Dibon
Andere Schreibweise: Diban; Dhiban; Dhibon
(erstellt: Mai 2006)
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1. Name
Der Ortsname Dibon (דיבון / דיבן) bedeutet „Trauer / Verschmachten“. Die LXX transliteriert Δαιβων (daibōn). Nach Num 32,34
2. Lage und Identifizierung
Der antike, etwa 5 Hektar große Ruinenhügel von Dibon (Tall Ḏībān) liegt 65 km südlich von Jordaniens Hauptstadt Amman unmittelbar nordwestlich der modernen Stadt Ḏībān (Koordinaten: 2380.1012; N 31° 30' 07'', E 35° 46' 35''
Die Identifikation des Siedlungshügels von Ḏībān mit Dibon ist schon früh auf Grund der Ähnlichkeit des modernen Namens der arabischen Stadt gemacht worden. Der Fund einer monumentalen Inschrift des moabitischen Königs → Mescha
3. Biblische Überlieferung
Auf ihrem Weg aus Ägypten durch das Ostjordanland eroberten die Israeliten das Gebiet des Amoriterkönigs → Sihon
Während der Richterzeit (→ Eisenzeit I
In den Völkersprüchen Jesajas und Jeremias gegen Moab (Jes 15
4. Archäologischer Befund
Die archäologische Exploration von Tall Ḏībān wurde (abgesehen von den kurzen Besuchen früherer Forschungsreisender wie R.E. Brünnow und A. von Domaszewski, A. Musil oder N. Glueck) von den American Schools of Oriental Research aufgenommen. In den Jahren 1950-53 und 1955-56 untersuchten Fred Winnett, William Reed und Douglas Tushingham vor allem den südlichen Bereich des Siedlungshügels. Drei weitere Kampagnen (1955-56, 1965) unter der Leitung von William Morton konzentrierten sich auf die Akropolis und die nördlichen Areale. Die Antikenverwaltung von Jordanien begann 2002 ein neues Grabungs- und Restaurationsprogramm; seit 2004 werden diese Arbeiten durch ein neues Grabungsprojekt ergänzt, das von B. Routledge, B. Porter und D. Steen geleitet wird. Die Grabungsergebnisse haben gezeigt, dass Tall Ḏībān von der Frühbronzezeit bis in die frühe osmanische Epoche (15. / 16. Jh.) mit Unterbrechungen besiedelt gewesen ist.
4.1. Die Frühbronzezeit (3200-2000 v. Chr.)
Frühbronzezeitliche Funde sind vor allem im nördlichen Teil des Siedlungshügels gemacht worden. Dort vermuten die Ausgräber auch die Reste eines Tores mit Befestigungsanlagen. Weitere Keramikfunde in anderen Bereichen der Grabung weisen auf eine bedeutende Besiedlung in der Frühbronzezeit. Für die Mittel- und Spätbronzezeit (2000-1200 v. Chr.) lassen sich keine Besiedlungsspuren nachweisen.
4.2. Die Eisenzeit (1200-580)
Für die frühe Eisenzeit (→ Eisenzeit I
Das wesentliche Material aus der späteren Eisenzeit stammt aus dem südlichen Teil von Tall Ḏībān, vornehmlich aus dem Bereich der Befestigungsanlagen. Die Ausgräber haben im Wesentlichen drei Bauphasen unterschieden: Aus der ersten Bauphase (9. Jh. v. Chr.) stammen Teile der Umfassungsmauer und Reste eines administrativen Gebäudekomplexes. Diese baulichen Aktivitäten werden dem moabitischen König Mescha zugeordnet, der zu dieser Zeit seinen Einflussbereich nach Norden ausdehnen und Dibon zu seiner Hauptstadt machen konnte und weiter ausbaute. Der wichtigste Fund aus dieser Phase ist die Mescha-Stele, auf der Mescha seine erfolgreiche Konfrontation mit Israel festhält (vgl. besonders Z. 21-24; Text → Mescha
Während der Eisenzeit wurde eine extensive Nekropolis in den nordöstlichen Abhängen des nahen Wadi unterhalten. Eine Reihe von Kammergräbern sind hier über Generationen hinweg genutzt worden (→ Grab
4.3. Nabatäische Epoche
Mit der Ausdehnung des nabatäischen Königreiches erlebte Dibon eine neue Phase der Besiedlung. Die Ausgräber fanden Reste eines Stadttores und eines Tempels im südöstlichen Bereich des Grabungshügels. Die Größe und Ausdehnung der Fundamentmauern sowie Fragmente von Säulen, Sockeln und Gesimsen lassen Ähnlichkeiten mit Tempeln in Petra erkennen.
Erbaut wurde das Heiligtum zu Beginn des 1. Jh. n. Chr. unter König Aretas IV. Vermutlich wurde der Tempel im Zuge der römischen Eroberung des Ostjordanlandes (106 n. Chr.) aufgegeben. Weitere Funde aus dieser Epoche bestehen u.a. aus einer → Münze
4.4. Römische, byzantinische und arabische Epoche
Zu den wichtigen Funden der römischen Epoche gehören zwei Inschriften; die eine wird in das Jahr 201 n. Chr. datiert und bezieht sich auf die Etablierung eines römischen Militärpostens, der die Hauptverbindung des Ostjordanlandes in nord-südlicher Richtung, die Via Nova Traiana, bewachen sollte. Eine weitere Inschrift, die in das Jahr 245 / 246 n. Chr. datiert wird, erwähnt einen römischen Gouverneur, Claudius Capitolinus. Ein Bad-Komplex und Umfassungsmauern werden in diese Zeit datiert.
Dibon scheint an der generellen Prosperität des Ostjordanlandes partizipiert zu haben (6. / 7. Jh.). Großzügige öffentliche Anlagen und Bäder sowie zwei Kirchengebäude werden in die byzantinische Epoche datiert. Verschiedene Grabfunde geben einen Einblick in das Privatleben von Christen aus dieser Zeit.
Mit der islamischen Eroberung tauchen neue Mauerstrukturen auf. Ein Gebäudekomplex mit Räumen aus Gewölben wird als Sitz eines lokalen Oberhauptes interpretiert. Zu dieser Zeit hatte die Stadt auch wieder eine Umfassungsmauer. Numismatische Hinweise weisen auf eine abbasidische Besiedlung im 8. und 9. Jh. hin. Eine Blüte erlebte die Stadt während der ayyubidischen und frühen mamlukischen Epoche (12. / 13. Jh.). Während dieser Zeit bedeckte eine große agrarische Ansiedlung den Siedlungshügel.
Nomadische Familien siedelten sich in den 1950er Jahren auf einem Nachbarhügel an und gründeten die arabische Stadt Ḏībān. Dabei nutzen sie die alten Ruinen als Steinbruch. Die heutige Bevölkerung zählt ca. 17.000 Einwohner.
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
- The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
- The New Encyclopedia of Archaeological Excavations in the Holy Land, Jerusalem 1993
- The Oxford Encyclopedia of Archaeology in the Near East, Oxford / New York 1997
- Archaeological Encyclopedia of the Holy Land, New York / London 2001
2. Weitere Literatur
- Dearman, A. (Hg.), 1989, Studies in the Mesha Inscription and Moab, Atlanta, GA
- Klosermann, E. (Hg.), 1966, Eusebius: Das Onomastikon der biblischen Ortsnamen, Hildesheim
- Porter, B. u.a., 2007, „The Power of Place: The Dhiban Community through the Ages” in: Th.E. Levy u.a. (Hgg.), Crossing Jordan: North American Contributions to the Archaeology of Jordan, London, 315-322
- Tushingham, A.D., 1972, The Excavations at Dibon (Dhībân) in Moab: The Third Campaign, 1952-53 (Annual of the American Schools of Oriental Research, 40), Cambridge, MA
- Tushingham, A.D., 1990, Dhībān Reconsidered: King Mesha and His Works, ADAJ 34, 183-191
- Tushingham, A.D. / Pedrette, P.H., 1995, „Mesha’s Citadel Complex (Qarhoh) at Dhībān, Jordan” in: Studies in the History and Archaeology of Jordan, Bd. 5, Amman, 151-159
- Winnett, F. / Reed, W.L., 1964, The Excavations at Dibon (Dhībân) in Moab: The First Campaign, 1950-51, and the Second Campaign, 1952 (Annual of the American Schools of Oriental Research, 36/37), New Haven
Abbildungsverzeichnis
- Karte zur Lage von Dibon. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Tall Ḏībān © Friedbert Ninow; Foto 2007
- Die Südost-Ecke von Tall Ḏībān. © Friedbert Ninow; Foto 2007
- Mauer an der Südost-Ecke des Tells (von vorn). © Friedbert Ninow; Foto 2007
- Mauer an der Südost-Ecke des Tells (im Profil). © Friedbert Ninow; Foto 2007
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