Bekehrung
(erstellt: Juni 2015)
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1. Einleitung
Der Begriff „Bekehrung“ bedarf zunächst der Präzisierung: Er wird im Folgenden so verstanden, dass er die Hinwendung eines Menschen aus der Völkerwelt zu JHWH bezeichnet (vgl.
Jes 56,3.6
In alttestamentlichen Überlieferungen kommt an unterschiedlichen Stellen eine solche
Bekehrung bzw. Hinwendung von Nichtisraeliten zum Gott Israels in den Blick. So ruft beispielsweise der Syrer → Naaman
Einschlägige Texte aus erzählenden wie auch aus diskursiven Zusammenhängen der Hebräischen Bibel lassen Grundzüge eines gemeinsamen Paradigmas erkennen. Hierbei wird deutlich, dass die biblische Differenzierung zwischen Israel und den Völkern nicht mit einer Unterscheidung zwischen JHWH-Verehrern und Götzendienern (→
Götterpolemik
1.1. JHWH, Israel und die Völker
Die wechselseitige Bezogenheit von JHWH und Volk Israel aufeinander ist als die
Mitte des Alten Testaments bezeichnet worden (Smend; → Theologie des Alten Testaments
In diachroner Hinsicht ist die Frage, ob bzw. auf welche Art und Weise sich auch Nichtisraeliten zum Gott Israels bekehren können, demnach eng mit dem Monotheismus der exilisch-nachexilischen Zeit und dem in diesem Zusammenhang zu verortenden Paradigma der Erwählung Israels verbunden.
1.2. Bekehrung ohne Integration in das Volk Israel (JHWH-Verehrer der Völker)
Die Hinwendung bzw.
Bekehrung von Nichtisraeliten zu JHWH, dem Gott Israels, setzt gerade keine ethnische Assimilation bzw. Integration in das Volk Israel voraus. Hier sind innerhalb der alttestamentlichen Überlieferungen unterschiedliche Modelle der Verbindung zwischen JHWH, dem Volk Israel und Menschen aus der Völkerwelt zu unterscheiden: Einerseits laufen priesterliche Bestimmungen über die soziale und religiöse Gleichstellung der גֵּרִים gerîm → „Fremden
Deutlich zu unterscheiden hiervon ist jedoch die religiöse Bekehrung bzw. Hinwendung von Nichtisraeliten zu JHWH, die sich in einem theologischen Bekenntnis zu JHWH und in einer mit Israel gemeinsam vollzogenen Verehrung JHWHs ausdrückt. Hier ist von „JHWH-Verehrern der Völker“ zu sprechen, die durch ihre Bekehrung / Hinwendung zu JHWH nicht im Volk Israel aufgehen.
2. Die Bekehrung von Nichtisraeliten zum Gott Israels
2.1. Narrative Texte
2.1.1. Ex 18,1-12. Die Bekehrung Jitros zum Gott Israels
In
Ex 18,11
2.1.2. Jos 2. Die Bekehrung Rahabs zum Gott Israels
In
Jos 2,11
2.1.3. 2Kön 5. Die Bekehrung Naamans zum Gott Israels
In
2Kön 5,15
2.1.4. Jon 1. Die Bekehrung der Seeleute zum Gott Israels
Jon 1, schließlich, erzählt davon, wie sich die nichtisraelitischen Seeleute auf dem Schiff des →
Jona
2.2. Diskursive Texte
Auch in mehreren diskursiven Zusammenhängen der alttestamentlichen Überlieferung ist von Nichtisraeliten die Rede, die sich zum Gott Israels bekehrt haben und diesen gemeinsam mit dem Volk Israel verehren.
2.2.1. 1Kön 8,41-42. Fremde, die zu JHWH beten
In
1Kön 8,41-43
2.2.2. Jes 56,1-8. Fremde, die sich JHWH anschließen
Jes 56,1-8
2.2.3. JHWH-Verehrer der Völker im Psalter
Auch im →
Psalter
2.3. Die verheißene Bekehrung aller Völker zu JHWH
Neben der bereits vollzogenen Bekehrung / Hinwendung einzelner Nichtisraeliten zum Gott Israels findet sich in den alttestamentlichen Überlieferungen auch die Verheißung der eschatologischen Hinwendung aller Völker zu JHWH (→
Eschatologie
Dabei verbindet die Vision der Völkerwallfahrt zum Zion die JHWH-Verehrer der Völker mit der Friedensvision, in welcher JHWH Recht sprechen wird und kein Krieg mehr herrscht (
Jes 2,4
3. Theologischer Ausblick
Die Gottesbeziehung ist aus Sicht zahlreicher alttestamentlicher Texte nicht auf Israel begrenzt, sondern schon seit Beginn des monotheistischen Glaubens in der Hebräischen Bibel auch für JHWH-Verehrer aus den Völkern geöffnet.
3.1. Vergleich mit der rabbinischen Unterscheidung zwischen גר צדק ger zædæq und גר תושב ger tôšāv
Nichtisraeliten können aus rabbinischer Sicht durch eine Konversion (גיור) einen Identitätswechsel vollziehen, der sie zu Juden werden lässt. Als גרי צדק
gerê zædæq (→ Proselyten
Im rabbinischen Konversionsritus gibt es demnach keine explizite Referenz auf Gott, keine theologische Prüfung des Kandidaten und auch kein Bekenntnis. Es geht in dem Ritus nicht um eine religiöse Bekehrung, sondern vielmehr um einen „change of legal status“, um ein „enfranchisement“ in Israel (Cohen, 237). Statt um den Aspekt einer religiösen Bekehrung geht es aus rabbinischer Sicht beim Proselytismus um den Identitätswechsel eines Menschen aus der Völkerwelt, der zum Juden wird.
In den Texten der Hebräischen Bibel, in denen die Kategorie der JHWH-Verehrer der Völker durchscheint, wird deren religiöse Bekehrung in keinen Zusammenhang mit einer Integration in das Volk Israel gebracht. Es geht hier also um ein biblisches Konzept, das nicht mit der späteren halachischen Kategorie des Proselytismus, sondern mit den גרי תושׁב gerê tôšāv im Sinne einer Kategorie von „Righteous Gentiles“ zu vergleichen ist.
3.2. Die Israelbezogenheit der JHWH-Erkenntnis unter den Völkern
Bei der
Bekehrung bzw. Hinwendung von Nichtisraeliten zu JHWH spielt die Vermittlung durch Israeliten eine zentrale Rolle: Wie Jitro aus dem Munde Moses vom Exodus-Geschehen hört (Ex 18,1.8f
Ebenso verhält es sich mit dem diskursiven Text
1Kön 8,41-43
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
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