Divination (AT)
(erstellt: März 2007)
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Der gesamte Mittelmeerraum und der alte Orient stellen, wenn es um Divination geht, ein kulturelles Kontinuum dar, an dem auch die israelitisch-jüdische Divination partizipiert. Unter Divination versteht man einen Kommunikationsvorgang mit dem Göttlichen. Grundsätzlich ist zwischen deduktiver und induktiver Divination zu unterscheiden. Deduktive Divination bedient sich zur Kommunikation mit dem Göttlichen medialer (z.B. Rauch, Öl) und / oder technischer (z.B. Lose, Würfel) Hilfsmittel, während induktive Divination auf solche Hilfsmittel verzichtet und eine unmittelbare Kommunikation mit dem Göttlichen anstrebt. Anders als in ihrer Umwelt (z.B. die Lebermodelle aus → Ugarit
1. Deduktive Divination
1.1. Ablehnung der Divination
Gegen deduktive Divination wird insbesondere in der deuteronomistischen Literatur, aber auch in späteren (priesterlichen) Texten, scharf polemisiert (→ Deuteronomismus
Der Erfolg der deuteronomistischen Polemik zeigt sich auch in den priesterschriftlichen Verboten von Divination im Allgemeinen (Lev 19,26
Die Ablehnung deduktiver Divination lebt auch in antik-jüdischen Texten weiter. Beispiele finden sich im henochitischen Wächterbuch (→ Henoch
1.2. Praxis der Divination
Die Schärfe der vor- und nachexilischen Polemiken gegen deduktive Divination legt nahe, dass eine zumindest vorexilisch weit verbreitete Praxis abgelehnt wird. So belegt Jes 3,3
Auf eine jüdische Eingeweideschau im Jerusalemer Tempel könnte auch der Wunsch des Beters in Ps 27,4
Ein Hinweis auf die Verwendung einer anderen Form deduktiver Divination im vorexilischen Juda findet sich in Gen 44,5
Auch die Nekromantie, die Befragung Verstorbener, ist für die vorexilische Zeit nicht nur im Spiegel deuteronomistischer Polemiken belegt, sondern findet sich auch in einem Bericht darüber, wie Saul den verstorbenen Propheten Samuel befragen lässt (1Sam 28
Neben den nur noch in Andeutungen erhaltenen Formen vorexilischer deduktiver Divination, haben die deuteronomistischen Texte selbst zwei andere Formen deduktiver Divination fraglos akzeptiert, das Losorakel und den allegorischen (Symbol-)Traum. Schon die vorexilische Spruchtradition signalisiert eine hohe Wertschätzung des Losorakels, wenn sie vom ihm sagt: „Streitigkeiten beendet das Los und zwischen Mächtigen trennt es“ (Spr 18,18
Dass aus persischer und hellenistischer Zeit mehr Nachrichten über die Verwendung deduktiver Divination im Judentum überliefert sind, liegt nicht an ihrer positiveren Bewertung, sondern wohl daran, dass insbesondere aus der Bibliothek von → Qumran
In der Bibliothek von Qumran finden sich auch die einzigen Omenlisten, die aus dem antiken Judentum erhalten sind. Beide belegen im Judentum andernorts abgelehnte Formen (vgl. äthHen 8,3f; Jub 8,3f; 12,16-20) deduktiver Divination. Eine „Zodiology and Brontology“ genannte aramäische Schrift (4Q318) beginnt mit einer an einem mesopotamischen 360-Tage-Kalender orientierten Zodiologie (griech. zōidion „Tierkreiszeichen“), in der die Tage eines Monats mit den Sternzeichen eines antiken Tierkreises korrelieren (I 1-VIII 6). Auf den kalendarischen Teil folgt die eigentliche Omenliste in Gestalt eines Brontologions (griech. brontē „Gewitter“), die auflistet, was es bedeutet, wenn es in welchem Sternzeichen donnert. Wie der 360-Tage-Kalender ist auch das Brontologion selbst von mesopotamischen Einflüssen geprägt, wenn es den Tierkreis mit dem Sternzeichen Stier beginnen lässt (vgl. MUL.APIN; Albani, 1993). Die Verwendung des 360-Tage-Kalenders macht deutlich, dass der Text „Zodiology and Brontology“ weder in Qumran verwendet wurde noch essenischen Ursprungs ist, da dort ein 364-Tage-Kalender verwendet wurde (zum Text Albani, 1993; ders., 1999; Greenfield / Sokoloff).
Die zweite Omenliste aus Qumran ist in den Handschriften 4QHoroscope (4Q186) und 4QPhysiognomy / Horoscope ar (4Q561) erhalten. Der Text verwendet physiognomische Beobachtungen, um einerseits im Rahmen einer Licht-Finsternis-Anthropologie Rückschlüsse darauf zu ziehen, aus wie vielen Teilen Licht und Finsternis ein Individuum besteht, und um andererseits astrologische Aussagen über dieses Individuum treffen zu können. Die Verbindung beider Divinationstechniken erlaubt Schlussfolgerungen über die Zukunft des so beschriebenen Individuums. Dass die Handschrift 4QPhysiognomy / Horoscope ar (4Q561) in aramäischer Sprache gehalten ist, macht einen nichtessenischen Ursprung des Werks wahrscheinlich, während die Verwendung der „Geheimschrift“ Cryptic A für eine essenische V
Die Verwendung von Astrologie ist im antiken Judentum nicht auf die wenigen Texte aus Qumran beschränkt, sondern wird insbesondere mit → Abraham
Auf eine weitergehende Akzeptanz der Astrologie im Judentum zumindest in römischer Zeit deutet, dass Josephus Flavius in seiner Beschreibung des Jerusalemer Tempels zweimal die Tierkreiszeichen erwähnt (De bello Judaico V, 214.218). Spätere Reflexionen der Abbildung des Tierkreises finden sich schließlich auch in Mosaiken der Synagogen von Hamat Tiberias (4. Jh.) und von Bet Alfa (6. Jh.).
2. Induktive Divination
In der israelitisch-jüdischen Literatur sind mit → Prophetie
Grundsätzlich wird in der Antike zwischen Träumen ohne und Träumen mit divinatorischer Bedeutung unterschieden. Letztere werden in der Antike als theorematische und allegorische Träume klassifiziert (zur Terminologie Artemidor, Oneirokritikon I, 1f). Bei theorematischen Träumen handelt es sich um Träume, deren Bedeutung unmittelbar verstehbar ist. Sie werden in der Forschung gerne als „message dreams“ bezeichnet. Beispiele sind Jakobs Traum in Bethel, Gen 28,10-22
Eine dritte Form der Traumdivination bildet die Inkubation. In ihr wird der Traum – meist in einem Heiligtum – rituell herbeigeführt. Insbesondere in der griechisch-römischen Welt ist die Inkubation mit der Heilung von Kranken verbunden (Asklepios-Kult; → Divination in Griechenland
3. Traumdeutung
Allegorische Traumdeutung dokumentiert sich in der altorientalischen und antik-mediterranen Welt sowohl in Form von Traumbüchern als auch in narrativen Texten (Überblicke finden sich bei Butler, Husser, Lieshout, Oppenheim). Bei Traumbüchern handelt es sich um Omenlisten, in denen der Traumdeuter die Bedeutungen von Träumen in jeweils unterschiedlichen Kontexten nachlesen kann. Solche Omenlisten sind aus der israelitisch-jüdischen Literatur nicht erhalten, sind aber aus der ägyptischen (Hieratisches Traumbuch [mittleres Reich; Gardiner]; Demotische Traumdeutung [ptolemäische Zeit; Volten]), mesopotamischen (Assyrian Dreambook [Oppenheim]) und griechischen Literatur (Artemidor, Oneirokritikon [2. Jh. n. Chr.]) bekannt. Ein gutes Beispiel für das Vorgehen dieser Traumbücher findet sich in der Demotischen Traumdeutung:
Wenn er süßes Bier trinkt, wird er sich freuen.
Wenn er Bäckerei-Bier trinkt, wird [er] leben.
Wenn er Lager-Bier trinkt, [bedeutet] es ihm Heil.
(Papyrus Carlsberg XIV a 2-4; Übersetzung nach Volten, 90f)
Die Omendeutung besteht jeweils aus einer Beschreibung des Traumes in Form einer Protasis (z.B. „wenn er süßes Bier trinkt“) und einer ihr korrespondierenden Deutung in Gestalt einer Apodosis (z.B. „wird er sich freuen“). In der Deutung werden aus der Menge der Symbole eines Traumes und ihrer Polyvalenzen einzelne Elemente isoliert (Atomisierung) und in das Leben des Träumers gestellt (Rekontextualisierung). Etwa die Süße des Bieres und die Freude des Träumers.
Dieses hermeneutische Prinzip von Atomisierung und Rekontextualisierung wird auch in den Traumdeutungserzählungen der israelitisch-jüdischen Literatur verwendet. Ein repräsentatives Beispiel ist Ri 7,13f
Und siehe, ein Mann erzählte seinem Freund einen Traum. Und er sagte: „Siehe ich habe geträumt: Siehe ein Laib Gerstenbrot rollte ins midianitische Lager und er kam an das Zelt und stieß es um, sodass es einfiel. Und er kehrte es um, das oberste zu unterst. Und das Zelt ist gefallen.“ Und sein Freund antwortete und sagte: „Das ist nichts anderes als das Schwert Gideons, des Sohnes Joaschs, des Israeliten. Gott hat Midian und das ganze Lager in seine Hand gegeben.“
Der Freund isoliert das umgestoßene Zelt aus dem Traum des Midianiters (Atomisierung) und stellt es in den Kontext der unmittelbar bevorstehenden Schlacht mit den Israeliten (Rekontextualisierung). Als Teil des → Deuteronomistischen Geschichtswerks
Angesichts der deuteronomistischen Akzeptanz allegorischer Traumdivination verwundert es nicht, dass sie in der Erzählliteratur des perserzeitlichen und hellenistischen Judentums häufiger belegt ist (z.B. Dan 4
In der überwiegenden Mehrzahl der israelitisch-jüdischen Texte zur allegorischen Traumdivination sagen die allegorischen Träume und ihre Deutungen nur etwas über die Zukunft des Träumers aus. Die Träume des Pharaos und ihre Bedeutung für die Zukunft Ägyptens (Gen 41,1-36
Die verbreitete Verwendung von allegorischer Traumdivination in der israelitisch-jüdischen Literatur sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich auch kritische Stimmen finden. So qualifiziert etwa die deuteronomistische Jeremiaredaktion (Jer 23,25-28a
4. Aufnahmen der (Traum-)Divination: Apokalypsen und Pescharim
Schon in nachexilischer Zeit berichtet das → Sacharjabuch
Die metaphorische Verwendung allegorischer Träume in der nachexilischen Prophetie führte in den Apokalypsen zu einer Ausweitung des Bedeutungsgehaltes von Symbolträumen auf die Geschichte Israels im Ganzen (Dan 2
Die Hermeneutik von Atomisierung und Rekontextualisierung der allegorischen Traumdivination hat auch in den ältesten Kommentaren des Judentums, den Pescharim, einen Niederschlag gefunden. Aus den in den Pescharim zitierten Lemmata werden jeweils einzelne Elemente isoliert (Atomisierung) und eschatologisch auf die Geschichte der essenischen Gemeinschaft gedeutet (Rekontextualisierung; vgl. Fishbane). Die divinatorische Hermeneutik der Pescharim sensibilisiert dafür, dass solche divinatorischen Deutestrategien auch schon früher in der israelitisch-jüdischen Literatur verwendet wurden (Lange, 2005).
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Abbildungsverzeichnis
- Tierkreis; Fußbodenmosaik in der Synagoge von Bet Alfa (6. Jh.).
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