Ehe (AT)
(erstellt: November 2010)
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→ Frau
1. Ehe
1.1. Definition und Terminologie
1. Die Ehe ist eine auf Dauer angelegte Bindung eines Mannes und einer Frau. Den daraus resultierenden interfamiliären Bindungen kam in der Antike eine große Wichtigkeit zu, sodass die Ehe auch als „relationship contracted between families“ bezeichnet wurde (Hanson 1989). Gesellschaftliche Konventionen sowie rechtliche Bestimmungen regeln den Beginn (Heirat / Hochzeit) und das Ende (Scheidung) einer Ehe ebenso wie die rechtlichen, finanziellen und sozialen Konsequenzen. Die Ehe ist zunächst ein privatrechtlicher Vertrag, der einen neuen Status, im Alten Orient speziell für die Frau, zur Folge hat; er kann mündlich oder schriftlich in Vertragsform (Ehevertrag) festgehalten werden. Bestimmte Aspekte der Ehe werden durch staatliches Recht geregelt; die Verletzung der Ehe (Ehebruch) kann als Verstoß gegen die gesellschaftliche und / oder religiöse Ordnung gewertet werden (Rothenbusch 2003; Westbrook 1990).
Die Ehe ist nach dem Alten Testament patriarchal: Der Ehemann ist Vorsteher der Familie, die familiäre Einheit wird entsprechend als „Vaterhaus“ (בֵּית אָב bêt ’āv) bezeichnet. Die Frau wechselt in die Familie des Mannes, die Ehe ist also patrilokal. Sie ist ferner patrilinear: Die Kinder aus einer Ehe werden als Nachkommen des Vaters gerechnet (vgl. die Filiationsangabe bei Personennamen: „x Sohn des y“). Die Ehe ist für die Frau exklusiv, der Mann kann weitere Ehefrauen haben, die Ehe ist also polygyn.
2. Das Hebräische kennt keinen Abstraktbegriff für „Ehe“. Der Ehemann wird als בַּעַל ba‘al „Herr“ bezeichnet, die verheiratete Frau als בְּעֻלָה bə‘ûlāh bzw. בְּעֻלַת בַּעַל bə‘ûlat ba‘al „(vom Herrn) Besessene / Beherrschte“. Daneben finden auch die neutralen Termini אִישׁ ’îš „Mann“ bzw. אִשָּׁה ’iššāh „Frau“ Verwendung (auch in Wendungen wie „ihr Mann“, „seine Frau“). Die Eheschließung ist durch eine spezifische Terminologie geprägt (s. 1.3.1.).
In den Kontext der Ehe gehört auch die von der Wurzel חתן ḤTN abgeleitete Begrifflichkeit von Schwiegervater und Schwiegermutter bzw. Schwiegersohn (חֹתֵן ḥoten, חֹתֶנֶת ḥotænæt, חָתָן ḥātān), sowie das Verbum חתן ḤTN, das als „sich verschwägern“ oder „jemandes Schwiegersohn werden“ übersetzt wird.
1.2. Rechtliche Grundlagen
Die rechtlichen Grundlagen der Ehe beruhen auf Gewohnheitsrecht, den Bräuchen der Sippen sowie kodifiziertem Recht. Im Großen und Ganzen entspricht das alttestamentliche Eherecht den Regelungen, wie sie in den altorientalischen Rechtssammlungen zu finden sind. Das kodifizierte Recht des Alten Testaments (→ Dekalog
1.3. Heirat / Hochzeit
Es war üblich, dass die Ehen schon im Kindesalter durch die Vorstände der Familien (in der Regel die Väter des künftigen Bräutigams sowie der künftigen Braut) arrangiert wurden (negativ formuliert das Dtn 7,3
Liebe war keine notwendige Voraussetzung für die Ehe; sie konnte Ausgangspunkt für eine Brautwerbung sein, die Entscheidung des Brautvaters beeinflussen oder sich erst in der Ehe entwickeln (Gen 24,67
Die Ehe wird in zwei Schritten geschlossen: Im ersten Schritt wird das Brautgeld übergeben, in einem zweiten wird die Braut in das Haus des Bräutigams überführt, erst dann ist die Ehe vollgültig geschlossen.
1.3.1. Terminologie
Gemäß den rechtlichen Formulierungen sind bei der Eheschließung Männer die handelnden Subjekte: Der Mann heiratet, die Frau wird geheiratet. Die Formulierungen lauten im Einzelnen (Guenther 2005; Scharbert 1977):
● „zur Frau nehmen (לקח LQḤ)“: „A (Bräutigam) nimmt B (Braut) zur Frau“ bzw. „C (Vater des Bräutigams) nimmt B (Braut) für A (Bräutigam) zur Frau“
● „zur Frau geben (נתן NTN)“: „D (Vater der Braut) gibt B (Braut) dem A (Bräutigam) zur Frau“
● „Frau sein / werden (היה HJH)“: „B (Braut) ist / wird dem A (Bräutigam) Frau“
● „besitzen / beherrschen“: Der Mann „besitzt“ oder „beherrscht“ (בעל B‘L Qal) die Frau, diese „wird besessen“ oder auch „begattet“ (בעל B‘L Nif.); בעל B‘L wird auch neutral mit „heiraten“ übersetzt, trägt aber immer die Konnotation der Überordnung des Mannes über die Frau.
● „erwerben“: Nach Rut 4,10
In den Verträgen aus Elephantine bestätigt der Mann den Status der Verheiratung durch die Formulierung „sie ist meine Frau, und ich bin ihr Mann, von diesem Tag für immer“ (TAD B 2.6,4; 3.3,4; 3.8,4; vgl. Nutkowicz 2008).
1.3.2. Ehevertrag (Ketubba)
Der Ehevertrag wird von den Familien der Brautleute ausgehandelt bzw. zwischen dem Bräutigam und dem Vater der Braut und kann schriftlich abgefasst werden. Er heißt daher später einfach Ketubba, „Schriftstück“, so etwa auch schon im Vertrag der Babatha (Pap. Yadin 10 Z. 5, Yadin u.a. 1994, Friedman 1996). Im Alten Testament wird nur in Tob 7,14
1.3.3. Brautgeld (Mohar)
Das Brautgeld – auch: Brautgabe / Brautpreis / Heiratsgeld / Morgengabe, hebräisch מֹהַר mohar – ist eine Leistung des Bräutigams bzw. seiner Familie an die Familie der Braut.
Die Etymologie von מֹהַר mohar ist unklar; ohne erkennbare Differenzierung wird der Terminus in Gen 34,12
Der Vater der Braut verlangt die Entrichtung des Mohar (Gen 34,12
Der Ursprung der Brautgabe ist undeutlich, die Funktion wird unterschiedlich gedeutet: als Kaufpreis, als Versicherung für die Tochter, als Entschädigung für die Familie der Braut (Otto 1994).
Die Deutung als Kaufpreis und die Übersetzung als Brautpreis sind insofern irreführend, als die Ehe keine Kaufehe ist. Die Frau wird nicht gekauft. Wenn überhaupt etwas erworben wird, dann das Recht auf Heirat und die damit verbundenen Ansprüche (ius mariti, Levine 1999).
Dass die Frau nicht käuflich erworben wird, zeigt sich beispielsweise daran, dass nach dem Alten Testament etwa Eltern ihre Kinder in die Schuldsklaverei verkaufen konnten (z.B. 2Kön 4,1
Nach Otto 1994 ist der Ursprung des Brautgeldes „in der Funktionssicherung exogamer Heiratsordnung“ zu suchen: Statt der Familie der Braut als Tausch auch eine Braut zur Verfügung zu stellen, wird ihr das Brautgeld übergeben. Damit konnte die Familie der Braut nun für einen ihrer männlichen Nachkommen bei einer anderen Familie eine Braut werben. Der Brautpreis stellt somit „ein Äquivalent für den gestreckten Tausch von Person gegen Person“ dar. Der Mohar hat zudem eine rechtssymbolische Funktion, die darin besteht, die inchoativ verheiratete Frau (s.u.) vor dem Zugriff durch einen anderen Mann zu schützen.
Nach altorientalischem Recht (z.B. Codex → Hammurabi
1.3.4. Mitgift
Die Mitgift ist eine Leistung von Seiten der Familie der Braut, genauer des Brautvaters; die Höhe der Mitgift hängt vom Vermögen des Vaters ab (vgl. z.B. Jos 15,19
1.3.5. Inchoativ-Ehe („Verlobung“)
Nach der Wahl der Ehepartner meist durch die Väter des Ehepaares wird der Ehevertrag ausgehandelt und das Brautgeld (Mohar) übergeben. Der deutsche Terminus „Verlobung“ wird hierfür oft verwendet, entspricht aber nicht den rechtlichen Folgen, denn die ehelichen Pflichten beginnen bereits: Hat die Braut nun Geschlechtsverkehr mit einem anderen Mann, so gilt dies als Ehebruch (Dtn 22,23ff
Die Frau wird als „einem Mann verlobt (inchoativ verheiratet)“ (מְאֹרָשָׂה לְאִישׁ mə’orāśāh lə’îš) bezeichnet, der Mann hat „(sich) eine Frau verlobt / inchoativ geheiratet“ (ארשׂ אִשָׁה ’RŚ ’iššāh).
Nach altorientalischem Recht konnte die inchoative Ehe durch den Brautvater aufgelöst werden, der Brautpreis musste dann doppelt zurückerstattet werden. Diese Auflösung wurde nicht als Scheidung im engeren Sinn aufgefasst (Rothenbusch 2003).
1.3.6. Brautführer
Ein Brautführer (auch: Paranymph) findet sich im Alten Testament nur in Ri 14-15. Die Erzählung setzt aus dem Alten Orient bekannte Bräuche voraus: Der Brautführer ist als „Freund“ des Bräutigams verpflichtet, in dessen Namen im Haus des Brautvaters während der Zeit der inchoativen, noch nicht vollständig vollzogenen Ehe zu handeln und darf seine Vertrauensstellung nicht missbrauchen. Ihm die Braut zu geben wäre gänzlich unmöglich gewesen. „Der Erzähler, Simson und die Philister sehen somit gemäß Codex Lipiteschtar § 29 und Codex → Hammurabi
1.3.7. Hochzeitsfest
Das Alte Testament berichtet mehrfach davon, dass die Hochzeit feierlich begangen wurde. Dauer und Umfang der Feier richteten sich sicherlich auch nach den finanziellen Möglichkeiten der Familien, mehrfach wird von sieben- oder gar vierzehntägigen Feiern gesprochen, was aber auch auf literarische Gestaltung zurückgehen mag: Gen 29,22
1.4. Recht der Frau auf Geschlechtsverkehr
Wenn es auch Hauptzweck der Ehe ist, den Fortbestand der Familie des Mannes durch (männliche) Nachkommen zu sichern, so hat doch jede Frau in einer potentiell polygynen Ehe ein Interesse an eigenen Nachkommen. Die Beziehung zu diesen war exklusiv, während der Mann noch andere Frauen und Kinder haben konnte. Die Kinder und speziell Söhne waren für die Versorgung der Frau etwa im Falle der Verwitwung wichtig. Nach Ex 21,10
1.5. Jungfräulichkeit und Ehehindernisse
Die Braut war bei der Hochzeit im Idealfall Jungfrau. Der Brautvater erzielte so einen höheren Brautpreis; er hatte daher auf die Tochter zu achten (vgl. Dtn 22,21
Die Frau hatte das Recht auf ihren guten Ruf. Nach Dtn 22,13-21
Für den normalen Israeliten stellte es kein Ehehindernis dar, wenn die Braut keine Jungfrau mehr war. Er konnte auch eine Witwe oder eine Prostituierte heiraten (Ri 11,1
Nach Dtn 23,1
Nach Lev 18,18
Ein Mann konnte seine von ihm geschiedene ehemalige Frau nicht wieder heiraten, wenn diese zwischenzeitlich mit einem anderen Mann verheiratet war (Dtn 24,1-4
Ehen mit Angehörigen fremder Völker, sog. Mischehen, werden erst in exilischer bzw. nachexilischer Zeit als Problem angesehen.
1.6. Polygamie / Polygynie
Von Polygamie (Vielehe) spricht man, wenn die Ehe nicht exklusiv ist, wenn eheliche Verbindungen also zur gleichen Zeit mit mehreren Partnern eingegangen werden konnten, andernfalls von Monogamie (Einehe). Wenn der Mann mehrere Frauen ehelichen konnte, so wird das als Polygynie (despektierlich: Vielweiberei) bezeichnet, der umgekehrte Fall als Polyandrie.
Im Alten Orient war es erlaubt und akzeptabel, dass ein verheirateter Mann eine weitere Frau oder Nebenfrau hatte, vorausgesetzt, er konnte sie alle unterhalten. Es waren also vor allem die begüterten Israeliten, die mehrere Frauen hatten. Der Großteil der Bevölkerung dürfte praktisch monogam gewesen sein (Levine 1999). Polygynie sicherte vor allem im Falle der Unfruchtbarkeit der (ersten) Frau den Fortbestand der Familie effektiv (vgl. Gen 16; 30; Plautz 1963).
Ob sich aus Belegen wie Gen 2,24
Das Alte Testament berichtet vor allem zur Zeit der → Erzväter
Die gesetzlichen Regelungen des Alten Testaments behandeln nur Sonderfälle. Sie zeigen damit zugleich an, dass Polygamie üblich war:
● Dtn 21,15-17
● Ex 21,7-11
In Elephantine wurde im Ehevertrag der Miptahja (TAD B 2.6) eigens geregelt, dass ihr Mann keine andere Frau heiraten durfte. Für diesen Fall wurde sogar eine Strafe festgelegt. Hiermit sollte vor allem vermieden werden, dass andere Kinder das Erbe beanspruchen konnten.
1.7. Hauptfrau und Nebenfrau
Nebenfrau (veraltet und abwertend auch: Konkubine, Kebsweib) bezeichnet die Ehefrau, die weniger Rechte und einen niedrigeren Status als die Hauptfrau hat, aber einen höheren Status als eine Sklavin (→ Sklaverei
Die Nebenfrau ist auch abgesetzt von einer Geliebten oder Mätresse sowie von einer Prostituierten, weswegen ihre Stellung zumindest teilweise rechtlich geregelt wird. Sie galt wohl im Unterschied zu den Sklavinnen als Freie. Ihr Rechtsstatus wird in den Gesetzen allerdings nicht deutlich; ob sie wie die Hauptfrau Anspruch auf einen Scheidebrief (siehe unten: 2.) hatte, ist unklar. Nach der späteren talmudischen Differenzierung (→ Talmud
Ex 21,7-11
Die → Erzelternerzählungen
Ri 19
1.8. Endogamie / Mischehen
Von Endogamie im engeren Sinne spricht man, wenn der Ehepartner aus der Großfamilie (Sippe) stammt, im weiteren Sinne, wenn er aus demselben Volk stammt, das dabei ebenfalls als verwandtschaftlicher Verbund verstanden wird. Die Überschreitung dieser Grenzen wird als Exogamie bezeichnet. Der Begriff „Mischehe“ (auch Konnubium, engl. intermarriage) wird für Ehen zwischen Israeliten und Angehörigen fremder Völker verwendet.
Die Einstellung alttestamentlicher Texte gegenüber Mischehen ist nicht einheitlich:
→ Priesterschriftliche
Verschiedene weitere Erzählungen lassen keine Vorbehalte gegenüber Mischehen erkennen (→ Esau
Spätere Texte kritisieren solche Ehen scharf und zeigen eine veränderte Einstellung (Num 12,1
Die → Chronikbücher
Frühjüdische Texte aus hellenistischer Zeit betonen allerdings wieder die Endogamie und zeigen starke Vorbehalte gegenüber Mischehen; die eigene religiöse Identität soll vor der Hellenisierung geschützt werden (z.B. im → Genesis-Apokryphon
Der kleine Umfang des persischen Jehud sowie die Besiedlungspolitik der → Perser
Die perserzeitliche Ablehnung der Mischehen gründet auf einem kultischen Verständnis jüdischer Identität. Endogame Ehe-Vorstellungen, die ursprünglich für den Hohenpriester bzw. die Priester im Allgemeinen entwickelt wurden (Lev 21,6-9
Das Buch → Rut
Das → Jubiläenbuch
In → Elephantine
1.9. Leviratsehe
Die → Leviratsehe
1.10. Besuchsehe
Die Ehe von → Simson
Eine Form der Besuchsehe (Beena-Ehe oder Zadiqa-Ehe) wurde auch für 1Kön 3,16-28
1.11. Ehen von Sklaven
Auch → Sklaven
Dtn 21,10-14
1.12. Heirat nach Verführung bzw. Vergewaltigung
Nach Dtn 22,28-29
1.13. Theologische Begründung und Wertschätzung der Ehe
Die sich ergänzende Partnerschaft der Geschlechter ist schöpfungstheologisch grundgelegt (Gen 1,27
Religiöse Zeremonien im Rahmen der Hochzeit werden im Alten Testament nicht berichtet. Nur das → Tobitbuch
In der → Weisheitsliteratur
2. Ehescheidung
Das Alte Testament kennt nur die Scheidung von Seiten des Mannes. Der Mann entlässt (שׁלח ŠLḤ) bzw. verstößt (גרשׁ GRŠ) seine Frau, die geschiedene Frau heißt „Verstoßene“ (גְרוּשָׁה gərûšāh). Einen Ausdruck für den Ehemann nach der Scheidung gibt es nicht.
Nach Dtn 24,1-4
Im Falle der Scheidung hatte die Frau Anspruch auf die Aushändigung des Brautpreises, der Mitgift sowie im Ehevertrag möglicherweise geregelter weiterer Schenkungen, die sie etwa im Todesfall des Mannes absichern sollten, sowie etwaigen weiteren finanziellen Leistungen, die speziell für die Scheidung vorgesehen waren (Locher 1986; Groß 1987; Westbrook 1988). Die Scheidung war für den Mann folglich finanziell riskant, speziell wenn die Frau aus einer Familie mit starker Rechtsposition kam.
Es ist fraglich, ob nach alttestamentlichen Vorstellungen auch die Frau die Scheidung initiieren konnte. Die Texte behandeln dies nicht explizit. Eventuell kann aus Ex 21,7-11
Die Frau bleibt in gewissen Fällen vor der Scheidung geschützt: bei falscher Anschuldigung, bei der Heirat nicht mehr Jungfrau gewesen zu sein (Dtn 22,13-19
Die geschiedene Frau durfte eine erneute Ehe eingehen, nur Priestern war es verboten, eine Geschiedene zu heiraten (Lev 21,4
In → Elephantine
Die altorientalischen Gesetze regeln ebenfalls die Folgen der Scheidung (Otto 1994): Nach dem Codex Eschnunna (§ 59) erhält die Frau bei der Scheidung sogar den Besitz des Mannes, wenn Kinder aus der Ehe vorhanden sind; ihre Rechte und die der Kinder werden dadurch gesichert. Ob die Frau im Alten Orient ein Scheidungsrecht hatte, wie dies der Codex → Hammurabi
3. Ehebruch
3.1. Rechtsfall
Mit Ehebruch bezeichnet man die sexuelle Beziehung außerhalb der Ehe. Dabei kommt es nicht auf eine „innere Treue“ an, sondern lediglich auf den Geschlechtsakt als solchen. Das Hebräische kennt ein eigenes Verb für „Ehebruch begehen“: נאף N’P. Im Alten Orient ist dabei die verheiratete Frau, die Verkehr mit einem anderen Mann hat, immer eine Ehebrecherin; sie bricht ihre eigene Ehe. Der Mann ist nur dann ein Ehebrecher, wenn er Verkehr mit einer verheirateten Frau hat; er bricht dann die Ehe des anderen Mannes. Kontakte des verheirateten Mannes mit Prostituierten oder anderen unverheirateten Frauen fallen demgegenüber nicht unter Ehebruch; sie beeinträchtigen nicht die Rechte der Ehefrau (in analoger Weise ist Subjekt der Eifersucht, קנא QN’ Pi., immer der Mann, die Frau Objekt; vgl. Num 5
Auch der Verkehr mit einer inchoativ verheirateten (verlobten) Frau gilt als Ehebruch (Dtn 22,23
3.2. Rechtsfolgen
Ehebruch ist verboten und wird sanktioniert. Das Verbot sollte verhindern, dass die Nachkommen eines anderen Mannes in die Familie und damit auch in die Erblinie kommen. Dies konnte nur durch sexuelle Treue der Frau gewährleistet werden, da eine Bestimmung der Vaterschaft nicht möglich war.
Auf Ehebruch stand im Alten Testament die → Todesstrafe
Es ist fraglich, ob die Todesstrafe gemäß den alttestamentlichen Regelungen auch tatsächlich praktiziert wurde. Es gibt keine Erzählung über eine danach durchgeführte Steinigung. Erstes Hindernis dürfte gewesen sein, dass die beiden beim Ehebruch durch zwei → Zeugen
Im Verdachtsfall konnte ein Gottesurteil darüber eingeholt werden, ob eine Frau Ehebruch begangen hatte (sog. Eifersuchtsordal, Num 5,11-31
Die Regelungen im Alten Orient sind nicht so streng wie im Alten Testament. Zwar halten auch die altorientalischen Rechtssammlungen den Ehebruch für ein todeswürdiges Verbrechen, kennen aber auch ein Gnadenrecht des Ehemannes: Beide, die Frau wie der Beischläfer, werden im gleichen Maße bestraft (Codex → Hammurabi
4. Ehelosigkeit
Die Ehe war die Lebensform, die nach den gesellschaftlichen Maßstäben der damaligen Zeit für ein geglücktes Leben notwendig war. Sie allein versprach Nachkommen, die für den Fortbestand der Familie notwendig waren und die die Eltern im Alter versorgen konnten. Ehelosigkeit war demnach kein Ideal. Die ehelose, aber sexuell aktive Frau genoss kein gesellschaftliches Ansehen. Ein unverheirateter Mann wurde mit Argwohn betrachtet (Sir 36,29-31
Eine zölibatäre Lebensform entwickelt sich erst unter dem Einfluss griechischer Askese-Ideale. Sie ist bei den → Essenern
5. Ehe als Bild des Verhältnisses von JHWH und Israel
Hos 1-3
Die Liebe der Frau, d.h. Israels, gilt ihren „Liebhabern“, von denen sie mit Lebensmitteln versorgt werden will, während sie JHWH nicht als wahren Versorger anerkennt. In Umkehrung der Hochzeitsterminologie (Hos 2,4
Unterschiedlich wird beurteilt, wer mit den „Liebhabern“ gemeint ist. Die Mehrzahl sieht in ihnen kultisch verehrte andere Götter, speziell Baal-Götter (vgl. Hos 2,15
Andere betonen den politischen Aspekt des Terminus „Liebe“ (אַהֲבָה ’āhǎvāh); die „Liebhaber“ wären dann politische Bündnispartner Israels (Keefe 2001, 125ff.; Yee 2001; Ackerman 2002; Kelle 2005, 119ff.; Day 2006). Demnach sei der Text primär mit Staatsangelegenheiten befasst, wobei die politischen Bündnisse möglicherweise die Verehrung anderer Götter nach sich ziehen.
Die Ehemetapher zur Beschreibung des Verhältnisses von JHWH und seinem Volk Israel wird in verschiedenen prophetischen Texten aufgenommen: Jer 2-3
Siehe auch: → Heilige Hochzeit
Literaturverzeichnis
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