Deutsche Bibelgesellschaft

Eltern / Elterngebot (AT)

(erstellt: Januar 2006)

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Elterngebot 1
Eltern nehmen im Alten Testament eine besondere Stellung in der Gesellschaft ein (→ Familie). Dies wird bereits dadurch erkennbar, dass das Gebot, Vater und Mutter zu ehren (sog. Elterngebot im → Dekalog, Ex 20,12 / Dtn 5,16) am Übergang zwischen den Geboten der Gottesehrung und den Geboten zum Umgang mit den Mitmenschen steht. Dabei wird – wie auch an den anderen einschlägigen Stellen – das Verhältnis zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern geregelt (→ Genealogie; → Nachkommen; → Sohn / Tochter; → Verwandtschaft).

1. Im alttestamentlichen Recht

Das Elterngebot, dessen Anfänge vermutlich im Sippenrecht der Nomaden anzunehmen sind, hatte ursprünglich zum Ziel, die Altersversorgung der alt gewordenen Eltern zu sichern.

Darauf deuten insbesondere terminologische Verbindungen zu altorientalischen Urkunden im Zusammenhang von Adoptionsregelungen und Erbverträgen hin. Mit dem Begriff כבד kbd Pi., der mit „ehren“ wiedergegeben wird, sollte die praktische Versorgung des alten Vaters und der alten Mutter garantiert werden. Vor allem der nach dem Tod des Ehepartners allein zurückbleibende Elternteil sollte von den Kindern unterstützt werden.

Das setzt freilich voraus, dass die Kinder ihre Eltern achten und wertschätzen, also auch im immateriellen Sinn ehren, wobei dieser Gedanke sich explizit erst in nachalttestamentlicher Zeit findet. Die beim Gebot zur Versorgung der alten Eltern implizierte respektvolle Haltung gegenüber Mutter und Vater wird jedoch in der Antike grundsätzlich erwartet.

Andere Rechtssätze über Eltern im Alten Testament ergänzen dieses Grundanliegen unter völlig unterschiedlichen Perspektiven. Gleichursprünglich mit dem Elterngebot will etwa eine Reihe von Rechtssätzen im → Bundesbuch (Ex 21,15.17) die Eltern vor tätlichen Angriffen der erwachsenen Kinder schützen. In Dtn 21,18-21 soll die Fallschilderung des berüchtigten „störrischen Sohnes“ Jugendliche abschrecken, sich gegen Vater oder Mutter aufzulehnen. Auch beim Verbot, Vater oder Mutter zu verfluchen (Dtn 27,16), geht es um Abschreckung vor einer Handlung, die – in antiken Zusammenhängen gedacht – das Wohlergehen oder gar das Leben der Eltern gefährden könnte, wenn ein solcher → Fluch wirksam würde.

Eine noch stärker herausgehobene Rolle hatten Eltern in der Zeit des babylonischen Exils, als die Weitergabe des Glaubens wie auch der Identität Israels als Gottes Volk ausschließlich bei der Familie lag, nachdem keine Verbindung zum Tempel oder anderen religiösen Einrichtungen möglich war. Die Spitze des alttestamentlichen Elternrechts findet sich entsprechend im → Heiligkeitsgesetz, das in exilischer Zeit das Gebot, die Eltern zu ehren, in einem Zug mit dem Gebot, Gott zu ehren, nennt (Lev 19,3). Nun geht es um Ehrfurcht vor den Eltern (statt „ehren“ wird nun das Verb „fürchten“ verwendet, das sonst nur zur Beschreibung der Haltung gegenüber Gott vorkommt) und sie wird neben der alleinigen Verehrung des Gottes Israels und der Einhaltung des Sabbat zum dritten Kennzeichen des Gottesvolkes erhoben.

Die im Dekalog noch offen gelassene Zuordnung des Elterngebots ist hier nun eindeutig geklärt: den Eltern nicht nur Versorgung zu geben, sondern ihnen in allen Dingen Respekt und Gehorsam zu erweisen, gehört auf die Seite der Gebote, Gott zu ehren. Eltern werden gleichsam „Stellvertreter Gottes“.

2. Außerhalb der Gesetzeskorpora

Außerhalb der Gesetzeskorpora können wir weitere Entwicklungen differenziert beobachten. Im → deuteronomistischen Geschichtswerk etwa wird der Ehrung der Eltern die alttestamentlich selbstverständliche Grenze gezogen, wenn in Dtn 33,9f die Lossagung von den nicht gottesgläubigen Eltern beschrieben wird. Das erste Gebot, nämlich Gott allein zu ehren, steht auch über der Ehrung der Eltern. Dementsprechend wertet es das deuteronomistische Geschichtswerk positiv, wenn ein König mit der Religionspolitik seiner Eltern bricht und nicht so sehr gegen Gottes Gebot verstößt wie diese (vgl. 1Kön 15,13; 2Kön 3,2; 2Kön 18,3f).

Die priesterschriftliche Erzähltradition (→ Priesterschrift) macht die Bestattung der Eltern durch die Söhne zur Regel (Gen 50,12f) und knüpft den Segen für die Kinder daran, dass sie im Blick auf ihre Heirat den elterlichen Rat befolgen (Gen 28,7).

In der Weisheitsliteratur des Alten Testaments finden wir über das Elterngebot hinausgehend dann die Mahnung zum Gehorsam gegenüber Vater und Mutter (Spr 23,22.25), die den Kindern in jedem Alter gilt.

Die prophetischen Bücher des Alten Testaments nehmen die Beziehung zu den Eltern sehr viel seltener in den Blick. Charakteristischerweise ist es → Ezechiel, der Prophet der Exilszeit, der das Elterngebot aufnimmt, neben das Sabbatgebot stellt und als Hauptanklagepunkte gegen das Volk die Verletzung dieser Gebote nennt (Ez 22,7.8). Ansonsten nimmt nur → Maleachi ausdrücklich Bezug auf das Elterngebot und setzt seine Befolgung als selbstverständlich voraus (Mal 1,6).

Die nachexilischen Bücher des Alten Testaments (→ Chronistisches Werk, → Esra- und Nehemia) rekurrieren praktisch nicht auf Elternrecht und Elterngebot; die Elterngenerationen, die das Exil verschuldet haben, werden eher negativ bewertet. Als Autorität gelten außerfamiliäre Einrichtungen, die den Wiederaufbau vorantreiben. Nur im Buch → Rut klingt eine Art „Generationenvertrag“ an (Rut 4,15.17), der die ursprüngliche Zielrichtung des Elterngebots aufnimmt.

Literaturverzeichnis

  • Jungbauer, H., „Ehre Vater und Mutter“. Der Weg des Elterngebots in der biblischen Tradition (WUNT II/146), Tübingen 2002

Abbildungsverzeichnis

  • Das Elterngebot; Detail aus: Die Zehn Gebote; Gemälde von Lucas Cranach, geschaffen für die Gerichtsstube im Rathaus zu Wittenberg (1516; heute im Refektorium des Lutherhauses).

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