Bethel [Ort]
Andere Schreibweise: Beth-el; Betel; Bet-el
(erstellt: Juni 2007; letzte Änderung: Mai 2010)
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1. Name
1.1. Bethel
„El“ bedeutet „Gott“, ist aber auch der Name eines Gottes. Der Ortsname Bethel (בֵּית אֵל) wurde im 2. Jahrtausend wohl als „Haus des (Gottes) El“ verstanden, nach Aufkommen der Jahwe-Verehrung im 1. Jahrtausend jedoch als „Haus Gottes“. Er gibt der Gegenwart Gottes an diesem Ort Ausdruck und bringt damit den zentralen Gedanken der Betheler Theologie auf den Punkt.
1.2. Bet-Awen
Der Prophet Hosea bezeichnet Bethel sarkastisch als בֵּית אָוֶן (bêt-’āwæn) „Haus des Bösen“. Unabhängig davon gab es einen Ort בית און (bjt ’wn), dessen Name wohl als בֵּית אוֹן (bêt-’ôn) „Haus der Kraft“ zu verstehen ist, von den Masoreten jedoch unter dem Einfluss Hoseas als בֵּית אָוֶן (bêt-’āwæn) „Haus des Bösen“ vokalisiert wurde (Jos 7,2
1.3. Lus
Lus war ein anderer Name Bethels (Gen 28,19
2. Lage und Identifizierung
Bethel lag im Bereich des heutigen Bētīn (Koordinaten: 172.148; N 31° 55' 32'', E 35° 14' 20''
Der Ort liegt 16 km nördlich von Jerusalem auf dem Gebirgskamm, über den die wichtige Höhenstraße Palästina in Nord-Süd-Richtung durchzieht. Sie wurde bei Bethel von einer Ost-West-Straße gekreuzt, die einst Jericho mit dem Mittelmeer verband. Bethel lag hier an der Südgrenze des Nordreichs. Die Stadt gehörte zu Ephraim (Jos 16,1-3
3. Biblische Überlieferung
Bethel ist der Ort, der in der Bibel nach Jerusalem am häufigsten erwähnt wird. → Abraham
In den Geschichtsbüchern fungiert Bethel als Ort der Gottesbefragung (Ri 20-21
In den Prophetenbüchern ist von Bethel vor allem bei den beiden Propheten des Nordreichs die Rede. Amos hält den Betheler Tempel für ein legitimes Jahwe-Heiligtum und verliert kein Wort über das Stierbild, kritisiert aber das unsoziale Verhalten der reichen Oberschicht, da es den Kult pervertiert (Am 4,4
4. Geschichte
1927 und 1934 sowie 1954, 1957 und 1960 fanden in Bethel zwischen den Häusern der bewohnten Ortschaft Ausgrabungen statt, die zwar umfangreich waren, aber angesichts der aktuellen Besiedlung nicht alle Bereiche erfassen konnten. Sie wurden zunächst William F. Albright, später James L. Kelso geleitet. Der Grabungsbericht verzichtet auf eine klare Stratigraphie, krankt vor allem aber daran, dass man den archäologischen Befund unkritisch durch die Brille der biblischen Darstellung interpretiert. Vor Ort ist von den Grabungen nichts mehr zu sehen.
Die Darstellung der Geschichte und Religionsgeschichte Bethels beruht für das 2. Jahrtausend allein auf archäologischen Quellen. Erst für die Eisenzeit II kann auch das Alte Testament als Quelle herangezogen werden.
4.1. Der Ort der Bronzezeit
Nach einer ersten Siedlungsphase im Chalkolithikum wurde Bethel in der Mittleren Bronzezeit I (19. Jh.) besiedelt. In der Mittleren Bronzezeit IIB entstand um 1650 v. Chr. eine ungefähr rechteckige Stadt, die von einer massiven, 3,5 m dicken Mauer umgeben war. Von ihr hat man einige Abschnitte gefunden, vor allem eine Toranlage mit U-förmigem Durchgang in der Nordwest-Ecke der Stadt.
In der Späten Bronzezeit I standen in Bethel nur verlassene Ruinen. Der Wiederaufbau begann erst in der Späten Bronzezeit II. Im 14. oder 13. Jh. erlebte die Stadt einen großen Aufschwung, der zu beachtlichem Reichtum führte. Davon zeugen importierte Keramik und vor allem großzügig angelegte Häuser mit sorgfältig gearbeiteten Fußböden. Diese Blütezeit Bethels wurde von einem Feuer beendet. Es folgte im 13. Jh. eine zweite, etwas bescheidenere Siedlung, die am Ende der Späten Bronzezeit zerstört wurde.
4.2. Das Dorf der Eisenzeit I
In den Ruinen der Späten Bronzezeit gab es jetzt eines der für die Zeit typischen kleinen Dörfer mit ärmlichen Häusern und einfacher Keramik. Man hat Mauerreste gefunden, mehrere Silos und eine Reihe von Reibsteinen, an Keramik vor allem Scherben von Vorratskrügen und Kochtöpfen.
4.3. Die Grenzstadt der Eisenzeit II
Nach den biblischen Quellen müsste Bethel schon in der frühen Eisenzeit II eine blühende Stadt gewesen sein. Nach dem archäologischen Befund war sie dies jedoch noch nicht in der Eisenzeit IIA, sondern erst in der Eisenzeit IIB (Finkelstein / Singer-Avitz). Für die Eisenzeit IIA täuschen entweder die Grabungen, die nicht die ganze Stadt erfassen konnten, oder die biblischen Quellen zeichnen ein falsches Bild.
1) Der Aufstieg unter Jerobeam I. Am Ende des 10. Jh.s hat sich Nord-Israel unter Jerobeam I. von Juda gelöst und als eigener Staat etabliert. Als Grenzstadt dürfte Bethel jetzt strategische Bedeutung erhalten haben. Vielleicht hat schon Jerobeam I. den Ort zum Sitz des königlichen Staatstempels (Am 7,13
2) Der Untergang. Im 8. Jh. haben die Assyrer das Nordreich Israel erobert. Bethel wurde vermutlich geplündert, das Stierbild vielleicht als Beute verschleppt (Hos 10,5f
4.4. Der Ort in babylonischer und persischer Zeit
Für die babylonische Zeit schweigen die Quellen. In persischer Zeit war Bethel bewohnt und gehörte – angesichts der Norderweiterung zur Zeit Josias nicht verwunderlich – zur Provinz Jehud (Esr 2,28
4.5. Der Ort in hellenistischer und römischer Zeit
Archäologisch belegt sind sorgfältig gebaute Häuser und große Zisternen. Schriftliche Quellen zeugen von der militärischen Bedeutung des Ortes. Um 160 v. Chr. baute der seleukidische Feldherr Bakchides Bethel im Kampf gegen die Makkabäer zu einer Festung aus und stationierte dort eine Truppe (1Makk 9,50f
5. Gottheiten und Kultbilder
1) Gottheiten. Dem Ortsnamen nach wurde in Bethel ursprünglich El verehrt, der in der Späten Bronzezeit einer der wichtigsten Götter in Syrien / Palästina war. Seit der Königszeit verschmolz er mit Jahwe, dessen Kult von außerhalb nach Palästina gekommen war. Der neue Gott trat als Staatsgott Israels in Bethel an die Stelle Els. Möglicherweise hat man in Bethel – vielleicht mit dem Jahwe-Kult verbunden – auch die Göttin Aschera verehrt (2Kön 21,7
2) Kultbilder. In Bethel stand vermutlich eine Mazzebe, ein aufrecht gestellter Stein, als Symbol der Gegenwart Gottes. Solche Steine hatten an Kultstätten Jahwes lange Zeit ihre festen Ort, erst später galten sie als anstößig und mussten verschwinden.
Vermutlich im Allerheiligsten des Tempels stand eine Stierstatuette (→ Stierbild
Ätiologien, die die Mazzebe auf Jakob und das Stierbild auf Aaron zurückführen, sind im Alten Testament erhalten, jedoch nur als Spolien. Die Ätiologie der Mazzebe (Gen 28,10-19
6. Die Betheler Theologie
Das Profil der Betheler Theologie wird am Ortsnamen „Haus Gottes“, an den genannten Ätiologien sowie an der Frontstellung der Propheten Amos und Hosea deutlich. Es handelte sich um eine typische Stadt-Theologie, wie wir sie aus Jerusalem und anderen Städten des Alten Orients kennen. Im Zentrum stand die tempeltheologisch begründete Vorstellung von einer senkrechten Achse („Himmelsleiter“; Gen 28,11f
Mit dem Untergang Bethels wurde die Betheler Theologie obsolet. In der deuteronomistischen Tradition gilt der Ort Gottes nur noch als Hort der Sünde, seine Theologie als Häresie. An der Jahwe-Verehrung konnte man nur festhalten, indem man Jahwe von seinem Kultbild trennte und nur das Bild für illegitim erklärte – ein für die Geschichte des Bilderverbots wichtiger Schritt. Die altehrwürdige positive Bethel-Überlieferung konnte danach nur überleben, indem man sie als Jakobüberlieferung las oder auf Jerusalem als Ort der Gegenwart Gottes bezog – ein hermeneutisch interessanter Prozess, der im Alten Testament beginnt und sich in der zwischentestamentarischen, altkirchlichen und rabbinischen Literatur fortsetzt.
Literaturverzeichnis
Datenbank Ortsangeben der Bibel (odb)
1. Lexikonartikel
- Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
- Biblisches Reallexikon, Tübingen 2. Auflage 1977
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich 1991-2001
- The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
- The New Encyclopedia of Archaeological Excavations in the Holy Land, Jerusalem 1993
- Archaeological Encyclopedia of the Holy Land, New York / London 2001
- Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
2. Weitere Literatur
- Blenkinsopp, J., 2003, Bethel in the Neo-Babylonian Period, in: O. Lipschits / J. Blenkinsopp (Hgg.), Judah and Judeans in the Neo-Babylonian Period, Winona Lake, 93-107
- Finkelstein, I. / Singer-Avitz, L., 2009, Reevaluating Bethel, ZDPV 125, 33-48
- Gomes, J.F., 2006, The Sanctuary of Bethel and the Configuration of Israelite Identity (BZAW 368), Berlin / New York
- Hartenstein, F., Wolkendunkel und Himmelsfeste. Zur Genese und Kosmologie der Vorstellung des himmlischen Heiligtums JHWHs, in: B. Janowski / B. Ego (Hgg.), Das biblische Weltbild und seine altorientalischen Kontexte (FAT 32), Tübingen 2001, 125-179
- Kelso, J. L., 1968, The Excavations of Bethel 1934-1960 (AASOR 39), Cambridge (Mass.)
- Koenen, K., 2003, Bethel. Geschichte, Kult und Theologie (OBO 192), Freiburg (Schweiz) / Göttingen
- Köhlmoos, M., 2006, Bet-El – Erinnerungen an eine Stadt: Perspektiven der alttestamentlichen Bet-El-Überlieferung (FAT 49), Tübingen
- Noth, M., 1935, Bethel und Ai, PJ 31, 7-29; auch in: ders., Aufsätze zur biblischen Landes- und Altertumskunde 1, Neukirchen-Vluyn 1971, 210-228
- Pakkala, J., 2008, Jerobeam without Bulls, ZAW 120, 501-525
- Rainey, A.F., 2006, Looking for Bethel. An Exercise in Historical Geography, in: S. Gitin / J.E. Wright / J.P. Dessel (Hgg.), Confronting the Past (FS W.G. Dever), Winona Lake, 269-273
- Smith, M.S., 2007, Counting Calves at Bethel, in: S.W. Crawford u.a. (Hgg.), „Up to the Gates of Ekron” (FS S. Gitin), 382-394
Abbildungsverzeichnis
- Karte zur Lage von Bethel. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Burǧ Bētīn, Ruine eines Kreuzfahrerturms. Aus: C. Ninck, Auf biblischen Pfaden. Reisebilder aus Aegypten, Palästina, Syrien, Kleinasien, Griechenland und der Türkei, Dresden, 5. Aufl. 1897, 237
- Jakobs Traum von der Himmelsleiter (Goldene Haggada; 1310-1320 n. Chr.).
- Plan der Grabungsareale. Aus: Kelso, 1968, Plate 120 (bearbeitet; vgl. Koenen, 2003, Abb. 6)
- Das Tor der MB II in Areal L. Aus: Kelso, 1968, Plate 101a (bearbeitet; vgl. Koenen, 2003 Abb. 7)
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