Bestechung
(erstellt: September 2009)
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1. Begriff
„Bestechung“ und „Bestechlichkeit“ gehören zusammen mit Unterschlagung, Rechtsbeugung, Verwahrungsbruch usw. zum strafrechtlichen Kontext der Korruption. Ebenso wie der Terminus „Korruption“ lassen sich die Begriffe inhaltlich aber nur sehr schwer und kulturbezogen definieren. Wurde beispielsweise Bestechung im deutschen Sprachraum traditionell im Sinne der passiven Bestechung im Amt definiert (vgl. so noch Noethlichs, 1044 mit Verweis auf §§ 331f StGB), so hat sich die inhaltliche Bestimmung infolge der zunehmenden Wirtschaftkriminalität zunehmend dem im englischen und französischen Sprachraum gängigen Bezug auf jegliche Personen mit Stellvertreterfunktion angeglichen (vgl. für den Wirtschaftssektor schon §§ 299f StGB).
Kulturunabhängig bedeutet „Bestechung“ den Versuch, die Handlungsweise eines anderen durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen zu beeinflussen (vgl. Noethlichs, 1043). Jenseits einer moralischen Bewertung sind Bestechung und Bestechlichkeit systemtheoretisch betrachtet daher zunächst nur Formen eines reziproken Gabentausches und damit eine Form menschlicher Interaktion, die unter Umständen gemeinschaftsbildend sein kann, wie schon Cicero diskutiert:
Magna enim illa communitas est, quae conficitur ex beneficiis ultro et citro datis acceptis, quae et mutua et grata dum sunt, inter quos ea sunt firma devinciuntur societate. „Bedeutsam ist auch jene Gemeinschaft, die sich bildet aus dem gegenseitigen Geben und Empfangen von Wohltaten. Solange diese wechselseitig und erwünscht sind, werden diejenigen, unter denen sie vorkommen, in enger Gemeinschaft verbunden.“ (Cicero, De officiis I,56; Übersetzung: Heinz Gunermann; Text gr. und lat. Autoren
Nicht von ungefähr leitet im Babylonischen Talmud Traktat Ketubbot 105a den Begriff שׁחד šochad, der sowohl das Geschenk als auch die Bestechungsgabe bezeichnen kann, von שׁהוא חד šæhû’ chad „das, was eint“ ab. Moralisch oder strafrechtlich bedenklich wird dieser Gabentausch dann, wenn der Gebende (oder eine durch ihn vertretene Person) durch die Gabe einen Vorteil erhält, den er im Rahmen der juristischen oder gesellschaftlichen Norm ohne diese Gabe nicht oder nicht in dieser Form erhalten hätte; dieser Vorteil kann auch im Vermeiden von Nachteilen bestehen, die dem Geber im Rahmen der Norm belastet hätten (vgl. Noethlichs, 1046). Da diese (oft abstrakte) Norm in der Praxis nicht immer klar festgelegt ist, bleibt die Grenze von „Bestechung“ zu → „Geschenk / Gabe
Darüber hinaus lassen sich folgende Punkte kulturübergreifend als Aspekte einer Definition festhalten (vgl. zum folgenden Noethlichs, 1045):
● Während jede Person bestechen kann, ist Bestechlichkeit nur bei Amtsträgern im weiteren Sinne, d.h. bei Personen mit Stellvertretungsfunktion, möglich.
● Bestechung ist die Gewährung oder das Versprechen von Vorteilen materieller oder anderer, z.B. rechtsgütlicher Art. In Abgrenzung zu Nötigung oder Erpressung muss die Bestechung beiden Parteien einen Vorteil verschaffen.
● Bestechung beeinflusst die Entscheidung oder Aktion eines Funktionsträgers in dessen Amtsbereich, wobei unerheblich ist, ob der angestrebte Effekt normkonform ist oder illegal.
2. Antike Terminologie
Die antiken Kulturen haben für diesen Sachverhalt keine Fachterminologie im engeren Sinne entwickelt.
Der ägyptische Terminus fq3 „Richtergeschenk“ (Hannig, 307; vgl. Noonan, 13) ist im Sinner obiger Definition recht eindeutig. In Mesopotamien werden die akkadischen Ausdrücke tātu(m) / dātu(m), katra / kadra und kudrûm für den Sachverhalt von Bestechung verwendet, wobei Letzteres aber ab 2000 v. Chr. auch die Amtsgebühr bezeichnen kann. Im Akkadischen meint der mit dem hebr. שׁלמנים šalmonîm „Geschenke“ (Jes 1,23
Die Bestechungsgabe wird im Hebräischen gewöhnlich mit שׁחד šôchad, bezeichnet, dessen Erstbedeutung „Geschenk“ (s.o.) fast nie ein absichtsloses Schenken meint, sondern eines, dem der Gedanke des do ut des „ich gebe, damit du gibst“ zugrunde liegt (Beyse, 1208). Daneben finden die Begriffe כפר kofær „Ausgleichszahlung“ und מתנה mattānāh „Geschenk“ Verwendung (Beyse; Hauck, 391; vgl. Noethlichs, 1049-1050; Kleiner, 101-103). Im Aramäischen kann der durch Bestechung unredlich erworbene Gewinn mit בצע bæṣa‘ bezeichnet werden (Hauck, 391; Kleiner 101).
In der griechischen Terminologie spiegelt sich die problematische Differenzierung von Bestechung und Geschenk, da die Begriffe oft beides bezeichnen können. Dies gilt besonders für das Verb πείθω „überreden“. Weitere gängige Begriffe sind die Derivate von θεραπεύω, (συν-)δεκάζω (insb. verwendet für die Bestechung von Richtern; Noethlichs, 1058f), ὠνέομαι, πρίαμαι, δωρωδοκέω und διαφθείρω (Harvey, 82-89). Jedoch wird im griechischen Recht durchaus klar zwischen Bestechung (δῶρα) und anderen Vergehen wie Unterschlagung (κλοπή) unterschieden (Noethlichs, 1058 mit Verweis auf Aristoteles, Athenaion politeia 54,2). Das hebräische שׁחד šôchad wird in der LXX in der Regel mit δῶρον oder einem hiervon abgeleiteten Derivat übersetzt (Beyse, 1210). Lateinisch werden u.a. corrumpere, dona dare / capere, largitio, suffragium, calumnia, subreptio und obreptio verwendet, um Bestechung oder Bestechlichkeit auszudrücken (Noethlichs,1050).
3. Bestechung in den frühen Hochkulturen
In allen frühen Hochkulturen der Antike gilt Unbestechlichkeit als ein hohes Gut.
3.1. Mesopotamien
Gleichzeitig belegen zahlreiche Klagen bzgl. bestechlicher Richter in der mesopotamischen Literatur, dass Bestechung und Bestechlichkeit bereits in den frühsten staatlichen Systemen ein akutes Problem darstellten (Noonan, 10; Noethlichs, 1051). Deutliche Aspekte der Korruptionsbekämpfung trägt das Verbot des altsumerischen Herrschers Urukagina vοn Lagesch (um 2375 v. Chr.), Abgaben bei Ehescheidung einzufordern (Noethlichs, 1051; Kümmel, 62). Zu den prominentesten antiken Zeugnissen zählt der Hymnus auf den Sonnengott Schamasch (Noethlichs, 1052; Kümmel, 58f), in dem der Gott dem bestechlichen Richter mit Zorn und Strafe droht. Diese Verbindung mit der sakralen Sphäre bleibt fortan für alle antiken Kulturen prägend. Stehender Topos ist, dass Gott diejenigen straft, die gegen Bestechung das Recht beugen, und diejenigen liebt und belohnt, die keine Bestechung annehmen und für die Schwachen eintreten. So sagt der babylonische Fürstenspiegel dem Fürsten militärisches Unheil voraus, wenn er Bestechungsgelder annehmen und ungerecht handeln sollte (Kümmel, 60). Ein konkreter Bestechungsfall ist u.a. für die Stadt Badtibira unter → Hammurabi
3.2. Ägypten
Für das antike Ägypten bescheinigt Diodorus Siculus I 75 den hohen Stellenwert eines unbestechlichen Rechtswesens, und in der Aussage des Vezirs Rechmire unter → Thutmosis III.
4. Bestechung im Alten Testament
4.1. Bestechung im Rechtswesen
Der bereits in den mesopotamischen Quellen zum Ausdruck kommende Bezug zur Religion wird auch in den alttestamentlichen Texten deutlich. Ebenso setzt sich der sowohl in mesopotamischen wie auch ägyptischen Zeugnissen zum Ausdruck kommende Schwerpunkt auf Bestechung im Kontext der Rechtssprechung im Alten Testament fort (Crüsemann / Öhler, 50). In der diachronen Betrachtung lässt die Verteilung der Belege erkennen, dass das Problemfeld „Bestechung“ in allen Abschnitten der alttestamentlichen Geschichte virulent ist.
Bereits in der vorköniglichen Zeit (vgl. Kleiner, 103) wird in Israel das Annehmen von Geschenken (שׁחד šôchad) im Zusammenhang mit der Rechtsprechung apodiktisch verboten (Ex 23,8
Dass dieser Anspruch nicht immer eingelöst wurde, belegen die zahlreichen Klagen über bestechliche Richter (Dtn 27,25
Ein sozio-historischer Hintergrund der Ablehnung von Bestechung ist im alttestamentlichen wie auch im frühen Judentum sicherlich das Verständnis von Gerechtigkeit als „Gemeinschaft mit“, das Bestechung als unsolidarisches und treuloses Verhalten werten muss (Kleiner, 151). Da diese „Gemeinschaft mit“ im Kontext des Volkes Israel auch eine Gemeinschaft mit Gott bedeutet, ist die bereits in den frühen Hochkulturen zu beobachtende Verbindung zur sakralen Sphäre nur konsequent. Dabei dient die Unbestechlichkeit Gottes in mehrfacher Weise als Ausgangspunkt der Überlegungen. Zum einen wird betont, dass das Richten Sache Gottes ist (Dtn 1,17
Die sakrale Komponente von Bestechung findet sich im eschatologischen Denken der alttestamentlichen Autoren (→ Eschatologie
4.2. Bestechung in Verwaltung und Außenpolitik
Im Gegensatz zur Bestechlichkeit im Rechtswesen sind derartige Korruptionsfälle im Bereich der Verwaltung durch die alttestamtlichen Quellen nur dürftig bezeugt. Die Klage des Propheten → Ezechiel
Im Kontext der Außenpolitik lässt sich aufgrund obiger Definition in den bezeugten Fällen nur schwerlich von Bestechung sprechen. Insofern der Gebende aber vom Empfangenden etwas erhält, sind die Bestechung des → Ben-Hadad
5. Ausblick: Bestechung im frühen rabbinischen Judentum und im Neuen Testament
Die alttestamentlichen Ansichten werden in neutestamentlicher Zeit sowohl im Judentum als auch im entstehenden Christentum rezipiert und elaboriert. So folgern die Rabbinen aus Dtn 16,19
Die aus der Gottesfurcht geborene selbstlose Unbestechlichkeit gilt in rabbinischer Zeit als das herausragende Kennzeichen des redlichen Richters (Targum Onkelos zu Ex 18,21
Auch im christlichen Kontext bildeten die alttestamentlichen Vorschriften und Mahnungen zur unparteilichen Rechtsprechung eine große Rolle (Noethlichs 1069; Dassmann, passim). Es fällt jedoch auf, dass die neutestamentlichen Lasterkataloge Bestechung und Bestechlichkeit nicht explizit erwähnen und auch in der Folgezeit unter dem Themenkomplex Habsucht und Geldgier subsumieren. Die in den Evangelien überlieferten Korruptions-Delikte können nicht im Sinne der obigen Definition als Bestechung gewertet werden, wenngleich das Gleichnis vom ungerechten Verwalter (Lk 16,1-8
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
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- Rennstich, K., 1990, Korruption: Eine Herausforderung für Gesellschaft und Kirche, Stuttgart
- Schuller, W. (Hg.), 1982, Korruption im Altertum, München / Wien
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