Deuteronomium
(erstellt: Dezember 2008)
Permanenter Link zum Artikel: https://bibelwissenschaft.de/stichwort/11481/
1. Der Name des Buches
Nach Dtn 17,18
Im Alten → Mesopotamien
Unter „Deuteronomium“ („Zweitgesetz“) konnte man auch eine Zweitausfertigung des Gesetzes, im Sinne einer Wiederholung der Gesetzgebung vom → Sinai
2. Inhalt und Aufbau des Buches
Am Ende des Buches → Numeri
1) Dtn 1-4. Die erste dieser Mosereden beginnt mit Jahwes Befehl, Israel solle vom Horeb aufbrechen (Dtn 1,6
In der Erzählfolge ist Mose an der Grenze zum Westjordanland, im Tal gegenüber Beth-Peor (→ Baal-Peor
Der Abschnitt Dtn 4,1-14
2) Dtn 5-28. Mit dem Horeb endet die erste Moserede und beginnt die zweite in Dtn 5. Der → Dekalog
Im Anschluss an Dtn 5 lässt sich das deuteronomische Gesetz in Dtn 12-26 als Entfaltung des Dekalogs verstehen, da der → Dekalog
Zwischen Dtn 5 und dem Beginn des Gesetzes in Dtn 12 sind Abschnitte eingeschoben, die den Stellenwert des Gesetzes und die Möglichkeit, es zu halten, reflektieren. Mit der „Liebe“ (Dtn 6,5
Das deuteronomische Gesetz steht in Dtn 12-26. Im Gegensatz zum → Bundesbuch
Die Gesetze in Dtn 20-26 bieten mit Kriegsrecht, Sozialrecht, Eigentumsrecht und Familienrecht eine Anzahl von Bestimmungen, die assoziativ aneinander gefügt sind. Die Gesetze im Deuteronomium sind nicht wie in unserem heutigen Recht nach randscharf abgegrenzten Sachgesichtspunkten gegliedert, sondern mit einer Technik redaktioneller Verknüpfung verbunden, die auch den Gesetzessammlungen des Alten Mesopotamiens eigen ist. So geht es in Dtn 16,1-17
3) Dtn 29-34. In Dtn 29-30
3. Die literarische Eigenart des Deuteronomiums
Das Deuteronomium (bzw. sein Kern, das deuteronomische Gesetzeskorpus in Dtn 12-26) basiert auf dem Bundesbuch; die Abhängigkeiten stellen sich wie folgt dar:
Ein wenn auch nicht in jedem Falle zu veranschlagender Grund für die Neuformulierung von Gesetzen des Bundesbuches im Deuteronomium ist die Kultuszentralisation. Wenn ein hebräischer Sklave für immer bei seinem Herrn bleiben will, wird er nach Ex 21,6
Dass das Deuteronomium eine Sammlung von Gesetzen ist, macht auch ein Vergleich mit den Gesetzessammlungen des Alten Mesopotamiens deutlich; exemplarisch sei hier nur auf den → Codex Hammurabi
Bei dem letztgenannten Gesichtspunkt verdient es Beachtung, dass die Sorge um die benachteiligten Personengruppen im Codex Hammurabi im Prolog und Epilog erscheint, nicht jedoch im Gesetzeskorpus. Hier geht das Deuteronomium einen Schritt weiter, indem es Versorgungs- und Schutzrechte in seine Gesetzessammlung aufnimmt. Der Vorgang hat eine Analogie im frühen griechischen Recht; so nennt das Recht von Gortyn (5. Jh.) in Col. XII die ορπανοδικασταί („Waisenrichter“).
Für eine Gesetzessammlung spricht auf den ersten Blick auch der Abschluss mit Flüchen in Dtn 28, vergleichbar mit dem Abschluss des Codex Hammurabi. Doch die Flüche in der babylonischen Sammlung garantieren die Unversehrtheit des Schriftträgers, der Stele, die jetzt im Louvre steht, aber sie bestrafen nicht denjenigen, der die Gesetze übertritt. Dergleichen findet sich eher in Vertragstexten als in Gesetzestexten.
4. Die Entstehung des Deuteronomiums
Ein auffälliges Merkmal im Deuteronomium ist der Numeruswechsel. Über weite Strecken des Buches redet Mose Israel an; im Hebräischen kann ein Kollektiv wie Israel im Singular oder im Plural angesprochen werden. Ein Beispiel für die singularische Anrede ist Dtn 6,4-5
Daher ist die Annahme naheliegend, dass mit dem Numeruswechsel keine bloße stilistische Variation, sondern ein Kriterium für literarische Schichtungen vorliegt. Der Numeruswechsel teilt Dtn 12 in zwei Abschnitte: Dtn 12,1-12
In Dtn 12,13-31
Ein Problem für diese Sicht ist Dtn 12,29-31
Dies belastet das Kriterium des Numeruswechsels mit Problemen, denen nur mit einer Bündelung der redaktionskritischen Argumente zu begegnen ist.
Das Buch, auf dessen Grundlage → Josia
In vergleichbarer Weise geht Martin Rose von einem vierstufigen Entstehungsprozess aus (in Klammern die Zuordnung von Versen aus dem obigen Beispieltext Dtn 12):
I. Deuteronomische Sammlung aus der Hiskia-Zeit (v13-19).
II. Deuteronomische Schule aus der Josia-Zeit (v20-27).
III. Ältere deuteronomistische Schicht aus der Exilszeit (v8-12)
IV. Jüngere deuteronomistische Schicht aus spätexilisch-frühnachexilischer Zeit (v2-7.29-31).
Im Gegensatz zu dem Schichtenmodell, das auf eine lange Forschungsgeschichte zurückblicken kann, und für das nur zwei markante Exponenten genannt sind, steht das von Norbert Lohfink und Georg Braulik entwickelte Blockmodell.
Danach gebe es eine älteste Fassung aus der Zeit des Königs → Hiskia
In dieser Überlieferung gibt es auch Elemente, die auf die deuteronomische Bundeskonzeption weisen. Hier war man zunächst auf hethitische Dokumente als Strukturanalogien zum Deuteronomium aufmerksam geworden; vereinzelt wurde mit diesem Rückgriff auf Texte aus dem 2.Jt. sogar die mosaische Verfasserschaft von Teilen des Deuteronomiums erwogen. Eine neue Wendung erhielt die Fragestellung durch den Fund der sog. Vasallenverträge → Asarhaddons
Danach würde dieser Abschnitt der VTE als Matrix gedient haben, in die der Kompilator von Dtn 28 noch weiteres Material aus den VTE eingearbeitet hat, um damit zu der jetzigen Anordnung des deuteronomischen Fluchkapitels in seiner ältesten Stufe zu gelangen. Mit einem Blick auf zweisprachige Texte aus dem Alten Orient könnte man angesichts dieser Parallele von einer Übertragung/Übersetzung einer assyrischen Vorlage ins Hebräische reden.
Damit ist auch ein Hinweis zur Datierung von Dtn 28
Diese Datierungsmöglichkeit avancierte zum neuen archimedischen Punkt der Pentateuchkritik, da das Ausmaß und die Historizität der Josianischen Reform (→ Josia
Ein wesentlicher Fortschritt in dieser Richtung ist Eckart Otto zu verdanken, vor allem mit seinem Hinweis auf VTE §10 und der Parallele in Dtn 13
Nach dieser Vorstellung wäre das Deuteronomium zuallererst ein Bundesdokument gewesen; ihr steht eine andere Richtung, vor allem vertreten von Timo Veijola, gegenüber, nach der die Bundestheologie im Deuteronomium spät ist. Danach böte der Numeruswechsel in Dtn 13 kein Kriterium, anhand dessen die Herausarbeitung einer älteren Schicht mit singularischer Anrede möglich wäre; vielmehr ist der Text im Wesentlichen einheitlich und gehört zu den o.g. Schichten, für die der Numeruswechsel als Kriterium untauglich ist. Bei einer derartigen Spätansetzung stellt sich die Frage, wozu ein assyrisches Vorbild, das in nachexilischer Zeit nicht mehr aktuell war, in Dtn 13 aufgegriffen worden sein soll. Bei Ottos Sicht stellt sich das Problem des dritten Abschnitts von Dtn 13 in v13-19 mit dem Abfall einer ganzen Stadt von Jahwe, der keine Entsprechung in den VTE hat, dafür aber in dem Vertrag aus Sfire.
Ein schwieriges Problem der Forschung liegt in dem Umstand, dass das Deuteronomium einerseits zum → Pentateuch
5. Wirkung des Deuteronomiums
Fraglos ist das Deuteronomium der Maßstab, den die Bücher Jos-2Kön an die Geschichte Israels anlegen. Die häufig gebrauchte Wendung in der Beurteilung des Volkes und der Könige, עשׂה הרע בעיני יהוה „tun, was böse in den Augen Jahwes ist“, entstammt Dtn 17,2
Die Forderung zur Kultuszentralisation war die Voraussetzung zur einzigartigen Stellung Jerusalems, obwohl die Stadt im Deuteronomium nicht ein einziges Mal namentlich genannt wird. Bei den Opfern steht die Freude der Festteilnehmer und -teilnehmerinnen im Vordergrund. Priesterliches Fachwissen teilt das Deuteronomium nicht mit und es wendet sich an die „Laien“-gemeinde.
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
- Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998ff.
2. Forschungsbericht
- Preuss, H.D., Deuteronomium (EdF 164), Darmstadt 1982
3. Kommentare
- Braulik, G., Deuteronomium (NEB 15, 28), Würzburg 1986, 1992
- Perlitt, L., Deuteronomium (BK V, 1-3), Neukirchen-Vluyn 1990-1994
- Nielsen, E., Deuteronomium (HATI/6), Tübingen 1995
- Rose, M., 5. Mose (ZBK 5, 1,2), Zürich 1994
- Veijola, T., Das 5. Buch Mose. Deuteronomium (ATD 8,1), Göttingen 2004
4. Weitere Literatur
- Otto, E., Das Deuteronomium (BZAW 284), Berlin / New York 1999
- Otto, E. / Achenbach, R., Das Deuteronomium zwischen Pentateuch und deuteronomistischem Geschichtswerk (FRLANT 206), Göttingen 2004
- Seitz, G., Redaktionsgeschichtliche Studien zum Deuteronomium (BWANT 93), Stuttgart u.a. 1971
- Steymans, H.U., Deuteronomium 28 und die adê zur Thronfolgeregelung Asarhaddons (OBO 145), Freiburg (Schweiz) / Göttingen 1995
PDF-Archiv
Alle Fassungen dieses Artikels ab Oktober 2017 als PDF-Archiv zum Download:
Abbildungen
Unser besonderer Dank gilt allen Personen und Institutionen, die für WiBiLex Abbildungen zur Verfügung gestellt bzw. deren Verwendung in WiBiLex gestattet haben, insbesondere der Stiftung BIBEL+ORIENT (Freiburg/Schweiz)