Denkmal memphitischer Theologie
(erstellt: November 2018)
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1. Das Objekt
Der in der deutschen Forschung als „Denkmal memphitischer Theologie“ bezeichnete Text (im Englischen meist inhaltlich weniger festlegend als „Shabaka stone“) ist auf der Stele British Museum EA 498 überliefert. Das Objekt besteht nach neueren Untersuchungen aus grüner Brekzie, die innerhalb Ägyptens nur im Wadi Hammamat ansteht – tatsächlich ist dort auch eine Steinbruchexpedition unter Schabaka im Jahr 12 belegt (M 187; Couyat / Montet 1912, 96).
Der Stein ist längsrechteckig strukturiert. Er ist rein textlich beschriftet, ohne Bildkomponente. Zwei obenstehende Horizontalzeilen bieten die Titulatur des Königs Schabaka aus der 25. Dynastie und geben an, seine Majestät habe den Text neu kopieren lassen, nachdem er ihn wurmzerfressen aufgefunden habe. Der Rest der Inschriften ist als Vertikalkolumnen graviert. Dabei sind am Anfang einige Kolumnen nur im mittleren Bereich graviert; eine sogar ganz freigelassen worden. Mutmaßlich soll so, der Auffindungsangabe entsprechend, eine unvollständige Vorlage abgebildet werden; und mindestens einige dieser Kolumnen sind im Textbestand sichtbar unvollständig. Teilbereiche des Textes, die „dramatische“ Passagen bieten, sind in einem komplexeren Layout gehalten, in dem Zeilenenden frei bleiben und oben in den Kolumnen die Namen der Gesprächspartner optisch gegeneinander gesetzt sind. In der Beschriftung ist der Text „retrograd“, d.h. die Hieroglyphen blicken (gegen die normale ägyptische Praxis) zum Ende des Textes; es ist von links nach rechts zu lesen.
Von der Titulatur des Königs wurde später, im Zuge der ab Psammetich II. einsetzenden Verfolgung des Andenkens der kuschitischen Herrscher Ägyptens (Yoyotte 1951), der Eigenname Schabaka ausgehackt. Die anderen vier offiziellen Namen blieben erhalten, einschließlich des Thronnamens Neferkare, der für antike Leser auch als derjenige Pepis II. deutbar gewesen wäre.
Der Stein trägt deutliche Spuren einer späteren Wiederverwendung, die kein Interesse an seiner Inschrift mehr hatte. Insbesondere wurde im Mittelteil eine rechteckige Vertiefung eingearbeitet, der umliegende Bereich ist in der Oberfläche weitgehend abgeschliffen, einschließlich elf vage strahlenförmiger Bereiche, die extra eingearbeitet sind. Man hat diese Spuren lange der Nutzung als unterer Mühlstein zugeschrieben (seit Breasted 1901, 40), doch passen sie dazu nicht wirklich und könnten eher davon herrühren, dass der Stein als Fundament einer Säule oder eines Pfeilers diente (El Hawary 2010, 74f.).
Nach neuen Forschungen wurde das Objekt bereits antik sekundär nach Alexandria transportiert, wo es mutmaßlich im Fundament der Pompeius-Säule wiederverwendet wurde. 1805 wurde es vom zweiten Earl of Spencer nach England verschifft – allerdings wohl nicht als Antiquität, sondern als Ballast, der ein Schiff im Gleichgewicht halten sollte (El Hawary 2010, 74-79). Nach dieser Reise wurde es dem British Museum, London geschenkt, wo es sich seitdem befindet.
2. Bearbeitungsgeschichte
Die erste substantielle Bearbeitung des Textes lieferte Breasted 1901, der mit seiner Einstufung des Textes als „Philosophie“ bereits wesentliche Weichenstellungen für die weitere Einschätzung vornahm. Eine detailliertere Studie legte dann Erman 1911 vor – übrigens in der akademischen Realität Breasteds Lehrer und Doktorvater. Die wiederum darauf aufbauende Untersuchung von Sethe 1928, 1-80 stellt zusammen mit den Studien von Junker 1940 und 1941 den unentbehrlichen Standard für alle weiteren Untersuchungen dar – sowohl Sethe als auch Junker waren Schüler von Erman.
Eher problematisch ist der Versuch von Rothöhler 2004, die Lesereihenfolge der Kolumnen gegenüber sonstigen Bearbeitungen umzudrehen. Insbesondere hinsichtlich der Situierung und der Materialität des Objekts weiterführend ist die jüngste Monographie von El Hawary 2010.
Übersetzungen und Diskussionen des Textes oder wesentlicher Teile davon sind häufig (z.B. Lichtheim 1973, 51-57; Allen 1988, 43-47; Bilolo 1988; Théodoridès 1991; Assmann 1996, 382-396; Peust / Sternberg-el Hotabi 2001), ebenso Bemerkungen zu einzelnen Stellen (z.B. Iversen 1979, Iversen 1990; Beinlich 1991; Griffiths 1996). Bis heute sind manche Details der Übersetzung strittig, wobei neuere Studien keineswegs zwingend überall einen Fortschritt gegenüber früheren Forschermeinungen darstellen.
3. Text und Inhalt
Die ersten, nur fragmentarisch erhaltenen Kolumnen erwähnen → Ptah
Hinter der Textlücke beginnt, auch vom Layout her deutlich separiert, ein neuer Abschnitt. Er trägt zunächst eine Überschrift „die Götter, die aus Ptah entstanden sind“ und listet dann ursprünglich acht Gottheiten auf (heute nur noch vier erhalten). Dabei werden unter anderem die vier „Kas“ von Memphis genannt, die als Spender von Glücksgütern auch sonst bekannt sind (Meeks 1963, 41f.; → Ka
Zähne und Lippen des Ptah werden mit Samen und Händen des Atum korreliert (Bardinet 1990, 155-161). Hier kontrastiert der Text offensichtlich die Götterentstehung der heliopolitanischen Kosmogonie, bei der Schu und Tefnut durch die Masturbation des Atum entstehen, mit einer Entstehung aus dem Verstehen und Aussprechen (Assmann 1997). In dieser Form entstehen letztlich alle Götter, die Kas und Hemusut (also männliche und weibliche Personifikationen von Lebensenergie). Dem Friedfertigen wird Leben gegeben, dem Schuldhaften der Tod.
Resümierend stellt der Text fest, dass jede körperliche Arbeit und jede Aktion eines Körperteils aus dem entstanden ist, was vom Herzen ersonnen und von der Zunge ausgesprochen wurde. Damit gibt er Ptah den Rang dessen, der Atum geschaffen und die (anderen) Götter erzeugt hat, macht ihn also zum mächtigsten aller Götter. Im Anschluss an sein Schöpferwerk ist Ptah zufrieden, nachdem er die Götter geschaffen, die Ortschaften begründet, die Götter in die Heiligtümer eingesetzt, ihre Opferspeisen festgesetzt und ihre Leiber geformt hatte; die Götter treten in die Statuen aus Holz, Stein oder Ton ein.
Abschließend wird Memphis als Ort definiert, der für den Lebensunterhalt der beiden Landesteile sorgt. Dafür beruft sich der Text darauf, dass Osiris dort im Wasser trieb und von Isis und Nephthys auf Geheiß des Horus an Land gebracht wurde, so dass er in der memphitischen Region bestattet wurde und Horus, der als König von Ober- und Unterägypten erschienen ist, in Prozession zu ihm kommt.
4. Datierung und Situierung
Es gibt keinen anderen altägyptischen Text, dessen Datierung in der Forschung derart umstritten ist wie das Denkmal Memphitischer Theologie. Die frühen Forscher, insbesondere Kurth Sethe, haben den Text aufgrund sprachlicher und graphischer Archaismen in die Frühzeit, d.h. die 1.-3. Dynastie setzen wollen. Hermann Junker sah ihn nach inhaltlichen Kriterien innerhalb des Alten Reiches als etwas jünger an und schlug die 5. Dynastie als Entstehungszeit vor. Die Frühdatierung war jahrzehntelang Konsens im Fach, bis Friedrich Junge (1973) auf Befunde in der Orthographie hinwies, die bei einem Originaltext des Alten Reiches nicht möglich sind. Er zog daraus den Schluss, dass entgegen der Behauptung des Steines selbst keine alte Vorlage zugrunde liege, sondern es sich um eine Originalkomposition aus der Zeit des Schabaka selbst handele.
Junges Widerspruch zur Frühdatierung wird heutzutage von den meisten Forschern als solcher akzeptiert, seine konkrete Datierung aber eher selten befürwortet (insbesondere von Beinlich 1984, 270f., sowie Junges Schülern Peust / Sternberg-el Hotabi 2001, 166-168). Dominierende Haltung ist derzeit, Herrmann Alexander Schlögl (1980, 110-117) folgend, eine Entstehung in der Ramessidenzeit anzusetzen; noch spezifischer hat Boyo Ockinga (2010) die direkte Nachamarnazeit angenommen. Rothöhler denkt (auf der Basis zweifelhafter inhaltlicher Argumente) an die spätere Dritte Zwischenzeit, also die 23./24. Dynastie (Rothöhler 2004, 13 und 184-202); Goedicke will den Text mit einer Krönung des Tefnachte (24. Dynastie) in Memphis zusammenbringen (Goedicke 1977, 12-17). Als extremste Außenseiterposition kann man Rolf Krauss (1999) nennen, der Verbindungen zur griechischen Naturphilosophie wahrzunehmen glaubt und deshalb für eine ptolemäerzeitliche Entstehung plädiert; die ausgemeißelten Kartuschen des Schabaka seien demnach als bewusstes Mittel der Irreführung im Sinne einer vorgetäuschten früheren Entstehung eingesetzt.
Die von Junge 1973 als Nachweis einer späteren Entstehung vorgetragenen Kriterien sind allerdings nicht durchschlagend, da sie sich gleichartig auch in jüngeren Niederschriften von Texten finden, für die es nachweislich direkte Parallelen im Alten Reich gibt (Quack 2000, 554f. Anm. 27). Sie beweisen somit nur, was ohnehin keines Beweises bedürfte, nämlich dass es sich nicht um ein Original des Alten Reiches handelt. Kernfrage im Hinblick auf die Einschätzung der Entstehungszeit bleibt somit, ob die Ägypter späterer Zeiten willens und in der Lage waren, spezifische Merkmale alter Sprache (und teilweise Orthographie) sehr präzise nachzuahmen, oder ob ein älterer Sprachzustand als verlässliches Anzeichen früher Entstehung auch bei erst spät positiv bezeugten Texten gelten kann (von Lieven 2007, 223-257). Gerade die Ramessidenzeit, die derzeit von der Mehrzahl der Forscher als Entstehungszeit des Denkmals memphitischer Theologie angesehen wird, kommt kaum in Frage, da zweifelsfrei in dieser Zeit entstandene religiöse Texte markant neuägyptische Sprachelemente zeigen (Quack 2016, 285-288). Es ist auch nicht auszuschließen, dass die einzelnen Partien des Textes ein unterschiedliches Alter haben (so zuletzt Sousa 2017 allerdings auf methodisch problematischer Basis und in Unkenntnis wesentlicher neuerer Forschungsarbeiten). Insgesamt dürfte sich jedenfalls eine Rückkehr zu einem früheren Ansatz empfehlen.
In jedem Fall ist offensichtlich, dass der Text nicht nur einfach die religiöse Rolle von Memphis und seinen Gottheiten betont, sondern auch die Relevanz des Königtums in Memphis herausstellt, somit am plausibelsten in einer Zeit zu situieren ist, in der dieser Ort tatsächlich Residenz der ägyptischen Herrscher war.
5. Innerägyptische Parallelen
Wesentliche Teile der linken Hälfte des Steins gehören zur Textgattung der „Dramatischen Texte“ (von Lieven 2007, 274-283). Die weiteren Hauptvertreter davon sind Passagen des Mundöffnungsrituals und des Nutbuches, der dramatische Ramesseumpapyrus, ein weitgehend unverständlicher Text im Tempel von Dendera (Dendara X, 385,1-386,16) sowie pCarlsberg 498. Hat man sie früher vorrangig als Kultspiele mit Regieanweisungen verstanden, so deutet ein neuer Ansatz sie vielmehr als Ansätze zu einer kommentierenden sakralen Ausdeutung (von Lieven 2007, 279f.).
Zu beachten ist auch der demotische Papyrus Berlin P 13603, der seit seiner Erstedition gerne als „Fragmente memphitischer Theologie in demotischer Schrift“ bezeichnet wird (Erichsen / Schott 1954), was eine engere Beziehung zum Schabakastein suggeriert. In der Realität gibt es keine wirklich engen Beziehungen dieser beiden Texte; der Papyrus schildert eine Kosmogonie, die dem „hermopolitanischen“ Modell der Achtheit folgt.
Die besondere Relevanz der Kombination von Herz und Zunge findet sich in Ägypten auch im Thotbuch L01, 8+9/15 sowie im Großen Demotischen Weisheitsbuch und im Streit um die Pfründe des Amun (Quack 1994, 70).
Bislang relativ wenig beachtet worden ist, dass der Text insgesamt den „Monographien“ enger verwandt ist (Quack in Druck), welche für bestimmte Orte bzw. geographische Räume die religiösen Traditionen zusammenstellen (Gutbub 1973).
6. Bedeutung für das Alte Testament
Das Motiv der → Schöpfung
Literaturverzeichnis
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Abbildungsverzeichnis
- Stein mit dem „Denkmal memphitischer Theologie“. Aus: Wikimedia Commons; © CaptMondo, Wikimedia Commons, lizenziert unter CreativeCommons-Lizenz cc-by-sa 3.0 unported; Zugriff 13.11.2018
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