Berossos
(erstellt: September 2009)
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1. Name und Person
Der babylonische Marduk- bzw. Bel-Priester Berossos (griechisch: Βηρωσσος / Βηρῶσος, möglicherweise von akkadisch bēl-rē’û-šu „Bel ist sein Hirte“) lebte von etwa 340 bis 270 v. Chr. und wirkte am Tempel Esagila in Babylon. Ob er gegen Ende seines Lebens auf die Insel Kos übersiedelte und dort eine Astronomenschule gründete, lässt sich aufgrund der problematischen Quellenlage nicht sicher entscheiden. In seinem in griechischer Sprache verfassten und dem Seleukiden Antiochos I. Soter (281/280 bis 262/261 v. Chr.) gewidmeten Werk Babyloniaca überliefert Berossos Traditionen Mesopotamiens und tritt damit als Vermittler zwischen dem Vorderen Orient und der hellenistischen Welt hervor.
Dass Berossos in einigen der antiken Quellen als Vater einer Sibylle bezeichnet wird (vgl. FGrH III C 1 Nr. 680 T 7a-c), lässt erkennen, dass seine Person Anlass zu legendenhaften Ausgestaltungen gab.
2. Form, Inhalt und Bedeutung der Babyloniaca
Die möglicherweise um 280 v. Chr. verfassten Babyloniaca des Berossos sind nur in Form fragmentarischer Zitate, u.a. bei Flavius Josephus und → Euseb
In einem ersten Buch behandelt Berossos Geographie und Mythologie Mesopotamiens. Insbesondere die Tradition eines fischartigen Urwesens, das als Kulturbringer wirkt, und die Schöpfungsvorstellungen, die sich mit den aus dem akkadischen Weltschöpfungsepos enūma eliš bekannten Traditionen berühren, sind hier von Bedeutung (→ Schöpfung
Vor der Entdeckung keilschriftlicher Urkunden und deren Entzifferung waren die überlieferten Fragmente aus den Babyloniaca eine wichtige Quelle für die Rekonstruktion der Geschichte Mesopotamiens; auch vor dem Hintergrund der nunmehr vorliegenden zahlreichen Originaldokumente aus Mesopotamien bleibt Berossos’ Werk als Ergänzung der Primärquellen von einiger Bedeutung. In der Antike genossen die Babyloniaca aufgrund ihrer Verfasserschaft durch einen einheimischen Kenner mesopotamischer Kultur einiges Ansehen, was nicht zuletzt die breite Streuung der Fragmente innerhalb der antiken Quellen und hier insbesondere bei jüdischen und christlichen Autoren zeigt.
Literaturverzeichnis
1. Quellen
- Jacoby, F. (Hg.), Die Fragmente der griechischen Historiker, Berlin / Leiden, 1923-1958: FGrH III C 1 Nr. 680; vgl. aber auch FGrH II B Nr. 244 F 83f; FGrH III A Nr. 273 F 79 u. 81; Nr. 275 F 4
- Mayer Burstein, S., The Babyloniaca of Berossus, Sources from the Ancient Near East I / 5 , Malibu 1978
- Verbrugghe, G.P. / J.M. Wickersham, Berossos and Manetho, Introduced and Translated. Native traditions in Ancient Mesopotamia and Egypt, Ann Arbor 1996 / 2001, 35-67
2. Lexikonartikel
- Paulys Realencyclopädie, Stuttgart 1893-1978
- Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie, Berlin 1928ff
- Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aufl., Tübingen 1957-1965
- Der Neue Pauly, Stuttgart / Weimar 1996-2003
- Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2005
- British Museum Dictionary of the Ancient Near East, London 2000
3. Weitere Literatur
- Cornelius, F., Berossos und die altorientalische Chronologie, Klio 35 (1942), 1-16
- Drews, R., The Babylonian Chronicles and Berossus, Iraq 37 (1975), 39-55
- Komoróczy, G., Berosos and the Mesopotamian Literature, Acta Antiqua Academiae scientiarum Hungaricae 21 (1973), 125-152
- Kuhrt, A., Berossus’ Babyloniaka and Seleucid Rule in Babylonia, in: A. Kuhrt / S. Sherwin-White (Hgg.), Hellenism in the East. The interaction of Greek and non-Greek civilizations from Syria to Central Asia after Alexander, London 1987, 32-56
- Mayer Burstein, S., The Babyloniaca of Berossus, Sources from the Ancient Near East I / 5, Malibu 1978
- Schnabel, P., Berossos und die babylonisch-hellenistische Literatur, Leipzig / Berlin 1923
- Verbrugghe, G.P./ J.M. Wickersham, Berossos and Manetho, Introduced and Translated. Native traditions in Ancient Mesopotamia and Egypt, Ann Arbor 1996 / 2001
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