Ba‘lu
(erstellt: Juni 2006)
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(→ Baal
1. Das Epitheton ba‘lu „Herr“ als Göttername
Die Benutzung des Epithetons bēlu, ba‘lu „Herr“ als Eigenname eines bestimmten Gottes ist in verschiedenen altorientalischen Epochen für unterschiedliche Götter bezeugt. Dabei handelt es sich entweder um Verkürzungen des vielfach und in Verbindung mit unterschiedlichsten Göttern anzutreffenden Epitheton-Typs „Herr von (Ortsname)“ oder um die Bezeichnung bestimmter Götter als (Götter-)Herr schlechthin (etwa → Bēl
2. Der Ba‘lu von Ugarit
Dank der Textfunde in der Stadt → Ugarit
2.1. Position im Pantheon der Stadt
Ba‘lu verkörpert den Typ des jungen Götterkönigs, der sich im Kampf die Königswürde unter den Göttern erstreitet, zugleich aber seinem Vater ’Ilu (→ El
Die beiden Tempel auf der Akropolis von → Ugarit
2.2. Die mythologischen Texte
Ein Zyklus von Mythen in ugaritischer Sprache beschäftigt sich mit den Kämpfen des Ba‘lu um die Königsherrschaft unter den Göttern. Seine Konkurrenten in diesem Kampf entstammen sämtlich der jüngeren Göttergeneration, während der Göttervater ’Ilu die Kämpfe unter der jüngeren Generation im wesentlichen beobachtet, ohne dass seine eigene Stellung dadurch zur Disposition gestellt würde. Freilich suggeriert allein die Tatsache, dass Ba‘lu sich im Kampf gegen andere Konkurrenten die von ’Ilu schließlich approbierte Königsherrschaft erkämpfen muss, eine gewisse Spannung zwischen Göttervater und Wettergott, die entfernt an die Konstellation des Konfliktes zwischen Kumarbi und → Teššub
Die dritte große Erzählung des Ba‘lu-Zyklus beschreibt die Niederlage des Wettergottes gegen den Todesgott → Môtu
Als jugendlicher Gott hatte Ba‘lu keine Gemahlin im eigentlichen Sinne. Die mythologischen Texte scheinen aber sexuelle Begegnungen sowohl mit ‘Aṯtartu als auch mit Ba‘lus Schwester ‘Anatu zu beschreiben. In hellenistisch-römischer Zeit werden → Astarte
Als Vater des Ba‘lu wird durchweg ’Ilu genannt. Nur innerhalb zweier erstarrter Epitheta heißt Ba‘lu einer älteren nordsyrisch-hurritischen Tradition folgend auch „Dagān-Sohn“ (vgl. Teššub als Sohn des mit → Dagān
In den Texten nicht ausdrücklich bezeugt ist die Verehrung des Ba‘lu als Schutzgott der Seefahrt. Die große Bedeutung des Seehandels für die Stadt Ugarit, die Rolle des Ba‘lu als Sieger über Jammu und die Untiere des Meeres, der Fund von Steinankern als Weihgaben (auch) im Bereich des Ba‘lu-Tempels sowie die wahrscheinliche Funktion des sich hoch über die Stadt erhebenden Ba‘lu-Tempels als Orientierungsmarke (und Leuchtturm?) für die Seefahrer lassen es jedoch plausibel erscheinen, dass Ba‘lu auch diese Funktion zugeschrieben wurde (vielleicht darf auch das Siegel aus Tell Dab‘a in diesem Sinne gedeutet werden, so u.a. Cornelius / Niehr, 2004, 47, 72).
3. Ba‘al und Ba‘alšamēm im 1. Jt.
Die v.a. in den Texten aus Ugarit für die Spätbronzezeit breit bezeugte Verwendung des ursprünglichen Epithetons ba‘lu als Eigenname des alten semitischen Wettergottes → Haddu
Der Wettergott wird seit alters als einer der Himmelsgötter schlechthin betrachtet. Die wichtigste Gestalt des hethitischen → Tarchun(t)
In den hieroglyphen-luwischen Inschriften aus der ersten Hälfte des 1. Jt. wird der Wettergott Tarchunza besonders oft mit dem Epitheton „des Himmels“ versehen (tipasasis Tarchunzas), ohne dass damit eine von einfachem Tarchunza unterschiedene Göttergestalt gemeint wäre (vgl. etwa die wechselnde Verwendung von tipasasis Tarchunzas und einfachem Tarchunzas in den Inschriften des Katuwa von Karkamisch). Offenbar im phönizischsprachigen Raum entwickelt sich jedoch die Verbindung b‘lššmm „Ba‘al des Himmels“, die in der phönizisch-luwischen Bilingue vom Karatepe auch als Übersetzung von tipasasis Tarchunzas dient, zu einer eigenständigen Wettergottgestalt, die besonders in den syrisch-palästinischen Religionen der hellenistisch-römischen Zeit eine prominente Stellung einnimmt. Inwieweit sich die Emanzipation von Ba‘alschamēm zu einer eigenständigen Göttergestalt unmittelbar dem Einfluss anatolisch-luwischer Traditionen verdankt, ist noch unklar. Die Annahme einer einfachen Identität des Tarchunza mit dem Epitheton tipasasis auf der einen Seite und des eigenständigen Ba‘alschamēm auf der anderen Seite greift jedenfalls – trotz der Bilingue vom Karatepe – zu kurz; plausibler erscheint es, den luwischen tipasasis Tarchunzas als einen der Ausgangspunkte für die dann eigenständige Entwicklung der Göttergestalt Ba‘alschamēm innerhalb der phönizischen Religion zu betrachten.
Der Kult des Gottes bleibt aber nicht auf den phönizischen Sprachraum beschränkt. Vielmehr wird der Göttername auch im Aramäischen als Ba‘alschamīn adaptiert. Betrachtet man die chronologische Verteilung der Belege für Hadad und Ba‘alschamīn im aramäisch geprägten Kulturraum, so gewinnt man den Eindruck, dass der Name Ba‘alschamīn im Laufe der Perserzeit regional den Namen Hadad zumindest auf der Ebene der offiziellen Religion ablöst, was angesichts der gemeinsamen Wurzeln und des gleichartigen Profils beider Götter sachlich nicht weiter erstaunen kann. In der ersten Hälfte des 1. Jt.s fehlen Belege für die Verbindung der beiden Götter; allerdings ist die Quellenlage insgesamt äußerst dürftig; der Gott Ba‘alschamīn scheint in dieser Zeit jenseits der unmittelbar an den phönizischsprachigen Raum angrenzenden Gebiete in Syrien und Obermesopotamien unbekannt gewesen zu sein. Der aramäische Papyrus Amherst 63 (etwa 3. Jh. v. Chr., Oberägypten) nennt in Kol. xv und xvi Hadad (bzw. Hadda) im synonymen Parallelismus mit Ba‘alšamīn und gibt damit zumindest einen sicheren terminus post quem für die Identifizierung der beiden Götter (zu Ba‘alschamēm s. die umfassende Bestandsaufnahme bei Niehr, 2003, der die religionshistorischen Entwicklungen im Einzelnen jedoch anders beurteilt).
4. Bemerkungen zur Ikonographie
→ Wettergott
Literaturverzeichnis
Die folgende Liste verzeichnet nur die im Text zitierten Werke. Für weitere Literatur s. die ausführliche Bibliographie in Schwemer, 2001 und Schwemer, im Druck.
- Beaulieu, P.-A., 2003, The Pantheon of Uruk during the Neo-Babylonian Period (CM 23), Leiden
- Cornelius, I. / Niehr, H., 2004, Götter und Kulte in Ugarit, Mainz
- Mettinger, T.N.D., 2001, The Riddle of Resurrection. „Dying and Rising Gods” in the Ancient Near East, Stockholm
- Niehr, H., 2003, Ba‘alšamem. Studien zu Herkunft, Geschichte und Rezeptionsgeschichte eines phönizischen Gottes (OLA 123), Leuven
- Sallaberger, W., 1996, Calendar and Pantheon, in: W. Sallaberger u.a., Administrative Documents from Tell Beydar (Subartu 2), Turnhout, 85-87
- Schwemer, D., 2001, Die Wettergottgestalten Mesopotamiens und Nordsyriens im Zeitalter der Keilschriftkulturen, Wiesbaden (dort weitere Literatur)
- Schwemer, D., im Druck, The Storm-Gods of the Ancient Near East: Summary, Synthesis and Recent Studies, JANER
- Smith, M.S., 2. Aufl. 2002, The Early History of God. Yahwe and the Other Deities on Ancient Israel, Grand Rapids / Cambridge
Abbildungsverzeichnis
- Der Gott Ba’lu stößt eine Lanze mit „vergetabilem“ Schaftende nach unten, die Wellenlinien deuten das Meer an, das er in Person des Jammu besiegt hat (Stele aus Ugarit). Aus: W. Orthmann, Der Alte Orient (Propyläen Kunstgeschichte 14), Berlin 1975, Abb. 415
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