El Roi
(erstellt: Oktober 2007)
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El Roi (אֵל רֳאִי ’el rå’î) ist eine Bezeichnung → Jahwes
1. Die Gottesbezeichnung im Kontext der Erzählung Gen 16
In Gen 16,1-16
2. Die Bedeutung der Gottesbezeichnung
In der Begründung der Gottesbezeichnung El Roi wird zunächst von Hagar, dann von der Gottheit gesagt, dass sie sieht. Das wirft die Frage auf, ob das Namenselement Roi, das von ראה r’h „sehen“ kommt, seine Begründung darin findet, dass Hagar oder dass Gott sieht.
2.1. „Gott der Erscheinung“ – Hagar sieht Jahwe
Der Konsonantentext אל ראי ’l r’j wird von den Masoreten אֵל רֳאִי ’el rå’î vokalisiert. Das Nomen רֳאִי rå’î „Erscheinung“ müsste in Pausastellung eigentlich רֹאִי ro’î gelesen werden (1Sam 16,12
2.2. „Gott, der mich sieht“ – Jahwe sieht Hagar
Ein ganz anderes Verständnis der Gottesbezeichnung belegen ältere, vormasoretische Textzeugen, nämlich die Bibel der → Samaritaner
Ursprünglich dürfte El Roi in diesem Sinne zu verstehen gewesen sein, und zwar aus mehreren Gründen. 1) Dass eine Gottheit erscheint, ist nichts Besonderes und für eine Gottesbezeichnung zu unspezifisch. Die Formulierung „Der Gott, der mich sieht“ charakterisiert Gott dagegen als persönlichen Schutzgott. 2) Die Erzählung handelt nicht davon, dass Hagar Gott sieht, sondern davon, dass Gott Hagar rettet. Die Rettung verdichtet sich zunächst in dem Namen Ismael „Gott hört“, dann in der Bezeichnung Jahwes als El Roi „Gott, der mich sieht“ und schließlich in der des Brunnens als בְּאֵר לַחַי רֹאִי bə’er laḥaj ro’î „Brunnen des Lebendigen, der mich sieht“ (so die Lutherübersetzung). Dabei sind „hören“ und „sehen“ als Verben des Rettens im Sinne von „erhören“ bzw. „ersehen“ zu verstehen. 3) Wenn man El Roi als „Gott der Erscheinung“ deutet, liegt der Akzent in der Begründung von v13b auf „ich habe gesehen“. Es ist jedoch wahrscheinlicher, dass Roi, das letzte Wort von v13a, durch רֹאִי ro’î, das gleich lautende letzte Wort von v13b, erklärt wird. Die Begründung zielt dann darauf, dass Gott Hagar sieht.
Gegenüber dem Gedanken, dass Jahwe eine ägyptische Sklavin rettet, hielten es die Masoreten für bemerkenswerter, dass Jahwe erscheint und sich sehen lässt, Hagar also Gott gesehen hat, obwohl dies eigentlich nicht möglich ist (vgl. Ex 33,20
Literaturverzeichnis
- Booij, Th., Hagar’s Words in Genesis XVI 13b, VT 30 (1980), 1-7
- Knauf, E.A., Ismael, Wiesbaden 2. Aufl. 1989
- Köckert, M., Vätergott und Väterverheißungen (FRLANT 142), Göttingen 1988
- Koenen, K., Wer sieht wen? Zur Textgeschichte von Genesis XVI 13, VT 38 (1988), 468-474
- Pury, A. de, Art. El-Roi, in: Dictionary of Deities and Demons in the Bible, 2. Aufl., Leiden 1999
- Schoors, A., A Tiqqun Sopherim in Genesis XVI 13B?, VT 32 (1982), 494-495
- Seebass, H., Zum Text von Gen. XVI 13b, VT 21 (1971), 254-256
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