Deutsche Bibelgesellschaft

(erstellt: Mai 2007)

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Das hebräische Wort לֶחֶם læḥæm bedeutet nicht nur Brot, sondern bezeichnet – wie schon in → Ugarit – im weiteren Sinne allgemein Nahrung und im engeren verschiedene Backwaren, deren Hauptbestandteil Mehl ist. Von der gemeinsemitischen Grundbedeutung „Nahrung“ erklärt sich, dass die Wurzel im Arabischen „Fleisch“ und im südarabischen Dialekt der Insel Soqotra „Fisch“ bedeutet (Dommershausen, 1984, 538). Wie in den meisten Ackerbaukulturen bildete Brot auch in Israel das wichtigste Nahrungsmittel. Als Gabe Gottes konnte es metaphorisch und symbolisch als Heilsgabe und als Zeichen der gütigen Zuwendung Gottes verstanden werden. Diese Symbolik hat auf das Judentum und über das Neue Testament auf das Christentum gewirkt.

1. Brot im alten Israel

1.1. Getreidearten

Brot wurde in aller Regel aus Gerste (śə‘orāh) oder Weizen (ḥiṭṭāh) gebacken, den beiden wichtigsten Getreidearten im alten Israel. Allerdings werden im Alten Testament, wenn von Brot die Rede ist, nur selten Angaben über das verwendete Mehl gemacht. → Elisa vollbringt sein Brotwunder mit Erstlingsbroten aus Gerste (2Kön 4,42), und einem Midianiter erscheint im Traum ein rollender Laib Gerstenbrot als Bild für das Schwert → Gideons (Ri 7,13). Die Brote zur Einsetzung der Priester sollen dagegen aus feinstem Weizenmehl zubereitet werden (Ex 29,2). Dass Brot, besonders in Notzeiten, nicht immer allein aus Weizen oder Gerste bestand, zeigt das zeichenhafte Brot, das Ezechiel aus Weizen, Gerste, → Bohnen, Linsen, → Hirse und Spelt backen soll (Ez 4,9). Als weitere Zutaten für Brot (bzw. Kuchen, für den es im biblischen Hebräisch kein eigenes Wort gibt) kommen z.B. Öl, Milch oder Rosinen in Frage.

1.2. Zubereitung

Die Brotzubereitung war meist die Aufgabe der Frauen jedes einzelnen Hauses (Gen 18,6; 1Sam 28,24; 2Sam 13,8; Jer 7,18); Berufsbäckerinnen oder -bäcker gab es im Umkreis des Königshofes (1Sam 8,13; Jer 37,21; Hos 7,4).

Das zu Mehl (qæmaḥ) oder Grieß (solæt) gemahlene Getreide (→ Mühle / mahlen) wurde mit Wasser und Salz zu Teig geknetet. Dieser wurde in der Regel mit einem eigens aufgehobenen Stück bereits gesäuerten Teiges vermengt und so durchsäuert. Jedoch wurde Brot in bestimmten Fällen – wenn Eile geboten war, oder zu kultischen Zwecken – auch aus ungesäuertem Teig gebacken, so dass grundsätzlich zwischen gesäuertem (ḥāmeṣ) und ungesäuertem (maṣṣāh; → Mazzen) Brot unterschieden werden muss (Ex 12,34.39).

Brot 2

Die aus dem Teig geformten Fladen konnten auf heißen Steinen oder direkt auf Kohlen bzw. Glutasche gebacken werden (1Kön 19,6; Jes 44,19), normalerweise benutzte man jedoch einen Backofen, der als tannûr bezeichnet wurde (Lev 2,4; Lev 26,26; Abb. 1 [oben rechts]; Abb. 2 und 3). Dieser Ofentyp ist im Orient bis in die Neuzeit verbreitet und durch archäologische Funde in der Levante und Ägypten nachgewiesen. Es handelt sich um einen auf dem Boden errichteten (Abb. 1 und 2) oder in die Erde eingelassenen (Abb. 3) Tonzylinder, der sich nach oben leicht verjüngt und oben offen ist. Auf seinem Boden brannte ein Holzfeuer. Wenn dieses heruntergebrannt war, wurden dünne Teigfladen an die Innenwände des Ofens geworfen, an der sie aufgrund ihrer Feuchtigkeit kleben blieben. Wenn das Brot gebacken war, musste es von der Wand des tannûr wieder abgenommen werden; es brauchte nicht gewendet zu werden (Abb. 1 [oben rechts]; vgl. Dalman, 1935, 104ff).

Brot 3
Für besondere Brotformen ist dieser Ofen ungeeignet; dafür konnte eine Backpfanne verwendet werden (vgl. Lev 2,5; Abb. 1 oben Mitte mit verschiedenen Brotformen). Aufbewahrt wurde das gebackene Brot in Körben (Gen 40,16; Ex 29,2f.) oder, in der Mitte durchbohrt, auf einem Stab (Jes 3,1; vgl. Ex 12,11).

1.3. Brotsorten

Das Alte Testament unterscheidet begrifflich nicht nur zwischen gesäuertem und ungesäuertem Brot, sondern auch zwischen verschiedenen Brotformen und Brotgrößen. Neben dünnen Fladen (רָקִיק rāqîq; Lev 8,26; 1Chr 23,29) gibt es dickere Brote, die durch die Zugabe von Öl gehaltvoller waren (חַלָּה ḥallāh; Ex 29,2.23; 2Sam 6,19, oft mit „Kuchen“ übersetzt) und nicht immer nur fladenförmig sein mussten. Die Kreisform gibt dagegen dem כִּכָּר kikkār (Ex 29,23) und der dickeren עֻגָה ‘ugāh (Gen 18,6; neuhebräisch „Kuchen“) die Namen. Letztere scheint direkt auf der Glutasche gebacken worden zu sein – das erklärt dann Ezechiels Bedenken, auf Kot gebackenes Brot zu essen (Ez 4,12-15). פַּת pat bezeichnet eine geringe Menge oder ein Stück Brot (Gen 18,5; Lev 2,6; 1Sam 2,36).

2. Die Bedeutung des Brotes im Alten Testament

2.1. Brot als Grundnahrungsmittel

„Brot und Wasser“ bezeichnen die elementarsten Grundnahrungsmittel (Gen 21,14; 1Kön 18,4.13). Sie jemandem vorzuenthalten – und sei es einem Feind –, gilt als Frevel (Dtn 23,5; 2Kön 6,22; Spr 25,21). Elend wird durch die Rationierung von Brot und Wasser veranschaulicht (1Kön 22,27; Ez 4,16f). „Brot und Wein“ (Gen 14,18; Spr 9,5) stehen demgegenüber für ein festliches Mahl.

„Brot“ gilt als Mindestlohn (1Sam 2,36; Am 7,12) sowie als Mindestversorgung der Haushaltsangehörigen (Jes 4,1). Kein Brot zu essen, bedeutet, überhaupt nichts zu essen (1Sam 14,24-28.43; 1Sam 28,20).

2.2. Brot und die Beziehung zwischen Mensch und Gott

2.2.1. Brot als Gabe Gottes für Mensch und Tier

Letztlich ist es Gott, der Mensch (Gen 28,20; Ps 104,14) und Tier (Ps 147,9) mit Brot – das heißt mit Nahrung – versorgt. Während der Begriff Brot (לחם) in der Schöpfungsgeschichte ausdrücklich nur im Zusammenhang der schweißtreibenden Feldarbeit erwähnt wird (Gen 3,19), spielt die Gewährung von Nahrung eine zentrale Rolle im priesterlichen Rahmen der → Urgeschichte (Gen 1,29f; Gen 9,3f). Die dort begegnende Formulierung, dass Gott jemandem etwas „zur Speise gibt“ (נתן לאכלה) wird in Ex 16,15 in der Erklärung des → Manna durch Mose aufgenommen. Das Manna, das die Israeliten finden, wird als „Himmelsbrot“ eingeführt, das den Israeliten direkt von Gott gegeben ist (Ex 16,4; Ps 105,40; Neh 9,15; vgl. Ps 78,24f). Aber auch die Ernte des Landes Kanaans, von der die Israeliten danach essen (Jos 5,12), geht letztlich nicht auf menschliche Arbeit zurück, sondern auf Gott, der dieses Land mit Regen tränkt (Dtn 11,10-17). Folgerichtig wird in Ps 136 das Schöpfung und Geschichte umgreifende hymnische Gotteslob in den Worten zusammengefasst: „Der Speise (לחם) gibt allem Fleisch“ (Ps 136,25; vgl. Ps 145,15f; Ps 146,7; Ps 147,9).

2.2.2. Brot als Opferterminus

Der Geruch des Opfers – auch und gerade des fleischlichen Opfers – kann als „Brot / Speise des Feueropfers für Jhwh“ bezeichnet werden (לחם אשה ליהוה; Lev 3,11.16; vgl. Lev 21,6.21; Num 28,2.24). Ri 13,15-20 betont, dass göttliche Wesen (der „Engel Jahwes“) keinesfalls das „Brot“ der Menschen (was hier ausdrücklich Fleisch einschließt) essen.

2.2.3. Brotriten im Festkalender

Der Festkalender Israels richtet sich zu einem wesentlichen Teil nach der Getreideernte und ist dementsprechend auch von Brotriten bestimmt. Zentraler Inhalt des Mazzot-Festes, das mit dem → Passa-Fest verbunden ist, ist das Essen ungesäuerter Brote (→ Mazzen, Dtn 16,13: „Brot des Elends“), die ursprünglich aus der neuen (Gersten-)Ernte gebacken wurden (vgl. Ex 9,31 zur Gerste; Jos 5,10-12 zur neuen Ernte). Von der ersten Garbe (‘omær) an werden sieben Wochen bzw. Sabbate gezählt – in Israel wohl einer der Ursprünge der durchlaufenden Sieben-Tage-Woche („Omer-Zählung“, Lev 23,10-15). Am Wochenfest, das sich unmittelbar an diese Periode anschließt, wurden die Erstlinge der Weizenernte dargebracht (Ex 34,22; → Fest).

Der durchlaufenden Sieben-Tage-Woche entspricht die wöchentliche Erneuerung der → Schaubrote (Lev 24,5-9). Zum täglichen Opfer gehört im priesterlichen Opferkalender neben dem tierischen Brandopfer das aus Mehl und Öl bereitete vegetabilische Speiseopfer (מנחה, Lev 2,1ff; Ex 29,38-42; Num 28,3-6).

2.3. Brot und Beziehungen zwischen Menschen

Gemeinsam Brot zu essen bekräftigt eine Gemeinschaft (Ex 18,12; Hi 42,11) und stiftet Bundesverhältnisse (Gen 31,54; Jer 41,1). Als besonders ehrenvoll gilt es, am Tisch des Königs zu essen (2Sam 9,7; 2Kön 25,29 // Jer 52,33); diese Ehre auszuschlagen, kann schwerwiegende Folgen haben (1Sam 20,4-7.24ff). Das Verweigern des gemeinsamen Brotessens steht für Verweigerung der Gemeinschaft (1Sam 20,34; vgl. Gen 43,32).

Exkurs: Zur Bedeutung des Brotes in den Samuelbüchern

In den → Samuelbüchern ist Brotgeben und Brotnehmen ein Leitmotiv, welches das Verhältnis der Hauptpersonen zueinander illustriert.

1. Der Abstieg des Priestergeschlechts der Eliden (→ Eli) wird von Anfang an mit ihrer selbstherrlichen Ernährung begründet (1Sam 2,12-17.28f). Aus den Priestern, die eigentlich über genügend Brot verfügen sollten (vgl. 1Sam 21,4-7; 1Sam 22,13), werden abhängige Brotempfänger (1Sam 2,36; vgl. 1Sam 22,20; 1Kön 2,27), die der Willkür der jeweiligen Herrscher ausgeliefert sind. Andererseits wird aus dem um Brot bittenden bzw. Brot fordernden David (1Sam 21,7; 1Sam 25,11) ein großzügiger Spender (2Sam 6,18f).

2. Ursprünglich will Saul den Propheten Samuel für eine Dienstleistung mit Brot oder Silber bezahlen (1Sam 9,7f), doch dann bewirtet Samuel Saul (1Sam 9,23f) und sorgt dafür, dass er wieder zu Brot kommt (1Sam 10,1-9). So erweist sich Samuel dem Saul als überlegen. Entsprechendes gilt für die Totenbeschwörerin von → En-Dor, die nach Samuels Tod eine letzte Begegnung zwischen ihm und Saul ermöglicht und Saul zum Annehmen des Essens nötigt, das sie bereitet hat (1Sam 28,22-25).

3. Das Verhältnis des Hauses Davids zum Haus Sauls wird ebenfalls durch Brotgaben mit symbolischer Bedeutung veranschaulicht, was nicht zuletzt durch Davids Herkunft aus Bethlehem („Haus des Brotes“) angeregt sein dürfte. Bereits die erste Begegnung Davids und Sauls wird dadurch vorbereitet, dass → Isai David Brot, Wein und Fleisch mitgibt (1Sam 16,20). Später gelingt es Saul nicht, David an seinem Tisch zu halten (1Sam 20). Stattdessen werden am Ende die Übriggebliebenen von Sauls Sippe zu Kostgängern Davids (2Sam 9,10).

4. Das prophetische Wort im Lobgesang der Hanna „Die Satten werden um Brot dienen müssen, und die Hungrigen werden genug haben“ (1Sam 2,5), erfasst damit adäquat den erzählerischen Rahmen der Samuelbücher, den Übergang der göttlichen Erwählung vom Haus Elis an das Haus Davids.

3. Die symbolische und metaphorische Bedeutung von Brot

3.1. Brot als Zeichen von Unheil und Heil

Von der gemeinschaftsstiftenden Funktion des Brotes sind mehrere metaphorische Wendungen abgeleitet. „Brot des Elends“ (Dtn 16,3) und „Tränenbrot“ (Ps 80,6) vergegenwärtigen eine notleidende bzw. eine trauernde Gemeinschaft. Oft steht „Brot“ auch für den mühseligen Ertrag menschlicher Arbeit (Ps 127,2; Gen 3,19), und die Ameise wird in ihrem Fleiß bei der Nahrungsbeschaffung als Vorbild genannt (Spr 6,6-8). Nicht empfehlenswert sind „das Brot des Frevlers“ (Spr 4,17), „das Brot der Heimlichkeit“ (Spr 9,17), „der Lüge“ (Spr 20,17) oder „der Faulheit“ (Spr 31,27). Ein besonders drastisches Sinnbild für Elend und Unreinheit als Folge des Exilsschicksals ist das Brot, das Ezechiel auf Menschenkot backen soll (Ez 4,12f.). Auf der anderen Seite gilt reichlich Brot als Zeichen göttlichen Segens (Gen 49,20; Lev 26,5 [gegenüber Lev 26,26]; Ps 132,15; Spr 12,11).

3.2. Brot und Backofen als Traumbild und Metapher

Sowohl verschiedenes Gebäck als auch der Vorgang des Backens kann als Metapher für Menschen gebraucht werden. → Josef erschließt das Schicksal eines Bäckers aus dem, was mit dem Backwerk in seinem Traum geschieht (Gen 40,16-22). In der → Gideon-Erzählung sieht ein Midianiter im Traum einen Laib Gerstenbrot zum midianitischen Lager rollen. Das Brot wird auf das Schwert Gideons gedeutet, das die Midianiter überwinden wird (Ri 7,13).

Der brennende Backofen eines Bäckers dient in Hos 7,4 als Bild für die Oberen von Ephraim, die sich wie Ehebrecher durch ihre eigene Gluthitze gefährden (vgl. Spr 6,27-29). Das Volk Ephraims wird selbst mit einem Glutaschenbrot verglichen (‘ugāh, Hos 7,8f), das nicht gewendet wird und darum verbrennt.

Als Symbol für den bevorstehenden langen Ägyptenaufenthalt der Israeliten begegnet ein Backofen in der Theophanievision Abrams in Gen 15,17 – neben Rauch, Fackel und Feuer, welche die drei anderen in Gen 15,13-16 genannten Perioden symbolisieren.

3.3. Brot und Wort Gottes

Nach Gen 2,16f. handeln bereits die ersten Gebote Gottes davon, die richtige Nahrung zu wählen (vgl. auch den Ruf der Weisheit, von ihrem Brot zu essen; Spr 9,5). Dies (im priesterlichen Rahmen) vorwegnehmend weist Gott bereits im Schöpfungssegen Gen 1,29 der Menschheit die Speise als seine erste Gabe zu. Alle menschliche Nahrung verdankt sich insofern dem Wort Gottes.

Es liegt auf derselben Linie, dass nur das Wort Gottes selbst für das Leben noch wertvoller sein kann als das Brot (Am 8,11; Jes 55,1-3.10-13). Die Erzählung vom Manna, dem „Himmelsbrot“, erscheint als Hinweis darauf, dass der Mensch nicht allein vom Brot lebt, sondern von „allem, was aus dem Munde Jhwhs hervorgeht“ (Dtn 8,3), d.h. von Gottes Wort.

4. Wirkungsgeschichte: Jesus und das Brot im Neuen Testament

4.1. Brotbrechen und Abendmahl

Im Judentum wird das Brot als Gottes Geschenk bei jeder Mahlzeit gewürdigt, indem folgender, Ps 104,14 zitierender Segensspruch gesagt wird: „Gesegnet seist du, Herr unser Gott, König der Welt, der Brot aus der Erde hervorbringt (המוציא לחם מן הארץ)“ (Mischna Berakhot 6,1; Babylonischer Talmud, Traktat Berakhot 37a-39b; Text Talmud). Mit dem Dankspruch sind das Brotbrechen (vgl. Jes 58,7; Klgl 4,4), das allein dem Hausherrn zukommt, und weitere Segenssprüche verbunden (Babylonischer Talmud, Traktat Berakhot 46a).

Diesen jüdischen Brauch des Brotbrechens und des dazugehörigen Segens hat auch Jesus gepflegt (Mk 6,41; Mk 8,6; Mk 14,22; 1Kor 11,24; Paulus in Apg 27,35). Dementsprechend steht die Brotbitte in der Mitte des Vaterunsers (Mt 6,11; Lk 11,3). Sie besitzt ihre Vorgeschichte u.a. in späten Psalmen (Ps 145-147; PsSal 5; vgl. Kratz, 1992). Die Deutung des Brotes, das Jesus in seiner letzten Mahlzeit mit seinen Jüngern brach, auf seinen eigenen Leib, und des Weins auf das Blut hat zu dem neuen Ritus der Abendmahlsgemeinschaft geführt, der in der Folge zum exklusiven Zeichen des Christentums geworden ist.

Mit der Bedeutung des Brotes als Grundnahrungsmittel (Mk 8,14ff), seiner gemeinschaftsstiftenden Funktion (1Kor 10,16f) wie seines symbolischen Wertes als Inbegriff der guten Gabe Gottes (Mk 7,27f) bilden traditionelle biblische Aussagen den Hintergrund für die Deutung des Abendmahlsbrotes als für die Gemeinde gegebener Leib Christi (Mt 26,26; Mk 14,22; Lk 22,19; 1Kor 11,24).

4.2. Brotwunder

Gegenüber der Brotvermehrung → Elisas, der 100 Leute mit 20 Broten gespeist haben soll (2Kön 4,42-44), erscheint die Speisung von 5000 Menschen durch die wunderbare Vermehrung von fünf Broten und zwei Fischen als ungeheure Steigerung. Die Fünfzahl wurde bereits früh auf die Zahl der Bücher der Tora gedeutet, die Zweizahl der Fische auf Propheten und Schriften (Belege bei Luz, 1999, im Kommentar zu Mt 14,13-21). Die Speisung der Fünftausend ist das einzige Wunder Jesu, das in allen vier Evangelien erzählt wird (Mt 14,13-21; Mk 6,30-44; Lk 9,12-17; Joh 6,1-15; daneben Speisung der 4000: Mt 15,29-39; Mk 8,1-10). In Mk 8,14-21 werden die Brotwunder Jesu, näherhin die Zahl der mit den übrig gebliebenen Brocken aufgesammelten Körbe, zwölf bzw. sieben, als Zeichen der Überlegenheit seiner Lehre über „den Sauerteig“ der Pharisäer und der Herodianer gewertet. Als Brotspender besitzt Jesus königliche oder göttliche Funktion.

4.3. Jesus als Brot des Lebens

In den Ostergeschichten des Lukas- und des Johannesevangeliums gilt das Brotbrechen bzw. Brotgeben Jesu als wichtiges Erkennungszeichen und damit als Brücke zur nachösterlichen Gemeinde (Lk 24,30f; Joh 21,13). An die Stelle der „Was ist das“-Frage der Israeliten, die dem vom Himmel dem Menschen gegebenen Manna den Namen gegeben haben soll (Ex 16,15.31), tritt im Neuen Testament die an Jesus gerichtete christologische Frage: „Wer bist du?“ (Joh 8,25; Joh 21,12), die im Johannesevangelium, in Auseinandersetzung nicht zuletzt mit Dtn 8,3, ihre erste Antwort in der Selbstbezeichnung Jesu als „Brot des Lebens“ (Joh 6,35.48) findet.

Exkurs: Die 154 Fische in Joh 21 als Verweis auf das Brot des Lebens

Die rätselhafte Zahl der 153 Fische, welche die Jünger Jesu nach Joh 21,11 am See Genezareth fangen, dürfte ebenfalls mit dem johanneischen Brotwort zu erklären sein. Denn die Jünger, die nichts zu essen hatten, aber auf Jesu Hinweis mehr Fische fingen, als sie ziehen konnten (Joh 21,3-6), werden am Ende nicht mit den selbst gefangenen Fischen (Joh 21,10f jeweils im Plural) bewirtet, sondern mit einem Brot und dem einen Fisch, den Jesus bereits gebraten hatte (Joh 21,9.13 jeweils Singular; eine Mehrzahl wird bei Joh durch den Plural ausgedrückt, Joh 6,9.11; Joh 21,10). Von den frisch gefangenen Fischen ist dagegen nur die Zahl wichtig. Erst nach der Zählung der 153 Fische und der Bewirtung mit dem einen Fisch wissen die Jünger, dass es Jesus ist, der ihnen das Brot bricht (Joh 21,10-12). Eine Deutung der Zahl der Fische sollte die Mahlgemeinschaft als Ziel der Szene ebenso berücksichtigen wie den Kontext des Johannesevangeliums, zu dessen Nachwort diese Erzählung gehört und in dem die auch bei den Synoptikern berichtete wunderbare Speisung mit Broten und Fischen in das christologische Brotwort mündet.

Die insgesamt 154 Fische lassen sich in diesem Zusammenhang deuten als verschlüsselte Antwort auf die Frage der Jünger „Wer bist du?“. Diese sollte lauten wie das erste „Ich-bin-Wort“ des Johannesevangeliums: „Ich bin das Brot des Lebens“ (Joh 6,35.48). Jedenfalls für die aramäischkundigen Leser des Johannesevangeliums dürfte der anzunehmende Wortlaut dieses Jesuswortes geheißen haben אנא לחמא דחיא. Dieser ergibt in der Gematrie, die den Zahlenwert hebräischer Buchstaben berechnet, die Summe von 52+79+23=154, und dieser Wert liegt wohl der gewählten Zahl von 1+153 Fischen zu Grunde.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Reallexikon für Antike und Christentum, Stuttgart 1950ff
  • Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aufl., Tübingen 1957-1965
  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Encyclopaedia Judaica, Jerusalem 1971-1996
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff (Stichwort: לחם)
  • Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
  • Biblisches Reallexikon, 2. Aufl., Tübingen 1977
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg i.Br. 1993-2001
  • Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998ff.
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003

2. Weitere Literatur

  • Berger, K., Manna, Mehl und Sauerteig, 1993
  • Dalman, G., Arbeit und Sitte in Palästina. Bd. IV: Brot, Öl und Wein, 1935 (= Nachdr. 1964), 1-152; 454-471 (Abb. 1-32)
  • Dommershausen, W., Art. לחם, in: ThWAT IV, Stuttgart u.a. 1984, 538-547
  • Fechner, K. u.a., Pain, four et foyers des temps passés. Archéologie et traditions boulangères des peuples agriculteurs d´Europe et du Proche Orient, Brüssel 2002
  • Kratz, R.G., Die Gnade des täglichen Brots. Späte Psalmen auf dem Weg zum Vaterunser, ZThK 89, 1992, 1-40
  • Luz, Ulrich, 1990, Das Evangelium nach Matthäus (EKK I/2), Neukirchen-Vluyn / Zürich
  • Limet, H., Pains et fours dans le Proche Orient ancien, in: Fechner u.a., 2002, 37-48
  • Mulder-Heymans, N., Archaeology, experimental archaeology and ethno archaeology on bread ovens in Syria, in: Fechner u.a., 2002, 197-221
  • Währen, M., Brot und Gebäck im Leben und Glauben des Alten Orients, 1976

Abbildungsverzeichnis

  • Bäckereibetrieb: Der Teig wird mit Füßen geknetet (oben links), in Krügen zu einem Tisch gebracht und dort geformt. In Pfanne und Ofen wird das Brot gebacken (Grab Ramses III.; 12. Jh.). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Überirdischer Backofen (tannûr). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Unterirdischer Backofen (tannûr) in Megiddo. Aus: G. Schumacher, Tell el-Mutesellim I, 1908, Tafel 40c
  • Verschiedene Brotsorten. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

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