Deutsche Bibelgesellschaft

Aufstiegserzählung

(erstellt: Januar 2006)

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1. Inhalt

1.1. Abgrenzung

Bereits 1926 hat Leonhard Rost in seiner Studie „Die Überlieferung von der Thronnachfolge Davids“ vermutet, dass der von ihm ausgegrenzten → Thronfolgegeschichte ein eigener Komplex von Berichten über die früheren Taten und Erlebnisse Davids vorangegangen sein könnte. Die damit angedeutete These einer in sich geschlossenen Aufstiegserzählung wurde jedoch erst über 30 Jahre später genauer ausgearbeitet (Nübel 1959; Mildenberger 1962; Weiser 1966; Grønbæk 1971). Teilweise wird die Existenz einer eigenständigen Aufstiegserzählung jedoch in Frage gestellt. So rechnet Dietrich (1997) mit einem von 1Sam 1 bis 1Kön 12 reichenden vordeuteronomistischen Erzählwerk über die frühe Königszeit, in das unterschiedliche Erzählkränze und Novellen eingeflossen sind.

Setzt man eine eigenständige Aufstiegserzählung voraus, so ergeben sich Probleme bei der Bestimmung ihrer Grenzen, zumal sie mit dem Kontext auf vielfältige Weise verzahnt ist.

Vielfach wird der Beginn der Aufstiegserzählung in 1Sam 16,14ff gesehen (Noth 1967, 3. Aufl.; Kaiser 1990; Veijola 1975). Hier wird berichtet, dass David als Zitherspieler an den Hof Sauls geholt wird, um durch seine Musik „therapeutisch“ auf den gemütskranken König einzuwirken. Freilich ist die Aussage in 1Sam 16,14 („Der Geist JHWHs war von Saul gewichen“) mit der von 1Sam 16,13 („Und der Geist JHWHs geriet über David“) eng verzahnt. Man muss dann eine sekundäre Verknüpfung voraussetzen. Die Annahme, der Einsatz der Erzählung liege bei der Schilderung der Salbung Davids (1Sam 16,1-13), steht vor dem Problem, dass 1Sam 16,1 mit der Geschichte von der Verwerfung Sauls (1Sam 15) verbunden ist (vgl. 1Sam 15,35 mit 1Sam 16,1). Auch hier wird mit einer nachträglichen Verzahnung gerechnet (Weiser 1966; Mommer 1991). Als Alternative hierzu bietet sich an, 1Sam 15 mit zur Aufstiegserzählung zu rechnen (Grønbæk 1971; Mettinger 1976). Doch könnte es sich bei diesem Kapitel, das wiederum auf die Salbung Sauls (1Sam 9,1-10,16) zurückweist (vgl. 1Sam 15,1 mit 1Sam 10,1), um eine nachträgliche Einfügung handeln (Dietrich 1995).

Der Schluss der Aufstiegserzählung wird von manchen in 2Sam 5,10 angenommen (Grønbæk 1971; Veijola 1975); dieser Vers enthält die für diesen Komplex wichtige Beistandsformel (vgl. 1Sam 16,18; 1Sam 17,37; 1Sam 18,12.14.28). Andere sehen erst in der Abschlussnotiz über Davids Königtum in 2Sam 5,12 (v. Rad 1982, 8. Aufl.) oder in den Ausführungen über Davids Philistersiege (2Sam 5,17-25; Noth 1967, 3. Aufl.) das Ziel erreicht. Weiser (1966), der die Erzählung als Legitimation des Königtums Davids über Israel als sakralen Stämmeverband versteht, betrachtet 2Sam 7 als Höhe- und Endpunkt. Bereits Alt (1936) nahm noch 2Sam 8 hinzu (vgl. Nübel 1959, der jedoch 2Sam 7 darauf folgen lässt).

Wenn man 1Sam 16,14 als Beginn und 2Sam 5,10 als Abschluss der Aufstiegserzählung annimmt, erstreckt sich ihr Inhalt vom Kommen Davids als Zitherspieler an Sauls Hof bis zur Einnahme Jerusalems.

1.2. Inhaltliche Schwerpunkte

Bei der Darstellung der inhaltlichen Schwerpunkte der Aufstiegserzählung zeigen sich an verschiedenen Stellen Spannungen, Widersprüche und Dubletten, die sie als eine Sammlung disparater Erzählungen erscheinen lassen: Kommt David nach 1Sam 16,14ff an Sauls Hof, um auf den kranken König durch seine Musik beruhigend einzuwirken (in 1Sam 16,21 wird darüber hinaus berichtet, dass er Sauls Waffenträger wurde), ist es in 1Sam 17,55-18,2 Davids Sieg über den Philister → Goliat, der Saul dazu bewegt, den jungen Mann aus Bethlehem bei sich zu behalten.

In dem Maß, in dem Davids militärische Erfolge und Beliebtheit beim Volk zunehmen, wird nach 1Sam 18 Sauls Missgunst geweckt, so dass dieser – unter dem Einfluss eines von Gott gesandten „bösen Geistes“ (1Sam 18,10; vgl. 1Sam 16,14-16.23; 1Sam 19,19) – versucht, den vermeintlichen Rivalen mit dem Speer zu töten (1Sam 18,10f; eine Parallele hierzu findet sich in 1Sam 19,9f). Dem steht die Freundschaft des Saulsohnes Jonatan mit David gegenüber (1Sam 18,1-4), der diesen vor den Nachstellungen seines Vaters bewahrt (1Sam 19,1-7). Zugleich bekommt David Sauls Tochter Michal (anstelle der zunächst versprochenen Merab) zur Frau, die ihn ebenfalls vor dessen Schergen rettet (1Sam 18,20-27; 1Sam 19,8-17). Sie ermöglicht es David, zu entkommen, womit die ausführliche Schilderung seiner Flucht und der Verfolgung durch Saul beginnt, die nach 1Sam 27 schließlich dazu führt, dass David bei den Philistern Schutz sucht (zu den Fluchtnotizen vgl. 1Sam 19,12; 1Sam 19,18; 1Sam 20,1; 1Sam 21,11; 1Sam 22,17; 1Sam 27,4).

Aufstiegsgesch Abb 3 07 1Sam 18 16

Zunächst begibt sich David zu Samuel nach Rama, wo er vor den ihm nachgesandten Boten Sauls dadurch gerettet wird, dass diese jeweils in „prophetische Ekstase“ geraten (Gleiches erlebt auch Saul selbst, als er den Ort des Geschehens aufsucht; 1Sam 19,18-24). Nach einer ausführlich geschilderten Begegnung zwischen David und Jonatan, bei der jener seinem Freund zusagt, sich stets für den Bestand seiner Familie einzusetzen (1Sam 20,14-17), bestätigt sich, dass Saul fest entschlossen ist, David zu töten (1Sam 20,24-34). Eine Rückkehr an dessen Hof ist somit ausgeschlossen.

Auf seiner Flucht gelangt David nach Nob, wo er vom Priester Ahimelech mit heiligen Broten (die als vegetabilische Opfer im Heiligtum auflagen; Luther: „Schaubrote“) versorgt wird und das Schwert des Philisters Goliat erhält (1Sam 21,2-10). Dabei wird betont, dass David vorgibt, er sei im Auftrag Sauls unterwegs (1Sam 21,3). Dennoch werden Ahimelech und die anderen Priester später auf Sauls Anordnung hin getötet und deren Stadt Nob vernichtet (1Sam 22,6-23).

David sammelt eine Gruppe von ca. 400 Männern um sich, die durch Schulden und andere Notlagen an den Rand der Gesellschaft gedrängt worden sind. Sie bilden den Kern einer schlagkräftigen Truppe von „Freischärlern“, durch die er sich eine militärische Machtstellung verschafft: So besiegt er nach einem Aufenthalt bei den Moabitern (1Sam 22,3-5) die Philister und befreit den Ort Keïla (1Sam 23,1-5).

Auf seinen Wegen durch die judäische Wüste gelingt es ihm immer wieder, Saul zu entkommen. Thematisch eng verwandt sind die Erzählungen 1Sam 24 und 1Sam 26, die davon berichten, wie David das Leben seines Verfolgers schont, obwohl er ihn töten konnte: zunächst in einer Höhle bei En-Gedi, dann in der Wüste Sif, als er sich zusammen mit → Abischai in Sauls Lager schleicht. Beide Male wird Davids Weigerung hervorgehoben, trotz der günstigen Gelegenheit Hand an den Gesalbten JHWHs zu legen (1Sam 24,11; 1Sam 26,9).

Diese beiden Episoden rahmen die Erzählung von David und Abigajil, Nabals Frau. Auch dem Herdenbesitzer Nabal, der sich geweigert hat, David und seinen Leuten etwas von seinem Reichtum abzugeben, tut er aufgrund der Fürsprache Abigajils nichts zuleide. In der Erzählung wird hervorgehoben, dass Nabal ohne fremde Einwirkung stirbt und Abigajil völlig rechtmäßig Davids Frau wird. In 1Sam 27 wird berichtet, dass sich David vor Saul ins Gebiet der Philister zurückzieht und bei Achisch von Gat Zuflucht sucht. Er wird von diesem mit dem Ort Ziklag belehnt. Von dort aus unternimmt er Beutezüge gegen nichtjudäische Bevölkerungsgruppen.

Die Darstellung von 1Sam 28-31 läuft auf die militärische Auseinandersetzung zwischen Philistern und Israeliten und damit auf das Ende Sauls zu. Vor dem Zusammenstoß wird von dessen Besuch bei einer Totenbeschwörerin in En-Dor berichtet, bei der ihm der von den Toten herauf geholte Samuel dessen Tod und den seiner Söhne vorhersagt (1Sam 28). David selbst muss nach 1Sam 29 nicht an der Schlacht teilnehmen, weil ihm die Philisterfürsten misstrauen. Die inzwischen nach Ziklag und in den Negev eingefallenen Amalekiter werden von David verfolgt und vernichtend geschlagen (1Sam 30). Mit 1Sam 31 wird der Faden von 1Sam 29 wieder aufgenommen. Dabei richtet sich das Augenmerk ganz auf das Ergehen Sauls. Nach der Niederlage der Israeliten wird er von den Philistern bedrängt. In dieser ausweglosen Situation fordert er seinen Waffenträger dazu auf, ihn zu töten. Als dieser sich weigert, stürzt sich Saul in sein eigenes Schwert.

Eine Doppelung gegenüber dieser Schilderung von Sauls Tod stellt die Erzählung von 2Sam 1 dar. Hier wird David von einem aus der Schlacht entronnenen Amalekiter berichtet, der verletzte Saul habe ihn aufgefordert, ihn zu töten, was dieser dann auch getan habe. Daraufhin lässt David den vermeintlichen Königsmörder umbringen, wobei wieder betont wird, dass niemand gegen den Gesalbten JHWHs die Hand erheben darf (2Sam 1,14). Davids Verbundenheit mit Saul und Jonatan wird durch ein Klagelied (2Sam 1,19-27) unterstrichen.

2Sam 2-5 beschreibt, wie David die Herrschaft über Juda und (Nord-)Israel erlangt und schließlich Jerusalem erobert. Zunächst begibt er sich nach Hebron, wo er von den Judäern zum König gesalbt wird (2Sam 2,4). Über den Norden wird demgegenüber ein Sohn Sauls mit Namen Isch-Baal zum König eingesetzt. Der hebräische Text bietet die Namensform „Isch-Boschet“, was „Mann der Schande“ bedeutet. Da der kanaanäische Gottesname „Baal“ verpönt war, wurde er planmäßig durch dieses Schimpfwort ersetzt. In 2Sam 2,12ff werden Konflikte zwischen Nord- und Südstämmen geschildert. Dabei spielt die Auseinandersetzung zwischen den Kommandanten des judäischen und des nordisraelitischen Heerbanns – Joab und Abner – eine wichtige Rolle. Nach einem Zerwürfnis mit Isch-Baal geht Abner zu David über, wird aber von Joab ermordet, da er dessen Bruder Asaël getötet hat. Davids Unschuld an diesem Geschehen wird wiederum ausdrücklich hervorgehoben (2Sam 3,28ff).

Aufstiegsgeschichte 1

In 2Sam 4 wird erzählt, dass Isch-Baal von zwei Truppenführern ermordet wird. Der Bericht über dessen Tod und Davids Reaktion darauf wird mit den entsprechenden Vorgängen bei Saul parallelisiert: Als die Mörder David den Kopf Isch-Baals bringen, erhalten sie nicht den erhofften Lohn, sondern werden wie der Amalekiter in 2Sam 1 hingerichtet. Daraufhin begeben sich die Vertreter der Nordstämme zu David nach Hebron und setzen ihn zum König über sich ein. Anders als bei der Erhebung Davids über den Süden ist hier von einem Bundesschluss die Rede (2Sam 5,3). Zwischen beiden Parteien wird also ein Vertrag geschlossen, in dem gegenseitige Rechte und Pflichten festgelegt sind. Mit der Einnahme Jerusalems durch David, von der in 2Sam 5,6-12 berichtet wird, wird seine Herrschaft insofern abgerundet, als diese neue Hauptstadt auf der Grenze zwischen Juda und Israel liegt und als persönlicher Besitz des Königs („Stadt Davids“) zu keinem der beiden Gebiete gehört, so dass keiner der Partner benachteiligt wird. Die die Aufstiegserzählung prägende „Mitseinsformel“ (vgl. 1Sam 16,18; 1Sam 18,12.14; s.u. 3.) wird in 2Sam 5,10 – dem möglichen Abschluss der Aufstiegserzählung – wieder aufgenommen.

2. Einheitlichkeit

Die in der Aufstiegserzählung verarbeiteten Materialien wirken zunächst disparat und z.T. widersprüchlich. Auffallend sind in diesem Zusammenhang vor allem die verschiedenen Doppelungen (unterschiedliche Darstellungen, wie David in Sauls Dienste kommt [1Sam 16f], doppelte Schilderung der Verschonung Sauls [1Sam 24; 1Sam 26], zweifacher Bericht von Davids Übergang zu den Philistern [1Sam 21,11-16; 1Sam 27,1-7], zweifache Schilderung des Todes Sauls [1Sam 31; 2Sam 1]). Trotz dieser Spannungen und Doppelungen scheinen die Einzelüberlieferungen gezielt miteinander verknüpft, der Stoff wohlüberlegt angeordnet zu sein. So gibt es durchgängige Erzählzüge und Stilmerkmale, die für einen planvollen Gesamtentwurf sprechen. In diesem Zusammenhang sind folgende Beobachtungen relevant:

● Die sog. „Mitseinsformel“ zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Komplex (1Sam 16,18; 1Sam 18,12.14.28; 2Sam 5,10); vgl. u. unter ‎3.

● Auffallend sind die vielen Orakelbefragungen, die David vor wichtigen Entscheidungen vornimmt (1Sam 23,2.4.10ff; 1Sam 30,8; 2Sam 2,1 [vgl. im Kontrast dazu 1Sam 28,6]); vgl. auch die Prophetenbotschaft von 1Sam 22,5.

● Ferner sind die Erzählungen in 1Sam 19ff durch eine Art „Flucht-Itinerar“ miteinander verknüpft. Dabei spielen die hebr. Verben ברח (bārach; „fliehen“; 1Sam 19,12.18; 1Sam 20,1.11.17; 1Sam 27,4) und מלט (mālaṭ; „entrinnen“; 1Sam 19,10-12.17f; 1Sam 22,1; 1Sam 23,13; 1Sam 17,1) eine besondere Rolle.

Diese Beobachtungen werden z.T. kompositionskritisch gedeutet. Man geht davon aus, dass der Verfasser die ihm vorliegenden Einzelüberlieferungen in eine chronologische Abfolge gebracht und an verschiedenen Stellen Resümees und Kommentare eingefügt hat. So versuchte Weiser (1966) aufzuzeigen, wie der Autor die disparaten Überlieferungen mit einer spezifischen theologischen Akzentsetzung zu einem einheitlichen Komplex verbunden hat. Dieser Ansatz wurde von Grønbæk (1971) breit ausgebaut.

Andere Modelle legen demgegenüber eine Ergänzungshypothese zugrunde. Danach sei eine ältere Grundschicht durch eine jüngere Erweiterungsschicht ergänzt worden. So geht Nübel (1959) von einer umfangreichen Bearbeitung aus, die das Bild Sauls königskritisch einfärbt und in David das Ideal eines frommen Herrschers sieht, der sein Ziel ohne Blutvergießen erreicht. Nach Mildenberger (1962) hat ein nebiistischer Bearbeiter (nach hebräisch nābi’: Prophet), der in nordisraelitischen Prophetenkreisen verwurzelt gewesen sei und nach 722 v. Chr. in Jerusalem gewirkt habe, den Untergang des Nordreichs zu deuten versucht und das davidische Königtum als Heil schaffende Macht beschrieben, durch die JHWH seinem Volk weiterhin zugewandt bleibe. Einen Konsens im Blick auf den Grundtext haben die Forscher nicht erzielen können.

Was die Verklammerungen mit anderen Erzählkomplexen außerhalb der Aufstiegserzählung betrifft, so hat Veijola (1975) ausgehend von einer Analyse von 1 Kön 1f zu zeigen versucht, dass bestimmte Texte der Aufstiegserzählung mit der von ihm herausgearbeiteten Erweiterungsschicht in 1 Kön 1f sprachlich und inhaltlich verwandt sind, und sie deuteronomistischer Redaktion zugewiesen (so vor allem Aussagen Davids, die seine Unschuld den Sauliden gegenüber hervorheben [2Sam 3,28f.38f; 2Sam 4,2b-4], und solche, die seine Dynastie auf JHWHs Willen zurückführen [1Sam 20,12-17; 1Sam 23,16-18; 1Sam 24,18-23a u.a.]).

3. Tendenz

Betrachtet man die Aufstiegserzählung in ihrer jetzt vorliegenden Gestalt, so wird eine Tendenz zur Legitimierung von Davids Königtum deutlich. Es wird beschrieben, wie er den ihm vorgezeichneten Weg trotz aller Hindernisse, Bedrohungen und Feindseligkeiten bis zum Ziel geht. Dabei wird, wie bereits der inhaltliche Überblick (1.2) gezeigt hat, immer wieder seine Unschuld hervorgehoben. Trotz aller Nachstellungen Sauls weigert er sich, den Gesalbten JHWHs anzutasten (1Sam 24; 1Sam 26), und stimmt nach dessen Tod ein Klagelied auf ihn und seinen Sohn Jonatan an (2Sam 1); auch die Mörder Isch-Baals lässt er hinrichten (2Sam 4). David soll somit offenbar gegen mögliche Verdächtigungen und Anklagen in Schutz genommen werden.

Dass ihm das Königtum zusteht und er dieses Ziel auch erreichen wird, wird in der Aufstiegserzählung mehrfach hervorgehoben: Zum ersten Mal erscheint eine entsprechende Aussage im Mund Sauls (1Sam 18,8), als er David seine militärischen Erfolge, die durch das in 1Sam 18,7 zitierte Siegeslied gefeiert werden, neidet. In 1Sam 20,31 äußert er Jonatan gegenüber, dessen Königtum werde keinen Bestand haben, solange David am Leben sei. Jonatan spricht in 1Sam 23,17 selbst aus, dass sein Freund David König über Israel werden wird, was auch Saul bewusst sei. In einer letzten Steigerung wird dieses Motiv nach der Verschonung Sauls diesem selbst in den Mund gelegt (1Sam 24,21; vgl. hierzu 1Sam 26,25).

Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang auch die auf David bezogene formelhafte Wendung „JHWH war mit ihm“, die den theologischen Hintergrund seiner Legitimation transparent macht. Das erste Mal erscheint sie bei der Empfehlung Davids vor Saul in 1Sam 16,18, wird dann in 1Sam 18,12.14.28 im Zusammenhang mit Sauls Eifersucht auf Davids Erfolge wiederholt und begegnet schließlich am (möglichen) Ende der Erzählung in 2Sam 5,10. Auch im Mund beteiligter Personen kommt sie vor (1Sam 17,37; 1Sam 20,13).

Lemche (1978) vermutet, dass hinter dieser prodavidischen Darstellung das ernüchternde Bild eines Realpolitikers zum Vorschein komme, der skrupellos seine Weg gehe, wie etwa der Mord Sauls an den Priestern von Nob zeige, für den David Verantwortung trage. Nach Dietrich (1995) handelt es sich dabei um eine „Hermeneutik der Verdächtigung“, die konträr zu den Aussageabsichten des literarischen Zeugnisses vorschnell historische Hypothesen errichten wolle.

4. Zeit / Ort

Die Mehrheit der Forscher rechnete bisher mit einer frühen Entstehungszeit, nämlich z. Zt. Davids (Nübel 1959: Grundschrift; Brueggeman 1985), Salomos (Weiser 1966; Mommer 1987) oder kurz nach der Reichsteilung (Mildenberger 1962: Grundschrift; Grønbæk 1971). Demgegenüber vertritt Conrad (1972) die Auffassung, bei der Erzählung handle es sich um eine Reaktion auf die blutige Revolution Jehus 845 v. Chr. Der Verfasser habe dem Usurpator den gewaltlosen David gegenüber gestellt, der seine Chance geduldig abwarten konnte. Van Seters (1983) schlägt eine nachdeuteronomistische Datierung vor.

Als Ort der Entstehung wird entsprechend der auf David und sein Königtum konzentrierten Thematik im Allgemeinen der davidische Königshof angenommen.

Literaturverzeichnis

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  • Kaiser, O., 1992, Grundriß der Einleitung in die kanonischen und deuterokanonischen Schriften des Alten Testaments, Bd. 1: Die erzählenden Werke, Gütersloh
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  • Mommer, P., 1991, Samuel: Geschichte und Überlieferung (WMANT 65), Neukirchen-Vluyn
  • Noth, M., 1967, 3. Aufl., Überlieferungsgeschichtliche Studien: die sammelnden und bearbeitenden Geschichtswerke im Alten Testament, Tübingen
  • Nübel, H.-U., 1959, Davids Aufstieg in der Frühe israelitischer Geschichtsschreibung, Diss. Bonn
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  • Schicklberger, F., 1974, Die Davididen und das Nordreich: Beobachtungen zur sog. Geschichte vom Aufstieg Davids, BZ 18, 255-263
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  • van Seters, J., 1983, In Search of History: Historiography in the Ancient World and the Origins of Biblical History, New Heaven, London
  • Veijola, T., 1975, Die ewige Dynastie: David und die Entstehung seiner Dynastie nach der deuteronomistischen Darstellung (AASF B/193), Helsinki
  • Weiser, A., 1966, Die Legitimation des Königs David: zur Eigenart und Entstehung der sogen. Geschichte von Davids Aufstieg, VT 16, 325-354

Abbildungsverzeichnis

  • König David (Tiberius Psalter, um 1050 n. Chr.).
  • David tötet Goliat (Caravaggio, 1573-1610 n. Chr.).
  • David spielt die Harfe vor Saul (Lucas van Leyden; 1509).
  • Abigajil unterwirft sich David (Rudolf von Ems, 13. Jh. n. Chr.).
  • Sauls Tod in den Gilboabergen (Pieter Brueghel der Ältere; ca. 1525-1569).

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