Behüten
(erstellt: Oktober 2020)
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1. Bedeutung und Verwendung
Behüten im Sinne von „bewahren / beschützen / bewachen“ wird im Hebräischen durch die Wurzeln שׁמר šmr und נצר nzr ausgedrückt. Subjekt beider Verben können Menschen, Engel oder die Gottheit selber sein. Bezeugt ist der Gebrauch in theologischen wie nichttheologischen Zusammenhängen, wobei für die Vertreter der himmlischen Sphäre sachgemäß der theologische Gebrauch überwiegt. Die semantische Konnotation kann variieren und hängt maßgeblich vom jeweiligen Kontext ab. Grundlegend aber ist für beide Verben der Aspekt des Schutzes, und zwar bei theologischem wie nichttheologischem Gebrauch.
In nichttheologischer Verwendung beziehen sich beide Verben auf das Behüten, Bewahren – und auch Aufbewahren – bestimmter Objekte. Nach Spr 27,18
Bei theologischem Gebrauch beziehen sich die Verben שׁמר šmr und נצר nzr dort, wo der Mensch als Subjekt erscheint, mehrheitlich auf den Gehorsam gegenüber Gott und das „Bewahren / Halten“ bestimmter Verpflichtungen. Überwiegend betrifft dies das Bewahren bzw. Einhalten von Geboten und Weisungen. Ist Gott selbst Subjekt der Verben, geht es zumeist um den Aspekt der rettenden und bewahrenden Fürsorge für den Einzelnen oder das Volk als Kollektiv. Sehr häufig begegnet dieser Aspekt in den Psalmen, nicht selten in Form einer Zusage an den Beter (vgl. Ps 12,8
Die Wurzel שׁמר šmr ist im Alten Testament 468-mal belegt. Für die Konnotation „behüten / bewachen / bewahren“ sind vor allem jene Belege relevant, in denen die Wurzel als Verbform im Qal erscheint. Besonders häufig begegnet das Verb im Deuteronomium (73-mal; davon 58-mal im Qal) sowie im Psalter (71-mal; davon 62-mal im Qal). Gedanklich hängen viele weitere Belege in den Prophetenbüchern oder den Psalmen von der Verwendung des Verbs im Deuteronomium ab und spiegeln die dortige semantische Konnotation und theologische Konzeption.
Die Wurzel נצר nzr ist deutlich seltener belegt. Sie begegnet (ohne Jes 49,8
Die → Septuaginta
2. Menschen als Subjekt von „bewahren / hüten“
2.1. Hüten von Gegenständen und Lebewesen
Bereits angesprochen wurde die Verwendung von שׁמר šmr in Gen 2,15
Von der Verfluchung des Ackerbodens bereits betroffen ist → Kain
Profaner Gebrauch von שׁמר šmr „behüten / bewahren“ begegnet außerdem im Blick auf Nutztiere (Gen 30,31
In der Sentenzensammlung Spr 10,1-22,16
2.2. Hüten der Gebote Gottes und des Bundes
In Gen 17 findet sich die Wurzel שׁמר šmr im Sinne von „behüten / bewahren“ mit Bezug auf den → Bund
Im → Deuteronomium
Dieser in Dtn 6,4f
Ähnlich gehäuft findet sich die Wurzel שׁמר šmr in Dtn 8,1-6
Auch wenn das Stichwort „Liebe“ in Dtn 8,1-6
In Jos 1,1-9
Nach Abschluss der Landnahme verpflichtet Josua das Volk auf den Gehorsam gegen Gott. Seine direkte Rede greift dabei explizit auf Jos 1,7
In den Königebüchern findet sich eine hohe Konzentration von Belegen im Zusammenhang der Erzählungen um → Salomo
Der Aspekt der Gesetzesobservanz spiegelt sich auch in einigen → Psalmen
Im Jesajabuch häufen sich Belege für שׁמר šmr in Jes 56 (→ Tritojesaja
Auch im Buch Ezekiel begegnet שׁמר šmr mit dem Objekt Weisung (חֻקָּה ḥuqqāh; 4-mal) oder Gebot (מִשְׁפָּט mišpāṭ; 5-mal). Öfter allerdings erscheint das Verb dort in Verbindung mit dem Nomen „Dienst“ (מִשְׁמֶרֶת mišmæræt; 7-mal). Die Kombination von שׁמר šmr mit מִשְׁמֶרֶת mišmæræt konzentriert sich auf den Verfassungsentwurf in Ez 40-48 und hier vor allem auf Ez 44, wo der Kult neu geordnet wird. Die Verwendung weist entsprechend auf kultischen Hintergrund. „In die gleiche Richtung zielt der relativ häufige Gebrauch von šmr mit Subst., die zum Bereich der Feste, Riten etc. gehören […]. Im Unterschied zum Dtn findet sich šmr in […] Ez niemals mit miṣwāh / miṣwôt noch mit dāḇār / deḇārîm.“ (García Lopéz, 1995, 299).
In der Weisheitsliteratur wird der Aspekt des Behütens oftmals durch die Wurzel נצר nzr ausgedrückt. Eine Vielzahl von Belegen findet sich in den sogenannten Lehr- und Mahnreden in Spr 1-9. Der Adressat wird dort zu einem bestimmten Tun aufgefordert, das auch das Bewahren von Weisung, Gebot, Zucht, Bund oder Erkenntnis / Wissen betrifft. Das Bewahren resultiert in gesundheitlichem, emotionalem oder finanziellem Wohlergehen (→ Tun-Ergehen-Zusammenhang
3. Gott als Subjekt von „bewahren / hüten“
An zahlreichen Stellen im Alten Testament erscheint Gott als Subjekt von „bewahren / behüten“. Grundlegend für diese Aussagen ist die Vorstellung der Treue Gottes gegenüber dem Volk Israel sowie dem Individuum. Dies betrifft zum einen Ausführungen, in denen Gott als „Hüter“ des Bundes (vgl. Dtn 7,9
In vielfältiger Variation ist die Vorstellung Gottes als Hüter Israels bzw. des Einzelnen im → Psalter
Literaturverzeichnis
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