Deutsche Bibelgesellschaft

Andere Schreibweise: Delilah (engl.)

(erstellt: September 2006)

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1. Der Name Delila

Zum etymologischen Hintergrund und zur Bedeutung des Namens Delila (hebräisch: דְּלִילָה dəlilāh) stehen verschiedene Auffassungen zur Diskussion:

1) Eine Ableitung von דלל dll I „baumeln“ führt zur Bedeutung „herabwallende Locke“ (Noth, 1966, 227).

2) Von דלל dll II „klein / gering sein“ kommt man zu Delila „die Kleine“ (Niemann, 1985, 185).

3) Andere stellen einen Zusammenhang mit arabisch dalla „kokettieren / flirten“ her (Boling, 1975, 248).

4) Schließlich gibt es die These, der Name bestehe aus der aramäischen Genitivpartikel d(ī) und hebräisch לילה lailāh „Nacht“ (vgl. z.B. Block, 1999, 454). Diese These ist jedoch sehr zweifelhaft, auch wenn sich entsprechende volksetymologische Assoziationen bei vielen Leserinnen und Lesern der Simson-Delila-Geschichte bis in die Gegenwart einstellen.

2. Delila im Simons-Zyklus

Der Name Delila begegnet in der gesamten biblischen Tradition ausschließlich innerhalb des → Simson-Zyklus in Ri 13-16, wo er insgesamt sechsmal vorkommt. Alle Belege finden sich in der sog. ‚Simson-Delila-Erzählung‘ Ri 16,4-22.

Dieser Textbereich gehört zu den Elementen, die dem Simson-Zyklus wahrscheinlich erst sekundär zugewachsen sind. Dafür spricht vor allem die modifizierte Wiederaufnahme der abschließenden Richterformel aus Ri 15,20 in Ri 16,31b. Außerdem greift Ri 16,17 einen Aspekt des Nasiräermotivs aus Ri 13 auf, das seinerseits nicht zur ältesten literarischen Fassung des Simson-Stoffes zu zählen ist. Vermutlich ist Ri 16 noch später als Ri 13 zum Simson-Zyklus hinzugetreten, zu einer Zeit, als der Zyklus bereits mit der deuteronomistisch redigierten Darstellung aus Ri 2,10-12,15 verbunden war.

Delila ist die dritte und letzte Frau, mit der es der wackere Simson zu tun bekommt. In Entsprechung zum Mädchen, das Simson in Ri 14 heiratet, und zur → Prostituierten, die er nach Auskunft von Ri 16,1-3 in Gaza aufsucht, hat sich der Erzähler vermutlich auch Delila als Philisterin vorgestellt. Jedenfalls dient sie den Fürsten der → Philister als Mittel, um hinter das Geheimnis von Simsons Kraft zu kommen und Simson unschädlich zu machen.

Delila wohnt im Tal Sorek, dessen Name anscheinend einen landwirtschaftlichen Hintergrund hat und auf den früher in dieser fruchtbaren Gegend praktizierten Anbau von Wein zurückgeht. Das Tal ist wahrscheinlich mit dem heutigen Wādī eṣ-Ṣarār gleichzusetzen (vgl. Gaß, 2005, 382f.).

3. Aufbau, Inhalt und Komposition der Simon-Delila-Erzählung in Ri 16

3.1. Aufbau

Delilah 1

3.2. Inhalt

Der mit übermenschlichen Kräften ausgestattete Simson, der schon manchen Strauß mit den Philistern ausgefochten hat und offenbar eine besondere Schwäche für philistäische Frauen hegt, verliebt sich in Delila aus dem Tal Sorek. Die Philister wollen sich diese Verbindung zunutze machen und versprechen Delila eine märchenhafte Geldsumme, wenn sie das Geheimnis von Simsons Kraft enttarnt und es den Philistern daraufhin gelingt, Simson zu überwinden. Delila unternimmt insgesamt vier Versuche, Simson durch Zureden die erwünschte Information zu entlocken. Dreimal täuscht Simson seine Geliebte mit falschen Angaben, und die philistäischen Häscher werden von ihm in die Flucht geschlagen. Erst beim vierten Mal offenbart Simson Delila sein wahres Geheimnis. Die Kraft liegt in Simsons Haaren. Als er schläft, schert man die sieben Locken von seinem Haupt. Daraufhin ist es für die Philister ein Leichtes, Simson gefangenzunehmen. Er wird geblendet und nach Gaza zur Zwangsarbeit verbracht. Sein Haar beginnt wieder zu wachsen.

3.3. Komposition

Die Simson-Delila-Geschichte aus Ri 16,4-22 folgt im Simson-Zyklus unmittelbar auf die Gaza-Episode aus Ri 16,1-3 und wird fortgesetzt von der Erzählung von Simsons letzter Tat und seinem Ende in Ri 16,23-31. Während die vorausgehende Gaza-Episode, in der Simson das Stadttor herausreißt und mit sich fortschleppt, nochmals Simsons immense Kräfte plastisch vor Augen führt, schildern V. 23-31 im Anschluss an die Delila-Erzählung die Katastrophe, die Simson und seine Feinde am Ende des Zyklus ereilt. Was man in V. 4-22 von Simson und Delila erfährt, trifft Leserinnen und Leser nach der Lektüre von Ri 13,1-16,3 nicht unvorbereitet. Seine Leidenschaft für philistäische Frauen hat dort ebenso eine Vorgeschichte wie das Thema Verrat, Simsons Entfesselungskunst und das ihn betreffende Haarschneideverbot. Alles das kulminiert nun in Ri 16,4-22 und wächst zu einem dramatischen Crescendo an.

Die Erzählung selbst folgt einem besonders gut durchdachten Aufbau. Der Hauptteil ist in vier Szenen untergliedert. Wiederholung und Steigerung sind von Szene zu Szene sorgfältig aufeinander abgestimmt und bilden gemeinsam die für den Spannungsaufbau der Darstellung entscheidenden Elemente. In der hebräischen Fassung ist der Ablauf allerdings durch größere Ausfälle in Ri 16,13-14 gestört. Dort muss der Text nach der griechischen Version der Septuaginta ergänzt werden. Während die beiden ersten Szenen des Hauptteils einander weitgehend parallel laufen, bietet die dritte Szene eine entscheidende Variante. Zum ersten Mal erwähnt Simson hier im Zusammenhang mit der Frage nach dem Ursprung seiner Kraft seine sieben Locken und kommt damit der Offenbarung seines Geheimnisses bereits gefährlich nahe.

In der vierten Szene erreicht die Spannung ihren Höhepunkt. Hier legt Delila Simson nicht nur, wie zuvor schon in Szene 2 und 3, Täuschung zur Last, sondern sie quält und peinigt ihn mit unablässigen Vorwürfen, die ihn bis zum Lebensüberdruss ermatten. So gibt er schließlich die Quelle seiner Kraft preis und kann von Delila und den Philistern überwunden werden. Die Wiederholungen dienen nicht nur dem Spannungsaufbau, sondern erzeugen darüber hinaus eine Stimmung der Unausweichlichkeit. Der Held, der dreimal keinen Verdacht geschöpft hat, wird dies auch beim vierten Mal nicht tun. Leserinnen und Leser ahnen früh, dass Delila mir ihrer unermüdlichen Beharrlichkeit schließlich ans Ziel gelangen wird.

4. Zur Charakterisierung Delilas

Obwohl die Gestalt Delilas die Phantasie der Rezipientinnen und Rezipienten des biblischen Stoffs zum Teil stärker beschäftigt hat als Simson selbst, fällt es schwer, ein aussagekräftiges Charakterprofil der biblischen Delila zu entwerfen, denn „die Information über Delila ist so knapp, dass sie im Grunde keine weitreichenden Schlussfolgerungen zulässt“ (Houtman / Spronk, 2004, 118).

Trotzdem erlaubt der biblische Befund einige Feststellungen: Delila benutzt ihre Sexualität, um Simson zu manipulieren. Sie täuscht ihn, sie quält ihn mit ihrer Nörgelei (Ri 16,16), und sie verrät ihn, indem sie sich von den Philistern benutzen lässt, um Simson ins Verderben zu stürzen (vgl. Smith, 1997, 46). Verrat hat Simson auch schon vorher erlebt. So hat seine Braut das Geheimnis seines Rätsels an die Hochzeitsgäste verraten, um die über ihrer Familie schwebende Todesdrohung abzuwenden (Ri 14,15-17). Und die Judäer haben Simson ausgeliefert, weil sie ebenfalls Angst vor den Gewaltmaßnahmen der Philister hatten (Ri 15,9-13).

Im Zusammenhang mit Delila kommt nun ein ganz anderes Motiv ins Spiel. Dieses Motiv heißt Geld. Zweimal nimmt die Erzählung ausdrücklich Bezug auf das Geld, das Delila erhalten soll (Ri 16,5.18). Die „Fürsten der Philister“ stellen ihr einen wahren Schatz in Aussicht, wenn es ihr gelingt, Simsons Ergreifung zu ermöglichen. Jeder von ihnen will Delila zum Lohn eine Summe von nicht weniger als 1100 Silberstücken übereignen. Nimmt man an, dass jede Stadt der philistäischen Pentapolis mit einem Fürsten vertreten ist, ergibt sich daraus der Gesamtbetrag von 5500 Silberschekeln. Zieht man ferner zum Vergleich den von Gideon im Kampf erbeuteten immensen Goldschatz aus Ri 8,26 hinzu, dessen 1700 Schekel beinahe dem Gewicht eines halben Zentners entsprochen haben dürften (vgl. Scherer, 2005, 343 mit Anm. 823), gewinnt man eine Vorstellung davon, wie exorbitant das Vermögen ist, das Delila durch ihren Verrat gewinnt.

Obwohl dadurch gewiss kein besonders günstiges Licht auf Delilas Motivation fällt, hat die neuere Forschung einen interessanten Perspektivenwechsel zur Diskussion gestellt (vgl. Klein, 1993, 66; Ackerman, 2000, 33-41). Betrachtet man die Geschichte aus einem prophilistäischen Blickwinkel, kann die Verräterin Delila durchaus als ‚Heldin’ erscheinen, deren kaltschnäuziges Vorgehen ein gewisses Maß an Bewunderung hervorzurufen vermag. Sie setzt die ihr zur Verfügung stehenden Mittel strategisch geschickt ein, um Macht über Simson zu gewinnen. Sie überwindet gleichsam ‚mit den Waffen einer Frau‘ den mit übermenschlicher Stärke begabten Mann und befreit damit ihr Volk von einer ebenso permanenten wie unberechenbaren Gefahr. Zum Vergleich kann man auf die Sisera-Jael-Erzählung aus Ri 4,17-22 bzw. die entsprechende poetische Fassung aus Ri 5,24-27 verweisen. Dort nimmt der Erzähler oder Dichter unstrittig einen proisraelitischen Standpunkt ein. Die → Keniterin Jael ermordet den kanaanäischen Feldhauptmann → Sisera auf seiner Flucht vor den siegreichen israelitischen Kriegern, die in der Schlacht am → Kischon das von Sisera geführte Koalitionsheer vernichtend geschlagen haben. Sisera findet im Zelt Jaels Zuflucht. Die scheinbare Sicherheit sowie die von Jael vorgetäuschte Fürsorge entpuppen sich jedoch als tödliche Falle. Auch Sisera wird getäuscht. Auch er fällt dem taktischen Geschick einer Frau zum Opfer, die hier sogar selbst die Hand zum tödlichen Schlag erhebt. Was die atmosphärische Dichte sowie die Stimmung des Verhängnisses anbelangt, sind Ri 4,17-22 // Ri 5,24-27 und Ri 16,4-22 in der Tat miteinander vergleichbar. Allerdings weist nichts darauf hin, dass der Erzähler in Ri 16,4-22 die Partei Delilas ergreift. Er hält sich mit Bewertungen zwar zurück, sein zweifacher Hinweis auf das Geld spricht jedoch eine deutliche Sprache. Nirgends ertönt, Ri 5,24 vergleichbar, ein Lob Delilas; nirgends erlebt Delila, wie Jael in Ri 4,22, einen besonderen Moment des Triumphs. Letztlich entscheidet nicht Delila, sondern JHWH über Simsons Geschick, denn nicht nur seine Kraft, sondern auch JHWH verlässt Simson, nachdem sein Haupthaar geschoren worden ist (Ri 16,19-20).

Delila verschwindet von der Bildfläche, sobald sie ihre Rolle als Instrument der Philister ausgespielt hat. Der Erzähler hat im Unterschied zu Simson kein eigenes Interesse an ihr und ihrem weiteren Schicksal. Delila wird Simson zum persönlichen Fallstrick. Sie ähnelt darin den Frauen der fremden Völker, die nach Ri 3,6 die Israeliten zum Götzendienst verführen. Von religiösen Verirrungen ist im Zusammenhang mit Simson und Delila freilich nicht die Rede. Trotzdem verbreitet Delila das Fluidum der sog. ‚fremden Frau‘, die nicht nur eine sexuelle Gefahr darstellt, sondern zugleich auch als Chiffre für ‚das Fremde‘ gilt, das eine grundsätzliche Bedrohung für die Lebensorientierung des Mannes darstellt (vgl. dazu Scherer, 2003, 35-41).

5. Nachwirkungen

S. auch → Simson "7. Adaptionen des Simson-Stoffs in der Kunst".

Die Persönlichkeit Delilas hat der Phantasie von Rezipientinnen und Rezipienten im Verlauf der Wirkungsgeschichte Nahrung für mannigfaltige Spekulationen geboten. Dabei sind sehr unterschiedliche, zum Teil gegensätzliche ‚Portraits‘ von Delila entstanden. Allen harschen Verurteilungen Delilas zum Trotz hat es immer wieder auch Stimmen gegeben, die ein vergleichsweise neutrales Bild von Delila zeichnen. In einigen Fällen wird Delila sogar ein ziemlich hohes Maß an Sympathie entgegengebracht, und man versucht, ihren inneren Beweggründen möglichst differenziert nachzuspüren.

5.1. Delila als verächtliche Person und geldgierige Verräterin

Für Flavius Josephus geht in seinen Antiquitates Judaicae (V 8) Simsons Liaison mit Delila ein verhängnisvoller Gesinnungswandel des Protagonisten voraus. Einerseits entschuldigt er Simson zwar mit der allgemeinen menschlichen Schwäche, andererseits steht für ihn jedoch fest, dass Simson vom Weg seiner Väter abweicht, indem er sich mit Delila einlässt. Delila selbst wird in aller Deutlichkeit als Hure bezeichnet. Mit ihr lebt Simson zusammen. Das ist der Anfang seines Verhängnisses.

Viel später hat John Milton in seinem letzten großen Werk Samson Agonistes („Simson der Kämpfer“) aus dem Jahre 1671 Delila zur Ehefrau Simsons gemacht. Durch das Band der Ehe ist sie Simson jenseits aller nationalen Interessen zu besonderer Loyalität verpflichtet. Trotzdem verrät sie ihn. Miltons Versepos ist der Tradition der sophokleischen Tragödie verpflichtet. Delila hat unter den Personen der Handlung eine eigene Stimme. Sie besucht den bezwungenen, geblendeten und erniedrigten Simson in seiner Gefangenschaft. Dort kommt es zu einem längeren Dialog zwischen beiden (732-996). Dabei versucht sich Delila auf vielerlei Weise zu rechtfertigen und ihr Verhalten zu entschuldigen. Angeblich hatten die Philister ihr in Aussicht gestellt, Simson lediglich in sicheren Gewahrsam zu nehmen. Sie hatte sich erhofft, dass Simson, auf diese Weise festgehalten, in ständiger Gemeinschaft mit ihr leben würde, statt ständig neuen Abenteuern nachzulaufen (800-810). Sie sucht – auch körperlich – Simsons Nähe und bietet ihm an, sich um seine Freilassung zu bemühen. Sie will bis ins hohe Alter für ihn da sein und ihn aufopferungsvoll pflegen. Doch Simson lässt sich nicht darauf ein. Er will ihren Einflüsterungen nicht noch einmal erliegen und fordert sie ironisch dazu auf, sich mit dem Lohn für ihren Verrat über seinen Verlust hinwegzuhelfen:

„Cherish thy hasten’d widowhood with the gold / Of matrimonial treason! so farewell.“ (958-959)

Delila findet sich mit der Zurückweisung ab, tröstet sich aber nicht mit dem Geld, das sie von den Philistern erhalten hat, sondern mit der Aussicht auf den Ruhm, den sie dauerhaft in den Reihen ihres eigenen Volkes genießen wird. Dabei vergleicht sie sich selbst mit Jael, die unter den Israeliten den immerwährenden Status einer Heldin einnimmt. Die Wahrnehmung von Analogien zwischen Delila und Jael ist also keine Erfindung der modernen feministischen Exegese, sondern hat viel ältere Wurzeln. Miltons Delila kommt zu folgendem selbstbewussten Resümee:

„But in my country, where I most desire, / In Ecron, Gaza, Asdod, and in Gath, / I shall be named among the famousest / Of women, sung at solemn festivals, / Living and dead recorded, who, to save / Her country from a fierce destroyer, chose / Above the faith of wedlock-bands; my tomb / With odours visited and annual flowers; / Not less renown’d than in Mount Ephraim / Jael, who with inhospitable guile / Smote Sisera sleeping, thrown the temples nail’d.“ (980-990).

In seiner zeitgenössischen Nacherzählung der Simson-Delila-Geschichte verbindet Nico ter Linden auf originelle Weise das Motiv von Simsons Liebe zu Delila mit dem Gedanken an Delilas Geldgier. Beide sind von Leidenschaft erfüllt, jedoch in unterschiedlichem Sinne. Während Simson Delila verfallen ist, ist ihr einziges Sinnen und Trachten auf das Geld ausgerichtet, das sie durch ihren Verrat gewinnen will. Deshalb ist Simson im wahrsten Sinne des Wortes ihr „größter Schatz“ (ter Linden, 2000, 80).

Bis ins 17. Jh. hinein haben Vertreter der bildenden Kunst Delila zum Teil „als Prototyp der listigen Frau“ (Houtman / Spronk, 2004, 124) interpretiert und sie mit weiteren eindeutig in diesem Sinne konnotierten Frauengestalten umgeben. Seit dem 19. Jh. wird sie auf einigen Gemälden als femme fatale stilisiert (vgl. Houtman / Spronk, 2004, 126). Man zeichnet sie mit den Zügen einer Kurtisane. Ihre unwiderstehliche Schönheit, gepaart mit distanzierter Eleganz, reißt den Betrachter hin und zieht ihn mit bezwingender Gewalt in ihren Bann (vgl. Abb. 1). Dabei ist Delila kalt und berechnend, nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Ihre Reize sind ihr einzig und allein Mittel zu dem Zweck, Einfluss zu gewinnen und Macht auszuüben. Wer ihr einmal verfällt, ist verloren. Es gibt kein Entrinnen aus der wollüstigen Qual, die ins Verderben führt.

5.2. Delila als faszinierende Frau und Symbolfigur

Nicht immer hat die bildende Kunst perhorreszierende Zerrgemälde von Delila entworfen. Häufig tritt sie als ansehnliche, attraktive und wohlgestaltete Frau auf, ohne dass ihre Züge besondere Anzeichen von Bosheit oder Häme an sich tragen (vgl. Abb. 6). Selbst dort, wo der Künstler Delila mit bloßem und üppigem Busen darstellt und sie demnach mit den traditionellen Attributen einer Prostituierten ausstattet, macht sie in vielen Fällen keinen ordinären Eindruck. Sie erscheint vielmehr als aparte, aber unaufdringliche Frau, die keine abstoßenden, derben oder gar grobsinnlichen Züge aufweist.

Ein differenziertes Bild von Delila mit sympathischen Zügen hat Voltaire in seinem Libretto zu Jean-Philippe Rameaus Oper „Samson“ entworfen. Die Oper konnte zwar nicht aufgeführt werden, weil der ‚Freigeist’ Voltaire als Verfasser eines Textes mit biblischem Bezug keine Akzeptanz fand, aber verschiedene Teile des Librettos wurden später von Rameau für andere Projekte genutzt (vgl. Houtman / Spronk, 2004, 201-207). Voltaire sieht Delila als ergebene Dienerin der Liebesgöttin Venus. Sie macht sich die Liebe zunutze, um Simson zu bezwingen, der ihr Volk bedroht. Dabei wird sie jedoch unversehens selbst zum Opfer der unwiderstehlichen Macht der Liebe. Sie bedauert ihren Verrat so sehr, dass sie sich schließlich selbst das Leben nimmt.

Ein vergleichbares Profil, das aber noch sehr viel feiner gesponnen und ungleich breiter ausgestaltet ist, gewinnt Delila in Cecil B. DeMilles erfolgreichem Kinofilm „Samson and Delilah“ aus dem Jahre 1949. Der Film geht bei der Gestaltung der Rolle Delilas nicht nur besonders weit über den biblischen Stoff hinaus, sondern setzt darüber hinaus Akzente, die das Gefälle der biblischen Darstellung zum Teil auf subtile Weise ins Gegenteil verkehren. Die Erzählung beginnt in Ri 16,4 mit der Bemerkung: „Danach liebte er (scil. Simson) eine Frau im Tal Sorek, ihr Name war Delila.“ In DeMilles Film verhält es sich genau umgekehrt. Delila verliebt sich in Simson und versucht alles, um Simson für sich zu gewinnen und dauerhaft an sich zu binden. Sie verhilft ihm zum Sieg bei einer Löwenjagd. Als Preis haben die Philister dem Gewinner die freie Wahl einer Braut in Aussicht gestellt. Simson entscheidet sich jedoch nicht für Delila, sondern für deren ältere Schwester. Dadurch steigert sich Delilas Liebe zu krankhafter, leidenschaftlicher Raserei. Sie intrigiert auf Simsons Hochzeit, um das Brautpaar auseinanderzubringen, verfehlt jedoch ihr Ziel, den Platz der Braut einzunehmen. Nach Simsons Gewalttaten gegen die Philister, die auch für Delila persönliche Verluste bedeuten, beschließt sie sich zu rächen. Trotzdem bleiben ihre Emotionen ambivalent. Ständig ist sie zwischen ihrem Hass auf Simson und ihrer Liebe zu ihm hin- und hergerissen. Nach längerem Schwanken verrät sie ihn schließlich. Als sie dann erfährt, was die Philister ihm angetan haben, wird sie darüber unwillig, und die Liebe gewinnt wieder die Oberhand. Sie bittet sogar Simsons Gott um Hilfe. Zum Schluss ist es Delila, die Simson zu den Säulen des Tempels führt, den er zum Einsturz bringt. Es sagt ihr noch, dass sie sich unverweilt aus dem Heiligtum zurückziehen soll. Sie signalisiert zwar ihre Zustimmung, entschließt sich aber dazu, mit ihm zu sterben. Delila ist bei DeMille nicht nur das Mittel zum Zweck in den Händen der Philister. Sie wird von widersprüchlichen Emotionen angetrieben, über die sie nicht frei gebieten kann, die sie vielmehr gefangen halten. In Delilas Geschick manifestiert sich „die alles vernichtende Kraft der Liebe“ (Houtman / Spronk, 2004, 234; → Bibelfilme).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

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2. Weitere Literatur

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Abbildungsverzeichnis

  • Delila (Gustave Moreau; 1826-1898)
  • Simsons Kraft (Rembrandt; 1636)
  • Simson und Delila (Lucas Cranach d. Ä.; 1472-1553)
  • Delila täuscht Simson (Adriaen van der Werff; 1659-1712)
  • Simson und Delila (Peter Paul Rubens; 1591-1666)
  • Simson und Delila (Giovanni Guercino; 1577-1640)
  • Der Film „Samson and Delilah“ von Nicolas Roeg (Cover).

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