Doxologie (AT)
(erstellt: Dezember 2011)
Permanenter Link zum Artikel: https://bibelwissenschaft.de/stichwort/16651/
1. Der Begriff „Doxologie“
Der Begriff „Doxologie“, der aus griechisch δόξα doxa „Herrlichkeit / Ehre“ und λόγος logos „Wort / Rede“ zusammengesetzt ist, bedeutet wörtlich „Lobspruch / Verherrlichungsrede“ und bezeichnet als formgeschichtlicher terminus technicus einen Text, der die → Herrlichkeit
2. Grundformen der Doxologie
Ihrem Sitz in Gebet und Bekenntnis verdankt die Doxologie ihre Affinität zu geprägten Wendungen. Drei grundlegende Formen der Doxologie sollen im Folgenden vorgestellt werden:
2.1. Eine wichtige Form der Doxologie ist die Eulogie (bərākhāh). Der Name verdankt sich dem griechischen Wort εὐλογητός „gepriesen“, mit dem die → Septuaginta
Wird die Eulogie von Gott ausgesagt, hat sie ganz überwiegend die Form: בָרוּך יהוה bārûkh jhwh „gepriesen / gesegnet sei / ist JHWH“. Die Gottesbezeichnung variiert am häufigsten in den Psalmen. Außer יהוה JHWH finden sich: אֱלֹהִים ’älohîm „Gott“ (Ps 66,20
Sehr regelmäßig wird die Eulogie um eine Begründung erweitert, die erklärt, warum Gott gepriesen wird. Diese Begründung kann auf verschiedene Weise angeschlossen werden, nämlich mit einem Relativsatz, mit כִּי kî „weil / denn“ (Ps 28,6
Dass der Lobpreis Herrlichkeit JHWHs durch den Beter keine momentane Episode, sondern eine zeitübergreifende Wesensbestimmtheit JHWHs darstellt, wird besonders durch die Ewigkeitsformel (häufig in der Form „von Ewigkeit zu Ewigkeit“) zum Ausdruck gebracht (1Chr 16,36
2.2. Eine weitere Form, wegen der äußerst regelmäßigen Verwendung von δόξα doxa auch als Doxologie bezeichnet, spricht Gott (Dativ) Herrlichkeit / Ehre (δόξα doxa oder ein äquivalenter Begriff) zu, und zwar „in Ewigkeit“. Die Grundform der Doxologie nach der engeren Definition lautet also: „Dem HERRN sei Ehre in Ewigkeit“ (vgl. Röm 11,36
2.3. In einer besonderen Form der Doxologie, der Gerichtsdoxologie, wird Gottes Gerechtigkeit auch im Gericht (von den Betroffenen) anerkannt (Berger, 2005, 296f). Sie kann als Nominalsatz formuliert werden: צַדִּיק יְהוָה ṣaddîq jhwh „gerecht ist JHWH“ (Klgl 1,18
Umstritten ist bei Eulogie (2.1.) und Doxologie (2.2.), ob sie indikativisch oder optativisch zu verstehen sind, man also „dem HERRN ist Ehre“ oder „dem HERRN sei Ehre“ (bzw. „der HERR ist gepriesen“ oder „der HERR sei gepriesen“) übersetzen muss (vgl. Deichgräber, 1967, 30-34). In 1Kön 10,9
Der Doxologie verwandte Formen sind etwa Akklamation (kurze liturgische Rufe wie „amen“), Charis-Spruch („Gnade sei euch“), Halleluja-Ruf oder allgemein hymnische Elemente.
3. Zur Funktion von Doxologien in größeren Kontexten
3.1. Erzählungen
Die in alttestamentlichen Erzähltexten wiedergegebenen Eulogien sind entweder spontane Äußerungen oder Teil von Gebeten. Gibt ein Erzähltext eine Eulogie wieder, kann dies der Ort einer theologischen Deutung des Berichteten sein, wobei der Erzähler selbst sich einer direkten Deutung enthält (vgl. etwa 1Sam 25,39
Doxologien nach der engeren Definition finden sich in den alttestamentlichen Narrativtexten nicht. Am ehesten verwandt ist der Lobpreis in 2Sam 7,29
Das Lobgebet in Tob 13,2-18
3.2. Psalmen
Im → Psalter
Beispiele für den Lobpreis im weiteren Sinn finden sich insbesondere in den hymnischen Imperativpsalmen (Ps 100,4b-5
3.3. Prophetenbücher
Bei einer weiten Definition zählen auch Aussagen wie das Trishagion in Jes 6,3
4. Zur Rezeption der Doxologien des Alten Testaments
Im Neuen Testament findet die Doxologie in der dreiteiligen Form (Gottesnennung, δόξα doxa und Ewigkeitsformel) ihre häufigste Verwendung. Alle drei Glieder können Modifikationen erfahren. Diese Form hat sehr wahrscheinlich über das hellenistische Judentum (4Makk 18,24; Ode 12,15; 3Esr 4,40) Eingang in das Neue Testament gefunden (Deichgräber, 1967; Berger, 2005).
Bei allen formalen Unterschieden zum Lobpreis Gottes im Alten Testament kann festgehalten werden, dass das Neue Testament an alttestamentliche Vorstellungen anknüpft (Lk 2,14
Völlig neu gegenüber dem Alten Testament ist die häufige Einfügung der Formel διὰ Ἰησοῦ Χριστοῦ dia Iēsou Christou „durch Jesus Christus“ (Röm 16,27
In der weiteren frühchristlichen Literatur findet die Doxologie dann regelmäßig Verwendung. Vermutlich ist das Ausdruck dessen, dass sie im frühchristlichen Gottesdienst verwendet wurde.
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart 1933-1978
- Reallexikon für Antike und Christentum, Stuttgart 1950ff
- Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, München / Zürich 1971
- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
- Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004
- Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg u.a. 1993-2001
- Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007
2. Weitere Literatur
- Ballhorn, E., 2004, Die gefährliche Doxologie. Eine Theologie des Gotteslobs in den Psalmen, BiLi 77, 11-19
- Berger, K., 2005, Formen und Gattungen im Neuen Testament, Tübingen u.a.
- Black, M., 1990, The Doxology to the Pater Noster with a Note on Matthew 6. 13b, in: P.R. Davies / R.T. White (Hgg.), A tribute to Geza Vermes: essays on Jewish and Christian literature and history, Sheffield, 327-338
- Bohren, R., 1995, Die Bußpsalmen. Lebenserfahrung und Doxologie, PTh 84, 150-165
- Borse, U., 1994, Das Schlußwort des Römerbriefes. Segensgruß (16,24) statt Doxologie (VV. 25-27), SNTU.A 19, 173-192
- Coelho, C., 2004, The „Great AMEN“, VJTR 68,12, 917-921
- Collins, R.F., 2002, The case of a wandering doxology. Rom 16,25-27, in: A. Denaux (Hg.), New Testament textual criticism and exegesis (FS J. Delobel; BEThL 161), Leuven, 293-303
- Deichgräber, R., 1967, Gotteshymnus und Christushymnus in der frühen Christenheit. Untersuchungen zu Form, Sprache und Stil der frühchristlichen Hymnen (StUNT 5), Göttingen
- Deichgräber, R., 1983, Art. Formeln, Liturgische II, TRE, Bd. 11, Berlin u.a., 256-263
- Ego, B., 2004, Gottes Lob als Existenzerschließung. Aspekte der Doxologie in der Tobiterzählung, BiLi 77, 20-26
- Elliott, J.K., 1981, The Language and Style of the Concluding Doxology to the Epistle of the Romans, ZNW 72, 124-130
- Genderen, J. Van, 1997, Van doxa tot doxologie, in: J.W. Maris (Hg.), Onthullende woorden (FS J. de Vuyst), Leiden, 54-69
- Güting, E., 1993, Amen, Eulogie, Doxologie. Eine textkritische Untersuchung, in: D.-A. Koch / H. Lichtenberger (Hgg.), Begegnungen zwischen Christentum und Judentum in Antike und Mittelalter (FS H. Schreckenberg; Schriften des Institutum Judaicum Delitzschianum 1), Göttingen, 133-162
- Jenni, E., 1997, Zu den doxologischen Schlussformeln des Psalters, in: ders., Studien zur Sprachwelt des Alten Testaments. Hg. von B. Huwyler und K. Seybold, Stuttgart u.a., 117-124
- Kittel, G. / von Rad, G., 1935, Art. δόξα, ThWNT, Bd. 2, Stuttgart, 236-256
- Kratz, R.G., 2004, Die Tora Davids. Psalm 1 und die doxologische Fünfteilung des Psalters, in: ders., Das Judentum im Zeitalter des Zweiten Tempels (FAT 42), Tübingen, 280-311
- Levin, C., 2004, Die Entstehung der Büchereinteilung des Psalters, VT 54, 83-90
- Lohse, E., 2006, Doxologien im Römerbrief des Apostels Paulus, in: M. Theobald / R. Hoppe (Hgg.), „Für alle Zeiten zur Erinnerung“ (Jos 4,7). Beiträge zu einer biblischen Gedächtniskultur (FS F. Mußner; SBS 209), Stuttgart, 255-263
- Neyrey, J., 2005, „First“, „only“, „one of a few“, and „no one else“. The rhetoric of uniqueness and the doxologies in 1 Timothy, Bib 86, 59-87
- Pannenberg, W., 1979, Analogie und Doxologie, in: ders., Grundfragen systematischer Theologie, Band 1, 3. Aufl. Göttingen, 181-201
- Pfalzgraf, G., 2007, La doxologie Luc 2,14. Sa forme première et ses variantes, QLP 88,1, 5-23
- Rad, G. von, 1973, Gerichtsdoxologie, in: ders., Gesammelte Studien zum Alten Testament II (ThB. 48), München, 245-254
- Schimanowski, G., 2002, Die himmlische Liturgie in der Apokalypse des Johannes. Die frühjüdischen Traditionen in Offenbarung 4 - 5 unter Einschluß der Hekhalotliteratur (WUNT 2/154), Tübingen
- Scholtissek, K., 2004, Zwischentexte – Lieder im Neuen Testament, BiLi 77, 27-34
- Schottroff, W., 1969, Der altisraelitische Fluchspruch (WMANT 30), Neukirchen-Vluyn
- Seybold, K., 1999, Art. Doxologie I,1; RGG, Bd. 2, 4. Aufl., Tübingen, 962f
- Seybold, K., 2003, Poetik der Psalmen (Poetologische Studien zum Alten Testament 1), Stuttgart
- Söding, Th., 1995, Art. Doxologie I, LThK, Bd. 3, 3. Aufl., Freiburg u.a., 354f
- Stuiber, A., 1959, Art. Doxologie, RAC, Bd. 4, Stuttgart, 210-226
- Toit, A. Du, 2007, Die Kirche als doxologische Gemeinschaft im Römerbrief, in: D.S. du Toit / C. Breytenbach (Hgg.), Focusing on Paul. Persuasion and theological design in Romans and Galatians (FS A. du Toit), Berlin, 297-307
- Wehmeier, G., 1970, Der Segen im Alten Testament. Eine semasiologische Untersuchung der Wurzel brk (ThDiss 6), Basel
- Werner, E., 1945/46, The Doxology in Synagogue and Church. A Liturgico-Musical Study, HUCA 19, 275-351
PDF-Archiv
Alle Fassungen dieses Artikels ab Oktober 2017 als PDF-Archiv zum Download:
Abbildungen
Unser besonderer Dank gilt allen Personen und Institutionen, die für WiBiLex Abbildungen zur Verfügung gestellt bzw. deren Verwendung in WiBiLex gestattet haben, insbesondere der Stiftung BIBEL+ORIENT (Freiburg/Schweiz)