Belsazar
Andere Schreibweise: Belsazer; Belsacer; Belsatzar; Belsazzar; Belshazzar; Belschazzar; Baltasar; Baltassar; Balthasar; Baldasar; Baldassar; Baldazar; Baltazar; Balthazar; Balsasar; Beltazshar; Balchasar
(erstellt: März 2017; letzte Änderung: September 2017)
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1. Name
Mit dem Namen Belsazar (בֵּלְשַׁאצַּר belša’ṣṣar, Belsazzar; vgl. griech. Βαλτασάρ Baltasar) bezeichnet das Danielbuch (Dan 5
2. Historische Rekonstruktion
2.1. Einleitung
Nach Ausweis neubabylonischer Quellen war Bēl-schar[ra]-uṣur (im Folgenden „Belsazar“) ein Sohn des letzten babylonischen Königs → Nabonid
Die kurze Blütezeit des neubabylonischen Reiches mit seinen Anfängen unter → Nabopolassar
Schon mit den ersten Nachfolgern Nebukadnezars II. lässt sich das Ende der Blütezeit des neubabylonischen Großreiches absehen. Das Reich erfährt eine Phase der Instabilität und der Krise. Die Nachfolger Nebukadnezars II. → Amel-Marduk
2.2. Nabonid
Seine Familie stammte aus der nordsyrischen Stadt → Haran
Trotz seines hohen Alters – zum Zeitpunkt seiner Herrschaftsübernahme scheint er etwa 60 Jahre alt gewesen zu sein – agierte Nabonid als tatkräftiger Herrscher eigenständig und mit dem Willen, die Krise des neubabylonischen Reiches zu überwinden und eine neue Blütezeit herbeizuführen. In diesem Licht sind sowohl seine umfangreichen Feldzüge, die er in Fortführung der Außenpolitik Neriglissars unmittelbar nach der Anerkennung seiner Herrschaft nach Kilikien, Syrien und in das Ammana-Gebirge (nördliches Antilibanon-Gebirge) unternommen hatte, als auch die religionspolitischen Maßnahmen, die langfristig auf einen Wiederaufbau des dem Mondgott Sin geweihten Tempels Eḫulḫul in seiner Heimatstadt Haran zielten, zu verstehen. „Damit sollte sich im Verlauf der Regierung Nabonids immer klarer das Konzept verbinden, dem Reich in der Verehrung des Mondgottes Sîn, der anders als → Marduk
Im Licht dieser „Dezentralisierung“ ist wohl auch der vieldiskutierte Aufenthalt Nabonids in der nordarabischen Oasenstadt → Tema
Auch ein Fragment aus der Qumran-Höhle Nr. 4 (→ Qumran-Texte
2.3. Belsazar
Während Nabonid sich in Tema aufhielt, führte sein Sohn Belsazar – wie zahlreiche Verwaltungsurkunden dokumentieren – sämtliche administrativen Geschäfte und war für die militärischen Truppen im Land verantwortlich. Die königlichen Opfer in den Heiligtümern wurden sowohl im Namen Nabonids als auch im Namen Belsazars dargebracht und bei Eidesleistungen rief man neben Nabonid auch dessen Sohn Belsazar an. Doch – anders als in der biblischen Überlieferung – wird dieser in keiner der erhaltenen Urkunden als „König“ (šarru), sondern stets als „Kronprinz“ (mār šarri, wörtl. „Sohn des Königs“) bezeichnet. Auch die Regierungsjahre wurden weiterhin nach Nabonid gezählt. Man wird Belsazar daher am besten als Koregenten oder Reichsverweser verstehen dürfen. Die bleibende Autorität Nabonids wird auch in der Umsetzung einer von ihm erlassenen Anordnung zur Ausweitung der königlichen Verfügungsgewalt über Tempelgüter durch Belsazar sichtbar. Der Hinweis in den Nabonid-Chroniken (HTAT 268), dass die Neujahrsfeierlichkeiten (→ Akitu-Fest
Innenpolitisch scheint Belsazar eine wichtige einigende Funktion zwischen der Marduk-Priesterschaft einerseits und den Anhängern der von seinem Vater propagierten neuen Politik andererseits gespielt zu haben, wobei seine Sympathie auf der Seite der traditionellen Politik und der traditionellen Religion Babylons lag. So hat sich während „Nabonids Abwesenheit … in Babylonien eine weitgehende Zurückdrängung Sîns feststellen lassen, die ganz offensichtlich auf den Einfluß des Kronprinzen zurückzuführen ist“ (Heller, 192). In jedem Fall scheint es durch die Abwesenheit Nabonids und die Präsenz des Belsazar in Babylon zu einer (zumindest vorübergehenden) Befriedung der im Land virulenten Unruhen gekommen zu sein.
Die Stelen-Inschrift aus Haran (HTAT 270 I,14-23) zeichnet Nabonids Aufenthalt in Tema als religiös motivierte Flucht aus Babylon. Versteht man seinen Zug nach Nordarabien jedoch im Kontext seiner militärischen Unternehmungen, wird man den damit unmittelbar verbundenen Ausbau Temas als Residenzort in einem politisch-strategischen Licht zu betrachten haben. Möglicherweise spielte die Absicht, durch die Integration des nordarabischen Gebietes in den Herrschaftsbereich von Babylon neue wirtschaftliche Ressourcen zu erschließen, eine wichtige Rolle. Durch die dortige Präsenz war es möglich, eine „effektive Kontrolle des arabischen Handels an den Kontenpunkten des Karawanenverkehrs bereits im Hegaz, nicht erst an den Nordausgängen der ‚Weihrauchstraße‘ in Damaskus oder Gaza“ (Weippert, 435) auszuüben. Der Ausbau Temas zu einer Residenzstadt erschien zugleich als Symbol der dezentralen Innenpolitik. Nabonids Strategie war nicht allein auf das Zentrum, dem das übrige Land zu dienen hätte, ausgerichtet. Durch die „Entwicklung auch der peripheren Regionen“ (Albertz 2001, 63) versuchte er, das Reich in seiner Gesamtheit und in seiner Einheit zu stärken.
In der Frage nach den Hintergründen der Rückkehr des Nabonid nach Babylon im Jahr 544/543 v. Chr. zeichnen sich unterschiedliche Perspektiven ab. Während er selbst (HTAT 270 II,3) einen Befehl Sins als Begründung anführt, scheint der zunehmende Druck durch das aufstrebende Perserreich (→ Perser
3. Belsazar in der biblischen Überlieferung
Im Alten Testament begegnet Belsazar in den Büchern Daniel (Dan 5
3.1. Belsazar im Buch Daniel
Das Buch Daniel beginnt mit der Erinnerung an die → Eroberung Jerusalems
Vergleicht man das im Danielbuch skizzierte Belsazar-Bild mit der historischen Rekonstruktion des vorangehenden Abschnittes, werden Widersprüche sichtbar. Diese betreffen die im Danielbuch vorgenommene aber außerbiblisch nicht verifizierbare Qualifikation Belsazars als König (vgl. etwa Dan 5,1
Da die Datierungen in Dan 7,1
3.1.1. Belsazars Gastmahl in Dan 5
Am Beispiel Belsazars entfaltet das Danielbuch den paradigmatischen Konflikt zwischen der menschlichen, vermeintlich unbesiegbaren Weltmacht (Babylon) und der unumschränkten göttlichen Macht. Seine Herrschaft und sein Gebaren markieren einen Tiefpunkt im Verhalten der babylonischen Könige dem Gott Israels gegenüber; entsprechend ist die Zeichnung Belsazars denkbar negativ (vgl. Dan 5,3-4
Die Szenerie der Erzählung wird in Dan 5,1-4
Eine mysteriöse Zeichenhandlung einer Hand, die einer Deutung bedürftige Worte an die Wand schreibt, löst bei Belsazar große Unruhe aus. Der Aufruf an die verschiedensten Weisheitsspezialisten des Hofes bleibt aufgrund ihres Unvermögens, die Inschrift zu lesen, ohne Erfolg. Nach einer Intervention der „Königin“, die Daniel als einen vom „Geist der heiligen Götter“ begabten Weisen, der von Nebukadnezar an die Spitze der Weisen des Landes gestellt worden war, vorstellt und seine Fähigkeiten hervorhebt, lässt Belsazar ihn herbeibringen. Anstelle einer Deutung der Inschrift verweist Daniel zunächst ausführlich auf dessen Vater Nebukadnezar und sein Schicksal (vgl. Dan 4
Durch den Vergleich des Verhaltens von Belsazar und Nebukadnezar sind Dan 4
3.1.2. Die Septuaginta-Fassung von Dan 5
Die Erzählung von Dan 5
Während der aramäische Text im Gegenüber von Nebukadnezar und Belsazar das Verhältnis der universalen Gottesherrschaft und des Anspruchs der babylonischen Großmacht reflektiert, fokussiert die LXX den Götzendienst des Baltasar (vgl. Albertz 1988). In der für die Deutung des Textes wesentlichen Anklage (Dan 5,23-25 LXX) zeigt Daniel das Vergehen des Königs auf: Baltasar lobt die „handgefertigten Götter“ und nicht den „Gott der Ewigkeit“ (Dan 5,4 LXX; vgl. auch Dan 5,23 LXX). Daher erscheint er weniger als überheblicher Machthaber, sondern als der beispielhafte Apostat, dessen Abfall von Gott zum bevorstehenden göttlichen Gericht führt, das als Untergang des babylonischen Reiches konkretisiert wird. Das Motiv der Überheblichkeit (vgl. Dan 5,2 LXX) wird demgegenüber stark zurückgedrängt.
Neben der Erzählung selbst bietet die LXX-Fassung eine vorangestellte praefatio, bei der es sich um die kurzgefasste Wiedergabe einer griechischen Erzählvariante des gleichen Stoffes der Haupterzählung von Dan 5
3.2. Belsazar im Buch Baruch
Abhängig von der Überlieferung des Danielbuches ist das, vermutlich Mitte des 1. Jh.s v. Chr. entstandene, deuterokanonische Buch → Baruch
4. Zur Rezeption in der Kunst
Über Jahrhunderte hinweg hat die Erzählung vom Gastmahl Belsazars Künstler inspiriert, wobei ganz unterschiedliche Schwerpunktsetzungen zu beobachten sind. Während Belsazar im Mittelalter primär als Präfiguration des Anti-Christen (vgl. die mittelalterlichen Mysterienzyklen [dazu Stemmler, 1970, 145f], die Darstellungen in der Apokalypse von Saint-Sever [Paris Bibliothèque Nationale, MS lat. 8878; 11. Jh.] oder in den Kirchen von Vézelay [12. Jh.], Amiens und Magdeburg [13. Jh.]) erscheint, steht in der Renaissance weniger die theologische Botschaft des Textes als die von orientalischem Prunk begleitete Dramatik der Erzählung im Vordergrund (vgl. Georg Pencz, 15. Jh.; Melchior Bocksberger, 16. Jh.; Johannes Müller, 16. Jh.; Frans Francken, 17.Jh.; Pieter de Grebber, 17.Jh.;Rembrandt, 17. Jh.). Später scheint, insbes. in der Literatur, der Aspekt der Vergänglichkeit politischer Macht in den Vordergrund zu rücken (vgl. u.a. das Libretto von Charles Jennens, 18. Jh., s.u.). Im Folgenden sind drei Beispiele von besonderer Bedeutung vorzustellen:
Im Bereich der Musik ist das Oratorium von Georg Friedrich Händel mit dem Titel „Belshazzar“ aus dem Jahr 1745 hervorzuheben. Grundlage ist das von Charles Jennens verfasste englischsprachige Libretto, das an Dan 5 anknüpft, aber auch Elemente aus den Büchern Jesaja (insbes. Jes 41
Im Eingangsrezitativ entfaltet die als Mutter Belsazars eingeführte Nitocris die grundlegende und unvermeidbare Vergänglichkeit aller Weltreiche (vgl. Dan 2). Dem Werden und Vergehen menschlicher Herrschaft stellt sie in der sich anschließenden Arie die ewig bleibende Gottesherrschaft gegenüber. Die Ereignisse um Belsazar und das Ende des babylonischen Reiches werden auf diese Weise in den Kontext der Weltgeschichte eingeordnet. „Weltreiche kommen und gehen. Die Hybris eines Einzelnen ist allenfalls der Auslöser, nicht aber der Grund ihres Untergangs.“ (Bartelmus 2016, 713). Belsazar erscheint damit nicht allein als frevelhafter und verkommener Herrscher, sondern vielmehr als tragische Gestalt, die unausweichlich in ihrem überheblichen Verhalten das babylonische Reich in den Untergang führen muss. „Belsazars Handlungen lösen nicht den Gang der Geschichte aus, sie bestätigen ihn vielmehr nur, und zwar in gleicher Weise, wie die Handlungen des Pharao indirekt den Exodus bewirken, den sie eigentlich zu verhindern trachten.“ (Bartelmus 2012, 159). Daher müssen die Bemühungen sowohl seiner Mutter Nitocris als auch der Juden, Belsazar zur Umkehr zu bewegen, ins Leere laufen. „Die Tragödie ist nicht aufzuhalten, Belsazar muß konsequent seinen Weg zu Ende gehen – auf der anderen Seite ist damit Raum geschaffen für das mit Kyros kommende positive Neue.“ (Bartelmus 2012, 165). Doch der Sieg des Kyros wird nicht als politisch-militärischer Triumph gefeiert. Ein Zitat aus Ps 96,10 konstatiert: „Der Herr ist König!“. Die mit Kyros verbundene Herrschaft, die auch die Rückkehr der Juden aus dem Exil verheißt, wird im Licht des messianischen Friedensreiches (vgl. die Aufnahme von Jes 44-45 im 1. Akt, 3. Szene) betrachtet.
Das spannungsvolle Nebeneinander der Glaubenswelt Babylons und der Verehrung des einen Gottes Israels wird immer wieder in den Mittelpunkt gerückt. Die Schuld Belsazars liegt in der überheblichen Missachtung des Gottes Israels. Der Missbrauch der Gefäße aus dem Tempel in Jerusalem hat demgegenüber illustrativen Charakter. In einem Duett führen Nitocris und Belsazar ein Streitgespräch, das besonders eindrucksvoll das Zueinander von Text und Musik dokumentiert. Beide folgen darin inhaltlich dem gleichen Argumentationsmuster und verwenden auf der Ebene der Musik die gleichen Tonfolgen: Nitocris hält Belsazar die Entweihung des Namens Gottes vor. Belsazar hält Nicotris eine Verbindung mit den Juden als Feinden des Königs vor. Beide verweisen auf die machtvollen Taten Gottes bzw. der Götter des Landes. Die konträren theologischen Ansichten prallen aufeinander. Jede Verständigung scheitert: Belsazar geht dem Untergang entgegen. Auch nachdem Daniel die Schrift deutet und damit das göttliche Urteil offenbart, lässt sich Belsazar von seinem Hofstaat treiben und setzt das Gelage und die Gotteslästerungen fort. Ganz anders der siegreiche Eroberer Kyros, der sich dem Gott Israels – obgleich er ihn zunächst kaum zu kennen scheint – unterwirft. Sein erstes Bekenntnis zu diesem Gott ist mit der Eröffnungsarie der Nitocris durch einen übereinstimmenden Rhythmus verbunden. „Offenkundig nehmen diese beiden Arien aufeinander Bezug; Händel stellt damit eine enge Beziehung her zwischen der in Babylon ausharrenden Königsmutter und dem Befreier, den sie schließlich als Sohn annehmen wird.“ (Drauschke, 381). In seinem abschließenden Rezitativ formuliert der Sieger Kyros sein großes Bekenntnis zu dem (einzigen) Gott Israels.
Und der König ergriff mit frevler Hand
Einen heiligen Becher, gefüllt bis am Rand.
Und er leert ihn hastig bis auf den Grund,
Und rufet laut mit schäumendem Mund:
Jehovah! Dir künd ich auf ewig Hohn –
Ich bin der König von Babylon.
Sakrileg und Blasphemie verbinden sich und führen letztlich zum Tod Belsatzars: Die ausgelassene Stimmung des Gelages wandelt sich in Stille, als etwas wie eine Menschenhand unbekannte Zeichen von Feuer an die Wand schreibt, die selbst von den Magiern des Königs nicht gelesen werden können. Noch in derselben Nacht wird der König von seinen Knechten getötet. Daniel, der in der biblischen Erzählung eine zentrale Rolle als Deuter der Schrift spielt, wird gänzlich ausgeblendet.
Die wohl bekannteste Darstellung in der Malerei ist ein großformatiges Gemälde (167 x 209cm) Rembrandts aus dem Jahr 1635 (Abb. 1; London National Gallery). Rembrandt greift aus der Szene des großen Banketts einen kleinen Ausschnitt mit wenigen Personen heraus, in dem nur noch die goldenen Gefäße und ein Teller mit Trauben an das Festmahl erinnern. Das Gemälde stellt den Moment der unmittelbaren Wahrnehmung der Schrift durch Belsazar dar. Sein Gesichtsausdruck und seine Bewegung, die sich im umfallenden Becher mit Wein widerspiegelt, drücken sein Erschrecken, ja das bare Entsetzen, aus. Diese Regungen zeigen auch die um Belsazar gruppierten Personen. Zwar steht die Figur des Königs optisch im Zentrum, doch machen seine dynamische Drehung und die Blickrichtung der Personen ebenso wie die Lichtgestaltung deutlich, dass inhaltlich die an der Wand erschienene Schrift im Mittelpunkt steht. Anders als zahlreiche andere Künstler repräsentiert Rembrandt die Inschrift und greift dabei auf hebräische Buchstaben zurück, wobei die unvollendete Gestalt des letzten Buchstabens noch den Vorgang des Schreibens erkennen lässt.
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
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Abbildungsverzeichnis
- Belsazars Gastmahl (Rembrandt, 1635).
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