Chronistisches Geschichtswerk (ChrG)
(erstellt: April 2007)
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1. Die These
Seit Zunz (1832) war die Forschung der Meinung, dass die beiden Bücher der → Chronik
2. Gemeinsamkeiten zwischen Chronik und Esra / Nehemia
An Gemeinsamkeiten werden im Wesentlichen folgende Punkte angeführt, die jedoch kritisch zu prüfen sind.
(1) Das Ende der Chronik in 2Chr 36,22-23
(2) Sowohl in der Chronik als auch in Esr/Neh spielen → Leviten
(3) Sowohl in Esra/Nehemia als auch in der Chronik wird von Festen erzählt, und zwar an Schnittstellen der Geschichtsdarstellung. Während diese Festnotizen in der Theologie der Chronik fest verankert sind, stellen sie in Esra/Nehemia eine Randerscheinung dar (vgl. Esr 3,8b-11
3. Differenzen zwischen Chronik und Esra / Nehemia
Den Gemeinsamkeiten stehen Differenzen gegenüber.
(1) Es gibt sprachliche Unterschiede, die in der Forschung in mehreren Studien untersucht worden sind (Japhet, 1968; Japhet, 1991; Braun, 1979; Williamson, 1977, 37-70; siehe auch Sæbø, 1981, 80-83; Knoppers, 2003, 73-89).
(2) Theologische Differenzen betreffen vor allem die Darstellung und Bedeutung des Tempels (vgl. Williamson, 2004b, 160). In Esr/Neh hat der Tempel nicht die zentrale Stellung inne, die ihm in der Chronik zukommt.
(3) Ferner ist auf Differenzen im Gesellschaftsporträt der Werke zu verweisen. In Esr/Neh sind die Ältesten und Vornehmen (חרים chorîm; z.B. Neh 2,16
(4) Differenzen sind auch in der Aufgliederung des Kultpersonals zu finden. In Esr/Neh werden die Leviten wie das Kultpersonal entsprechend dem hierarchischen priesterschriftlichen bzw. priesterlichen System dargestellt. Als niederer Klerus sind sie den Priestern als höherem Klerus strikt untergeben. Die weiteren in der Chronik erwähnten umfangreichen Funktionen der Leviten sind in Esr/Neh nicht zu finden. Ferner werden sowohl die Sänger / Musiker als auch die Torhüter durchgehend als eigenständige Gruppe betrachtet (vgl. Esr 2,40-43
(5) Ferner sind Modifikationen in der erzählten Geographie auszumachen: Dies betrifft vor allem die Lage des Ophels, den die Chronik als „das Tempel und Palast umfassende nördliche Viertel der Stadt“ (Welten, 1973, 46) betrachtet (vgl. 2Chr 27,3
(6) Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die ethnische Identität unterschiedlich gewichtet wird. In der Chronik findet sich ein relativ offenes und integratives Konzept, das Fremde auch genealogisch in das Volk einbindet und damit die Grenzen Judas überschreitet (vgl. Labahn / Ben Zvi, 2003). Demgegenüber sind Esr/Neh binnenorientiert und auf Abgrenzung gegenüber Andersstämmigen bedacht (vgl. die in Neh 13 verhandelte Mischehenproblematik). Die Identität Judas und seiner Bewohner wird vor allem in der sog. Nehemia-Denkschrift in den Terminus היהודים (hajjəhûdîm „die Juden“) gefasst (vgl. Karrer, 2001, 147-161; Schweitzer, 2003, 144f.148-151), der in der Chronik nicht begegnet.
Betrachtet man die Gemeinsamkeiten zwischen der Chronik und Esr/Neh genauer, so stehen die Differenzen in thematischen, theologischen und soziologischen Unterschieden der Schriften der Annahme eines gemeinsamen Ursprungs der Korpora im Wege. Die beiden Werke sind im Detail besehen zu unterschiedlich, als dass man einen gemeinsamen Ursprung oder Verfasser bzw. Verfasserkreis annehmen kann. Diese Differenzen, die Auswirkungen auf die unterschiedlichen Geschichtsentwürfe haben, weisen auf einen abweichenden historischen und soziologischen Hintergrund, der gegen die Annahme spricht, dass beide Schriften gemeinsam entstanden sind.
4. Gemeinsamkeiten als redaktionelle Angleichung
Die Gemeinsamkeiten sind demgegenüber auf einen sekundären Prozess der literarischen Aneinanderreihung und Verbindung der beiden Schriften zurückzuführen. In einem späten Überlieferungsstadium wurden die zunächst selbstständig entstandenen und tradierten Schriften Chronik und Esr/Neh miteinander verbunden. Dabei wurden an wenigen Stellen dezente Angleichungen an die jeweils andere Schrift vorgenommen. Auf dieser nach-chronistischen redaktionsgeschichtlichen Endstufe wuchs einerseits 2Chr 36,22-23
So hat in letzter Zeit aus guten Gründen die Überzeugung Boden gewonnen, die die These eines sog. Chronistischen Geschichtswerks ablehnt (vgl. z.B. Japhet, 1968; Willi, 1972, 182-184.216; Williamson, 1977, 37-70; Braun, 1979; Kleinig, 1992; Sæbø, 1981, 80-83; Schniedewind, 1995, 249f; 22; Jones, 1999, 13f; Schaper, 2000, 58 u.ö.; Karrer, 2001, 49-57; Knoppers, 2003, 89; Levin, 2003, 240f.244; Min, 2004, 6-22). Dennoch halten sich Stimmen, die nach wie vor von einem Chronistischen Geschichtswerk ausgehen (vgl. älteren Datums: von Rad, 1971, 249; Curtis / Madsen, 1994/1910, 2-5; neueren Datums: Blenkinsopp, 1988, 47-54; Pohlmann, 1991, 145-148; Kratz, 1995, 281-282 u.ö.; Kratz, 2000, 92-98; Tuell, 2001, 8-11; Schmitt, 2005, 268-274), wobei sie mit unterschiedlichen Stadien einer gemeinsamen literarischen Tradierung rechnen. Dass es eine gemeinsame Tradierung gegeben hat, ist aufgrund der Gemeinsamkeiten wahrscheinlich, doch gilt diese Gemeinsamkeit nicht für die Anfänge der Entstehung der beiden Schriften.
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
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2. Weitere Literatur
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- Zunz, L., 1832, Die gottesdienstlichen Vorträge der Juden historisch entwickelt, Berlin (Nachdruck: Hildesheim 1966)
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