Bileam (AT)
(erstellt: Dezember 2007)
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Bileam ist die einzige prophetische Gestalt der Bibel, die auch außerbiblisch belegt ist (Bileaminschrift von Tell Dēr ‘Allā = KAI 312). Allerdings wird er in der Bibel nirgendwo „Prophet“ oder „Seher“ genannt, sondern von ihm wird nur gesagt, dass er Gottesworte hört, Erkenntnis des Höchsten hat und eine Vision des Allmächtigen sieht (Num 24,16
1. Name
Die Etymologie des Eigennamens Bileam ist schwierig zu bestimmen. Eine konsensfähige Ableitung konnte bislang nicht vorgeschlagen werden. Zwei unterschiedliche Bildetypen werden diskutiert:
1) BL + ‘M. Der Eigenname Bileam wird gerne als Zusammensetzung aus BL + ‘M gedeutet. Beide Elemente können als theophores Element, d.h. als Gottesbezeichnung, interpretiert werden, so dass Bileam entweder als „Baal ist (mein) Onkel“ oder als „Schutzherr ist Amm“ wiedergegeben werden kann. Für eine solche Etymologie lassen sich assyrische Eigennamen anführen: Amma-ba’li und Bēl-am-ma (Tallqvist, 21b; 54b). Allerdings ist Bēl als Kurzform für B‘L im Westsemitischen nur selten belegt (Layton, 171), was stark gegen eine solche Ableitung spricht.
Manchmal wird das erste Element als Kurzform der Wurzel JBL angesehen, so dass der Eigenname Bileam wie die Langform Jibleam als „Gebracht hat Amm“ zu deuten wäre. Hierfür gibt es Belege aus dem amurritischen Onomastikon, z.B. I-ba-al-da-mu-um (Rechenmacher, 102-103).
2) BL‘ + m. Diese Ableitung geht von einer Wurzel BL‘ aus, an die ein Suffix -m angefügt wird. Dieses Suffix könnte wie im Akkadischen eine phonetische Variante zu -n sein und damit Aktion oder Zustand des Verbums charakterisieren (Levine, 147). Es könnte sich aber auch um ein emphatisches Morphem handeln (Layton, 172). Der Eigenname Bileam wird folglich von einer Wurzel BL‘ I „zerstören“ abgeleitet, so dass Bileam wie auch die Kurzform Bela als „Zerstörer“ zu deuten wäre. Die Vokalisation in LXX als Βαλααμ deutet die Form des Eigennamens als qātāl-Nominalform im Gegensatz zur masoretischen Vokalisation.
Die dem Namen zugrunde liegende Wurzel BL‘ könnte allerdings auch mit arabisch balīġ „beredt“ bzw. balāġa „Beredsamkeit“ verbunden werden, so dass Bileam „Redner / Künder / Wahrsager“ bedeuten würde. Hierfür spricht auch der altsüdarabische Eigenname BLĠM bzw. der sabäische Eigenname Balġat (Ryckmans, 52). Dagegen könnte höchstens die Wiedergabe in der LXX als Βαλααμ sprechen. Der Laryngal ‘ < ġ wird von LXX jedoch als γ, κ oder α/ε wiedergegeben (Segert, 73-74), so dass dies kein Einwand gegen eine solche Etymologie sein kann.
Der Vollständigkeit halber sollen noch volksetymologische Ableitungen genannt werden, die freilich einer Überprüfung kaum standhalten. Das Frühjudentum deutet den Eigennamen Bileam entweder als bəlō’ ‘am „Ohne Volk“ oder als bāla‘ ‘am „er verschlang das Volk“, was freilich keinen Rückhalt in der Textüberlieferung findet und auf einer kreativen Ausweitung der Namenselemente beruht. Auch eine Verbindung zu Arabisch bal‘am „Vielfraß“ bietet keine befriedigende Lösung, sondern unterstreicht bestenfalls das allgemeine Problem einer sachgemäßen Ableitung.
2. Bileam in der Bibel
2.1. Die Erzählung Num 22-24
Bileam, der Sohn Beors, ist der Hauptakteur der Erzählung in Num 22-24
2.2. Bileam und Bela
Aufgrund des Vatersnamens Beor wurde Bileam gelegentlich mit dem Edomiterkönig „Bela, Sohn des Beor“ aus Gen 36,32
2.3. Petor – die Heimat Bileams
Petor, nach Num 22,5
Das Toponym Pitru ist die einheimische Bezeichnung für die neuassyrische Stadt Ana-Aššur-utēr-aṣbat. Der Ortsname Pitru ist vermutlich auch auf ägyptischen topographischen Listen belegt (→ Thutmosis III.
Manchmal wird dagegen Petor nicht als Ortsname, sondern als Nomen „Zeichendeuter“ verstanden, was auf die Profession Bileams hinweisen solle. Pətōrā in Num 22,5
Es spricht also wenig gegen eine Verbindung des biblischen Toponyms Petor zum mesopotamischen Pitru. Diese entfernte Lokalisierung muss wohl literarisch verstanden werden, in dem Sinne, dass aus dem fernen Mesopotamien ein professioneller, effektiver Zeichendeuter engagiert werden musste, und darf nicht historisch-topographisch missverstanden werden.
Nach dem Fund der Bileaminschrift (KAI 312) ist die Frage nach der Herkunft Bileams wieder neu entbrannt. Die vermutete Sprache der Inschrift wird als Hinweis auf die Nationalität Bileams zudem überbewertet. In diesem Sinne hat man Bileam nämlich für einen Ammoniter, Edomiter, Aramäer oder Midianiter gehalten. Neuerdings wird auch eine Deutung Bileams als Israelit vertreten (Schüle, 139). Außerdem wird Tell Dēr ‘Allā, der Fundort der Inschrift, als Heimatort Bileams vorgeschlagen (Wilson, 136). Alle diese Vorschläge sind hypothetisch und können nicht glaubhaft begründet werden.
2.4. Diachrone Aspekte
Num 22-24
Am wahrscheinlichsten ist wohl eine Grunderzählung, die redaktionell erweitert worden ist (Groß; Rouillard; Levin; Witte; Achenbach). Die einzelnen redaktionellen Schichten werden jedoch unterschiedlich bestimmt.
Eine synchrone Textanalyse (Weise) hingegen kann die Spannungen des Textes textpragmatisch kaum adäquat erklären. Allerdings soll damit nicht bestritten werden, dass die Bileam-Erzählung auf der Ebene des Endtextes eine pädagogische Unterweisung für wahres Prophetentum darstellt.
Die Datierung der Bileam-Erzählung ist durchweg an Vorentscheidungen gebunden (Gaß 2001, 240-254). So wurde mit Hilfe der Textkritik, der Literarkritik oder der Gattungskritik ein vorstaatlicher Bestand für die Orakel herausgearbeitet, der Erzählzeit und erzählte Zeit zur Deckung bringen will. Mit der Zuweisung zu den traditionellen Pentateuchquellen Jahwist und Elohist hat man ebenfalls versucht, Argumente für eine Datierung in die Königszeit herauszuarbeiten, die man noch durch weitere historische Spekulationen und durch eine Deutung der Orakel als vaticinia ex eventu zu untermauern suchte (Amalekiterkönig → Agag
2.5. Intertextuelle Aspekte
Vor allem die vier Bileamsprüche weisen zahlreiche Berührungspunkte sowie auch lexematische Parallelen zu anderen biblischen Texten auf (Gaß, 2001, 275-293): zu den Verheißungstexten an die → Erzeltern
2.6. Bileam außerhalb von Num 22–24
Außerhalb der Bileam-Erzählung verdunkelt sich das Bileambild zusehends. Indifferent ist nur Mi 6,5
Bileam wird negativ als Wahrsager bezeichnet (Jos 13,22
Nach Num 31,16
Bileam fehlt hingegen in anderen Traditionskomplexen, die die Bileam-Erzählung oder den Abfall zum Baal-Peor im Blick haben (Dtn 4,3
Im Neuen Testament gilt Bileam als habgieriger, käuflicher Prophet (2Petr 2,15
3. Außerbiblische Bezeugung Bileams
Im Jahr 1967 fand man bei Ausgrabungen unter der Leitung von H. Franken (1917-2005) auf Tell Dēr ‘Allā (→ Sukkot
Die Sprache der Inschrift wird kontrovers beurteilt. Aufgrund der peripheren Lage handelt es sich um einen lokalen Dialekt, der Berührungspunkte zu den beiden Sprachfamilien Kanaanäisch und Aramäisch aufweist. Eine einseitige Zuweisung zu nur einer Sprachfamilie scheitert am sprachlichen Befund.
Aus archäologischen Gründen muss diese Inschrift in das Ende des 9. Jahrhunderts v. Chr. datiert werden, was jedoch lediglich auf die Zeit ihrer Anbringung auf den Wandverputz hindeutet, über den historischen Bileam aber nur einen terminus ante quem angeben kann.
Der Grund für die Anbringung dieser Inschrift wird unterschiedlich beurteilt: als Votivinschrift, als apotropäische Inschrift, als Kultinschrift, die mit einer religiösen Zeremonie verbunden war, als Inschrift für eine Schriftgelehrtenschule oder Prophetengemeinschaft oder als hieros logos für das Bileamheiligtum. Hier kommt man über Vermutungen nicht mehr hinaus.
Im Gegensatz zur biblischen Tradition erscheint Bileam in der Bileam-Inschrift nie als JHWH-Verehrer. Stattdessen treten andere Götter auf: El-Gottheiten, Šaddaj-Gottheiten und eine weitere, enigmatische Gottheit, die das in der Inschrift von Bileam angekündigte Unheil auslösen soll. Der außerbiblische Bileam scheint zudem ein El-Verehrer gewesen zu sein (KAI 312,2). In Form einer integrativen JHWH-Verehrung, die andere Kulte absorbiert und für die eine JHWH-Verehrung in Anspruch nimmt, hat man später den ostjordanischen Seher zum JHWH-Verehrer gemacht und dessen Verkündigung schließlich positiv rezipiert. Historisch wird es sich aber eher um einen Konkurrenzkult gehandelt haben (Gaß, 2001, 261-263).
4. Rezeptionsgeschichte
4.1. Judentum
Wie im Alten Testament ist Bileam auch in seiner Wirkungsgeschichte eine sehr ambivalente Figur. Die Weissagung in Num 24,17
Für die Rabbinen war Bileam hingegen meist ein geldgieriger Magier und der Prototyp des exemplarisch bösen Heiden, der sich durch Idolatrie und mangelnde Moral am Volk schuldig gemacht hat und keinen Anteil an der künftigen Welt erhalten solle. Alles, was man in der Bibel über Bileam fand, hat man zu seinem Nachteil ausgelegt. Darüber hinaus hat man ihn mit verschiedenen biblischen Figuren (Laban, Elihu, Bela) identifiziert, die alle negativ konnotiert werden. Schließlich werden die biblischen Untaten Bileams noch durch weitere Geschichten erweitert: So war es z. B. Bileam, der als Berater des Pharaos oder Amaleks gewirkt hat. Außerdem habe er Unzucht mit seiner Eselin getrieben. Im Kampf mit Pinhas wurde er schließlich getötet. Selbst in der Gehenna zeigt er keine Reue.
Bileam wurde allerdings auch unter die sieben großen Propheten der Heiden gerechnet. Ihm wurde zumindest zeitweise die Gabe der Prophetie geschenkt. Die Effektivität seines Fluchwortes bestand darin, dass er den Zeitpunkt von Gottes Zorn bestimmen konnte. Aufgrund seiner Untaten entzog Gott den Heiden endgültig die prophetische Gabe.
Für Philo (→ Philo
Bei Josephus wird Bileam durch ekstatische Inspiration zum Segnen gezwungen, auch wenn er zunächst Israel verfluchen wollte. Da ihm dies nicht gelang, riet er Balak zur Verführung der Israeliten zur Idolatrie. Sein größter Fehler war die Angst, seinen Auftraggeber Balak zu enttäuschen.
Nach Pseudophilo wird vor allem Balak angeklagt, der versucht habe, die Gunst Gottes zu kaufen. Nachdem Bileam aber die Unmöglichkeit eines Fluches erkennt, rät er Balak, die Israeliten zu verführen. Bileam wird somit als tragischer Held gezeichnet, der seine Vertrautheit mit Gott und seine prophetische Gabe durch seine Taten verloren sieht und einem hoffnungslosen Ende verfällt.
Die Bileamrezeption im Judentum ist insgesamt meist zu negativ ausgefallen, ohne die in Num 22-24
4.2. Patristik
Die Tradition der Kirchenväter sah in Bileam zum einen einen Bösewicht, zum anderen aber auch einen Propheten, der die Inkarnation Christi geweissagt hat. Damit stand die christliche Tradition vor der schwierigen Aufgabe, ein positives und ein negatives Bileambild in ein rechtes Verhältnis zu setzen. So trennte man gerne das göttliche Wort vom menschlichen Mittler, so dass der Falschprophet Bileam trotzdem etwas Wahres verheißen konnte. Jedoch hat man auch die Weissagungen Bileams anderen, unverdächtigen Personen in den Mund gelegt (Justin: Jesaja; Athanasius: Mose). Bileam repräsentierte zudem die unterschiedlichsten Personen (Heidenchristen; Pharisäer; Widersacher Gottes; Stammvater des Manichäismus). Der Umstand, dass er als Gegner Gottes etwas Positives über das Gottesvolk gesagt hat, macht seine Weissagung umso gewichtiger. Aufgrund der messianischen Sternenweissagung konstruierte man darüber hinaus einen überlieferungsgeschichtlichen Zusammenhang zwischen Bileam und den Magiern.
Insgesamt gibt es in der Patristik zwei Traditionen, mit dem widersprüchlichen Bileambild umzugehen: Bei Ambrosius und Augustinus wird Bileam einseitig negativ gesehen und ihm jede Möglichkeit der Entwicklung abgesprochen. Hierbei wird streng zwischen negativer Intention Bileams und positiver Weissagung Gottes unterschieden. Origenes und Hieronymus hingegen betonen die Tragik der Bileamfigur und seine Erlösungsfähigkeit.
4.3. Islam
Bileam wird in Arabien auch unter dem Namen Luqman ben Ba‘ura geführt. Im Koran selbst wird Bileam zwar nicht erwähnt, aber in Sure 7,175f könnte eine Anspielung vorliegen („Und verlies ihnen den Bericht über den, dem Wir unsere Zeichen zukommen ließen und der sich dann ihrer entledigte. Da holte ihn der Satan ein, und er wurde einer von denen, die irregegangen sind.“ [Khoury 166]). Hier wird ausgeführt, wie ein Mann, dem Gott Zeichen eingegeben hatte, vom Teufel ergriffen wird und schließlich vom Glauben abfällt.
In der nachkoranischen Tradition wird möglichst viel Schlechtes auf Bileam übertragen und der biblischen Tradition werden noch unglaubwürdige Details angefügt. Bileam absorbiert zudem viele schlechte Eigenschaften von Balak. Der zunächst gläubige Bileam sei nur auf Drängen seiner Landsleute und seiner Frau sowie aufgrund seiner Bestechlichkeit zum Falschen bewogen worden. Da ein Prophet nicht vom Glauben abfallen kann, kann Bileam nur ein gewöhnlicher Mensch gewesen sein.
Literaturverzeichnis
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Abbildungsverzeichnis
- Bileam und die Eselin (Rembrandt; 1626).
- Bileam und die Eselin (Gustav Doré; 1865).
- Karte zur Bileam-Überlieferung. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Bileam und die Eselin (Katakombe Via Latina; 4. Jh.).
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