2019)
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1. Name
Der weibliche wie männliche Name Atalja (עֲתַלְיָה ‘ǎtaljāh) basiert wohl auf dem akkadischen etellu „Herrscher / Fürst“ (Stamm, 335; Noth, 191; Zadok, 52f), womit Atalja „Jhwh ist Herrscher“ bedeutet (vgl. aber auch Achenbach, 32f). Wenig überzeugend ist die Ableitung vom Arabischen ‘adala „gerecht sein“ (Bauer, 78). Für Frauen findet sich der Name häufiger in der Langform Ataljahu (עֲתַלְיָהוּ ‘ǎtaljāhû; u.a. 2Kön 8,26
In einem Sarkophag in → Kalchu
Das Erste Testament kennt zwei männliche Namensträger: in 1Chr 8,26
2. Atalja: Königin der Macht
2.1. Bibelkundlicher Überblick
2Kön 11
Die ca. ein Drittel längere Fassung in 2Chr 22,10-23,21
2.2. Literarkritische Hinweise
2Kön 11 weist einige Unstimmigkeiten auf, die eine Abfassung deutlich nach der erzählten Zeit vermuten lassen. Hierzu gehören u.a. die Tötung der Erben, das Agieren Jojadas, das nicht den priesterlichen Aufgaben in der Königszeit entspricht, die karischen Söldner, die für die 26. Dynastie in Ägypten (664-525 v. Chr.) belegt sind, der → Sabbat
Diese Aspekte führen zu verschiedenen Theorien, wobei meist die Zusammenführung zweier Quellen (u.a. Stade, 279-288) oder ein mehrstufiger, nachexilisch abgeschlossener Fortschreibungsprozess angenommen wird (vgl. u.a. Levin). Alternativ wird die Einheitlichkeit des Textes postuliert (u.a. Rudolph, 473-478; Cogan / Tadmor, 124-134), oft zusammen mit einer nachexilischen Entstehung (Na’aman, 188-193). Außerbiblisches Material, wie die griechische Legende um Klytaimnestra, soll ebenfalls verarbeitet worden sein (Na’aman, 193-201).
2.3. Historizität
Historisch lässt sich über Atalja aufgrund der geringen Quellen bzw. der theologischen Färbung der Texte kaum etwas sagen. Die Angaben zu ihrer Regentschaft (ab ca. 841 v. Chr.) und deren Dauer können aber wahrscheinlich als historisch verlässlich gelten: Sechs Jahre sind eine beachtliche Zeitspanne für eine derart schlecht bewertete Königin, sodass ihre Herrschaft vermutlich einen historischen Anhaltspunkt hat.
Ataljas Abstammung bleibt unsicher: Nach 2Kön 8,18
2.4. Einzelaspekte der Erzählung
2.4.1. Atalja: die fremde Frau
Atalja wird zwar nicht Königinmutter genannt, über ihren Sohn ist dies aber evident. So verfügt sie bereits vor ihrer Thronbesteigung über religiösen wie politischen Einfluss, in 2Kön 11 ist sie hingegen kaum handelndes Subjekt: Tatsächlich agiert sie nur zu Beginn als Königin, indem sie das Gegenteil ihrer Aufgabe als Königinmutter tut, nämlich für den Dynastieerhalt zu sorgen. Die Tötung der Erben zeigt so ihre mangelnde Kompetenz als Königin und Mutter. Als Opponentin tritt ihr Joscheba entgegen, die Joasch rettet und ihrerseits den Fortbestand der Dynastie sichert. In 2Kön 11,13f
Ort von Ataljas Leben und Sterben ist der Palast, der Tempel ist hingegen Jojada und Joasch zugeordnet, was zeigt, dass Ataljas Herrschaft nicht im Sinne Jhwhs erfolgt. Vom Tempel geht nicht nur ihr Ende aus, sondern auch das des angeblichen Baalkultes, zugleich konstituiert sich dort das Verhältnis zwischen Jhwh, König und Volk über den Bund (vgl. u.a. Long, 231-238; Schmidt, 179f).
Atalja erscheint als „fremde → Frau
Die wichtigste Figur im (literarischen) Umfeld Ataljas ist → Isebel
2.4.2. Joasch und Jojada: Ataljas Gegner
Zwei Männer beenden Ataljas Herrschaft: Joasch und Jojada. Über → Joasch
Informationen über die Herkunft Jojadas bietet der Text nicht, viel eher wird in 2Kön 11,4
Die Chronik erweitert die Bedeutung Jojadas: Nach 2Chr 22,11
2.4.3. Das Volk des Landes: Land vs. Stadt
Zwei weitere Aspekte stehen einander gegenüber: Stadt und Land. Dies zeigt sich über die Einführung vom „Volk des Landes“, das als judäischer Landadel Jojada bei seinem Putsch unterstützt: Während der Inthronisation von Joasch sind sie dabei, sie zerstören den Baaltempel, töten den Priester Mattan und geleiten Joasch zum Palast. Diese Gruppe gehört nicht nur zu Jojada, sondern auch zu Joasch und zu Jhwh. Dass Atalja anscheinend Rückhalt in der Stadt hatte, lässt 2Kön 11,20
3. Rezeption in der Kunst
In der Musik wurde das Motiv vor allem über die Tragödie „Athalie“ von J. Racine (1690) aufgenommen. Der Text diente u.a. als Grundlage für G.F. Händels Oratorium „Athalia“ (1733); 1843-1845 komponierte F. Mendelssohn-Bartholdy die auf Racines Text basierende Schauspielmusik „Athalia“.
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
- Lexikon der christlichen Ikonographie, Freiburg 1968-1976
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
- The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
- Calwer Bibellexikon, 2. Aufl., Stuttgart 2006
- Encyclopedia of the Bible and its Reception, Berlin u.a. 2009ff.
2. Weitere Literatur
- Achenbach, R., 2002, JABÂ und ATALJA – zwei jüdische Königstöchter am assyrischen Königshof? Zu einer These von Stephanie Dalley, BN 113, 29-38
- Bauer, H., 1930, Die hebräischen Eigennamen als sprachliche Erkenntnisquelle, ZAW 48, 73-80
- Cogan, M. / Tadmor, H., 1988, II Kings (AncB 11), New York
- Dalley, S., 1998, Yabâ, Atalyā and the Foreign Policy of the Late Assyrian Kings, SAAB XII/2, 83-98
- Frevel, C., 2. Aufl. 2018, Geschichte Israels (KStTh 1,2), Stuttgart
- Japhet, S., 2003, 2 Chronik (HThKAT), Freiburg
- Katzenstein, H.J., 1955, Who Were the Parents of Athaliah?, IEJ 5, 194-197
- Kiesow, A., 1998, Löwinnen von Juda! Frauen als Subjekte politischer Macht in der judäischen Königszeit (Theologische Frauenforschung in Europa), Münster
- Labahn, A., 2003, Atalja und Joscheba (2Chr 22,10-23,21). Ein spannungsvolles Verhältns auf dem Hintergrund der beginnenden Konfrontation mit Samaria, in: M. Oeming (Hg.), Theologie des Alten Testaments aus der Perspektive von Frauen (Beiträge zum Verstehen der Bibel 1), Münster / Hamburg / London, 277-311
- Levin, C., 1982, Der Sturz der Königin Atalja. Ein Kapitel zur Geschichte Judas im 9. Jahrhundert v. Chr., Stuttgart
- Liverani, M., 1974, L’histoire de Joas, VT 24, 438-453
- Long, B.O., 1995, Sacred Geography as Narrative Structure in 2 Kings 11, in: D.P. Wright / D.N. Freedman / A. Hurvitz (Hgg.), Pomegranates and Golden Bells. Studies in Biblical, Jewish, and Near Eastern Ritual, Law, and Literature (FS Jacob Milgrom), Winona Lake, 231-238
- Müllner, I., 2006, Bad Women. Isebel, Atalja, die Macht und das Böse, in: H. Kuhlmann / S. Schäfer-Bossert (Hgg.), Hat das Böse ein Geschlecht? Theologische und religionswissenschaftliche Verhältnisbestimmungen, Stuttgart, 151-161
- Na’aman, N., 2016, Queen Athaliah as a Literary-Historical Figure, Semitica 59, 181-205
- Noth, M., 1928, Die israelitischen Personennamen im Rahmen der gemeinsemitischen Namengebung, Stuttgart
- Rudolph, W., 1950, Die Einheitlichkeit der Erzählung vom Sturz der Atalja (2 Kön 11), in: W. Baumgartner / O. Eissfeld / K. Elliger / L. Rost (Hgg.), Festschrift Alfred Bartholet zum 80. Geburtstag, Tübingen, 473-478
- Schmidt, U., 2003, Zentrale Randfiguren. Strukturen der Darstellungen von Frauen in den Erzählungen der Königebücher, Gütersloh
- Sergi, O., 2015, Queenship in Judah Revisited. Athaliah and the Davidic Dynasty in Historical Perspective, in: J.-M. Durand / M. Guichard / T. Römer (Hgg.), Tabou et transgressions. Actes du colloque organisé par le Collège de France, Paris, les 11-12 avril 2012 (OBO 274), Göttingen / Fribourg, 99-112
- Stade, B., 1885, Miszellen, ZAW 5, 275-300
- Stamm, J.J., 1980, Beiträge zur hebräischen und altorientalischen Namenskunde. Zu seinem 70. Geburtstag herausgegeben von Ernst Jenni und Martin A. Klopfenstein (OBO 30), Göttingen / Fribourg
- Willi, T., 1995, Juda – Jehud – Jerusalem. Studien zum Selbstverständnis des Judentums in persischer Zeit (FAT 12), Tübingen
- Zadok, R., 1988, The Pre-Hellenistic Israelite Anthroponymy and Prosopography (OLA 28), Leuven
Abbildungsverzeichnis
- Atalja lässt ihre Enkel töten (Köln, um 1465; Glasmalerei aus dem Kreuzgang des ehemaligen Zisterzienserklosters Altenberg). Heute: Museum Schnütgen, Köln, Inv. Nr. M 528
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