Deutsche Bibelgesellschaft

Auferstehung (AT)

(erstellt: Dezember 2005)

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Das Alte Testament kennt verschiedene Vorstellungen eines Lebens nach dem Tod. Die Auferstehung der Toten bzw. die Auferstehung vom Tod als Beginn eines neuen, ewigen Lebens ist dabei nur eine Vorstellung, die sich zudem erst in hellenistischer Zeit ausgeprägt hat. Sie steht am Ende einer langen theologiegeschichtlichen Entwicklung der → Todes- und → Jenseitsvorstellungen im Alten Testament, die von zentraler Bedeutung für die frühjüdische und christliche Auferstehungsvorstellung ist. Im Einzelnen lassen sich im Alten Testament mehrere Vorstellungen eines postmortalen Lebens unterscheiden, die teilweise auch nebeneinander bestehen können.

1. Die Scheol als Ort des Lebens nach dem Tode

Für die frühen Jenseitsvorstellungen (die allerdings noch bis in die Spätzeit hinein belegt sind; vgl. Hi; Pred) ist charakteristisch, dass der Tote am Ende seines Lebens „zu seinen Vätern versammelt wird“ (Gen 25,8.17; Gen 35,29 u.ö.) und in das Totenreich, die Scheol, „hinabsteigt“ (jārad; vgl. Ps 28,1; Ps 30,4 u.ö.; → Jenseitsvorstellungen). Das alttestamentliche Israel teilt mit seiner altorientalischen Umwelt die Vorstellung einer schattenhaften Existenz der Toten in der Unterwelt, im Land des Staubes (Ps 22,30; Jes 26,19), der Finsternis (Hi 10,21-22; Hi 17,13; Ps 88,7.13 u.ö.) und des Vergessens (Ps 88,13 u.ö.). Diese Totenexistenz ist durch eine verminderte Form des Lebens, durch Kraft- und Bewusstlosigkeit, Schwäche (Hi 14,21; Ps 88,5; Jes 14,10 u.ö.) und Unwissenheit (Pred 9,5) gekennzeichnet.

Eine Verbindung zwischen der Toten- und der Lebenswelt erfolgte im Rahmen der Familienfrömmigkeit über Ahnenverehrung und → Totenkult (z.B. Libationen; Nekromantie; vgl. 1Sam 28). In der offiziellen Religion hingegen bestand eine strikte Trennung zwischen JHWH, dem Gott des Lebens (vgl. 2Kön 19,4; Ps 42,3 u.ö.), und den Toten. Das Totenreich lag als Ort der Gottesferne außerhalb des Machtbereichs Gottes, und die Toten loben JHWH nicht (Ps 6,6; Ps 30,10; Ps 88,11-13; Jes 38,18-19; Sir 17,27-28 [Lutherbibel: Sir 17,25-26]). Daneben bezeugen jedoch vereinzelte epigraphische Funde aus dem 8.-6. Jh., wie die Grabinschrift von Chirbet el-Qōm (→ Chirbet el-Qōm) und die Silberröllchen mit dem → Aaronitischen Segen in einem Grab von Ketef Hinnom, eine göttliche Kompetenzausweitung, wenn JHWH zum Schutzgott eines Toten wird.

2. Die Unsterblichkeit der Gottesbeziehung

Die Grenze zwischen JHWH und den Toten wird in nachexilischer Zeit endgültig überschritten. Die nachexilischen Weisheitspsalmen Ps 49 und Ps 73 setzen sich mit der Frage nach der Gerechtigkeit Gottes angesichts des Leidens des Frommen auseinander und formulieren eine Hoffnung auf eine Gottesgemeinschaft des Frommen auch jenseits der physischen Todesgrenze. Vorbereitet werden diese Aussagen durch die Klage- und Dankpsalmen des Einzelnen mit ihren punktuellen Rettungsaussagen (Gott rettet aus dem „Tod mitten im Leben“, der als Krankheit und Gefangenschaft, Einsamkeit und Verfolgung ins diesseitige Leben hineinragt; vgl. Ps 88,4-10 u.a.) sowie durch Ps 16,10-11 mit seiner Hoffnung auf eine dauerhafte Bewahrung vor dem Tod. Unter Rezeption der Entrückungsvorstellung (Henoch: Gen 5,24; Elia: 2Kön 2,3.5.9-10) wird in Ps 49,16 und Ps 73,24 eine personale Aufnahme (לכח lāqaḥ „nehmen“) des Beters bei Gott nach dem Tod erwartet: „… nach deinem Rat leitest du mich und auf Ehren / Herrlichkeit hin wirst du mich nehmen“ (Ps 73,24). Über Art und Weise eines Lebens nach dem Tod machen diese Psalmen jedoch keine nähere Aussage.

3. Die Auferstehung der Toten / vom Tod

3.1. Wiederaufleben des Volkes

Einen wichtigen Anknüpfungspunkt für die Ausbildung der Auferstehungshoffnung bietet die Bildrede vom Wiederaufleben des Volkes. Hos 6,1-3 liegt die Vorstellung vom Wiederaufleben des Volkes gleich der Natur zugrunde: JHWH heilt das Volk und belebt es neu. Die Vision Ez 37,1-14 schildert die Neubelebung und -schöpfung der Totengebeine durch Gottes Atem (vgl. Gen 2,7) und stellt damit ein Bild für die Wiederherstellung des Volkes Israel und für den neuen Exodus aus dem babylonischen Exil dar (vgl. Ez 37,12: „Siehe, ich öffne eure Gräber und ich führe euch herauf aus euren Gräbern und ich bringe euch ins Land Israel.“).

3.2. Auferweckung der Toten

Die eigentliche Auferstehungsvorstellung findet sich erst in der apokalyptischen prophetischen Literatur der hellenistischen Zeit (→ Apokalyptik). Sie ist zu unterscheiden von den Berichten über eine Entrückung eines lebenden Menschen unter Umgehung des Todes (Henoch: Gen 5,24; Elia: 2Kön 2,3.5.9-10) und von den Aussagen über Totenerweckungen (vgl. 1Kön 17,17-24; 2Kön 4,8-37; 2Kön 13,20-21; → Auferweckung), die von einer Rückkehr ins diesseitige Leben sprechen, das wiederum mit dem Tod endet. In den Auferstehungsaussagen geht es demgegenüber um ein neues, unvergängliches Leben für bereits Verstorbene und um eine endgültige Überwindung des Todes. So heißt es in der → Jesaja-Apokalypse (Jes 24-27), Gott werde den Tod „für immer verschlingen“ (Jes 25,8), eine Kontrastaussage zu der Vorstellung, dass die Unterwelt den Menschen verschlinge (Ps 69,19; Jes 5,14 u.ö.). Jes 26,19 spricht von der apokalyptischen Wiedergeburt der Toten aus der Erde: „Leben werden deine Toten, meine Leichname werden aufstehen! Wacht auf und jubelt, ihr Bewohner des Staubes: Ja, Tau der Lichter ist dein Tau! Und die Erde wird die Schatten [sc. die Toten] gebären“ und hebt damit die Feststellung von v14 („Tote werden nicht lebendig, Schatten werden nicht aufstehen“) auf. Wichtigster und unumstrittener Beleg für eine Auferstehungserwartung ist schließlich Dan 12,2-3. Unter dem Eindruck der Religionsverfolgungen der Makkabäerzeit (2. Jh. v. Chr.) stellt sich angesichts der Martyriumserfahrungen der Gerechten die Theodizeefrage, und sie findet eine Antwort in der Hoffnung auf postmortale Gerechtigkeit: „Und viele, die im Land des Staubes schlafen, werden aufwachen, die einen zum ewigen Leben, die anderen zur Schmach, zu ewigem Abscheu“ (Dan 12,2).

Die Auferstehungstexte greifen z.T. auf die traditionelle Jenseitsvorstellung zurück: So wird unter Aufnahme der Vorstellung vom Tod als Schlaf (vgl. Hi 3,13ff; Hi 14,12 u.ö.) die Auferstehung in Jes 26,19 und Dan 12,2 als „Aufwachen“ beschrieben; z.T. entwerfen sie Gegenbilder zur traditionellen Jenseitsvorstellung: Jes 26,19 hebt die Trennung von JHWH und den Toten explizit auf und spricht den Toten eine Gottesbeziehung zu („deine Toten – meine Leichname“), und Gotteslob und Jubel der Toten (Jes 26,19; vgl. Ps 22,30) stehen im Kontrast zum Topos vom Verstummen des Lobpreises im Tod (Ps 6,6; Ps 30,10; Jes 38,18-19 u.ö.).

Neben diesen Ansätzen zur Überwindung der Todesgrenze leben jedoch traditionelle Todes- und Jenseitsvorstellungen weiter (vgl. Hi 14,7-12 u.ö.). Darüber hinaus bleibt die Erwartung einer Auferstehung / eines ewigen Lebens innerhalb des Alten Testaments nicht unumstritten, wie die Kritik von → Kohelet zeigt (Pred 3,19-22; Pred 6,6; Pred 9,1-6 u.ö.). Kohelet steht damit am Beginn eines Diskurses um Jenseitserwartungen, der sich in neutestamentlicher Zeit in der Auseinandersetzung zwischen den Pharisäern als Vertretern einer Auferstehungserwartung und den Sadduzäern, die eine solche Hoffnung zurückweisen, zuspitzt. In den Apokryphen und Pseudepigraphen findet sich neben der apokalyptischen Auferstehungserwartung (2Makk 7,9-14) die Vorstellung einer Unsterblichkeit der Seele (Weish 3,1-4).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998 - 2007
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
  • Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004
  • Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, München / Zürich 1978-1979
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg i.Br. 1993-2001
  • Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998ff.
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003

2. Weitere Literatur

  • Barth, Chr., 1997, Die Errettung vom Tode. Leben und Tod in den Klage- und Dankliedern des Alten Testaments. Neu herausgegeben von B. Janowski, Stuttgart / Berlin / Köln
  • Fischer, A.A., 2005, Tod und Jenseits im Alten Orient und Alten Testament, Neukirchen-Vluyn
  • Janowski, B., 2003a, Die Toten loben JHWH nicht. Psalm 88 und das alttestamentliche Todesverständnis, in: ders., Der Gott des Lebens. Beiträge zur Theologie des Alten Testaments 3, Neukirchen-Vluyn, 201-243
  • Janowski, B., 2003b, Konfliktgespräche mit Gott. Eine Anthropologie der Psalmen, Neukirchen-Vluyn
  • Kittel, G., 1999, Befreit aus dem Rachen des Todes, Göttingen
  • Liess, K., 2004, Der Weg des Lebens. Psalm 16 und das Lebens- und Todesverständnis der Individualpsalmen (FAT II/4), Tübingen
  • Podella, Th., 1988, Grundzüge alttestamentlicher Jenseitsvorstellungen – Scheol, BN 43, 70-89
  • Wächter, L., 1979, Der Tod im Alten Testament, Berlin
  • Zenger, E. / Wenning, R., 1990, Das alttestamentliche Israel und seine Toten, in: K. Richter (Hg.), Der Umgang mit den Toten. Tod und Bestattung in der christlichen Gemeinde (QD 123), Freiburg / Basel / Wien, 132-152

Abbildungsverzeichnis

  • Die Auferstehung der Totengebeine als Bild für die Wiederherstellung Israels auf der Menora vor der Knesset in Jerusalem (20. Jh.). © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2001)

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