Ende (AT)
(erstellt: Januar 2013)
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1. Begriffe für „Ende“ im Alten Testament
Die beiden hebräischen Wörter, die in den deutschen Übersetzungen des Alten Testaments mit „Ende“ übersetzt werden, sind in der Regel אַחֲרִית ’aḥǎrît und קֵץ qeṣ. Beide Begriffe beziehen sich auf das Verständnis der → Zeit
2. Die Bezeichnung der Zukunft (אַחֲרִית)
Die Nominalbildung אַחֲרִית ’aḥǎrît ist eine Ableitung von der Wurzel אחר ’ḥr, wobei diese Wurzel sonst als Adjektiv, Präposition oder Adverb das zeitliche Nachher ausdrückt („nach“). Demzufolge bezeichnet das Substantiv אַחֲרִית ’aḥǎrît in der Regel nicht ein punktuelles Ende, sondern benennt einen zukünftigen Zeitraum, der sich über eine gewisse Dauer erstrecken und mit Ereignissen gefüllt sein kann. Ein geeigneter Beleg dafür ist Gen 49,1
Die dreizehnmal begegnende Phrase bǝ’aḥǎrît hajjāmîm (Gen 49,1
3. Die Bezeichnung eines zeitlichen Endpunktes (קֵץ)
Das Substantiv קֵץ qeṣ ist ein Derivat der Wurzel qṣṣ, die als Verb „abschneiden“ oder „abhauen“ bedeutet. Das Substantiv bezeichnet dann den Endpunkt eines Zeitabschnittes und ein zeitliches Ende im absoluten Sinne. Dabei fällt auf, dass קֵץ qeṣ ausschließlich mit Bezug auf die Zeit, nicht aber zur Benennung eines räumlichen Endes oder einer Grenze verwendet wird. Die einzige mögliche Ausnahme stellt 2Kön 19,23
3.1. Die Markierung eines Zeitabschnittes (מִקֵץ)
Häufig begegnet im Alten Testament die Formulierung מִקֵּץ miqqeṣ (wörtl.: „vom Ende [her]“) in Kombination mit einer bestimmten oder unbestimmten Anzahl von Tagen oder Jahren, so in Gen 4,3
3.2. Die Bezeichnung eines von Gott gesetzten Endes (קֵץ)
In Ps 39,5
Die alttestamentliche Gerichtsprophetie überträgt die Rede vom „Ende“ auf das Volk Israel in Gestalt einer Gerichtsankündigung. So zuerst beim Propheten → Amos
„Und (JHWH) sprach: Was siehst du, Amos? Und ich sprach: Einen Korb mit Sommer(obst) (qajiṣ). Da sprach JHWH zu mir: Gekommen ist das Ende (qeṣ) zu meinem Volk Israel. Ich will nicht fortfahren, schonend an ihm vorüberzugehen.“
In dieser vierten → Vision
Die Formulierung „gekommen ist das Ende“ wird in Ez 7,2f
Vermittelt über die Prophetie Ezechiels gelangt die Rede vom Kommen des Endes schließlich in die → Priesterschrift
3.3. Ende und Endzeit (קֵץ)
Der theologische Aspekt wird wichtiger, wo die Rede vom Ende eine eschatologische Dimension erhält (→ Eschatologie
„Denn noch gibt es eine Offenbarung bis zum festgesetzten Termin (lammô‘ed) und sie gibt Zeugnis bis zum Ende (qeṣ) und trügt nicht; wenn sie sich verzögert, dann harre darauf, denn sie kommt gewiss.“
Es wird also bis zu einem bestimmten Zeitpunkt (lammô‘ed) Offenbarung(en) geben; vorher kommt das „Ende“ nicht. Erst wenn es keine Offenbarung mehr gibt, ist das Ende da (Behrens, 179ff). Diese Gedanken haben ihre nächste Parallele in Texten aus Dan 8-12
4. „Ende“ und „Zukunft“ in der alttestamentlichen Vorstellung von Zeit und Geschichte
Die Begriffe für „Zukunft“ (אַחֲרִית ’aḥǎrît) und „Ende“ (קֵץ qeṣ) stellen in ihrer konkreten Verwendung sprachliche Realisierungsmöglichkeiten der Vorstellung von → Zeit
Das vor allem auf das Phänomen der Zeit bezogene Verständnis der Begriffe אַחֲרִית ’aḥǎrît und קֵץ qeṣ entfaltet Grunddimensionen der Anthropologie, der Theologie und des Weltverhältnisses der alttestamentlichen Texte.
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
- Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 6. Aufl., München / Zürich 2004
2. Weitere Literatur
- Behrens, A., Habakuk 2,1-4 und die Treue zur Offenbarung, in: Chr. Barnbrock / W. Klän (Hgg.), Gottes Wort in der Zeit: verstehen – verkündigen – verbreiten (FS V. Stolle), Münster 2005, 173-187
- Diehl, J. F., Warum die nordwestsemitischen Sprachen keinen Komparativ kennen – und was diese Frage mit Redaktionsgeschichte zu tun hat, Zürich 2013
- Jenni, E., Adverbiale Zeitbestimmungen im klassischen Hebräisch, in: ders., Studien zu Sprachwelt des Alten Testaments III, Stuttgart u.a. 2012, 11-32
- Jeremias, J., Der Prophet Amos (ATD 24/2), Göttingen 1995
- Smend, R., „Das Ende ist gekommen.“ Ein Amoswort in der Priesterschrift, in: J. Jeremias / L. Perlitt (Hgg.), Die Botschaft und die Boten (FS H.W. Wolff), Neukirchen-Vluyn 1981, 67-74
- Wolff, H.W., Dodekapropheton 2. Joel und Amos (BKAT XIV/2), Neukirchen-Vluyn 2. Aufl. 1975
- Zimmerli, W., Ezechiel 1-24 (BKAT XIII/1), Neukirchen-Vluyn 2. Auflage 1979
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