Eifersucht JHWHs
(erstellt: Mai 2014)
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Die Verwendung der Metapher „Eifer / Eifersucht“ zeigt den dramatischen Weg JHWHs mit seinem Volk: ausgehend von der Erwählung Israels und seiner Berufung zum Gotteszeugnis durch ein Leben im → Bund
→ Gott / Gottesbild
1. Begrifflichkeit und Streuung der Belege
Von den insgesamt 85 Belegen der Wurzel קנא qn’ „eifern / eifersüchtig sein“ entfallen 43 auf das Nomen קִנְאָה qin’āh „Eifer / Eifersucht“, immerhin 24 davon beziehen sich auf die „Eifersucht JHWHs“ (gegenüber 19 Belegen für menschliche Eifersucht), ein Indiz dafür, dass der theologischen Verwendungsweise der Wurzel קנא qn’ besondere Bedeutung zukommt. Während die Weisheitsliteratur vorrangig die „Eifersucht des Menschen“ in den Blick nimmt, ist in der prophetischen Literatur (mit Ausnahme von Jes 11,13
Neben dem Substantiv קִנְאָה qin’āh verdienen v.a. die Adjektive קַנָּא qannā’ (Ex 20,5
2. Grundbedeutung und Relevanz
Die mit der Wurzel קנא qn’ und ihren Derivaten verbundene Bedeutung „Eifer / Eifersucht / Neid“ bringt das leidenschaftliche Engagement einer Person für eine andere Person oder für eine Sache zum Ausdruck, wobei die Parteilichkeit für das Gegenüber bis zu einem fanatischen, ja zerstörerischen Einsatz reichen kann. Die anthropologischen Aussagen des Alten Testaments zeigen deshalb die Ambivalenz menschlicher qn’-Strebungen in aller Deutlichkeit auf. Eine Übertragung dieser ambivalenten menschlichen Verhaltensweise auf Gott mag zunächst irritieren (vgl. dazu die kritischen Anmerkungen von Brongers [276], der von einem „schroffe[n] Anthropopathismus“ spricht und diese Zumutung Gott „lieber erspart hätte“), dennoch kommt der Wortverbindung „Eifersucht Gottes“ religions- und theologiegeschichtlich eine besondere Bedeutung zu. Zwar kennt auch der alte Orient eine Eifersucht der Götter, hat dabei jedoch vor allem die Eifersucht unter den Göttern selbst im Blick, nicht aber die eifersüchtige Beziehung einer einzigen Gottheit gegenüber ihren Verehrern, da es diesen freisteht, sich jederzeit und problemlos anderen Gottheiten zuzuwenden. Anders in Israel, wo mit der Kategorie der Eifersucht / des Eifers auf das Sonderverhältnis zwischen dem Gott Israels und seinen Verehrern verwiesen ist. Damit zielt die Rede von der „Eifersucht JHWHs“ auf ein Grunddatum des alttestamentlichen Gottesglaubens: auf den Anspruch JHWHs auf alleinige Verehrung. Dieser Anspruch auf Alleinverehrung erwächst der besonderen Weggeschichte Israels mit seinem Gott, er konkretisiert sich im Fremdgötter- und im Bildverbot (→ Dekalog
3. JHWHs Eifersucht als korrigierende, destruierende und transformierende Kraft
JHWHs Eifersucht / Eifer gilt zunächst Israel in seinem besonderen Gottesbezug, das im → Bund
3.1. JHWHs Anspruch auf Alleinverehrung in Israel
Die Rede von JHWHs Eifersucht auf sein Volk ist nur recht zu verstehen, wenn sie im Zusammenhang mit der geforderten Alleinverehrung JHWHs gesehen wird. Berücksichtigt man, dass hinter diesem Theologumenon die Theologie des → Hosea
3.1.1. Die Adjektive קַנָּא qannā’ und קַנּוֹא qannô’
Da die beiden Adjektive ausschließlich als Attribute JHWHs vorkommen, eignen sich die einschlägigen Belege von קַנָּא qannā’ (Ex 20,5
- „… denn ich bin JHWH, dein Gott, ein eifersüchtiger Gott“ (’el qannā’; Ex 20,5
); - „… denn JHWH, eifersüchtig ist sein Name (qannā’ šəmô), ein eifersüchtiger Gott ist er“ (’el qannā’ hû’; Ex 34,14
); - „… denn JHWH, dein Gott, er ist ein verzehrendes Feuer, ein eifersüchtiger Gott“ (’el qannā’; Dtn 4,24
); - „… denn ich bin JHWH, dein Gott, ein eifersüchtiger Gott“ (’el qannā’; Dtn 5,9
); - „… denn ein eifersüchtiger Gott (’el qannā’) ist JHWH, dein Gott, in deiner Mitte“ (Dtn 6,15
).
Hinzu kommen die beiden Belege von קַנּוֹא qannô’ in Jos 24,19
Ex 34,14
Die beiden Dekalogfassungen Ex 20,5f
Der spätexilische Text Dtn 4
3.1.2. JHWHs Eifer in Reaktion auf Israels Götzendienst
Das Sonderverhältnis zwischen JHWH und seinem Volk wird durch die Rede von der Eifersucht JHWHs nicht nur gehütet, diese impliziert auch eine besondere Ahndung im Falle der Veruntreuung. Dabei ist es durchgängig der Götzendienst, der den Eifer JHWHs erregt. Mit den Verben קנא qn’ Pi. (Dtn 32,21
3.1.3. Die Auswirkungen der Eifersucht JHWHs auf Israel
Die Veruntreuung des gestifteten Bundesverhältnisses zwischen JHWH und seinem Volk veranlasst JHWH dazu, richtend und strafend einzuschreiten. Dieses göttliche Strafhandeln wird als göttliche Eifersucht (קִנְאָה qin’āh) beschrieben und ist mehrfach mit anderen Nomina verbunden, die das göttliche Strafhandeln weiter ausmalen. So erscheint der göttliche Eifer (קִנְאָה qin’āh) zusammen mit dem „Zorn“ (אַף ’af) Gottes (Dtn 6,15
Das Klagegebet Ps 79
Ez 16,38
3.2. JHWHs Eifer gegenüber der Völkerwelt
Wie die prophetische Literatur neben den Gerichtsworten über das JHWH-Volk Gerichtsworte über Fremdvölker kennt, so richtet sich JHWHs Eifer (קִנְאָה qin’āh) auch gegen Israels Bedränger. Dabei ist nicht überraschend, dass sich die Belege (fast) allesamt in der prophetischen Literatur finden und aus der exilischen und nachexilischen Zeit stammen (Jes 42,13
Der Begründungszusammenhang von Ez 36,1-6
3.3. JHWHs Eifer und die Erneuerung Israels
JHWHs Gerichtseifer gegen die Fremdvölker markiert bereits den Übergang zum Heil für sein Volk. Auch das göttliche Heilshandeln wird in der Metapher des „Eifers“ ausgedrückt. Es verwundert nicht, dass sich die einschlägigen Belege fast ausschließlich in der prophetischen Literatur finden.
Eine erste Gruppe von Stellen sieht Israel als Adressat des göttlichen Eifers, ausgedrückt mit קנא qn’ Pi. und der Präposition ל l „für / zugunsten“, so etwa in Ez 39,25
Eine Heuschreckenplage ist nach Jo 1,2-20
Sach 1,14
Die drei Belegstellen Jes 9,6
Der mit apokalyptischem Gedankengut imprägnierte Text Jes 26,11
Eigens zu erwähnen ist noch Jes 63,15
Nach dem Eintreffen des göttlichen Gerichts erwartet das JHWH-Volk den leidenschaftlichen Eifer JHWHs somit als transformierende Kraft, die das Volk selbst (Jes 26,11
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
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- Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg i.Br. 1993-2001
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2. Weitere Literatur
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- Zimmerli, W., Das zweite Gebot, in: ders., Gottes Offenbarung. Gesammelte Aufsätze zum Alten Testament (TB 19), München 1969 (2. Aufl.), 234-248.
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