Deutsche Bibelgesellschaft

Andere Schreibweise: Bible (engl.)

(erstellt: Februar 2018)

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1. Grundlegendes

Das zentrale identitätsstiftende Buch, die Quelle und grundlegende Norm des Glaubens und der bedeutendste Anstoß zum Handeln ist für Christen die Bibel. Sie ist vom ursprünglichen Plural Biblia her eigentlich ein Buch der Bücher: Für Protestanten setzt dieses sich aus 27 griechisch geschriebenen ntl. und aus 39 hebräisch und z.T. aramäisch verfassten atl. Einzelschriften zusammen; Katholiken erkennen darüber hinaus 7 weitere, im 16. Jh. nur auf Griechisch greifbare Bücher als zur Bibel gehörig, als kanonisch an (Tob, Jdt, 1+2 Makk, Weish, Sir, Bar).

In den ntl. Schriften ist auch von Heiligen Schriften bzw. Heiliger Schrift im Singular die Rede. Darunter zählen die Bücher, die zum sich damals etablierenden jüdischen Kanon gehörten. Dieser schwankte bzgl. einzelner Büchern noch, was man nicht zuletzt dem größeren Umfang der spätantiken, allerdings christlichen Septuaginta-Manuskripte (LXX), also der griechischen Übersetzung und Erweiterung des hebräischen Textes, entnehmen kann. Orthodoxe oder z. B. äthiopische Christen haben noch einmal einen weiteren Kanon als der Katholizismus.

Es gibt zwischen den großen Konfessionen im deutschsprachigen Raum jenseits der eher zweitrangigen Kanonfrage einen großen Konsens im Verständnis der Bibel und im Umgang mit ihr als geschichtliches Dokument, auch wenn Protestanten auf dogmatischer Ebene nicht von einer Funktion ‚der‘ Kirche in der Entstehung des Kanons sprechen und die kritische Funktion der Bibel gegenüber den (Amts)Kirchen höher gewichten als Katholiken. Die revidierten Ausgaben der evangelischen Lutherübersetzung und der katholischen Einheitsübersetzung von 2017 bzw. 2016 sind anders als noch die frühere Einheitsübersetzung (1980) im Bereich Neues Testament und Psalmen nicht ökumenisch erarbeitet.

2. Israel und Judentum in der christlichen Bibel

Das Christentum hat mehr als zwei Drittel seiner Bibel, nämlich die 39 Kernschriften des sog. (hebräischen) Alten Testaments (→ Tenach), mit dem heutigen pharisäisch-rabbinisch geprägten Judentum gemeinsam und verdankt diese Schriften in ihrer ursprachlichen Bezeugung sogar gänzlich der Treue des Judentums zu seinem → Gott. Die ntl. Schriften stammen entweder von judenchristlichen Autoren oder sind in konstruktiver Auseinandersetzung mit den atl.-jüdischen Schriften entstanden. Trotz großer Unterschiede in der Hermeneutik zwischen Judentum und Christentum kommt deshalb Israel, seiner Geschichte und dem Judentum bis heute bei jeder christlichen Beanspruchung der Bibel eine überragende und positive Bedeutung zu. Die gleichwohl vorhandenen antijüdisch wahrzunehmenden Aussagen im NT bedürfen deshalb einer besonders kritischen bzw. selbstkritischen Reflexion von Seiten der Christen.

3. Literarisches und geschichtliches Wort Gottes

Für Christen kann die Bibel als Ganze, nicht nur das NT mit der Chiffre des Wortes Gottes bezeichnet werden, weil sie insgesamt das Evangelium vom barmherzigen Gott bezeugt. Sie hält → Erfahrungen meist jüdischer Menschen mit ihrem Gott fest, und zwar in menschlichen Worten und unter den soziokulturellen Voraussetzungen ihrer Autoren. Die atl. Bücher sind dabei oft über mehrere Jahrhunderte gewachsene sog. Traditionsliteratur, speziell die in der christlichen Rezeption so wichtigen Bücher wie der Pentateuch, die Psalmen oder Jesaja. Dahingegen erstreckt sich der Zeitraum der Entstehung aller ntl. Texte auf weniger als ein Jahrhundert, außerdem lassen sich viele ntl. Bücher auf einzelne, wenn auch oft tatsächlich unbekannte Autoren zurückführen. In diesem Bewusstsein ist der Bibeltext mit seinen sehr vielfältigen literarischen wie historischen Dimensionen wie jeder andere Text mit den Mitteln menschlicher Vernunft, d.h. wissenschaftlich, erforsch- und kritisierbar. Dafür gibt es zahlreiche exegetische Methoden, die insbesondere die literarische Vielfalt und das historische Werden der einzelnen Bibeltexte in ihrem jeweiligen historischen Kontext und in ihrer Bezogenheit und Verflochtenheit bedenken.

Weil der Text selbst in seinem Buchstaben- und Wortbestand nicht als geoffenbart gilt, das Christentum in seiner Mehrheit also nicht der Theorie einer Verbalinspiration des Textes gefolgt ist, ist es eine zwingende Aufgabe für die Kirchen und von ihnen beauftragt für die Exegetinnen und Exegeten, überhaupt erst einen zuverlässigen ursprachlichen Text auf der Basis des jeweiligen wissenschaftlichen Kenntnisstandes zu erstellen. Im Prinzip war auch immer unbestritten, dass die Bibel übersetzt werden kann, ja muss. Deshalb ist die Bibel, besonders das NT, heute weltweit das am häufigsten übersetzte Buch.

Im protestantischen Bereich entwickelte sich nach der Aufklärung die historisch-kritische Bibelwissenschaft. Die röm.-kath. Kirche hat nach schwierigen Kämpfen in der Mitte des 20. Jahrhunderts in verschiedenen Erklärungen zur Bibel nachgezogen. Heute sind evangelische und katholische Exegese im Instrumentarium der in der Bibelauslegung angewendeten Methoden gleichrangig. Trotz der Kanonizität und Autorität der Bibel gilt sie heute nur insofern als irrtumslos, als sie das Heil von Mensch und Welt in der Geschichte bezeugt. Einzelne historische oder naturwissenschaftliche Aussagen z. B. können demgegenüber problemlos als zeit- und perspektivbedingt verstanden werden. Ohnehin ist die Bibel als plurales Buch geschrieben, das heißt, dass bewusst verschiedene theologische Perspektiven überliefert wurden (z. B. durch vier Evangelien mit unterschiedlichen Sichtweisen), entsprechend kann sie nicht auf ein theologisch normatives Aussagesystem reduziert werden.

4. Altes und Neues Testament

Die heutigen Bibelausgaben im deutschsprachigen Raum zeugen – im AT anders als in der Bibel des Judentums – von einer Kanonhermeneutik, die die beiden Buchteile intern nach Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft (im AT: Propheten, im NT: Offb) ordnet und dabei das NT als erwartete Erfüllung des AT versteht. Diese Idee folgt weitgehend den antiken und mittelalterlichen griechischen und lateinischen Bibelhandschriften und insofern einer Hermeneutik des Alten Testaments, in der es auch allegorisch und typologisch, und zwar als auf das Christusereignis vorausweisend, interpretiert wurde. Heutige christliche Theologie ist sich bewusst, dass es sich dabei um eine keinesfalls zwingende Hermeneutik im Blick auf das ohnehin vielgestaltige Alte Testament handelt und dass vor allem jüdische Herangehensweisen an ihre Heilige Schrift ihre eigene Dignität haben. Sicher gilt umgekehrt, dass das NT und damit die Worte und Taten des biblischen Jesus, aber z. B. auch die Briefe des Paulus ohne das AT (mitsamt der sog. zwischentestamentlichen, aber natürlich auch der paganen Literatur) gar nicht richtig verstanden werden können, einzelnen Bestreitungen in der Kirchengeschichte (Markion, Schleiermacher, Harnack) zum Trotz. Nachdem Schleiermacher Anfang des 19. Jahrhunderts auch theologisch klargestellt hatte, welche Bedeutung der Disziplin der Hermeneutik bei der Lektüre der Bibel zukommt, ist zuletzt deutlicher geworden, dass die Bibel ein echtes literarisches Kunstwerk ist, dem gerade dadurch eine große Offenheit eignet, und dass das die Leserinnen und Leser zu einer enormen Eigenleistung herausfordert. Die Multiperspektivität innerhalb der alt- und neutestamentlichen Texte ist im Übrigen sicher mit ein gewichtiger Grund für die konfessionelle Vielfalt des Christentums.

5. Lektüregeschichte der christlichen Bibel

In Anlehnung an den Brauch der jüdischen → Synagogen spielte die Verlesung der (werdenden) Heiligen Schrift(en) im christlichen Gottesdienst von Anfang an eine große Rolle. Gleiches gilt früh für die Taufkatechese, ohnehin für die Predigt, dazu hat schnell auch die private Lektüre der Bibel Bedeutung erlangt, wenn auch im Mittelalter vornehmlich in den Klöstern praktiziert. Das Abschreiben der Bibel wurde zur asketischen Übung der Mönche schlechthin, was der Welt prächtige Handschriften beschert hat. In theologischen oder christologischen Auseinandersetzungen seit der Antike kommt der Auslegung der Bibel der höchste Rang zu; Theologie, zumal in der Vorneuzeit, verstand sich ohnehin wesentlich als Schriftauslegung. Im deutschsprachigen Raum hat die wegweisende Gesamtbibelübersetzung von Martin Luther 1534 auch unzähligen Nichtklerikern eine individuelle und gemeinschaftliche Bibellektüre ermöglicht und so die protestantische Frömmigkeit stark geprägt. Im Katholizismus hingegen hat sich, auf breiter Basis, die Lektüre der Bibel erst im 20. Jahrhundert etabliert, als landessprachliche Vollausgaben der Bibel den fremd gewordenen lateinischen Standardtext in der Praxis ablösen konnten.

Die europäische Kultur insbesondere des Mittelalters und der Frühen Neuzeit ist ohne tiefergehende Kenntnis der Bibel und ihres Verständnisses in diesen Zeiten kaum verständlich. Auch die Sprach- und Bildwelt von vielen Gebeten und religiösen Liedern ist tief von der Bibel, speziell von den Psalmen, geprägt. Die kulturelle Präsenz der Bibel geht aber bis heute weit über engere religiöse Kontexte hinaus. An der Kenntnis der Bibel hängt insofern die Interpretierbarkeit der eigenen Kultur. Wegen der durchaus großen Gemeinsamkeiten in der Überlieferung biblischer Texte und Themen eröffnen sich gleichzeitig vielfältige Anknüpfungs-, aber auch Streitpunkte für den Dialog bzw. Trialog der abrahamischen Offenbarungsreligionen (→ Dialog der Religionen, evangelische Sicht/ katholische Sicht), die man kennen sollte.

6. Bibel und religiöses Lernen

Erstaunlicherweise hat die Bibel als solche und vor allem als Ganze im Laufe der Kirchen- und Bildungsgeschichte (→ Kirchengeschichte) lange Zeit keine besondere Rolle als Lehrgegenstand gespielt. Auch nach der Reformation waren zunächst die Katechismen diesbezüglich wichtiger als die Bibel, im römisch-katholischen noch sehr viel länger als im lutherisch-protestantischen Bereich. Das ist umso auffälliger, als schon das AT im Buch Deuteronomium, aber auch in der Weisheitsliteratur (Spr, Sir) Modelle religiösen Lernens (→ Bildung, religiös) entwickelt hat, das Dtn dabei sogar am biblischen Text als Gegenstand selbst. Gleichwohl haben quasi ikonische Beispieltexte des Christentums wie die Gleichnisse vom barmherziger Samariter oder vom verlorenen Sohn, meist im Rahmen katechetischer Konzepte, das Bewusstsein für die Bedeutsamkeit biblischer Texte immer wachgehalten, speziell auch dafür, dass es der Bibel nicht primär um Information, sondern um oft „gefährliche Erinnerung“ (Metz, 1977, 77-87) (→ Erinnerungslernen) und dabei um Verhalten und Handeln, um die Veränderung der Lesenden geht (biblisch: Umkehr). Die Bibel hat diese performative Kraft, weil sie gelungene Erfahrungen von Frauen und Männern mit Gott literarisch verdichtet bietet. Auch die narrative und poetische Wucht der Bibel birgt in sich das Potential, heutigen Menschen, auch Schülerinnen und Schülern, solche neuen Erschließungserfahrungen zu ermöglichen, selbst in Anbetracht der oft tatsächlichen Fremdheit und Andersheit biblischer Texte. Deshalb eignet der Bibel nach christlicher Überzeugung ein dezidiert dynamischer Aspekt, der die besonderen Chancen jeder → Bibeldidaktik begründet.

Literaturverzeichnis

  • Ebner, Martin/Schreiber, Stefan (Hg.), Einleitung in das Neue Testament, Kohlhammer Studienbücher Theologie 6, Stuttgart 2. durchgesehene und aktualisierte Aufl. 2013.
  • Gertz, Jan-Christian (Hg.), Grundinformation Altes Testament. Eine Einführung in Literatur, Religion und Geschichte des Alten Testaments, Göttingen 5. überarbeitete und erweiterte Aufl. 2016.
  • Jeremias, Jörg, Theologie des Alten Testaments, GAT/ ATD Ergänzungsreihe Bd. 6, Göttingen 2015.
  • Luz, Ulrich, Theologische Hermeneutik des Neuen Testaments, Neukirchen-Vluyn 2014.
  • Metz, Johann B., Glaube in Geschichte und Gesellschaft. Eine praktische Fundamentaltheologie, Mainz 1977.
  • Zenger, Erich, Einleitung in das Alte Testament, Stuttgart 9. aktualisierte und von Christian Frevel herausgegebene Aufl. 2016.

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