Deuteronomismus
(erstellt: Juli 2013)
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1. Zur Terminologie: deuteronomisch (dtn.) – deuteronomistisch (dtr.) – post-deuteronomistisch (post-dtr.)
In der deutschsprachigen Forschung wird oft zwischen „deuteronomisch“ (dtn.) und „deuteronomistisch“ (dtr.) unterschieden. Als „deuteronomisch“ (dtn.) bezeichnet man Texte, die zu vorexilischen Redaktionsschichten des → Deuteronomiums
Der Begriff post-deuteronomistisch (post-dtr.) wird in der Regel für nachexilische Texte gebraucht, jedoch sehr unterschiedlich. Er kann zum einen Texte bezeichnen, die sekundär in einen dtr. Kontext eingefügt worden sind, ohne dass sie selbst dtr. sein müssen, zum anderen Texte, welche neben dtr. Eigenarten auch eine andere Prägung aufweisen, z.B. priesterschriftlichen Einfluss. Man sollte nur dann von „nach-dtr.“ Sprechen, wenn es sich um Textabschnitte handelt, die zwar in einen dtr. Kontext eingefügt wurden, aber nicht mehr zu der (letzten) dtr. Redaktion eines Buches oder Textzusammenhangs gehören.
2. Merkmale des Deuteronomismus
Als typisch dtr. gelten gewisse theologische Vorstellungen, insbesondere eine bestimmte Geschichtskonzeption, und geprägte sprachliche Wendungen. Beide bilden die Kriterien, die nötig sind, um einen Text als dtr. zu bezeichnen. Je nachdem, wie weit bzw. eng man diese Kriterien definiert, werden mehr bzw. weniger Texte als dtr. charakterisiert.
2.1. Charakteristika dtr. Theologie. Theologisch ist für den Deuteronomismus kennzeichnend, dass er das Ende Israels 722 v. Chr. und das Ende Judas 587 v. Chr. (→ Zerstörung Jerusalems
2.2. Typisch dtr. Stil und dtr. Wendungen. Die ausführlichste Auflistung dtr. Sprachwendungen findet sich in einer Tabelle am Ende des wichtigen Buches von M. Weinfeld. Ein typisch dtr. Satz findet sich zum Beispiel in Dtn 6,1
„Dies sind die Gesetze und Gebote und Rechte, die JHWH, euer Gott, geboten hat, dass ihr sie lernen und tun sollt in dem Lande, in das ihr zieht, es einzunehmen, damit du dein Leben lang JHWH, deinen Gott, fürchtest und alle seine Rechte und Gebote hältst, die ich dir gebiete, du und deine Kinder und deine Kindeskinder, auf dass du lange lebest.“
Dieser Satz zeigt folgende Besonderheiten: Grammatikalisch kann man die dtr. Sprache als „barock“ bezeichnen. Viele Aufforderungen zum Gesetzesgehorsam werden mit Synonymen bzw. einem Hendiadyoin oder einem Hendiateris zum Ausdruck gebracht, wie z.B. hier „Gesetze, Gebote und Rechte“. Ferner bevorzugt der dtr. Stil verschachtelte Relativsätze. Typisch dtr. ist im obigen Beispiel auch die Motivation zum Einhalten der Gebote: ein langes Leben in dem von Gott verheißenen Land.
Weiter typisch dtr. Ausdrücke, die auch die dtr. Theologie reflektieren, sind z.B.:
● Die Apposition „dein / euer Gott“ bzw. „Gott eurer / ihrer Väter“ zur Bezeichnung JHWHs;
● „keinen anderen Göttern nachfolgen“ (hauptsächlich in Deuteronomium, den Königsbüchern und im Jeremiabuch);
● das Land, das JHWH den Vätern geschworen (eidlich verheißen) hat, ihnen bzw. den Nachkommen zu geben (sehr oft im Deuteronomium, auch im Josua- und im Jeremiabuch);
● JHWHs unerlässliches Senden seiner Knechte, der Propheten (hauptsächlich in den Königsbüchern und im Jeremiabuch);
● „seit dem Tag, an dem ihre / eure Väter aus dem Land Ägypten herausgezogen seid, bis auf den heutigen Tag“ (Deuteronomium, Königsbücher und Jeremiabuch).
3. Das deuteronomistische Geschichtswerk (dtrG)
3.1. Die Achsenstellung des Deuteronomiums
3.1.1. Exodus bis Deuteronomium. In der Hebräischen Bibel ist das Deuteronomium das letzte Buch des Pentateuchs, das mit dem Tod des → Mose
3.1.2. Deuteronomium bis 2Könige. Das Deuteronomium ist jedoch nicht nur einfach ein Testament, das die vorangehenden Erzählungen und Gesetzessammlungen abschließt. Es fungiert ebenso als Einleitung zu den folgenden „historischen“ Büchern der Hebräischen Bibel (→ Josua
Das Deuteronomium bereitet den Leser jedoch nicht nur auf die Landnahmeerzählungen im Buch Josua vor, sondern auch auf die folgenden Bücher. So enthält etwa Dtn 6,12-15
„dann hüte dich, dass du nicht JHWH vergisst, der dich herausgeführt hat aus dem Land Ägypten, aus dem Sklavenhaus. […] Ihr sollt nicht anderen Göttern folgen von den Göttern der Völker rings um euch her, denn ein eifersüchtiger Gott ist JHWH, dein Gott, in deiner Mitte. Sonst entflammt der Zorn JHWHs, deines Gottes, gegen dich, und er vertilgt dich von der Erde.“
Das Buch der Richter öffnet mit der Feststellung, dass dieser Mahnung nicht Folge geleistet wurde. Ri 2,12-14
„[Sie] verließen JHWH, den Gott ihrer Väter, der sie herausgeführt hatte aus dem Land Ägypten, und sie liefen anderen Göttern nach, Göttern der Völker rings um sie her […]. Und der Zorn JHWHs entbrannte über Israel […] Und er verkaufte sie in die Hand ihrer Feinde ringsum, und sie konnten nicht mehr bestehen vor ihren Feinden.“
Damit wird die Anarchie der Richterzeit in Moses letzter Ansprache im Deuteronomium bereits vorausgesagt. Das Deuteronomium spielt jedoch auch auf die Schlussereignisse der Vorderen Propheten an, die Zerstörung Jerusalems und das Exil (vgl. bereits Dtn 6,15
Die Ähnlichkeiten in Stil, Ausdruck und Inhalt zwischen den Büchern Deuteronomium, Josua, Richter, Samuel und Könige haben Forscher zu der Annahme geführt, dass diese Bücher gemeinsam ein „deuteronomistisches Geschichtswerk“ (dtrG) bildeten, das die Bücher Deuteronomium bis Könige umfasste.
Anders als die Tora (der Pentateuch) wird das dtrG in der jüdischen und christlichen Tradition nicht als eine spezifische Einheit anerkannt; die Bezeichnung entstammt erst der modernen Bibelexegese. Als „Vater“ des dtrG gilt Martin Noth, der 1943 seine Überlieferungsgeschichtlichen Studien vorlegte. Er war zwar nicht der Erste, der von deuteronomistischen Redaktionen sprach, neu war die Annahme der kompositionellen Einheit der Bücher Deuteronomium bis Könige, die er als sorgfältig ausgearbeitetes Geschichtswerk beschrieb, welches auf einen einzelnen „Autor“ (Noth spricht manchmal auch von „Redaktor“), nämlich den „Deuteronomisten“ (Dtr.) zurückgehe.
3.2. Die Vorgeschichte der dtrG-Hypothese
3.2.1. Die ersten Schritte auf dem Weg zur Idee
3.2.1.1. So wie die Rabbiner den Pentateuch (mit Ausnahme von Dtn 34
Die Rabbiner interessierten sich jedoch nicht für die zahlreichen sprachlichen, stilistischen und ideologischen Ähnlichkeiten zwischen Josua, Richter, Samuel und Könige. Auch maßen sie der Tatsache kaum Bedeutung zu, dass das letzte Buch des Pentateuchs (das Deuteronomium) auch als Einleitung zur Geschichte der Landnahme in Josua dient.
3.2.1.2. Erst im 16. Jh. gab es erste Ansätze einer im eigentlichen Sinne kritischen Untersuchung der Vorderen Propheten. In jener Zeit begannen Humanisten wie Reformatoren, die traditionelle Auffassung über die Autoren der biblischen Bücher kritisch zu hinterfragen.
Johannes Calvin (→ Calvin
Andreas Masius, ein katholischer Gelehrter, vertrat eine radikalere Position. In seiner kritischen Edition der griechischen und hebräischen Texte von Josua (1574) erblickt er in → Esra
Ein Jahrhundert später vertrat der jüdische Philosoph Baruch Spinoza dieselbe Meinung, jedoch für den gesamten Text von Genesis bis Könige, und meinte somit, im Pentateuch und den Vorderen Propheten einen zusammenhängenden Text zu erkennen. Spinoza merkt jedoch auch an, dass das Deuteronomium die ideologische Grundlage für die Interpretation der folgenden Geschichte schaffe. In seinem Tractatus theologico-politicus (1670), schreibt er: „So zielen alle diese Bücher dahin ab, die Sprüche und Gebote Mosis zu erzählen und durch den Ausgang der Dinge zu bestätigen“ (Tractatus, 8.Kapitel). Damit hat Spinoza bereits den „deuteronomistischen“ Charakter der auf das Deuteronomium folgenden Bücher erkannt.
3.2.1.3. Gegen Ende des 18. Jh.s wurde das traditionelle Verständnis der Vorderen Propheten ernsthaft in Frage gestellt. Deutlich wurde, dass die Autoren des Deuteronomiums und der Vorderen Propheten keine Zeitgenossen der dargestellten Ereignisse sein konnten. Man hatte zudem bereits eine gewisse Ahnung von den ideologischen Linien, die die biblische Darstellung der Geschichte Israels prägen, und wenigstens Spinoza hatte schon erkannt, dass diese ideologischen Vorgaben eng mit dem Deuteronomium zusammen- oder gar von ihm abhingen. Die kritische Bibelauslegung des 19. Jh.s sollte auf diesen Entdeckungen aufbauen.
3.2.2. Die Entdeckung des „Deuteronomismus“
In einer Fußnote seiner Doktorarbeit aus dem Jahr 1805 identifizierte der Gelehrte → Wilhelm M.L. de Wette
Diese Vorschläge wurden aufgenommen von Bischof John W. Colenso, der eine genaue Untersuchung des hebräischen Wortschatzes des Deuteronomiums vornahm. Er betonte nicht nur die Unterschiede im Wortschatz zwischen diesem Buch und denen des Tetrateuchs, sondern auch die zahlreichen Parallelen zur Sprache der Vorderen Propheten.
3.2.3. Die Vertiefung der Idee von deuteronomistischen Redaktoren
3.2.3.1. Im Jahr 1843, genau 100 Jahre vor dem Erscheinen von Noths Studien, begann Heinrich Ewald mit der Veröffentlichung seiner sechsbändigen Geschichte Israels. Im ersten Band legt er eine umfassende Hypothese zur Redaktion der Bücher Genesis bis 2Könige vor. Er bezeichnet die Sammlung Genesis bis Josua als „großes Buch der Ursprünge“ und die der Bücher Richter, Rut (von ihm nach dem griechischen Kanon eingeordnet), Samuel und Könige als „großes Buch der Könige“. Nach Ewalds Auffassung ist diese zweite Sammlung in ihrer endgültigen Form das Ergebnis der Arbeit zweier deuteronomistischer Redaktoren. Der erste, der noch die Existenz der Monarchie voraussetze (erkennbar in 1Sam 12
3.2.3.2. In der zweiten Hälfte des 19. Jh.s war die alttestamentliche Forschung so fasziniert von der Urkundenhypothese (→ Pentateuchforschung
3.2.3.3. Julius Wellhausen (→ Wellhausen
3.2.3.4. In jener Zeit wurde zunehmend deutlich, dass auch andere Bücher der Hebräischen Bibel dtr. Bearbeitungen erfahren hatten. Bernhard Duhm (→ Duhm
Zu Beginn des 20. Jh.s war die These von der Existenz dtr. Texte im Penta- bzw. Hexateuch bereits weitgehend akzeptiert. Es sollte jedoch noch weitere 40 Jahre dauern, bis mit Martin Noth ein Forscher eine umfassende Theorie vorlegte, die ihre Herkunft erklären konnte.
3.3. Martin Noths Hypothese eines einheitlichen dtrG
3.3.1. Voraussetzungen und Hintergründe der Hypothese
Als Noth seine Überlieferungsgeschichtliche Studien verfasste, konnte er sich auf die Arbeiten de Wettes, Ewalds, Wellhausens, Drivers und anderer stützen, die den „deuteronomischen Stil“ bereits definiert und die Präsenz dtr. Redaktionen in den historischen Büchern nachgewiesen hatten. Da jedoch zu jener Zeit die Mehrheit der Forscher an die Existenz eines Hexateuchs glaubte, bestand wenig Interesse, die Kontinuität zwischen Deuteronomium und Josua einerseits und die Kohärenz zwischen dem Deuteronomium und den Vorderern Propheten andererseits zu erklären.
Noths Ansatz war stark der Methode der „Überlieferungsgeschichte“ verpflichtet. Der überlieferungsgeschichtliche Ansatz interessiert sich für die Entwicklung und Entstehung der größeren Einheiten, des Pentateuchs, der → Chronikbücher
3.3.2. Die Überlieferungsgeschichtlichen Studien
Noth schrieb diese Studie, die zu einem der wichtigsten Beiträge der alttestamentlichen Exegese werden sollte, im Jahr 1943, während des Zweiten Weltkrieges, in Königsberg. Die Existenz dtr. Redaktion(en) der Vorderen Propheten hielt er für gesichert; das Neue seines Ansatzes war die Art und Weise, auf die er versuchte nachzuweisen, dass die dtr. Texte auf eine in sich geschlossene, einheitliche Redaktion zurückgehen könnten, auf einen einzelnen Redaktor, den Deuteronomisten („Dtr.“).
Nach seiner Auffassung finden sich Beweise für die Existenz einer solchen Redaktion in der Beobachtung, dass „Dtr an allen wichtigen Punkten des Geschichtsverlaufs die führend handelnden Personen mit einer kürzeren oder längeren Rede auftreten läßt […]. Anderwärts werden die zusammenfassenden Geschichtsbetrachtungen, sei es daß sie sich zur Wiedergabe in Redeform nicht eigneten oder passende geschichtliche Personen als Sprecher nicht zur Verfügung standen, von Dtr selbst in erzählender Form dargeboten.“ (5). Derartige Passagen finden sich in Jos 1,1-9
Diese Texte gliedern die dtr. Darstellung der Geschichte Israels in verschiedene Zeitabschnitte: die Landnahme unter Josua (Jos 1
Noths Auffassung nach fügte der Deuteronomist das sogenannte Urdeuteronomium (Dtn 5-30
Ausgehend vom Deuteronomium erzählt der Deuteronomist die Geschichte Israels von den Anfängen unter Mose in der Wüste bis zum Fall Jerusalems und zum babylonischen Exil. Es ging ihm darum zu zeigen, dass das Ende des Königreiches Juda der Unfähigkeit seines Volkes und seiner Führer zuzuschreiben sei, die Vorschriften des deuteronomischen Gesetzes zu beachten. Im Gegensatz zu der unter seinen Zeitgenossen zweifellos verbreiteten Auffassung war die Katastrophe von 597/587 kein Beweis dafür, dass der Nationalgott JHWH von den babylonischen Gottheiten besiegt worden war. Die Eroberung Jerusalems müsse vielmehr als Strafe JHWHs gegen sein Volk verstanden werden.
Noth betrachtet den Deuteronomisten auch als Historiker, vergleichbar den griechischen und römischen Geschichtsschreibern, die ebenfalls alte Traditionen neu bearbeiteten. Die Haltung des Deuteronomisten gegenüber seinem Material ist für Noth die eines „ehrlichen Maklers“. Er integriert in sein Werk alle ihm zur Verfügung stehenden alten Materialien, auch wenn diese seiner eigenen Sicht der Dinge widersprechen. Aus diesem Grunde sprach Noth von dtrG als einem wahren „Geschichtswerk“. Was das soziale Milieu betreffe, so ist es „nicht erkennbar, daß Dtr. sein Werk im Auftrag eines einzelnen oder einer bestimmten Gruppe geschrieben habe. Wir haben es also wohl mit der aus eigener Initiative unternommenen Arbeit eines Mannes zu tun.“ (1967, 110). In seiner abschließenden Fußnote (1967, 110, Anm. 1) schlägt Noth vor, dass der Deuteronomist in Palästina gelebt haben könne, wahrscheinlich in der Gegend von → Mizpa
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das dtrG, welches die Bücher Deuteronomium bis Könige umfasst, nach Noth während der babylonischen Besetzung Judas um 560 v. Chr. entstand. Der Deuteronomist ist für ihn zugleich ein verlässlicher Herausgeber alter Dokumente und Materialien und ein Autor, der die erste umfassende Darstellung der Geschichte Israels entwickelt habe, inklusive einer Periodisierung – all dies, um die abschließende Katastrophe zu erklären.
Es lässt sich fragen, ob Noths Deuteronomist nicht auch, wenigstens zum Teil, seine persönliche soziale Situation widerspiegelt: ein einzelner Intellektueller, der vor dem möglichen Ende der Geschichte seiner Nation steht. Was auch immer die möglichen Verbindungen zwischen dem gesellschaftlich-politischen Kontext des Werkes von Noth und seiner Präsentation des dtrG sein mögen, gehen sie nicht notwendigerweise zulasten der Gültigkeit seiner Hypothese. Sie können jedoch helfen, einige der wichtigsten Änderungen zu verstehen, die diese Hypothese nach dem Erscheinen der Überlieferungsgeschichtlichen Studien erfuhr.
3.3.3. Erste Reaktionen auf Noths Modell
Noths These erfuhr eine indirekte Bestätigung durch die Arbeiten Alfred Jepsens und Ivan Engnells. Jepsen hatte 1939 eine Untersuchung über die Entstehung der Königsbücher verfasst, die erst im Jahr 1953 erschien. Darin postuliert er eine prophetische Redaktion der Königsbücher, um 550 v. Chr., die Noths Deuteronomistem ähnelt. Engnell, unterteilte den Enneateuch in ein „P-Werk“ (Gen - Num) und ein „D-Werk“ (Dtn - Kön), was mit der von Noth vorgenommenen Abgrenzung des dtrG übereinstimmte, wenn auch Engnell die Entstehung der Werke auf mündliche Überlieferung und nicht auf einen Autor bzw. Redaktor zurückführte.
Da die erste Auflage der Überlieferungsgeschichtlichen Studien nur einem kleinen Kreis von Forschern bekannt wurde, setzte die eigentliche Rezeption der These von einem dtrG erst mit der zweiten Auflage im Jahr 1957 ein. Daraufhin bürgerte sich in alttestamentlichen Kreisen der Begriff vom „dtr. Geschichtswerk“ ein. Aber obwohl das Konzept als solches bei der großen Mehrheit der Forscher auf Zustimmung stieß, galt dies nicht für alle Vorstellungen, die Noth damit verband. Einige bezweifelten, dass der Deuteronomist eine Einzelperson war, und dachten vielmehr an eine Gruppe oder Schule von Schriftgelehrten, während andere es für wahrscheinlicher hielten, dass der Deuteronomist (nach Noth ein Angehöriger judäischer intellektueller Kreise) unter den nach Babylon Deportierten zu suchen sei. Andere wiederum fragten sich, ob der Deuteronomist eine solch lange Geschichte geschrieben hätte, wenn er tatsächlich keinerlei Zukunftshoffnung hatte.
Schließlich gab es auch Forscher, die die gesamte Hypothese eines dtrG skeptisch beurteilen, so etwa Otto Eißfeldt (→ Eißfeldt
3.4. Frank Moore Cross’ Hypothese einer doppelten Redaktion
Noth zufolge hatte der Deuteronomist eine höchst pessimistische Sicht der Geschichte Israels, weshalb er sich für Texte, die mit einem solchen Pessimismus schwer in Einklang zu bringen sind, wenig interessierte, wie zum Beispiel die Verheißung einer ewigen Dynastie an David in 2Sam 7
Auf der Grundlage solcher und anderer Beobachtungen verteidigte Frank Moore Cross in einem Artikel von 1968 (wieder veröffentlicht 1973) die Existenz einer ersten Ausgabe des dtrG, die in die Zeit Josias zu datieren sei, und kehrte damit im Grunde zu Wellhausen zurück. In seiner Analyse der Bücher Samuel und Könige macht Cross zwei große Themen des dtrG aus: die enge Verbindung zwischen JHWH und der Dynastie Davids sowie die „Sünde Jerobeams“, d.h. den Bau von jahwistischen Heiligtümern in → Dan
Die Edition des dtrG unter Josia schloss mit 2Kön 23,25
Das Modell einer doppelten Redaktion von dtrG wurde unter amerikanischen und anderen Forschern aus dem englischsprachigen Raum bald maßgebend. Eine beeindruckende Zahl von Cross-Schülern untermauerte die Theorie ihres Lehrers, so etwa Richard Nelson, der in seiner Dissertation (veröffentlicht 1981) nachzuweisen versuchte, dass sich der Stil von 2Kön 23,25b-25,30
Diese Neuformulierung der These eines dtrG brachte die Nothsche Interpretation ins Wanken. Cross teilte die Auffassung Noths, dass klar zwischen dem Tetrateuch und dem dtrG zu unterscheiden sei, jedoch implizierte eine Erstausgabe des dtrG unter Josia eine gänzlich andere Theologie, als Noth sie dem Deuteronomisten unterstellte. In der Darstellung Cross’ wurde das dtrG zu einem Propagandawerk der Kultreform Josias und seiner militärischen Ambitionen.
3.5. Rudolf Smends Hypothese mehrerer exilischer Redaktionen
In der deutschsprachigen Forschung nahmen die Dinge eine gänzlich andere Wendung. In einem 1971 veröffentlichen Artikel legte Rudolf Smend, ein früherer Assistent von Noth, die Grundlagen für eine Neubestimmung des dtrG, die zur „Göttinger Schule“ werden sollte. Smend stützte seine Ausführungen auf die Beobachtung, dass einige dtr. Texte offensichtlich mehrschichtig sind. Noth hatte bereits den sekundären Charakter einiger „dtr.“ Texte festgestellt, ohne sich jedoch besonders für deren Herkunft oder Kontext zu interessieren.
Smends Studie basiert auf einer Analyse von Jos 1,1-9
Walter Dietrich, ein Smend-Schüler, entdeckte eine weitere dtr. Schicht, geprägt von einem Interesse an der Prophetie, die er als DtrP (der prophetische Deuteronomist) bezeichnete. Dietrichs Auffassung nach gehören die meisten der prophetischen Geschichten und Orakel in den Samuel- und Königsbüchern nicht zur Erstausgabe des dtrG, sondern entstammen der Feder des DtrP, der zeigen wollte, dass all das, was JHWH durch die Propheten ankündigt, sich tatsächlich bewahrheitet. Deshalb gibt DtrP jedem Orakel einen Hinweis auf seine Erfüllung bei (vgl. z.B. 1Kön 14,7-13
In zwei 1975 bzw. 1977 erschienenen Studien wandte Timo Veijola dieses neue Dreiredaktionen-Modell auf die Samuel-Bücher an. Aus seiner Sicht bot das diachrone Modell der Göttinger Schule eine überzeugende Erklärung für die komplexe, in sich widersprüchliche Position des dtrG gegenüber der Institution der Monarchie. Während DtrH die Monarchie noch positiv bewertete (1Sam 9-10
Die Smend-Schule steht Noth insofern nahe, als auch sie die dtr. Schichten in die Exilzeit datiert; sie gibt jedoch die Vorstellung von einem einzigen Autor bzw. Redaktor auf. Smend zufolge kann DtrN weiter unterteilt werden in DtrN1, DtrN2, usw. – eine Sicht, die einer Inflation dtr. Schichten prinzipiell Tür und Tor öffnet und damit theoretisch der Vorstellung von einem einheitlichen, in sich geschlossenen dtrG widerspricht.
3.6. Die „Neu-Nothianer“
Trotz – oder vielleicht gerade wegen – diesen Verfeinerungen und Multiplikationen dtr. Schichten sprachen sich einige Forscher für eine Rückkehr zum Nothschen Modell eines einzelnen Deuteronomisten aus, der während der Exilzeit wirkte. Dies gilt besonders für John Van Seters, der das Modell Noths jedoch in zwei wichtigen Punkte modifizierte.
Im Gegensatz zu Noth, der den Deuteronomisten im Wesentlichen für einen „ehrlichen Makler“ hielt, der eine große Zahl alter Traditionen integriert habe, ging der Deuteronomist nach Van Seters’ Einschätzung äußerst frei mit den Traditionen um, die ihm zur Verfügung standen, um seine eigene Darstellung der Geschichte Israels zu erarbeiten, so dass es in den meisten Fällen sinnlos sei, sich um die Rekonstruktion der Originaldokumente zu bemühen. Während Noth die Widersprüche und Spannungen innerhalb von Deuteronomium bis Könige auf den Respekt des Deuteronomisten gegenüber seinen Quellen zurückführt, hält Van Seters die meisten ideologischen und theologischen Divergenzen im dtrG für spätere Zusätze zum Originalwerk. Dies gilt besonders für die sogenannte “→ Thronnachfolgegeschichte
Steven L. McKenzie vertritt eine Position, die der von Van Seters ähnelt, und denkt ebenfalls an einen einzelnen dtr. Autor aus der Zeit des Exils. In seinem Artikel über 1Sam 8-12
Die Ansätze von Van Seters und McKenzie betonen erneut die Kohärenz des dtr. Werkes, auch wenn ihr dtrG schmaleren Umfangs ist als das von Noth. Das Hauptproblem dieses Ansatzes ist jedoch, dass die meisten der post-dtr. Zusätze zu DtrG keinen eindeutigen geschichtlichen und ideologischen Kontext haben. Offen bleibt auch die Frage, wie sich diese Schichten zur dtr. Edition des Tetrateuchs und einiger Bücher der Vorderen Propheten verhalten.
3.7. Neuere Kritik an der Hypothese des deuteronomistischen Geschichtswerkes
Die Vervielfachung der dtr. Schichten, besonders durch die Göttinger Schule, stellt bereits die Annahme eines einheitlichen dtrG in Frage. Zahlreiche Forscher scheinen deshalb versucht, die Vorstellung eines in sich geschlossenen dtrG aufzugeben.
Claus Westermann greift die alten Kritikpunkte gegen Noth wieder auf: Die verschiedenen Bücher, die das sogenannte dtrG bilden, haben weder einen einheitlichen dtr. Sprachgebrauch noch eine einheitliche dtr. Theologie. Anders als die Königsbücher enthält das Richterbuch ein zyklisches Geschichtsbild, während sich in den Samuelbüchern kaum charakteristische Züge der dtr. Sprache ausmachen lassen. Westermann zieht deshalb den Schluss, dass jedes Buch der Vorderen Propheten einem jeweils eigenen Sitz im Leben entstamme. Auch wenn es verschiedene Redaktoren gegeben habe, hätten diese die alten mündlichen Traditionen treu wiedergegeben, weshalb die Texte der Vorderen Propheten als Quasi-Augenzeugenberichte der dargestellten Ereignisse zu bewerten seien.
Ernst Würthwein, A. Graeme Auld und Erik Aurelius vertreten die Ansicht, dass der älteste Kern des „dtrG“ in Könige zu finden sei. Später, im Zuge eines mehrstufigen Prozesses, seien die Bücher Samuel und Richter diesem Kern hinzugefügt worden, noch später dann das Deuteronomium und der Tetrateuch. E. Axel Knauf gelangt zu ähnlichen Schlussfolgerungen und argumentiert, dass nur (die Samuel- und) die Königsbücher als „dtrG“ zu bezeichnen seien. Aus seiner Sicht stellt das Deuteronomium keine passende Eröffnung eines dtrG dar. Nach der dtr. Ideologie sollte die Geschichte Israels mit dem Exodus beginnen. Wenn man allerdings die These einer „großen deuteronomistischen Geschichte“ vertreten wollte, die auch Exodus und Numeri umfasst, stellen sich neue Fragen. Wie etwa lässt sich die Präsenz von Texten wie Dtn 1-3
Gegen Hartmut Rösel und andere, die meinen, dass es kein übergreifendes dtr. Thema gebe, das die Bücher von Deuteronomium bis Könige miteinander verbinde, finden sich einige Indizien für einen dem dtrG eigenen Sprachgebrauch, der sich vom Deuteronomium bis zu den Königsbüchern erstreckt. So ist zum Beispiel die Warnung vor den „anderen Götter“ (אֱלֹהִים אֲחֵרִים ’elohim ’aḥerim) im gesamten dtrG ein gängiger Ausdruck, in Exodus jedoch nur zwei oder drei Mal belegt (Ex 20,3
Das Exil selbst, die Deportation aus dem Land, das Israel gegeben wurde, ist ein weiteres Leitmotiv, das das gesamte dtrG durchzieht. Mit Ausnahme von Lev 26,27-33
Ein weiteres Argument für die Einheit von Deuteronomium bis Könige besteht darin, dass das Deuteronomium, als eine große Rede des Mose am Ende seines Lebens konzipiert, das perfekte Modell für die Reden und Testamente (→ Abschiedsreden
Diese Beobachtungen erlauben es, die Bücher Deuteronomium bis Könige weiterhin als ein „dtrG“ zu bezeichnen, jedoch anders, als es Noth verstanden hat.
3.8. Der aktuelle Diskussionsstand
Angesichts der Vielzahl der Modelle, die in den vergangenen 50 Jahren entwickelt wurden, und angesichts der jüngsten Stimmen, die dafür plädieren, diese Hypothese eines dtrG ganz fallen zu lassen, entsteht der Eindruck einer großen Dissonanz.
Jede der oben vorgestellten Hypothesen enthält jedoch interessante Beobachtungen. Das Cross’sche Modell bietet eine einleuchtende Erklärung für die Texte, die von JHWHs immerwährenden Verheißungen zu David sprechen und optimistisch in die Zukunft blicken. Texte wie 2Sam 7
Jedoch bietet der von Cross vorgeschlagene historische Kontext für die meisten Texte des dtrG keine überzeugende Erklärung, insofern sie die Zerstörung Jerusalems und des Tempels bereits voraussetzen: Diese können nicht einfach nur „Aktualisierungen“ eines bestehenden Dokumentes sein. Die Göttinger Schule betont zu Recht die Katastrophe des Exils als das zentrale Thema des dtrG, was besonders an den wiederholten Mahnungen JHWHs gegenüber seinem Volk und dessen Königen und an der Androhung des Landverlustes deutlich wird. Die These von der Existenz mindestens dreier redaktioneller Schichten verweist auf die Komplexität der dtr. Texte in Deuteronomium - Könige.
Auf der anderen Seite steht die Vervielfachung der dtr. Schichten in gewisser Weise im Zusammenhang mit der jüngsten Kritik an der Theorie des DtrG als solcher: Dass es Unterschiede zwischen der redaktionellen Bearbeitung des Richterbuchs im Vergleich mit den Königsbüchern gibt, ist eine Tatsache, die ernst zu nehmen ist. Somit ist zu überlegen, ob die Aspekte, die von Vertretern der unterschiedlichen Hypothesen diskutiert werden, nicht Grundlage für einen Kompromiss bilden könnten.
Iain W. Provan betont in seiner Arbeit über die Königsbücher, dass der dtr. Schule am meisten an der Abschaffung der bamôt (Heiligtümer unter freiem Himmel; → Kulthöhe
Norbert Lohfink (1981) geht von der Existenz einer Eroberungserzählung aus, die sich auf Deuteronomium und Josua beschränke (Dtn 1
Diese Beobachtungen bestätigen die Hypothese, dass der Beginn der dtr. literarischen Arbeit in die neuassyrische Zeit fiel. Die bloße Existenz einer Schreibertätigkeit unter Josia erlaubt jedoch nicht die Datierung des dtrG in der von Noth beschriebenen Form in jene Zeit. Viel wahrscheinlicher ist, dass ein solch umgreifendes „Geschichtswerk“ nicht vor dem Exil entstand, als die ehemaligen königlichen Schreiber versuchten, die nationale und theologische Krise der Jahre 597/587 zu verarbeiten.
Sollten die dtr. Schreiber bereits unter Josia aktiv gewesen sein, muss ihre literarische Tätigkeit auf die eine oder andere Weise den Interessen des Hofes verpflichtet gewesen sein. Es handelte sich dann nicht um eine gehobene historiographische Schreibübung, sondern ganz konkret um Propagandaliteratur. Eine erste Fassung von Samuel bis Könige* könnte so entstanden sein, um die Herrschaft Josias zu legitimieren, der als würdiger Nachfolger Davids präsentiert wird, während ein im Geist der assyrischen Eroberungserzählungen redigiertes Dokument (Dtn - Jos*) die Politik Josias rechtfertigen und die Gebietsansprüche Judas als Gottesauftrag darstellen sollte. Ein solcher Kompromiss zwischen den verschiedenen Analysen der Entstehung von dtrG scheint eine Lösung zu bieten, welche in Bezug auf die Theorie des dtrG die meisten Beobachtungen und Kritikpunkte vereinen kann.
Danach wären drei prinzipielle Etappen anzunehmen: a) die Anfänge des Deuteronomismus unter Josia: Dazu gehören die erste Ausgabe des Deuteronomiums und des Buches Josua sowie die Geschichte der Königszeit in den Büchern Samuel und Könige; b) die Ausarbeitung eines „dtrG“ in der babylonischen oder frühen Perserzeit, das die Gründe für die Zerstörung Jerusalems und die Deportation des Königs und der „Oberen Zehntausend“ (2Kön 24,14
So dürfte die Abfassung und Pflege des dtrG in der Hand von mehreren Schreibern liegen, was dann auch Abweichungen in Sprachgebrauch und Syntax erklären könnte. Vielleicht hat es das dtrG nie auf einer einzigen, sondern auf mehreren Schriftrollen gegeben, so dass man von einer dtr. Bibliothek sprechen kann, zu der neben den die Bücher Deuteronomium bis Könige umfassenden Schriftrollen auch andere wie Jeremia oder die Moseerzählung hinzukamen.
Die verschiedenen Visionen der sukzessiven Ausgaben des dtrG schlagen sich auch in deren Schlussversen nieder.
1. 2Kön 23,25. „Wie er war vor ihm kein König, der von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit seiner ganzen Kraft zu Jhwh umkehrte, ganz nach der Tora Moses“. Die josianische Ausgabe der Königsbücher will die Daviddynastie und deren größten Repräsentanten Josia feiern.
2. 2Kön 25,21. „Und so führte man Juda von seinem Boden in das Exil“. Diese wohl das exilische dtrG ursprünglich beschließende Bemerkung stellt das Exil als Abschluss der ganzen Geschichte dar, und kreiert gleichzeitig den Mythos vom „leeren Land“ (→ Zerstörung Jerusalems
3. 2Kön 25,22-26. Falls 2Kön 25,21
4. 2Kön 25,27-30. Wie ist nun aber der Abschnitt 2Kön 25,27-30
3.9. Die Auflösung des dtrG
Das dtrG wurde schließlich um 400-350 v. Chr. „aufgelöst“, als das Buch Deuteronomium zum letzten Buch der Tora wurde und die Diskussion um Hexa- oder Pentateuch zugunsten des Pentateuchs entschieden wurde (Römer / Brettler).
In diesem Kontext wurde das Deuteronomium von einer Pentateuchredaktion dahingehend überarbeitet, dass die Trennung zwischen Deuteronomium und Josua deutlich wird und dass das Deuteronomium nun vor allem als Abschluss des Pentateuchs erscheint. Dies ist in Dtn 34,10-12
Die Zugehörigkeit des Deuteronomiums zu den vorangehenden Büchern wird ebenfalls durch die Einfügung der Patriarchennamen an strategisch wichtigen Stellen des Deuteronomiums bewerkstelligt, so z.B. ganz zu Anfang (Dtn 1,8
4. Deuteronomismus außerhalb des dtrG
4.1. Im Tetrateuch (Gen bis Num)
Heute geht man oft davon aus, dass sich dtr. Redaktionen auch im Tetrateuch (Gen - Num) und in einigen prophetischen Büchern finden. Einige Forscher nehmen etwa an, dass die sogenannte jahwistische Quelle (→ Jahwist
Genauer gesagt wirft die Debatte um deuteronomistische Redaktionen und den „Deuteronomismus“ im Tetrateuch die wichtige Frage auf, welche Kriterien eigentlich erfüllt sein müssen, damit wir einen Text als „deuteronomistisch“ bezeichnen können. Die einzige Möglichkeit, willkürliche Definitionen zu vermeiden, ist eine Kombination theologischer und stilistischer Kriterien. Dann wird es schwierig, viele deuteronomistische Texte in den Erzväter-Erzählungen der Genesis auszumachen. Das friedliche Zusammenleben Abrahams und seiner Nachbarn widerspricht der streng separatistischen Sicht bezüglich der Völker des Landes in dtr. Texten (vgl. Dtn 7,1-5
Der einzige Text der Genesis, der sich deuteronomistischen Texten stilistisch und ideologisch annähert, ist Gen 24
Sehr anders stellt sich die Situation für das Buch Exodus dar, das zahlreiche deuteronomistische Merkmale und Texte enthält, so die „Völkerliste“ in der Geschichte von der Berufung des Mose (Ex 3,8
4.2. Im Deuteronomium
Dass das → Deuteronomium
Im Blick auf diese sehr simple Differenzierung hat sich ein gewisser Konsens ausgebildet, dass insbesondere der vordere und hintere Rahmen des Deuteronomiums zu den potentiell dtr. Texten gehört, also die Texte in Dtn 1-11
Damit stellt sich die Frage, ob das Ur-Deuteronomium außer den Gesetzestexten in Dtn 12-26
Die Frage nach der genauen Zuordnung der dtr. Schichten im Deuteronomium zu den dtr. Schichten in Jos-Kön ist oft schwierig. Demzufolge benennt der neueste Deuteronomium-Kommentar von Eckart Otto (2012), der die Noth’sche Theorie ablehnt, seine beiden dtr. Schichten ad hoc nach inhaltlich-funktionalen Gesichtspunkten, nämlich als „dtr. Horebredaktion“ – also jene Redaktionsschicht, die die Horebereignisse und den Horebbund in das Deuteronomium eingeführt hat – und als „dtr. Moabredaktion“, die einen vom Horebbund unterschiedenen Moabbund einführt. Diese beiden Redaktionen übergreifen nach Otto lediglich die Bücher Deuteronomium und Josua, nicht ein für ihn imaginäres DtrG. Andererseits postuliert Otto aber zu Recht, dass einige der in den letzten Jahrzehnten für dtr. gehaltenen Texte eigentlich post-dtr. und post-priesterschriftlich sein dürften. Das gilt ganz sicher für den offenkundig die priesterschriftliche Darstellung von Gen 1
4.3. In den Prophetenbüchern
4.3.1. Jeremia
Bereits → Bernhard Duhm
Allerdings blieb die Annahme einer oder mehrerer dtr. Redaktionen im Jeremiabuch nicht unwidersprochen. So nahmen z.B. Helga Weippert und William Holladay an, dass es sich bei dem sogenannten dtr. Stil im Jeremiabuch um eine im 7. Jh. v. Chr. geläufige Prosasprache handelt, der sich der Prophet Jeremia sowie die Autoren des Deuteronomiums bedient hätten. Diese Lösung hat wenig Zustimmung erfahren, da sie nicht erklärt, warum andere zeitgenössische Texte nicht in derselben Sprache geschrieben sind und warum sich im Buch Jeremia sich sehr verschiedene Stile finden.
In der neueren Forschung wird wie in Bezug auf das dtrG die Existenz einer kohärenten dtr. Redaktion bestritten. Ausgehend von der Beobachtung, dass sich der dtr. Stil auch noch in sehr späten Texten des Jeremiabuchs findet, die später als die Vorlage der → Septuaginta
Wenn auch zur Zeit kein Konsens über den Charakter der dtr. Texte des Jeremiabuchs bestehet, wird deren Existenz kaum geleugnet; damit besteht dann aber auch eine Beziehung zum dtrG (Dtn-Kön), und es ist durchaus möglich, dass die Deuteronomisten das Buch Jeremia als Ergänzungsschrift zum dtrG konzipiert haben.
4.3.2. Jesaja
In Bezug auf das Buch → Jesaja
4.3.3. Ezechiel
Auch für das Buch → Ezechiel
4.3.4. Zwölfprophetenbuch
Im → Zwölfprophetenbuch
In Bezug auf Hosea wird seit langem diskutiert, ob der Prophet so etwas wie ein „geistiger Vater“ des Deuteronomismus ist oder ob die vielen Texteinheiten, die insbesondere in Hos 4-14
Für das Buch Amos hatte erstmals Werner H. Schmidt die Existenz einer dtr. Redaktion postuliert, welche insbesondere in Am 1,1
Für eine dtr. Redaktion im Micha-Buch haben sich u.a. Alvarez Barredo, Schart, Nogalski, Albertz und Wöhrle ausgesprochen. Wöhrle, der sich auf die Analysen seiner Vorgänger stützt, weist dabei folgende Verse und Textpassagen der dtr. Bearbeitung zu: Mi 1,1
Auch für Zefanja (→ Zefanja
Die Frage nach dtr. Redaktion(en) in den Büchern Hosea, Amos, Micha und Zefanja hängt auch mit der Frage der Existenz eines Vierprophetenbuches zusammen, das bisweilen als die erste Stufe der Entstehung des Dodekaprophetons angesehen wird (Schart, Nogalski, Albertz, Wöhrle). Diese Hypothese, wenn auch nicht generell anerkannt, erkennt den dtr. Einfluss bei der Entstehung des Kanonteils „Propheten“ der Hebräischen Bibel.
4.4. Im Psalter
Dtr. Redaktionen bzw. dtr. Einfluss im Psalter werden in Bezug auf die → Asaf-Psalmen
Auch die anderen sogenannten Geschichtspsalmen (Mathias) nehmen zwar in Ps 105
5. Wer waren die Deuteronomisten?
In der heutigen Diskussion besteht bis auf wenige Gegenstimmen (Van Seters, McKenzie) weitgehende Einigkeit darüber, dass das Sigel „Dtr.“ kein freischaffendes Individuum bezeichnet, sondern eine Gruppe von judäischen Intellektuellen. Von einer „dtr. Bewegung“ sollte man jedoch nicht sprechen (so zu Recht Lohfink), da der „Deuteronomismus“ kein vom Volk getragenes Phänomen war, sondern auf eine kleine Gruppe beschränkt blieb. Wenn man den Terminus „Schule“ in diesem begrenzten Sinn verwendet, kann man von einer „dtr. Schule“ sprechen, die bestimmte Schriftrollen edierte und pflegte. Die Beobachtung, dass innerhalb der Bücher des dtrG stilistische Unterschiede bestehen (z.B. zwischen Richterbuch und Königsbüchern) oder auch zwischen dem dtr. Jeremiabuch und dem dtrG, kann dann so erklärt werden, dass verschiedene Deuteronomisten für die Pflege verschiedener Schriftrollen zuständig waren. Wahrscheinlich hat es das dtrG nie auf einer einzigen Schriftrolle gegeben, sondern in verschiedenen Rollen, die Bestandteile einer „dtr. Bibliothek“ waren, zu der auch Bücher wie Jeremia, eine „Vita Mosis“ und vielleicht auch ein Vierprophetenbuch gehörten.
Falls man die Ursprünge des Deuteronomismus im ausgehenden 7. Jh. ansetzt, ist der Wirkungsort der Deuteronomisten sicher im Tempel- und Palastbetrieb in Jerusalem zu lokalisieren. Texte wie 2Kön 22-23
6. Wirkungsgeschichte
Dtr. Stil und dtr. Theologie haben eine lange Nachwirkung im jüdischen und frühchristlichen Schrifttum. In der Hebräischen Bibel ahmen die Gebete in Neh 9
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