Bund (AT)
(erstellt: Januar 2006)
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1. Bedeutung
Das hebräische Wort ברית (bərît) deckt sich in seinem Bedeutungsumfang nicht ganz mit dem deutschen Wort „Bund“. Schon ein Blick in die Wörterbücher macht dies deutlich: Wilhelm Gesenius selbst hatte in seinem Wörterbuch aus dem Jahre 1834 „Bündnis, Bund, Vertrag“ als Übersetzung angegeben; Frants Buhl in seiner Überarbeitung der 17. Auflage des Wörterbuchs „eine Abmachung, die durch eine feierliche Zeremonie einen bes. eindringlichen u. verpflichtenden Charakter bekommt“, kompakter das HALAT mit „Vereinbarung, Bund“; Gesenius, 18. Aufl. geht von einer Grundbedeutung „Inpflichtnahme eines Schwächeren durch einen Stärkeren, wobei meist Letzterer dem Ersteren Schutz zusagt“, aus, die sich in zwei Bereiche differenziert: „allg. Abmachung, Bund, Übereinkommen, Vereinbarung, Verpflichtung, Vertrag“ und „theol. herk. Bund, doch sachgemäß meist m. Verpflichtung (des Menschen durch Jahwe) u.ä. od. Selbstverpflichtung bzw. Zusage (J.s ggüber dem Menschen) z. übers.“; dazu tritt dann noch „Verband, Gemeinde, Gemeinschaft“, eine Bedeutung, die in Dan 11,22
In den Übersetzungen und Bedeutungsangaben wird deutlich, dass ברית (bərît) nicht ausschließlich zum religiösen Vokabular gehört, sondern einen alltagssprachlichen Hintergrund hat. Das hier angesprochene Vertragsrecht differenziert sich zwischen Abmachungen unter Gleichen und Verträgen mit einem deutlichen Machtgefälle, etwa einem Großkönig und seinem Vasallen. Bei der Übertragung eines solchen vertragsrechtlichen Modells auf das Verhältnis zwischen Jahwe und Israel stellt sich das Problem, wie die Bindung des göttlichen Vertragsgebers zu verstehen ist.
Die Idee der Bindung scheint auch in der Vertragsterminologie des Alten Orients durch; so heißt akkadisch riksu „Band, Bund, Bündel, Knoten, Abmachung, Vertrag, Satzung“ (AHw 984f), ein Bedeutungsumfang, der vergleichbar mit dem hethitischen išḥiul ist. Von daher ist die etymologische Ableitung des hebräischen Nomens ברית (bərît) von akkadisch birtu, bertu, mittelassyrisch berittu „Band, Fessel“ (AHw 129f) von Moshe Weinfeld erwogen worden (ThWAT 1, 783f); im Mittelhebräischen ist das Nomen als בֵּירִית „Ring, Band“ belegt. In Ägypten ist das asiatische Lehnwort bí-ra-tá „Vertrag“ bezeugt (Helck, 1971, Nr. 66); dies weist darauf hin, dass der Ausdruck schon vorisraelitisch im kanaanäischen Bereich geläufig war. Das feminine Nomen ברית ist nicht im Plural belegt.
In der → Septuaginta
2. „Bund“ als Vertrag
Das Bündnis zwischen → Salomo
Um ungleiche Vertragspartner handelt es sich bei der Schilderung der List der → Gibeoniter
3. Der Bund mit Gott
3.1. Herkunft und Alter der Bundestheologie im Pentateuch
Maßgeblich für die Datierung der alttestamentlichen Bundestheologie wurde die Sicht von Julius → Wellhausen
Seit der Entdeckung der Staatsverträge aus dem → Hethiterreich
a. Identification of the Covenant Giver
b. The Historical Prologue
c. The Stipulations
d. The Provision for Deposit and Periodic Public Reading
e. The List of Witnesses to the Treaty
f. The Blessings and Curses
g. The Ratification Ceremony
h. The Imposition of the Curses
Dies ist ein Idealtyp; in den einzelnen Verträgen (CScr II, 93-106) treten nicht immer alle Elemente auf. Mit diesem Schema geht Mendenhall auch die Sinaiperikope durch und findet in Ex 20,2
Ein kürzeres und damit plausibleres und leichter zu handhabendes Schema hat Gerhard → von Rad
1. Präambel
2. Vorgeschichte
3. Grundsatzerklärung
4. Einzelbestimmungen
5. Anrufung der Götter als Zeugen
6. Fluch und Segen.
Danach wäre die Grundsatzerklärung in Dtn 4-11 zu finden, in Dtn 12-26 die Einzelbestimmungen, in Dtn 27-28 Fluch und Segen. Auf die Anrufung der Götter als Zeugen würde das → Deuteronomium
Diesen Versuchen einer Frühdatierung der alttestamentlichen Bundestheologie – in die Spätbronzezeit oder in die Epoche des vorstaatlichen Israels – hat Lothar Perlitt in einer magistralen Studie weitgehend den Boden entzogen. Ein wesentlicher Punkt liegt in dem Umstand, dass die Prophetie des 8. Jh.s den Bund nicht kennt; die Belege für ברית (bərît) in den entsprechenden Prophetenbüchern sind durchweg sekundär. Der Ursprung der Bundestheologie liegt für Perlitt im Deuteronomium, exemplarisch darstellbar anhand von Dtn 7. Das wesentliche Problem ist der Zusammenhang von Bund und Gesetz, der nach den o.g. Schemata traditionell und unhinterfragt vorauszusetzen wäre; die Dekonstruktion des älteren Forschungsparadigmas erstreckt sich nicht nur auf die Frage der zeitlichen Ansetzung, sondern auch auf einen wesentlichen inhaltlichen Gesichtspunkt: Bund und Gesetz gehören nicht ursprünglich zusammen. Nach Perlitt bezieht sich ברית (bərît) in der Grundschicht von Dtn 7 weder auf den → Sinai
Perlitts Studie untersucht im Wesentlichen das Vorkommen von ברית (bərît) im Alten Testament; dabei stellt sich die Frage, ob Elemente einer Bundestheologie auftreten können, ohne dass das Wort ברית (bərît) fällt. Dergleichen wäre für Hos 4,1-3
Der Vergleich mit den altorientalischen Parallelen erlebte eine Renaissance mit den Arbeiten von Hans Ulrich Steymans und Eckart Otto. Danach hätten neuassyrische Verträge, vor allem die Vereidigung unter → Asarhaddon
Die wörtliche Rezeption des assyrischen Loyalitätseides hat nach Otto einen subversiven Charakter, denn sie entzieht mit der Übertragung der Loyalitätsforderung auf Jahwe dem assyrischen Großkönig die Legitimation seiner Herrschaft. Die Macht des Hegemonialstaates wird durch Gott begrenzt und die kulturgeschichtliche Relevanz liegt darin, dass sich das Konzept von Grundwerten ankündigt, die nicht außer Kraft gesetzt werden können (Otto, 175ff). Mit dieser Rekonstruktion einer Urfassung des Deuteronomiums war der Zusammenhang zwischen (dem ersten) Gebot und Bund in der Forschung wieder hergestellt. Doch bleiben sowohl dieser Zusammenhang als auch die literarische Rekonstruktion umstritten (→ Deuteronomium
Ob in Ex 34,10
Die Priesterschrift vermeidet negative Aussagen dieser Art und löst die Verbindung zwischen Bund und Gesetz (→ Priesterschrift
Die Bundeszeremonie in Gen 15 ist in ihrer Quellenzugehörigkeit umstritten; sie ist bemerkenswert, da sie das eigentümliche Vokabular des Bundesschließens (כרת ברית) mit einem Ritus veranschaulicht, nach dem Tiere hälftig durchschnitten werden. Derartiges findet sich in Jer 34,18
3.2. Der Bund in den Prophetenbüchern
Ein aufschlussreicher Versuch der Herleitung der alttestamentlichen Bundestheologie aus der Prophetie ist Christoph Levin zu verdanken. Ausgangspunkt ist das Wort vom neuen Bund in Jer 31. Die rekonstruierte Vorlage lautet nach Levin:
Siehe, Tage kommen, Spruch Jahwes, da wird man nicht mehr sagen: „Die Väter haben saure Trauben gegessen, und die Zähne der Söhne werden stumpf!“, sondern ein jeder wird für die eigene Schuld sterben. Siehe, Tage kommen, Spruch Jahwes, da wird man nicht mehr lehren, ein jeder seinen Nächsten und jeder seinen Bruder, und sagen: „Erkennt Jahwe!“, sondern man wird mich allzumal erkennen.
Neben diese beiden Heilsworte aus Jer 31,27-34
Deren Eindringen in den Text von Jer 31 beruht nach Levin auf einer Vernetzung von Fortschreibungen, die zunächst auf Jer 11,3b-6
Seinerseits geht der von Levin rekonstruierte Kernbereich von Jer 11 auf Jer 7,21-23
Mit dem Prophetenwort von Jer 7,21
In Jer 7,21
Es wäre ein neuzeitliches Missverständnis, wollte man „neu“ im Sinne eines prinzipiellen, qualitativen Gegensatzes zum Vorhergehenden verstehen. „Neu“ heißt „vor kurzem gefertigt, unverbraucht“. Die Bundestheologie richtet sich – nimmt man ihr Florieren ab der Exilszeit in den Blick – auf die Wiederherstellung des Verhältnisses zwischen Jahwe und Israel; der Bund ist insofern immer schon ein neuer Bund, als dass mit dieser Chiffre eine naturwüchsige Beziehung abgelöst wird durch eine bewusste und reflektierte. In dem neuen Bund in Jer 31 ist das Ziel der Bundestheologie bewahrt, die restitutio ad integrum.
Die Verinnerlichung der → Tora
Wo der Ursprung der Bundestheologie liegt, im exilischen Nachgang der Prophetie oder in der politischen und geistigen Krise, welche die assyrische Westexpansion hervorgerufen hat, bleibt eine Frage, die auf dem Felde der Deuteronomiumforschung zu klären ist. Möglicherweise hat sie sich in zunächst voneinander unabhängigen Schüben entwickelt.
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
- The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
- Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998ff.
2. Weitere Literatur
- Baltzer, K., 4. Aufl. 1964, Das Bundesformular (WMANT 4), Neukirchen-Vluyn
- Helck, W., 2. Aufl. 1971, Die Beziehungen Ägyptens zu Vorderasien im 3. und 2. Jahrtausend v. Chr. (Ägyptologische Abhandlungen 5), Wiesbaden
- Levin, C., 1985, Die Verheißung des neuen Bundes (FRLANT 137), Göttingen
- Lohfink, N., 1991, Art. Bund, in: NBL 1, 344-348
- Mendenhall, G.E. / Herion, G.A., 1992, Art. Covenant, in: The Anchor Bible Dictionary 1, 1179-1202
- Otto, E., 1999, Das Deuteronomium (BZAW 284), Berlin / New York
- Perlitt, L., 1969, Bundestheologie im Alten Testament (WMANT 36), Neukirchen-Vlyun
- Rad, G. von, 2. Aufl. 1968, Das fünfte Buch Mose. Deuteronomium (ATD 8) Göttingen
- Rüterswörden, U., 1998, Bundestheologie ohne ברית, ZAR 4, 85-99
- Steymans, H.U., 1995, Deuteronomium 28 und die adê zur Thronfolgeregelung Asarhaddons (OBO 145), Freiburg (Schweiz) / Göttingen
- Stolz, F. / Gertz J.C., 1998, Art. Bund, in: Religion in Geschichte und Gegenwart (4. Auflage), 1, 1862-1865
- Weinfeld, M., 1973, Art. ברית in: ThWAT 1, 781-808
- Wellhausen, J., 1927, Prolegomena zur Geschichte Israels, Berlin und Leipzig
- Zimmerli, W., 1969, Sinaibund und Abrahamsbund, in: ders., Gottes Offenbarung (Theologische Bücherei 19), München, 205-216
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