Deutsche Bibelgesellschaft

Bibelkommission, Päpstliche

(erstellt: Januar 2017)

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1. Aufgaben und Ziele

Durch das apostolische Schreiben „Vigilantiae Studiique“ vom 30.10.1902 (EB Nr. 137-148) hat Papst Leo XIII. (1810-1903; Pontificat: 1878-1903) die Päpstliche Bibelkommission (Pontificio Commissione Biblica = PCB) ins Leben gerufen. Die Einrichtung dieses Beratungsorgans (Consilium) des kirchlichen Lehramtes steht zum einen in Zusammenhang mit der durch die Bibelkritik des 19. Jh.s in der katholischen Kirche ausgelösten Krise (Modernistenstreit), zum anderen mit dem von Leo XIII. mit Nachdruck in seinem Pontifikat betriebenen Programm zur Förderung der biblischen Studien, das einen Höhepunkt in der 1893 veröffentlichten Enzyklika Providentissimus Deus gefunden hat, die auch explizit als Bezugspunkt im genannten Schreiben erwähnt wird. Der PCB wurde sowohl die Aufgabe der Überwachung bibelwissenschaftlicher Forschungen katholischer Exegeten als auch die der Leitung und Förderung exegetischer Forschung durch eigene Studien zugewiesen. Zur Erleichterung der Arbeiten der Kommission stellt „Vigilantiae Studiique“ in seinem letzten Teil (Nr. 146) in Aussicht, eine Spezialabteilung in der Vatikanischen Bibliothek einzurichten, die die wichtigsten die Bibel betreffenden Handschriften und Werke zusammenführt.

Da die Kommission ausschließlich aus – vom Papst berufenen – Kardinälen (zuerst fünf) bestand, denen Bibelwissenschaftler als Konsultoren zur Seite gestellt wurden, kam die zuletzt genannte Aufgabe, die Förderung biblischer Studien, deutlich gegenüber der erstgenannten, der Überwachung und Wahrung des rechten Glaubens, zu kurz, was nicht zuletzt an den Entscheidungen der PCB während ihres ersten Jahrzehnts abzulesen ist (s.u. 2.). Pius X. (1835-1914; Pontificat: 1903-1914) hat sich bemüht, das Anliegen seines Vorgängers weiter voranzutreiben. Durch das Motu proprio „Praestantia Scripturae Sacrae“ vom 18.11.1907 (EB Nr. 268-273) hat er festgelegt, dass die Entscheidungen der PCB auf der Ebene der lehramtlichen Dekrete der römischen Kongregationen stehen, die wie jene vom Papst approbiert werden. Folgerichtig wurden diese Entscheidungen, zumal es solche einer dem Papst zuarbeitenden Kommission waren, im offiziellen Verlautbarungsorgan des Heiligen Stuhls, den Acta Apostolica Sede (AAS), veröffentlicht. Zuvor schon hatte Pius X. durch das Apostolische Schreiben „Scripturae Sanctae“ vom 23.2.1904 der PCB das Recht erteilt, eigene akademische Grade in re biblica (Bibelwissenschaften) zu verleihen. Dies steht in Zusammenhang mit der Absicht von Leo XIII., eine Biblische Akademie zu gründen, die Pius X. schließlich durch die am 7.5.1909 mit der Errichtung des Päpstlichen Bibelinstitutes in Rom – ab 1927 mit einer Dependance in Jerusalem – verwirklichte.

2. Veröffentlichungen der Bibelkommission

Bibelkommission 1

Die PCB hat erstmals 1927 eine Sammlung von kirchlichen Dokumenten, die die Bibel bzw. die Bibelwissenschaft betreffen, unter dem Titel „Enchiridion Biblicum“ herausgegeben. Sie wurde im Laufe der Jahre in unterschiedlichen Bearbeitungen und Auflagen immer wieder bearbeitet und neu herausgegeben.

Der Zusammensetzung und Ausrichtung der PCB ist geschuldet, dass sie in ihren ersten Jahren zumeist nur äußerst kurze und auch nicht näher begründete Entscheidungen beziehungsweise Antworten in der Form von Dekreten (responsa) auf vorgelegte Fragen (dubia) veröffentlicht hat. Das zeigt sich recht deutlich an den ersten Texten, die zwischen 1905 und 1915 von der PCB veröffentlicht wurden (s.u. Nr. 1-16).

Im Sinne der genannten Führungsfunktion der PCB wurde am 21.4.1964 ein kleines Dokument über die geschichtliche Wahrheit der Evangelien (s.u. Nr. 30) vorgelegt. Diese „Instructio“ öffnete der sogenannten formgeschichtlichen Methode in der Exegese der synoptischen Evangelien die Tür. Darüber hinaus entfaltete sich aber eine unvorhergesehene Wirkung, da bei der Vorbereitung der späteren Offenbarungskonstitution „Dei verbum“ des II. Vatikanischen Konzils auf den Text dieser Instructio zurückgegriffen werden konnte. Die große Bedeutung, die dieser Text der PCB im II. Vaticanum gewonnen hat, hat wohl auch dazu geführt, dass Paul VI. (1897-1978; Pontifikat: 1963-1978) eine Reform der PCB in Angriff nahm, die den ursprünglichen Zielen der Förderung der biblischen Studien besser gerecht werden konnte.

3. Die „neue“ Bibelkommission

Im Anschluss an das II. Vatikanische Konzil und im Zusammenhang mit der nachkonziliaren Kurienreform hat Paul VI. durch Motu proprio „Sedula Cura“ vom 27.6.1971 die Bibelkommission von einer Kardinalskommission zu einer internationalen Kommission von 20 Fachwissenschaftlern umgewandelt. Von da an unterscheidet man zwischen einer „alten“ und einer „neuen“ Bibelkommission.

Die „neue“ PCB ist – wie die von Paul VI. am 11.4.1969 eingesetzte „Internationale Theologenkommission“ – der Glaubenskongregation im Vatikan zugeordnet und der jeweilige Präfekt der Glaubenskongregation ist von Amts wegen Präsident der PCB.

Die zwanzig Mitglieder der PCB werden für ein „Quinquennium“ (5 Jahre) berufen. Um Kontinuität und Erneuerung der Kommission zu gewährleisten, werden die Mitglieder in der Regel für ein zweites Quinquennium berufen, und zwar so, dass nach je fünf Jahren ungefähr die Hälfte der Mitglieder durch Neuberufene ersetzt wird. Die Zusammensetzung der international besetzten Kommission erfolgt nach Konsultationen mit den großen nationalen Bischofskonferenzen. Vonseiten der Glaubenskongregation erhält die Kommission einen „technischen“ Sekretär, dem vor allem die organisatorische Seite der Arbeit der PCB, die sich in der Regel einmal im Jahr für eine Woche zu ihren „Plenaria“ im Vatikan trifft, obliegt. Aus ihrer Mitte wählen die Kommissionsmitglieder sodann einen Sekretär, der die inhaltliche Arbeit der Kommission leitet. 2001 wurde erstmals ein Nichtpriester, der deutsche Alttestamentler Christoph Dohmen (bis 2013) Mitglied der PCB; durch die Spanierin Nuria Calduch Benages und die Italienerin Bruna Costacurta sowie die Amerikanerin Mary E. Healy folgten 2014 schließlich auch Frauen als Mitglieder in die PCB.

4. Eine Neuausrichtung

Das Jahr 1993 stellt ein wichtiges Datum für die Bibelwissenschaft in der katholischen Kirche dar, das zudem einen kleinen Wendepunkt in der Arbeit der PCB markiert. 1993 galt es, ein Doppeljubiläum zu begehen. Zum einen waren hundert Jahre vergangen, seitdem Papst Leo XIII. die erste ausschließlich der Bibel gewidmete Enzyklika „Providentissimus Deus“ veröffentlicht hatte, zum anderen hatte fünfzig Jahre danach Pius XII. mit der Enzyklika „Divino afflante Spiritu“ ermöglicht, dass die katholische Exegese sich einer kritischen Forschung der biblischen Literatur öffnete, ohne die theologischen Inhalte in der Auslegung zu vernachlässigen. Überraschenderweise ließ Papst Johannes Paul II. zu diesem Doppeljubiläum 1993 keine Bibel-Enzyklika folgen, stattdessen wurde ein Dokument der PCB veröffentlicht (s.u. Nr. 34). Das Dokument „Die Interpretation der Bibel in der Kirche“ vom 23.4.1993 kehrt im besten Sinn zu den Anfängen der PCB zurück, indem es biblische Studien anregen und fördern will. Zur Veröffentlichung des Dokuments hatte Papst Johannes Paul II. das Besondere des Textes eigens hervorgehoben: „Was bei diesem Dokument auf den ersten Blick überraschen wird, ist die Offenheit des Geistes, in dem es abgefasst ist. Die Methoden, Zugangs- und praktischen Vorgehensweisen in der Exegese von heute werden geprüft und trotz einiger zuweilen auch schwerwiegender Vorbehalte, die notwendig anzusprechen waren, wird in fast allen Fällen zugegeben, dass sie wertvolle Elemente für eine integrale Interpretation des biblischen Textes bieten. (…) Dies ist das Ziel der Interpretation der Bibel. Wenn die erste Aufgabe der Exegese im Finden des echten Sinns des Heiligen Textes oder gar seiner unterschiedlichen Bedeutungen besteht, dann muss sie diesen Sinn den Adressaten der Heiligen Schrift mitteilen, und dieser ist, wenn möglich, jeder Mensch.“ (VAS 115, S. 16f.) Im Ganzen wie im Detail führt dieses Dokument den theologischen Weg der dogmatischen Konstitution „Dei verbum“ des II. Vatikanischen Konzils fort (vgl. Steins). Dem Dokument ist nicht nur innerhalb der katholischen Kirche hoher Respekt gezollt worden, sondern es hat auch vielfältige weitergehende Reflexionen zur Bibel in der Kirche ausgelöst (vgl. L’Interpretazione della Bibbia nella Chiesa. Atti del Simposio promosso dalla Congregatione per la Dottrina della Fede, Città del Vaticano 2001). Für die PCB selbst hat das Dokument von 1993 Maßstabe gesetzt: Seitdem arbeitet die Bibelkommission während eines Quinquenniums kontinuierlich an einem zentralen Thema, das sodann als Dokument der PCB veröffentlicht wird (s.u. Nr. 34-37).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Bibel-Lexikon, 2. Aufl., Einsiedeln 1968
  • Dictionnaire de la Bible, Supplément, Paris 1928ff
  • Lexikon für Theologie und Kirche, 2. Aufl., Freiburg i.Br. u.a. 1957-1968
  • Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg i.Br. u.a. 1993-2001

2. Quellenwerke

  • Enchiridion Biblicum. Documenta Ecclesiastica sacram scripturam spectantia. Auctoritate Pontificiae Commissionis de re biblica edita, Rom 1927, 4. Aufl. 1961.

3. Weitere Literatur

  • Dohmen, C. (Hg.), In Gottes Volk eingebunden. Jüdisch-christliche Blickpunkte zum Dokument der Päpstlichen Bibelkommission „Das jüdische Volk und seine Heilige Schrift in der christlichen Bibel“, Stuttgart 2003.
  • Fitzmyer, J.A., Die Wahrheit der Evangelien. Die „Instructio de historica Evangeliorum veritate“ der Päpstlichen Bibelkommission vom 21. April 1964: Einführung, Kommentar, Text, Übersetzung und Bibliographie (SBS 1), Stuttgart 1965.
  • Ploeg, van der, J.P.M., Zur Geschichte der päpstlichen Bibelkommission (1902-1971), Una-Voce-Korrespondenz 29 (1999), 13-27.
  • Pontificia Commissione Biblica, Atti della giornata celebrativa per il 1000 anniversario di fondazione della Pontificia Commissione Biblica. Roma, 2 maggio 2003, Città del Vaticano 2003 (= PCB, Atti 2003).
  • Ratzinger, J., Il rapporto fra Magistero della Chiesa ed esegesi a 100 anni della Costituzione della Pontificia Commisione Biblica, in: PCB, Atti 2003, 50-61(dt.: Kirchliches Lehramt und Exegese. Reflexionen aus Anlaß des 100-jährigen Bestehens der Päpstlichen Bibelkommission, IkaZ Communio 32 [2003], 522-529).
  • Ruppert, L., Kommentierende Einführung in das Dokument, in: Die Interpretation der Bibel in der Kirche. Das Dokument der Päpstlichen Bibelkommission vom 23.4.1993 mit einer kommentierenden Einführung von Lothar Ruppert und einer Würdigung durch Hans-Josef Klauck (SBS 161), Stuttgart 1995, 9-61.
  • Seidel, H.W., Die Erforschung des Alten Testaments in der katholischen Theologie seit der Jahrhundertwende. Hrsg. und eingeleitet von Christoph Dohmen (BBB 86), Frankfurt 1993.
  • Steins, G., Leuchtende Worte! Die Fortschreibung von Dei Verbum in römischen Dokumenten zur Bibelauslegung, BiLi 88 (2015), 177-195.
  • Stock, K., I cento anni della Pontificia Commissione Biblica, in: PCB, Atti 2003, 7-21.
  • Vanhoye, A., Passé et présent de la Commission Biblique, Greg 74 (1993), 261-275.

Abkürzungen

  • AAS = Acta Apostolica Sede
  • EB = Enchiridion Biblicum
  • VAS = Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls (Veröffentlichungsreihe der Deutschen Bischofskonferenz)

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