Deutsche Bibelgesellschaft

Eifersucht JHWHs

(erstellt: Mai 2014)

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Die Verwendung der Metapher „Eifer / Eifersucht“ zeigt den dramatischen Weg JHWHs mit seinem Volk: ausgehend von der Erwählung Israels und seiner Berufung zum Gotteszeugnis durch ein Leben im → Bund, über die rätselhafte Verweigerung und die ständige Neigung zum Götzendienst, die Israel zugrunde richten, bis hin zur Erneuerung durch die leidenschaftliche → Liebe JHWHs. Gerade darin kommt einmal mehr zum Ausdruck, was das Hauptanliegen der Rede von der Eifersucht JHWHs ist: Es geht um die Qualität einer Beziehung, die singulär und deshalb nicht austauschbar ist, und die aus diesem Grund um ihrer selbst willen und um des Gotteszeugnisses Israels willen behütet und beschützt sein will.

1. Begrifflichkeit und Streuung der Belege

Von den insgesamt 85 Belegen der Wurzel קנא qn’ „eifern / eifersüchtig sein“ entfallen 43 auf das Nomen קִנְאָה qin’āh „Eifer / Eifersucht“, immerhin 24 davon beziehen sich auf die „Eifersucht JHWHs“ (gegenüber 19 Belegen für menschliche Eifersucht), ein Indiz dafür, dass der theologischen Verwendungsweise der Wurzel קנא qn’ besondere Bedeutung zukommt. Während die Weisheitsliteratur vorrangig die „Eifersucht des Menschen“ in den Blick nimmt, ist in der prophetischen Literatur (mit Ausnahme von Jes 11,13) ausschließlich JHWH als Subjekt der Eifersucht (קִנְאָה qin’āh) aufgeführt, wobei das → Jesajabuch (7 Belege) und das → Ezechielbuch (10 Belege) eine besondere Dichte aufweisen. Von den 7 Belegen im Pentateuch beziehen sich drei auf menschliche Eifersucht (Num 5,14[2-mal].30). Num 25,11 erzählt vom Eifer des Priesters → Pinhas (1-mal), durch den der vernichtende Zorneseifer JHWHs (2-mal) abgehalten wird. Dtn 29,19 verweist ausdrücklich auf die Eifersucht JHWHs.

Neben dem Substantiv קִנְאָה qin’āh verdienen v.a. die Adjektive קַנָּא qannā’ (Ex 20,5; Ex 34,14[2-mal]; Dtn 4,24; Dtn 5,9; Dtn 6,15) und קַנּוֹא qannô’ (Jos 24,19; Nah 1,2) „eifernd / eifersüchtig“ Beachtung, da sie ausschließlich theologisch verwendet sind. Auch die Verbformen קנא qn’ Pi. (von den 30 Belegen taucht etwa die Hälfte in theologischen Kontexten auf, 5 davon nennen Gott als handelndes Subjekt) und קנא qn’ Hif. (von den 4 Belegen ist nur in Dtn 32,21 Gott explizit als Subjekt angeführt) „eifersüchtig machen“ bzw. „eifersüchtig sein / sich ereifern“, nennen mehrfach die Gottheit als Subjekt des Sich-Ereiferns.

2. Grundbedeutung und Relevanz

Die mit der Wurzel קנא qn’ und ihren Derivaten verbundene Bedeutung „Eifer / Eifersucht / Neid“ bringt das leidenschaftliche Engagement einer Person für eine andere Person oder für eine Sache zum Ausdruck, wobei die Parteilichkeit für das Gegenüber bis zu einem fanatischen, ja zerstörerischen Einsatz reichen kann. Die anthropologischen Aussagen des Alten Testaments zeigen deshalb die Ambivalenz menschlicher qn’-Strebungen in aller Deutlichkeit auf. Eine Übertragung dieser ambivalenten menschlichen Verhaltensweise auf Gott mag zunächst irritieren (vgl. dazu die kritischen Anmerkungen von Brongers [276], der von einem „schroffe[n] Anthropopathismus“ spricht und diese Zumutung Gott „lieber erspart hätte“), dennoch kommt der Wortverbindung „Eifersucht Gottes“ religions- und theologiegeschichtlich eine besondere Bedeutung zu. Zwar kennt auch der alte Orient eine Eifersucht der Götter, hat dabei jedoch vor allem die Eifersucht unter den Göttern selbst im Blick, nicht aber die eifersüchtige Beziehung einer einzigen Gottheit gegenüber ihren Verehrern, da es diesen freisteht, sich jederzeit und problemlos anderen Gottheiten zuzuwenden. Anders in Israel, wo mit der Kategorie der Eifersucht / des Eifers auf das Sonderverhältnis zwischen dem Gott Israels und seinen Verehrern verwiesen ist. Damit zielt die Rede von der „Eifersucht JHWHs“ auf ein Grunddatum des alttestamentlichen Gottesglaubens: auf den Anspruch JHWHs auf alleinige Verehrung. Dieser Anspruch auf Alleinverehrung erwächst der besonderen Weggeschichte Israels mit seinem Gott, er konkretisiert sich im Fremdgötter- und im Bildverbot (→ Dekalog; → Bilderverbot). Auf dem langen und wechselvollen Weg Israels aus einem polytheistischen Lebenskontext über die monolatrische JHWH-Verehrung, die sich innerhalb eines polytheistischen Referenz-Systems zu artikulieren und zu behaupten hat, bis hin zum klaren monotheistischen Bekenntnis (→ Monotheismus) bei → Deuterojesaja (Jes 43,10-11; Jes 45,5-6.14) und in späten Schichten des → Deuteronomiums (Dtn 4,35.39; Dtn 32,39) kommt der „Eifersucht JHWHs“ eine ganz entscheidende Rolle zu. Damit wird ein weiterer wichtiger Aspekt dieser Redeweise deutlich: Die Rede vom „eifersüchtigen Gott“ will nicht so sehr eine Eigenschaft Gottes beschreiben, sie zielt vielmehr auf die singuläre Beziehung zwischen JHWH und seinem Volk und auf die besondere Qualität dieser Beziehung ab.

3. JHWHs Eifersucht als korrigierende, destruierende und transformierende Kraft

JHWHs Eifersucht / Eifer gilt zunächst Israel in seinem besonderen Gottesbezug, das im → Bund mit Gott bewahrt, im Falle der Veruntreuung aber mit der göttlichen Eifersucht konfrontiert und neu für seinen Gott gewonnen werden soll. In Texten aus der exilischen und nachexilischen Zeit kommen zunehmend die Völker in den Blick. Auch sie stehen, je nach ihrem Verhalten zu Israel, unter dem göttlichen Gericht. Schließlich kennt das Alte Testament auch ein Sich-Ereifern JHWHs, das sich heilbringend auf das Volk auswirkt und die Erneuerung Israels und seinen bleibenden Stand vor Gott zum Ziel hat.

3.1. JHWHs Anspruch auf Alleinverehrung in Israel

Die Rede von JHWHs Eifersucht auf sein Volk ist nur recht zu verstehen, wenn sie im Zusammenhang mit der geforderten Alleinverehrung JHWHs gesehen wird. Berücksichtigt man, dass hinter diesem Theologumenon die Theologie des → Hosea wirksam ist, die das Sonderverhältnis Israels zu seinem Gott in die Metapher der → Ehe kleidet, wird auch die Betonung der personalen Kategorie „Eifersucht“ verständlich.

3.1.1. Die Adjektive קַנָּא qannā’ und קַנּוֹא qannô’

Da die beiden Adjektive ausschließlich als Attribute JHWHs vorkommen, eignen sich die einschlägigen Belege von קַנָּא qannā’ (Ex 20,5; Ex 34,14 [2-mal]; Dtn 4,24; Dtn 5,9; Dtn 6,15) und קַנּוֹא qannô’ (Jos 24,19; Nah 1,2) besonders gut, um die Leistung der Redeweise „Eifersucht JHWHs“ zu profilieren. Ein Durchgang durch die Belegstellen von קַנָּא qannā’ zeigt zum einen, dass die Formulierungen nicht einheitlich gestaltet sind, sondern variiert werden, somit also keine feste Formel vorliegt. Zum anderen wird deutlich, dass die Qualifikation JHWHs als „eifersüchtiger Gott“ durchgängig in Begründungssätzen auftaucht (vgl. Dohmen, 292):

  • „… denn ich bin JHWH, dein Gott, ein eifersüchtiger Gott“ (’el qannā’; Ex 20,5);
  • „… denn JHWH, eifersüchtig ist sein Name (qannā’ šəmô), ein eifersüchtiger Gott ist er“ (’el qannā’ hû’; Ex 34,14);
  • „… denn JHWH, dein Gott, er ist ein verzehrendes Feuer, ein eifersüchtiger Gott“ (’el qannā’; Dtn 4,24);
  • „… denn ich bin JHWH, dein Gott, ein eifersüchtiger Gott“ (’el qannā’; Dtn 5,9);
  • „… denn ein eifersüchtiger Gott (’el qannā’) ist JHWH, dein Gott, in deiner Mitte“ (Dtn 6,15).

Hinzu kommen die beiden Belege von קַנּוֹא qannô’ in Jos 24,19 und Nah 1,2. Jos 24,19: „… denn ein heiliger Gott ist er, ein eifersüchtiger Gott ist er“ (’el qannô’ hû’) verknüpft das Motiv der Eifersucht JHWHs mit dem seiner „Heiligkeit“ und hebt so die Schwere der Sünde des Götzendienstes hervor. Nah 1,2: „Ein eifersüchtiger und rächender Gott ist JHWH“ (’el qannô’ wənoqem JHWH) unterstreicht mit der Verbindung „eifersüchtig“ – „rächend“ den Gerichts- und Vergeltungscharakter des göttlichen Handelns (→ Vergeltung).

Ex 34,14, Teil des Privilegrechts Ex 34,10-26, dürfte als vordeuteronomistischer Text den ältesten der angeführten Belege darstellen. Der unmittelbare Erzählzusammenhang – die Geschichte vom → Goldenen Kalb Ex 32 – wirft die Frage nach der ausschließlichen Verehrung JHWHs auf, die durch das Privilegrecht generell, v.a. aber durch die Eifersuchtsaussage von Ex 34,14 eingefordert wird. Dabei ist das Verbot, eine andere Gottheit zu verehren, mit der Aussage, dass JHWH ein eifersüchtiger Gott sei, begründet. Der Erzählzusammenhang unterstreicht zudem, dass hier keine Eigenschaft JHWHs beschrieben ist, sondern die Ausschließlichkeit der Beziehung zu seinen Verehrern im Vordergrund steht. Wenn auch die Terminologie deutlich unterschieden ist, der Sache nach greift Ex 34,14 die Theologie des → Hosea auf, der die Ausschließlichkeit der Beziehung JHWHs zu seinem Volk in die Metapher der → Ehe kleidet (Hos 2,4.7; Hos 3,1f.; Hos 4,16f.). Religionsgeschichtlich dürfte die Aussage von Ex 34,14 in die Phase der intoleranten JHWH-Monolatrie gehören, die wegweisend wird für die spätere Herausbildung des Monotheismus.

Die beiden Dekalogfassungen Ex 20,5f. und Dtn 5,9f. (→ Dekalog) begründen die Verpflichtung zur ausschließlichen JHWH-Verehrung mit der einmaligen Geschichte, die JHWH mit seinem Volk verbindet (vgl. auch Dtn 6,10-15) und die in der Einleitung in beiden Dekalogfassungen ausdrücklich festgehalten ist (Ex 20,2; Dtn 5,6). Die Eifersuchtsaussage ist mit dem Götzendienst und dem Bildverbot verbunden. Im Hintergrund der Strafandrohung im Falle der Nichtbeachtung des Gebotes steht wohl Ex 34,5-7 als Spendertext, der in bewusster Einseitigkeit der → Barmherzigkeit (für tausend Geschlechter) den Vorrang vor der Strafgerechtigkeit (bis zur dritten und vierten Generation) zuerkennt. Erneut dürfte hier hoseanisches Gedankengut rezipiert sein (vgl. Hos 11,8-9: „… Ich will meinen glühenden Zorn nicht vollstrecken und Efraim nicht noch einmal vernichten, denn Gott bin ich und nicht Mensch, der Heilige in deiner Mitte …“). Die Dekalogfassungen verschieben den Akzent insofern, als sie die Strafe jeweils voranstellen und diese mit der Aussage der göttlichen Eifersucht verbinden. Zwar dient die Eifersuchtsaussage nach wie vor der Alleinverehrung JHWHs, jedoch auf dem Umweg über das angedrohte göttliche Gericht im Falle der Missachtung der göttlichen Weisung.

Der spätexilische Text Dtn 4 zeigt die Leistung der Rede vom „eifersüchtigen Gott“ (Dtn 4,24), hier zusätzlich verstärkt durch das Bild vom „verzehrenden Feuer“ (אֵשׁ אֹכְלָה ’eš ’okhlāh), im Kontext des sich profilierenden Monotheismus. Wie Braulik (279) gezeigt hat, durchschreitet Dtn 4 den Weg vom Polytheismus über die Monolatrie bis hin zum expliziten Monotheismus (Dtn 4,35.39). Gegenläufig zur Reihenfolge in Ex 34,5-7 und entsprechend den Vorgaben im Dekalog ist in Dtn 4,23-31 zunächst das göttliche Strafhandeln thematisiert, das mit „einem eifersüchtigen Gott“ (אֵל קַנָּא ’el qannā’) verknüpft ist. Auf das Gerichtshandeln folgt das Handeln des „barmherzigen Gottes“ (אֵל רַחוּם ’el raḥûm; Dtn 4,31), das dem vorgängigen Gerichtshandeln nicht nur gegenübergestellt ist, sondern dieses auch ablöst. Während die Rede vom „eifersüchtigen Gott“ ihren Ort im Kontext polytheistischer Auseinandersetzung hat, um die mit der Monolatrie Israels verbundene singuläre Gottesoffenbarung zu schützen, wird die Rede vom „barmherzigen Gott“ zum tragenden Grund, um auf neue Weise und auf einer neuen Grundlage von der Einzigkeit Gottes zu sprechen. „Nach einer vom eifersüchtigen Gott ausgelösten, fluchbeladenen Vergangenheit (Verse 25-28) ermöglicht dann derselbe Jahwe als barmherziger Gott eine gesegnete Zukunft, genauer: eigentlich nur ihre Voraussetzung, nämlich die Bekehrung Israels zu Jahwe als seinem Gott, und einen neuen Gehorsam (Verse 29f)“ (Braulik, 279).

3.1.2. JHWHs Eifer in Reaktion auf Israels Götzendienst

Das Sonderverhältnis zwischen JHWH und seinem Volk wird durch die Rede von der Eifersucht JHWHs nicht nur gehütet, diese impliziert auch eine besondere Ahndung im Falle der Veruntreuung. Dabei ist es durchgängig der Götzendienst, der den Eifer JHWHs erregt. Mit den Verben קנא qn’ Pi. (Dtn 32,21; 1Kön 14,22) und קנא qn’ Hif. (Dtn 32,16; Ps 78,58; [Ez 8,3]) und unter Verwendung der Präposition ב b „durch / mit“ (Ausnahme Ez 8,3) wird die Ursache benannt, welche die Eifersucht JHWHs erregt. Die mehrfach mit קנא qn’ gebrauchte Wurzel כעס k‘s im Pi. (Dtn 32,21), im Hif. (Dtn 32,16.21; Ps 78,58) umschreibt zusammen mit קנא qn’ die Reaktion JHWHs: „erregen / zum Ärger reizen / kränken“. Die göttliche Eifersucht wird an den benannten Stellen verursacht „durch Fremde (=Götter)“ (בְּזָרִים bəzārîm; Dtn 32,16), „durch einen Nicht-Gott“ (בְּלֹא־אֵל bəlo’-’el; Dtn 32,21), „durch ihre Sünden“ (בְּחַטֹּאתָם bəḥatto’tām; 1Kön 14,22), bezugnehmend auf Judas Götzendienst, „durch ihre Götzenbilder“ (בִּפְסִילֵיהֶם bifsîlêhæm; Ps 78,58). Der jeweilige Begründungszusammenhang verweist auch hier auf die vorgängigen Heilstaten JHWHs (Dtn 32,9.10-14; Ps 78,2-55; 1Kön 14,21) und die damit gegebene exklusive Bundesbeziehung zwischen JHWH und seinem Volk, die durch den Götzendienst Israels verraten und veruntreut wird. JHWHs Reaktion der Eifersucht unterstreicht somit den Wert der Bundesbeziehung, die Israel mit seinem Götzendienst preiszugeben bereit ist.

3.1.3. Die Auswirkungen der Eifersucht JHWHs auf Israel

Die Veruntreuung des gestifteten Bundesverhältnisses zwischen JHWH und seinem Volk veranlasst JHWH dazu, richtend und strafend einzuschreiten. Dieses göttliche Strafhandeln wird als göttliche Eifersucht (קִנְאָה qin’āh) beschrieben und ist mehrfach mit anderen Nomina verbunden, die das göttliche Strafhandeln weiter ausmalen. So erscheint der göttliche Eifer (קִנְאָה qin’āh) zusammen mit dem „Zorn“ (אַף ’af) Gottes (Dtn 6,15; Dtn 29,19; vgl. auch Zef 3,8) als Zorneseifer, in Verbindung mit Feuer (אֵשׁ ’eš, Dtn 4,24) als „Feuer“ des Gerichts, mit „Glut / Zorn / Erregung“ (חֵמָה ḥemāh, Ez 5,13; Ez 16,38.42; Ez 36,6; vgl. auch Zef 3,8) bzw. mit „im Feuer meines Zornes“ (בְּאֵשׁ־עֶבְרָתִי bə’eš ‘ævrātî, Ez 38,19; vgl. Ez 21,36; Ez 22,15.31) als vernichtender Eifer Gottes. Die Auswirkungen dieses göttlichen Strafhandelns reichen bis zum Untergang Israels. Nach Num 25 ist die Existenz Israels durch Götzendienst gefährdet. Nur das entschiedene Eingreifen, der Eifer des Priesters → Pinhas, der den Abtrünnigen tötet (Num 25,11), wendet JHWHs tödlichen Eifer von Israel ab. Dtn 29,19 droht als göttliche Strafe für den Fall des Götzendienstes „JHWHs Zorn und seine Eifersucht“ (אַף־יְהוָה וְקִנְאָתוֹ) an, die den Abtrünnigen auslöschen werden.

Das Klagegebet Ps 79 sieht das → Exil, das über das Gottesvolk hereingebrochen ist, als Ausdruck des göttlichen Strafhandelns, bei dem JHWHs Eifer „wie Feuer [dein Eifer]“ (כְּמוֹ־אֵשׁ קִנְאָתֶךָ) entbrannt ist (Ps 79,5). Zugleich wird im Vollzug der Klage das Ende der Not erbeten und JHWH zum Eingreifen bewogen, zumal die Schmähungen der Völker auch JHWHs Ansehen gefährden.

Ez 16,38.42 entfaltet das Motiv der Eifersucht JHWHs im Rahmen eines Ehegleichnisses (vgl. auch Ez 23,25), wohl in Abhängigkeit von Hosea. In ausladender Rede wird zunächst Einblick in die frühe Geschichte Jerusalems gewährt: Jerusalem glich einem von seinen Eltern abgelehnten und ausgesetzten Kind, das dem sicheren Tode preisgegeben war. Als JHWH es auf freiem Felde liegen sah, rettete er das Mädchen aus Mitleid, er zog es auf und erwählte die junge Frau schließlich zu seiner Braut. Auf ihre Einsetzung als Herrin (Ez 16,1-14) reagiert das einstige Findelkind indessen mit Selbstgefälligkeit (Ez 16,15), sie vergisst ihren Bräutigam und Herrn und läuft fremden Liebhabern nach. Götzendienst (Ez 16,15-22) und politisch-religiöse Verirrungen (Ez 16,23-30) werden in das Bild der treulosen Frau gekleidet, einer Dirne, die Ihresgleichen dadurch überbietet, dass sie sich in ihrer Gier den Liebhabern anbietet und aufdrängt und diese für ihren Hurendienst zudem bezahlt (Ez 16,31-34). Die in verletzender Zuspitzung formulierte radikale Verweigerung Jerusalems zieht ein radikales Gericht Gottes nach sich (Ez 16,35-43a), das öffentlich vor dem Forum der einstigen Liebhaber stattfindet (Ez 16,37). JHWHs „Zorn“ (חֵמָה ḥemāh) und sein „Eifer“ (קִנְאָה qin’āh) haben – so Ez 16,38 – das Todesurteil der Dirne zur Folge, wie es die Rechtsprechung für den Fall des Ehebruchs vorsieht (Ez 16,40; vgl. Dtn 22,23f.). Das schaurige Resümee JHWHs lautet, Ez 16,42: „Wenn ich meinen Zorn (חֲמָתִי ḥǎmātî) an dir gestillt habe, wird meine Eifersucht (קִנְאָתִי qin’ātî) aufhören, gegen dich zu wüten. Ich werde Ruhe haben und mich nicht mehr ärgern.“ Dieses bis zum Untergang der Geliebten unerbittlich durchgehaltene göttliche Gericht unterstreicht die Schwere des geahndeten Fehlverhaltens. Die Bundesgeschichte zwischen JHWH und seinem Volk erweist sich so als eine Geschichte tragischen Scheiterns, sodass vom Bundesverhältnis nur noch Bruchstücke bleiben. Inwieweit der abgründige Gerichtseifer JHWHs noch einmal von einer nicht minder abgründigen → Treue unterfangen ist, zeigt der Fortgang von Ez 16 (vgl. Ez 16,53-58 und Ez 16,59-63) auf hochdramatische Weise.

3.2. JHWHs Eifer gegenüber der Völkerwelt

Wie die prophetische Literatur neben den Gerichtsworten über das JHWH-Volk Gerichtsworte über Fremdvölker kennt, so richtet sich JHWHs Eifer (קִנְאָה qin’āh) auch gegen Israels Bedränger. Dabei ist nicht überraschend, dass sich die Belege (fast) allesamt in der prophetischen Literatur finden und aus der exilischen und nachexilischen Zeit stammen (Jes 42,13; Jes 59,17; Ez 36,5f.; Ez 38,19; Nah 1,2; Zef 1,18; Zef 3,8). Die Verbindung von „Feuer“ (אֵשׁ ’eš) und „Eifer“ (קִנְאָה qin’āh) unterstreicht den Charakter des Gerichtes (vgl. Ez 36,5f.; Zef 1,18; Zef 3,8), das über die Feinde kommt, weil diese mit ihrer Aggression gegen Israel sich zugleich gegen die Pläne JHWHs stellen. Als Feinde und Bedränger Israels (Jes 42,13; Jes 59,18) sind sie deshalb auch Feinde JHWHs, der wie ein „Krieger“ (גִּבּוֹר gibbôr) und als „Kriegsmann“ (אִישׁ מִלְחָמוֹת ’îš milḥāmôt) gegen sie vorgeht, um „Rache“ (נָקָם nāqām) an ihnen zu üben. Die beiden Belege Zef 1,18; Zef 3,8 kündigen ein universales Gericht am → „Tag JHWHs“ an, bei dem JHWH „im Feuer seines / meines Eifers“ (בְּאֵשׁ קִנְאָתוֹ bə’eš qin’ātô, Zef 1,18; Zef 3,8) die ganze Erde heimsuchen wird.

Der Begründungszusammenhang von Ez 36,1-6 verdeutlicht, wie JHWHs „Eifer“ (קִנְאָה qin’āh) gegen die Widersacher wirksam wird. Israels Feinde hatten das göttliche Gericht am JHWH-Volk spöttisch und überheblich kommentiert und Anspruch auf das Erbland Israels erhoben (Ez 36,2). Da dieses jedoch Land JHWHs ist, bedeutet die widerrechtliche Aneignung des Landes einen Angriff auf JHWH und sein Heilshandeln (Ez 36,5: „weil sie mein Land für sich zum Besitz genommen haben“ נָתְנוּ־אֶת־אַרְצִי לָהֶם לְמוֹרָשָׁה). Deshalb geht JHWH gegen Edom vor, Ez 36,6b: „Hier bin ich: mit meinem Eifer und mit meinem Zorn (הִנְנִי בְקִנְאָתִי וּבַחֲמָתִי)“. Die Drohung gegen → Gog aus Magog, dem Feind des Gottesvolkes par excellence, die JHWH in Ez 38,18f. בְּקִנְאָתִי בְאֵשׁ־עֶבְרָתִי „in meinem Eifer und im Feuer meines Zornes“ ausspricht, bringt mit der Überwindung Gogs die Hoffnung auf bleibend gültiges Heil jenseits des Völkergerichts in den Blick.

3.3. JHWHs Eifer und die Erneuerung Israels

JHWHs Gerichtseifer gegen die Fremdvölker markiert bereits den Übergang zum Heil für sein Volk. Auch das göttliche Heilshandeln wird in der Metapher des „Eifers“ ausgedrückt. Es verwundert nicht, dass sich die einschlägigen Belege fast ausschließlich in der prophetischen Literatur finden.

Eine erste Gruppe von Stellen sieht Israel als Adressat des göttlichen Eifers, ausgedrückt mit קנא qn’ Pi. und der Präposition ל l „für / zugunsten“, so etwa in Ez 39,25; Jo 2,18 und Sach 1,14; Sach 8,2. Dabei bildet der Stamm קנא qn’ ein gemeinsames Wortfeld mit רחם rḥm „erbarmen“ und רַחַמִים raḥamîm „Erbarmen“. In Ez 39,25 kündigt JHWH eine Wende für das Gottesvolk an: „Jetzt werde ich das Geschick Jakobs wenden, und ich will Erbarmen haben (וְרִחַמְתִּי) mit dem ganzen Haus Israel und will mit leidenschaftlichem Eifer für meinen heiligen Namen eintreten (וְקִנֵּאתִי לְשֵׁם קָדְשִׁי).“ Das leidenschaftliche Eintreten JHWHs für seinen Namen verwirklicht sich zum einen in der Überwindung der Feinde. Durch deren Niederlage wird die Geschichtsmächtigkeit und Souveränität JHWHs öffentlich bekundet. Zum anderen schließt das Eifern für seinen Namen den neuen Exodus, die Reinigung und Erneuerung Israels mit ein, einschließlich der Gabe eines neuen Herzens und eines neuen Geistes (vgl. Ez 36,22-28).

Eine Heuschreckenplage ist nach Jo 1,2-20 Auslöser für einen Bußgottesdienst, der JHWH zum Handeln für sein Volk bewegen soll, ist doch die notvolle Situation des Volkes zugleich Grund für die Schmach der Feinde gegenüber JHWH selbst (Jo 2,17). Die Bitte um eine Schicksalswende findet Erhörung: im Eifer JHWHs für sein Land und im Mitleid für sein Volk (Jo 2,18).

Sach 1,14 und Sach 8,2 zeigen die Ambivalenz des göttlichen Eifers. Nach Sach 1,14b gilt JHWHs Eifer der Stadt → Jerusalem und dem → Zion, ausgedrückt in der figura etymologica קנא qn’ Pi. mit dem Nomen קִנְאָה qin’āh: „Geeifert habe ich für Jerusalem und Zion mit großem Eifer“. JHWHs glühender Zorn, ebenfalls ausgedrückt mit einer figura etymologica unter Verwendung der Wurzel קצף qṣp, gilt indes den Völkern. In Sach 8,2 ist nur noch das Heil für den Zion und für Jerusalem (vgl. Sach 8,3) im Blick, unter zweifacher Verwendung des Verbs קנא qn’ Pi. und der Nomina קִנְאָה qin’āh und חֵמָה ḥemāh „Zorn“, hier: „Glut“. Erneut wird die Aussage durch eine figura etymologica verstärkt.

Die drei Belegstellen Jes 9,6; Jes 37,32 (= 2Kön 19,31) bringen eine geprägte Wendung: „der leidenschaftliche Eifer des Herrn der Heere (קִנְאַת יְהוָה צְבָאוֹת) wird dies vollbringen“. In Jes 37,32 / 2Kön 19,31 verbindet sich damit die Rettung Jerusalems vor den Neuassyrern. Jes 9,5-6 kündet die Geburt eines Kindes auf dem Thron Davids an, eine messianische Gestalt, die dem Land Frieden und Heil bringen wird. Der leidenschaftliche Eifer JHWHs zeigt sich somit in der Gabe einer messianischen Retter-Gestalt für das JHWH-Volk.

Der mit apokalyptischem Gedankengut imprägnierte Text Jes 26,11 zeigt erneut die Ambivalenz des göttlichen Eifers. Während der leidenschaftliche Eifer JHWHs seinem Volk gilt und Heil bedeutet (hier findet sich der einzige Beleg für die Wortfügung קִנְאַת־עָם qin’at ‘ām „Eifer für das Volk“), gilt den Feinden, die gegen JHWHs Heilshandeln opponieren, seine zerstörerische Zornesglut (אַף־אֵשׁ ’af ’eš).

Eigens zu erwähnen ist noch Jes 63,15. Die göttliche קִנְאָה qin’āh bildet ein gemeinsames Wortfeld mit weiteren positiv konnotierten Ausdrücken, die unüberhörbar Heilszusage sind. Der Beter ringt im Gebet mit Gott, dass dieser endlich handeln möge: „dein leidenschaftlicher Eifer“ (קִנְאָתְךָ qin’ātkhā) „und deine Macht“ (וּגְבוּרֹתֶךָ ûgəvûrotækhā), „dein großes Mitleid“ (הֲמוֹן מֵעֶיךָ hǎmôn me‘ækhā) „und dein Erbarmen“ (וְרַחֲמֶיךָ wəraḥǎmækhā) sind Zeichen der heilvollen Nähe JHWHs, die der Beter für seine Gegenwart und für die anstehende Zukunft von Gott erwartet und erhofft.

Nach dem Eintreffen des göttlichen Gerichts erwartet das JHWH-Volk den leidenschaftlichen Eifer JHWHs somit als transformierende Kraft, die das Volk selbst (Jes 26,11), das Land (Jo 2,18) und Jerusalem / Zion (Sach 1,14; Sach 8,2f.) erneuert.

Literaturverzeichnis

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  • Renaud, B., Je suis un dieu jaloux, Paris 1963.
  • Schaper, J., Das Theologumenon des „Eifers“ Gottes in alttestamentlichen Texten, sein Zusammenhang mit dem Bilderverbot und seine Wirkung auf das frühe Judentum, in: H. Lichtenberger (Hg.), Martin Hengels „Zeloten“: Ihre Bedeutung im Licht von fünfzig Jahren Forschungsgeschichte, Tübingen 2013, 1-19.
  • Zimmerli, W., Das zweite Gebot, in: ders., Gottes Offenbarung. Gesammelte Aufsätze zum Alten Testament (TB 19), München 1969 (2. Aufl.), 234-248.

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