Deutsche Bibelgesellschaft

Epiphanie (AT)

Andere Schreibweise: (mit einem Beitrag von Stephanie Ernst)

(erstellt: April 2015)

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1. Begriffsklärungen

„Epiphanie“ und „Theophanie“ sind theologische Fachbegriffe, die eine Gotteserscheinung bezeichnen, wie sie zur → Offenbarung einer Gottheit gehören kann. Allerdings sind die beiden Begriffe nur schwer voneinander abzugrenzen (s.u. 1.3.); „Gotteserscheinung“ kann ihnen gegenüber als Oberbegriff fungieren.

1.1. Abgrenzung

Epiphanie wird in diesem Artikel von folgenden Begriffen und Konzepten abgegrenzt:

  • Die Offenbarung Gottes in → Mythos und Sage: Gott kommuniziert direkt mit bestimmten Menschen, z.B. Adam und Eva, Noah, Abraham, Mose (Lang, 11; Jeremias 2008, 336, nennt dies „legitimierende Gotteserscheinungen“);
  • Vision / Visionsschilderung: „Wahrnehmung im exaltierten Wachzustand“ (Behrens, → Vision / Visionsschilderung, 1.); textlich im Alten Testament ausschließlich in prophetischen Kontexten (häufig mit dem Wort „Ich sah“ des Propheten eingeleitet, z.B. Jes 6; Ezechiel);
  • Audition: analog zur Vision akustischer Offenbarungsempfang vornehmlich in prophetischen Kontexten;
  • Traum / Traumerzählung: mit bestimmter Begrifflichkeit („Traum“, „Nacht“) versehene Offenbarung an eine Einzelperson;
  • Vermittlung der Offenbarung durch bestimmte Wesen (→ Engel) oder Personen (→ Propheten) bzw. herbeigeführt durch bestimmte Techniken (→ Divination);
  • Verschriftlichte Offenbarung („Buch der Tora des Mose“ etc.);
  • bestimmte „Hypostasen“ göttlicher Eigenschaften wie der „Name“ (šem), das „Angesicht“ (pānîm), die „Schönheit“ (ṭûv; z.B. Ex 33,19) und der „Bote / Engel Gottes“ (mal’ākh JHWH) (s. Jeremias 1977, 2); lediglich die „Herrlichkeit“ (kāvôd, s.u.) wird (über Jeremias hinaus) einbezogen, da der Begriff häufig im Kontext anderer Termini begegnet, die typisch für Theophanien sind.

Zu Rezeptionsphänomenen in frühjüdischer, neutestamentlicher und frühchristlicher Literatur siehe v.a. Scriba, 132-223; Jeremias 1977, 51-55; Pax 1955, 146-268; ferner ebd., 20-85, zur griechischen und römischen Antike; Pax 1962, 867-909, zur christlichen Antike: NT und frühe Kirche; zu Josephus und Philo s. z.B. Bultmann / Lührmann, 10.

1.2. Begriffe und Definitionen

Im allgemeinsprachlichen und religionsgeschichtlichen Sinne kann man unter Epiphanie das hereinbrechende und wieder verschwindende Sichtbarwerden der / einer Gottheit verstehen (Pax 1962, 832), dessen literarische Darstellung normalerweise bestimmten Konventionen hinsichtlich der sprachlichen Form und der Motive folgt. Der Begriff leitet sich aus dem Griechischen ab (Substantiv: ἐπιφάνεια epiphaneia, Verb: ἐπιφαίνω epiphainō, Adjektiv: ἐπιφανής epiphanēs); ἐπιφάνεια epiphaneia bezeichnet im griechischen Sprachgebrauch im nichttheologischen Sinne die äußere Erscheinung eines Menschen (auch: Ansehen, Würde), die zweidimensionale Fläche (Oberfläche), die Front des Heeres und das Auftauchen des Feindes (dazu und zum Folgenden s. v.a. Oberlinner, 552-553, ferner Pax 1955, 6-19; Bultmann / Lührmann, 8).

Seit den homerischen Hymnen ist eine feste narrative Form der Epiphanie fassbar, in der Gottheiten zunächst unerkannt auftreten und sich dann als solche gegenüber den Menschen zu erkennen geben. „Feste Bestandteile dieser E[piphanie] sind die übermenschliche Größe der Gottheit, die sie begleitende Lichterscheinung und der göttl[iche] Wohlduft; die Menschen reagieren mit Furcht, welche die Gottheit zu zerstreuen sucht“ (Graf, 1151). – Etwa ab der hellenistischen Epoche wird der Begriff für das rettende Eingreifen der Gottheit für ihre Verehrer verwendet (Oberlinner, 552; Bultmann / Lührmann, 8-9). Das Adjektiv „Epiphanes“ (der „Erscheinende“ i.S.v. „der Rettende“) ist dann nicht mehr nur Gottesattribut, sondern auch Epitheton des Königsnamens, z.B. bei Ptolemaios V. Epiphanes oder → Antiochos IV. Epiphanes (s. dazu 1Makk 1,10; 2Makk 2,20 u.ö.), aber auch bei den römischen Kaisern.

In der → Septuaginta (LXX) dient das Substantiv ἐπιφάνεια epiphaneia nur in 2Sam 7,23; 2Makk 2,21; 2Makk 3,24; 2Makk 5,4; 2Makk 12,22; 2Makk 14,15; 2Makk 15,27 in religiöser Verwendung als Bezeichnung einer „Erscheinung“, die Gott sehen lässt, um sein Volk zu retten (s. auch 3Makk 2,9; 5,8.51; 2Tim 1,10; 2Thess 2,8; 1Tim 6,14; 2Tim 4,1.8; Tit 2,13).

Das Verb ἐπιφαίνω epiphainō wird in der LXX für die rettende Gotteserscheinung (z.B. Gen 35,7 [Jakob]; Dtn 33,2 [Mosesegen]; Jer 36,14; Ez 39,28; 2Makk 3,30) und für die helfende Zuwendung des Angesichts Gottes (Num 6,25 [Aaronsegen]; s. ferner die LXX-Fassung von Ps 31,17; Ps 67,2; Ps 80,4.8.20; Ps 119,135; Dan 9,17 [Theodotion]) verwendet.

Beim Adjektiv ἐπιφανής epiphanēs ist eine semantische Verschiebung in der Septuaginta zu notieren: Meist wird damit das hebräische Wort für „furchterregend“ (Partizip Nifal von JR’) übersetzt (s. Ri 13,6; 1Chr 17,21; Jo 2,11; Jo 3,4; Hab 1,7; Mal 1,14; Mal 3,22 [LXX: Mal 4,4; zitiert in Apg 2,20]).

Insgesamt ist beim Gebrauch des Begriffs „Epiphanie“ im Alten Testament festzustellen, dass es (gegen die profane und etymologisch zugrundeliegende Bedeutung) nicht um die Sichtbarkeit Gottes an sich geht, sondern um die Deutung von geschichtlichen Ereignissen und Rettungserfahrungen als Manifestationen göttlichen Eingreifens.

„Theophanie“ begegnet als Begriff in der griechischen Bibel (Altes und Neues Testament) nicht und hat auch keine eindeutige Entsprechung in der hebräisch-aramäischen Bibel (s. dazu und zum Folgenden Gamberoni, 828-830). Nach Herodot (Historien 1,51), war die Theophánia ein Frühjahrsfest in Delphi, an dem die Götterstatuen dem Volk gezeigt wurden (H.G. Liddell / R. Scott / H.S. Jones, A Greek-English Lexicon, 9th ed., Oxford 1996; Pax 1955, 20-21; Hiebert, 505). – In christlicher Schriftauslegung und Verkündigung fungiert „Theophanie“ als Oberbegriff für die wirksame Manifestation Gottes in der Geschichte, wobei diese Manifestation oder Präsenz in bestimmten literarischen Textsorten beschrieben bzw. anderweitig thematisiert (z.B. erbeten oder angekündigt) wird. In der Alten Kirche bezeichnet θεοφάνεια theophaneia „die Menschwerdung Christi, sein erstes Kommen“ (Scriba, 10).

1.3. Zur Unterscheidung von „Epiphanie“ und „Theophanie“

Die semantischen Bereiche von „Epiphanie“ und „Theophanie“ überlappen sich stark, teilweise können die Begriffe synonym verwendet werden. Will man dennoch eine Unterscheidung treffen, so findet man (mindestens) zwei unterschiedliche Konzepte (s. zur Problematik auch Banister, 1-2).

(1) Nach dem ersten Konzept betont „Epiphanie“ von der griechischen Etymologie her stärker den rettenden Aspekt des Eingreifens Gottes innerhalb der Geschichte, während „Theophanie“ entweder den allgemeineren Begriff (im Sinne von „Gotteserscheinung“) darstellt oder das Gewicht stärker auf das mysterium tremendum legt: das Erscheinen Gottes unter schreckenerregenden Begleitumständen (Scriba, 53-58), das in der Regel das Gericht mit sich bringt.

(2) Einer zweiten Kriteriologie nach (Lang, 11-12) sei religionsgeschichtlich von drei Erfahrungsformen auszugehen: die Hierophanie (Erscheinung des Heiligen / der Gottheit) in der Natur, die Epiphanie in der Geschichte (Deutung der Ereignisse als rettendes Eingreifen Gottes), die Theophanie im Wort (Gott spricht und tut so seinen Willen kund).

Wie im Folgenden an den konkreten Textbefunden deutlich wird, ist eine völlig trennscharfe Abgrenzung der Konzepte und Begrifflichkeiten nicht möglich. So ist etwa die Gotteserscheinung vor dem Volk am Sinai in Ex 19-20 die literarische Darstellung einer Rettung durch Gott in der Geschichte, mithin eine „Epiphanie“ nach (1) und (2), begleitet von dramatischen Naturereignissen (Gewitter, rauchender Berg), also eine „Hierophanie“ nach (2) bzw. „Theophanie“ nach (1), und zugleich eine Mitteilung des göttlichen Willens im Wort, also eine „Theophanie“ nach (2). Eine ähnliche Verbindung von Naturerscheinungen, Rettung und Wortmitteilung findet sich z.B. auch in Ps 18 par. 2Sam 22.

1.4. Systematische Aspekte von Theophanie

Nach Niehaus haben die biblischen Theophanien eine Reihe von Charakteristika gemeinsam: (1) Sie beruhen auf göttlicher Initiative und können nicht durch menschliche → Magie herbeigeführt werden (s. z.B. die Erzählung vom vergeblichen Versuch der Baalspropheten in 1Kön 18,16-29, ihr Opfer durch göttliches Feuer entzünden zu lassen, während sich durch → Elias Gebet das „Wunder“ von Lev 9,24 in analoger Weise ereignet: 1Kön 18,30-38). (2) Gott erscheint zeitlich befristet, um ein bestimmtes Vorhaben auszuführen. (3) Dieses Vorhaben besteht in Rettung und / oder Gericht. (4) Die Heiligkeit Gottes wirkt sich auf den Erscheinungsort aus (s. z.B. den „heiligen Boden“ am brennenden → Dornbusch in Ex 3,1-5 oder die kultischen Vorsichtsmaßnahmen bei der Erscheinung Gottes am Jom Kippur in Lev 16). Dabei ist Gott aber nicht an den Ort gebunden. (5) Die „Offenbarung“ Gottes ist untrennbar mit Gottes „Verborgenheit“ (→ Abwesenheit Gottes) verknüpft. So zeigt die Wolke zwar Gottes Präsenz an, verhüllt ihn aber zugleich (s. auch Pax 1955, 134-139). (6) Menschen reagieren auf die Theophanie mit → Furcht (klassisch in Ex 20,18). (7) Die Natur reagiert mit diversen Erschütterungen: Erdbeben, Bergerosionen (s.u. 4.). (8) Die Theophanie-Vorstellungen werden auch für die Schilderung eschatologischer Erwartungen (vor allem in der Prophetie) verwendet (→ Eschatologie). (9) Häufig ist die Theophanie mit der Mitteilung göttlicher Worte verbunden (s. z.B. die Erscheinungen vor Abraham im Genesis- und vor Mose im Exodus-Buch).

(10) Ein weiterer ganz wesentlicher Aspekt (über die Ausführungen von Niehaus hinaus) besteht darin, dass es bei „Gotteserscheinungen“ in diesem Sinne nie um gestalthafte Phänomene geht, die Rückschlüsse auf das Aussehen Gottes erlauben würden (Hiebert, 510, mit Verweis auf das „Kultbilderverbot“: Ex 20,4.23; Ex 34,17; Lev 19,4). Selbst „am Anfang“ (Genesis), bei dem Gott noch sehr konkret mit den ersten Menschen und mit Abraham spricht, werden JHWHs Gestalt und Aussehen nicht beschrieben (s. auch Jeremias 1977, 1).

Mehrfach wird in der Hebräischen Bibel erwähnt, dass die unmittelbare Begegnung mit der Gottheit normalerweise zum Tod des Menschen führen würde. Entsprechende Selbstdemütigungen und Schutzmaßnahmen sind erforderlich. Wenn die Begegnung stattfindet und der Mensch überlebt, ist dies ein außergewöhnliches Ereignis, s. z.B. Gen 32,31; Ex 3,6; Ex 19,12-13; Ex 24,11; Ex 33,20-23; Lev 16,2; Dtn 5,23-27; Ri 6,22-24; Ri 13,21-23.

Nach Hiebert, 505-508, sind typische Orte für Gotteserscheinungen natürliche Umgebungen, die als „heilig“ gelten, z.B. Quellen (Gen 16,7), Flüsse (Gen 32,23-33), Bäume (Gen 12,6-7), vor allem aber und mit großer Bedeutung sind es → Berge, auf denen Gott erscheint (Ex 19; 1Kön 19; Ps 48; s. auch Hieke, 57-58). Als Offenbarungsort Gottes gelten vornehmlich der Berg → Sinai / Horeb sowie der Berg → Zion (Jerusalem), der in bestimmten Psalmen (z.B. Ps 48; Ps 87) und prophetischen Visionen (z.B. Jes 6; Ez 10; Am 1,2; Zef 1) als Ort der besonderen Präsenz Gottes verstanden wird (s. z.B. Preuß 1992, 52-53; Rendtorff, 153-155).

Während in anderen biblischen Kontexten Gott (JHWH) auch mit weiblichen Metaphern vorgestellt wird, dominiert in den Theophanie-Texten der männliche Aspekt (Hiebert, 511). Dies könnte ein Spiegel der menschlichen, hier patriarchalen Gesellschaftsstruktur sein, bei der der (maskuline) König an der Spitze steht. Das Konzept des Königtums könnte der gemeinsame Nenner der Theophanien sein: JHWH als König (→ Königtum Gottes) erscheint als machtvoller Krieger, verkörpert den Richter, der die gerechte Welt- und Gesellschaftsordnung wieder herstellt, und wirkt als Gesetzgeber.

2. Hebräische Begriffe

Im Folgenden werden die Begriffe der Hebräischen Bibel zum Thema „Epiphanie“ inventarisiert. Dabei liegt der Schwerpunkt auf den Verben, die ein „Erscheinen“ Gottes bezeichnen. Die damit verbundenen Phänomene werden in Punkt 4. behandelt.

2.1. Das Kommen JHWHs (בוא ’, אתה ’TH)

In den Theophaniekapiteln des Buches → Exodus (s.u. 3.), Ex 19-20, beruhigt → Mose das Volk, das angesichts der Umstände der Erscheinung Gottes (Theophanie) am Sinai in Angst und Furcht geraten ist, mit den Worten: „Gott ist gekommen (בוא ’), um euch zu prüfen“ (Ex 20,20; → Prüfung). Das Allerweltswort „kommen“ kann also – mit göttlichem Subjekt – eine Theophanie ausdrücken. Aufgegriffen wird diese Redeweise am Beginn des Mosesegens über die Israeliten: Dtn 33,2 setzt ein mit „JHWH kam vom Sinai her“ und fährt mit einer ganzen Reihe von Verben fort, die JHWHs Erscheinen umschreiben.

In der → Ladeerzählung wird der Präsenz des israelitischen Kriegspalladiums, der → „Bundeslade“, so viel Hoffnung und Wirkkraft zugeschrieben, dass einerseits Israel in ein lautes Jubelgeschrei ausbricht, als die Lade vom Heiligtum in Silo ins Kriegslager geholt wird, und andererseits die → Philister in Angst geraten und eine „Theophanie“ annehmen, indem sie über das Jubeln der Israeliten sagen: „Gott ist zu ihnen ins Lager gekommen“ (1Sam 4,7).

Im „Theophaniepsalm“ Ps 50 kommt Gott als „Gott der Götter“ vom Zion her unter Begleitung von Feuer und Sturm (Ps 50,3).

Vor allem im → Jesajabuch kommt Gott zum Gericht (Jes 3,14) mit → Zorn und → Feuer (Jes 30,27: der „Name JHWHs“; Jes 66,15), aber dieses Gericht ist keine gewalttätige Willkür, sondern eine gerechte Vergeltung, die für die Notleidenden Rettung bedeutet (Jes 35,4; Jes 40,10).

Im → Zwölfprophetenbuch wird zum einen der → Tag Jahwes als kommend angekündigt (Jo 1,15; Jo 2,1-2; Jo 3,4; Zef 2,2; s. auch Jes 13,9), wobei der Kontext meist eine Gerichtsandrohung ist. Zum anderen wird vorausgesagt, dass JHWH selbst kommt (Sach 14,5: zusammen mit allen Heiligen [Engeln?]; Mal 3,1: zu seinem Tempel).

Anhand des Verbs „kommen“ lassen sich die schon erwähnten Abgrenzungen veranschaulichen: In Gen 20,3 kommt Gott zu Abimelech – aber nachts im Traum! Aufgrund der Situierung „im Traum“ spricht man hier nicht von Epiphanie. Ähnlich ist das Kommen Gottes zu → Laban (Gen 31,24), → Bileam (Num 22,9.20) und → Samuel (1Sam 3,10) zu beurteilen. Vom Kommen eines Gottesmannes, der aussah wie der Engel Gottes, spricht die Frau Manoachs in Ri 13,6. Auch dieser Fall ist von einer Epiphanie zu unterscheiden.

Ein seltenes Synonym zum hebräischen Verb בוא ’, ist אתה ’TH (21 Belege), das ebenfalls „kommen“ bedeutet (s. z.B. Dtn 33,2; Hi 37,22; Mi 4,8).

2.2. Das Herabsteigen (ירד JRD) JHWHs

Stärker als das Verb „kommen“ betont die Formulierung mit „herabsteigen“ (hebräisch ירד JRD) die Distanz zwischen Himmel und Erde, zwischen Gottes Wohnort (→ Wohnsitz Gottes) und der Welt der Menschen (s. z.B. Gen 11,5). Als ein gewisses „Pendant“ zum „Herabsteigen“ ist das „Hinaufsteigen“ oder „Auffahren“ Gottes (‘LH) von Abraham (Gen 17,22) bzw. Jakob (Gen 35,13) zu nennen: Auch wenn vorher nicht unmittelbar von einem Herabsteigen die Rede war, so impliziert diese Wendung, dass sich Gott temporär von seiner himmlischen Wohnung auf die Erde begeben hat, um Abraham bzw. Jakob zu begegnen. – Während der Ausgangspunkt beim „Kommen“ Gottes verschieden sein kann (vom Zion, von Süden [→ Teman, → Paran], von Norden), legt das „Herabsteigen“ Gottes den „Himmel“ als üblichen Aufenthalts- und Ausgangspunkt Gottes nahe, wobei es für „Himmel“ verschiedene Ausdrücke gibt (Näheres bei Scriba, 40-42; → Welt / Weltbild).

Bei der Epiphanie in Exodus 19-20 wird mehrfach festgehalten, dass JHWH auf den Berg Sinai herabsteigt (Ex 19,11.18.20). Unmittelbar vor der Selbstoffenbarung JHWHs an Mose als barmherziger und gnädiger Gott steigt JHWH in der Wolke (s.u. 4.2.) herab (Ex 34,5), ähnlich in Num 11,25 und Num 12,5 (Wolkensäule).

Das Herabsteigen JHWHs kann auch erbeten (Ri 5,13 [problematischer Text, s. Groß, 321]; Ps 144,5) oder prophetisch angekündigt werden (Jes 31,4; Mi 1,3).

Nicht JHWH / Gott selbst, aber das göttliche Feuer steigt nach dem Gebet Salomos zur Tempelweihe in 2Chr 7,1-3 herab, um die vorbereiteten Opfer zu verzehren, während die Herrlichkeit JHWHs (s.u.) den Tempel erfüllt. Die Stelle nimmt Bezug auf die uranfängliche Einrichtung des Opferkultes in Lev 9,24, wo das göttliche Feuer von JHWH „ausgeht“ (JṢQal).

2.3. Das Ausziehen (יצא JṢQal) JHWHs (im kriegerischen Kontext)

Auch eine Art von „Theophanie“ ist das Ausziehen (יצא JṢ’) JHWHs / Gottes mit dem Heer Israels bzw. vor dem jeweiligen heldenhaften Heerführer (Ri 4,14 [→ Barak]; 2Sam 5,24 / 1Chr 14,15 [→ David]; Ps 68,8-9 [vor dem Volk bei der Wüstenwanderung unter Naturerscheinungen]; eschatologische Ankündigung in Mi 2,13). Bei der Belagerung Jerusalems in der Zeit des Königs → Hiskia zog der Engel JHWHs gegen Assur aus (Jes 37,36 par. 2Kön 19,35), wobei es hier aber nicht um die Sichtbarkeit der Gestalt geht (eigentlich eine „Angelophanie“), sondern um die Wirkung des göttlichen Handelns. Wenn JHWH dagegen nicht mit dem Heer auszieht, wird das beklagt, weil das eine Niederlage nach sich zieht (Ps 44,10; Ps 60,12; Ps 108,12). In der Ezechielvision bedeutet es den Untergang, als die Herrlichkeit JHWHs aus dem Tempel auszieht und diesen damit verlässt und der Zerstörung preisgibt (Ez 10,18-19).

In der prophetischen Literatur wird das eschatologische Ausziehen JHWHs als Beginn des Strafgerichts angekündigt (Jes 26,21; Jes 42,13; Jer 23,19 und Jer 30,23: der Sturm JHWHs „bricht los“; Mi 1,3-4; Sach 9,14 [der Pfeil JHWHs]; Sach 14,3). → Deuterojesaja kündigt an, dass JHWH vor den Heimkehrern aus dem → Exil her ziehen wird (Jes 52,12).

2.4. Das Sich-Sehen-Lassen (ראה R’H Nifal) JHWHs

Der semantische Aspekt des Optischen bei der Theophanie / Epiphanie wird im Hebräischen mit der Wurzel ראה R’H „sehen“, im Nifal „sich sehen lassen / erscheinen“ ausgedrückt (s. z.B. Preuß 1991, 230-231). Der Ausdruck begegnet schwerpunktmäßig in der Tora:

  • Gott erscheint Abram / Abraham (Gen 12,7; Gen 17,1; Gen 18,1; Gen 22,14), Isaak (Gen 26,2.24), Jakob (Gen 35,1.9; s. auch Ex 6,3) und dem Mose am Dornbusch (Ex 3,2; Ex 3,16; Ex 4,1.5). In den Erzelternerzählungen der Genesis gehen das direkte Auftreten Gottes und des Engels Gottes / JHWHs ineinander über (s. Rendtorff, 172-173).
  • Die Herrlichkeit JHWHs (s.u.) erscheint in der Wolke (Ex 16,10) und bei der Einrichtung der Opfer (Lev 9,4.6.23).
  • JHWH erscheint in der Wolke auf der Kapporet (der obere Teil der → Lade) im Allerheiligsten des Heiligtums (Lev 16,2), was besondere Vorsichtsmaßnahmen seitens Aarons (bzw. des amtierenden Hohepriesters) erfordert.
  • JHWH bzw. die Herrlichkeit JHWHs erscheint aber auch dem ganzen Volk während der Wüstenwanderung (Num 14,10.14; Num 16,19; Num 17,7; Num 20,6; Dtn 31,15).

Bei → Gideon (Ri 6,12) und der Frau des Manoach und Mutter → Simsons (Ri 13,3.21) ist es „nur“ der Bote Gottes, der „erscheint“ (sich sehen lässt). Die hervorragenden Gestalten in den Geschichtsbüchern werden vereinzelt von Gotteserscheinungen heimgesucht (mit der Terminologie R’H Nifal): → Samuel in Silo (1Sam 3,21: durch das Wort JHWHs!); → David (nur 2Chr 3,1!); → Salomo (in Gibeon, abgestuft durch „nachts im Traum“: 1Kön 3,5 / 2Chr 1,7; ein zweites Mal in Jerusalem: 1Kön 9,2 / 2Chr 7,12; s. auch 1Kön 11,9).

In eschatologischer Perspektive wird das Erscheinen JHWHs bzw. seiner Herrlichkeit für die Zukunft angekündigt: Ps 102,17; Jes 60,2; Jer 31,3; Sach 9,14.

Die Verwendung der gleichen Wurzel ראה R’H „sehen“, im Hifil bezieht sich allermeist auf → Visionen („sehen lassen“ im Sinne von „zeigen“, auch „sich zeigen“, z.B. Gen 12,1; Gen 41,28; ferner zeigt Gott etwas in Visionen: Num 8,4; Num 23,3; Dtn 3,24; Dtn 5,24; Dtn 34,1.4 [das Land]; Ri 13,23; 2Kön 8,10.13; Jer 11,18; Jer 24,1; Jer 38,21; Ez 11,25; Am 7,1.4; Am 8,1; Sach 2,3; Sach 3,1; Ps 50,23). Die eschatologische Ankündigung, dass Gott die Wirkung seines Armes „sehen lässt“ (unter heftigen Naturerscheinungen) erfolgt in Jes 30,30.

2.5. Das Erscheinen (יפע JP‘ Hif.) JHWHs

Das „strahlende“ Erscheinen Gottes wird – vergleichsweise selten – mit dem Verb יפע JP‘ Hifil ausgedrückt (Scriba, 21-22; Beyerle, 67-68). Wieder begegnet Dtn 33,2, wo das leuchtende Erscheinen JHWHs mit mehreren Verben und geographischen Angaben (Sinai, Seïr, Paran) beschrieben wird, ähnlich wie im Theophaniepsalm Ps 50,2. In den Gottesreden des → Hiobbuchs wird Hiob aufgefordert, die Wunder Gottes zu betrachten, u.a. wie Gott das Licht seiner Wolke(n) blitzen lässt (Hi 37,15). Schließlich erbitten Ps 80,2 und Ps 94,1 mit dem Imperativ: „Erscheine!“ die Theophanie.

2.6. Die Herrlichkeit (כָּבוֹד kāvôd) JHWHs

Ein Begriff, der häufig bei „Gotteserscheinungen“ auftritt, ist die „Herrlichkeit JHWHs“ (hebräisch כָּבוֹד kāvôd; → Ehre / Herrlichkeit; Janowski; Rendtorff, 174-175; Weinfeld, 482). Die Rede von der Herrlichkeit Gottes (meist kəvôd JHWH) wird zum Standardbegriff für die Theophanien im Buch Exodus (Ex 16,7.10: Speisewunder; Ex 24,16-17: Die Erscheinung auf dem Sinai). Die Herrlichkeit JHWHs als Ausdruck der göttlichen Präsenz soll das „Zelt der Begegnung“ heiligen (Ex 29,43), so dass JHWH unter den Israeliten gegenwärtig ist (Ex 29,45). Der ursprüngliche Plan des Wohnens Gottes unter den Israeliten wird durch deren „große Sünde“ mit dem „Goldenen Kalb“ gefährdet, so dass Mose nach seiner Fürbitte und der Vergebungszusage Gottes erneut bitten muss: „Lass mich deine Herrlichkeit sehen!“ (Ex 33,18). Die Bitte wird ihm von JHWH gewährt (Ex 33,22). Der Plan JHWHs mit dem Heiligtum wird letztlich doch umgesetzt, indem die Herrlichkeit JHWHs die fertig errichtete „Wohnung“ erfüllt (Ex 40,34-35). Nach der Errichtung des Tempels durch Salomo wird genau dieser Gedanke nahezu wortgleich aufgegriffen (1Kön 8,11 par. 2Chr 5,14), und so, wie die Herrlichkeit JHWHs in Lev 9,6.23 bei der Einrichtung des Kultes am Zeltheiligtum erscheint, so erscheint sie auch in 2Chr 7,1-3 nach dem Tempelbau Salomos. Die Herrlichkeit JHWHs begleitet die Wüstenwanderung Israels im Buch Numeri (Num 14,10.21.22; Num 16,19; Num 17,7; Num 20,6). Dtn 5,24 blickt zurück auf die Theophanie von Ex 19-20. Es zeigt sich, dass der Ausdruck „Herrlichkeit JHWHs“ als Fachbegriff für die irdische Manifestation der Präsenz Gottes vor allem in der priesterlichen Literatur der Tora (Exodus und Numeri: 15 Belege; → Priesterschrift) und bei → Ezechiel („Herrlichkeit JHWHs“ und „Herrlichkeit des Gottes Israels“, 18 Belege) dominiert; dabei scheint die Vorstellung eines Lichtphänomens vorherrschend zu sein (Scriba, 22-23).

Ein weiterer Schwerpunkt der Rede von der Herrlichkeit JHWHs als Chiffre für die von den Menschen wahrnehmbare Seite Gottes findet sich in den Psalmen (Beispiele): Ps 19,2 (die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes), Ps 24,7-10 (der Einzug des Königs der Herrlichkeit in den Tempel), Ps 29,3.9 (der Gott der Herrlichkeit „donnert“; → Stimme), Ps 63,3 (die Herrlichkeit Gottes im Heiligtum), Ps 97,6 und Ps 102,16-17 (alle Völker schauen die Herrlichkeit Gottes), Ps 104,31 (die Herrlichkeit JHWHs steht in Parallele zu den Werken JHWHs), Ps 113,4 (die Herrlichkeit JHWHs ist erhaben über Nationen und die Himmel).

Die Rede von der Herrlichkeit Gottes (JHWHs) zieht sich ferner durch alle Teile des → Jesajabuchs (z.B. Jes 3,8; Jes 6,3; Jes 10,16; Jes 24,23; Jes 35,2; Jes 40,5; Jes 58,8; Jes 59,19; Jes 60,1; Jes 66,18-19), hat aber einen deutlichen Schwerpunkt in den nachexilisch-spätnachexilischen, vor allem in den eschatologischen Passagen. Diese Tendenz wird durch die Belege in Hab 2,14; Hag 2,7 und Sach 2,9.12 bestätigt. – Das griechische Äquivalent zu Hebräisch kāvôd ist in aller Regel δόξα doxa. Dieser Begriff spielt auch im Neuen Testament (→ Herrlichkeit [NT]) und im frühen Christentum eine wichtige Rolle (Scriba, 26-28).

2.7. Weitere Verben

Zwei weitere Verben begegnen selten, gehören aber auch zum semantischen Spektrum der Erscheinung Gottes bzw. seiner Präsenz: (1) גלה GLH Nifal (reflexiv: „sich offenbaren“; Preuß 1991, 229-230): Gen 35,7 (Gott hatte sich dem Jakob geoffenbart); 1Sam 3,21 (Gott offenbart sich dem Samuel); Jes 40,5 (die Herrlichkeit JHWHs); Jes 56,1 (die Gerechtigkeit Gottes). (2) זרח ZRḤ Qal („aufleuchten“): Dtn 33,2 (JHWH leuchtet auf von Seïr her …); Jes 60,1-2 (die Herrlichkeit JHWHs leuchtet auf); Mal 3,20 (die Sonne der Gerechtigkeit).

3. Zentrale Texte und Konzepte

Aus der Zusammenschau der Belege ergibt sich eine Reihe von zentralen Texten, die als „Theophanietexte“ in konzentrierter Form und verschiedenen literarischen Gattungen sowie pragmatischen Sprechhandlungen von „Gotteserscheinungen“ sprechen. „Erzählungen“ von Gotteserscheinungen sind nie „nur“ Berichte, Feststellungen oder Behauptungen von Theophanien, sondern entfalten Wirkungen in der Gegenwart: Erinnerung dient als Vergegenwärtigung, Legitimation und Präsentation des machtvollen göttlichen Wirkens damals und jetzt, Vermittlung von Hoffnung usw. (→ erzählende Gattungen).

Dabei ist in der biblischen Erzähllinie (grob gesagt: von der Genesis bis zum zweiten Buch der Könige), für die letztlich nachexilische Redaktoren verantwortlich sind, eine deutliche Abnahme der Häufigkeit von Epiphanie- bzw. Theophanie-Ereignissen festzustellen. Schon bei den Erzvätern ist ein Gefälle erkennbar: Gott erscheint dem Abraham häufiger und direkter als Isaak und Jakob (s. auch Rendtorff, 172). Der Höhepunkt ist das Exodusbuch (und dann, etwas schwächer und bedingt durch die „Spiegelung“ wichtiger Ereignisse, das Numeribuch): Die beiden großen Teile des Exodusbuches können als Epiphanie- und Theophanieerzählung gelesen werden. Im ersten Teil, Ex 1-18, dominiert die Erscheinung des wirkmächtigen Gottes („Epiphanie“) in Form der „großen Taten“ in der „Geschichte“, die zum Gründungsgeschehen des Volkes Israel als Bundesvolk Gottes werden und im weiteren Verlauf der Bibel sowie der Geschichte Israels bis heute (Seder-Abend: → Passa) erinnert und vergegenwärtigt werden. Auf die Plagen und die Rettung am Schilfmeer als „Epiphanie“ Gottes folgt die „Theophanie“ am Sinai (Ex 19-40), bei der Gottes Willenskundgabe an sein Bundesvolk im Vordergrund steht. Der vorläufige Endpunkt ist das Heiligtum, in dem Gott inmitten seines Volkes Wohnung nimmt und das nach Einrichtung des Kultes (Lev 1-8) die dynamische Präsenz Gottes in Gestalt des Feuers (Lev 9) anzeigt. Diese grundlegende Gegenwart Gottes ermöglicht die weitere Willenskundgabe in Form der normativen Passagen der weiteren Tora (→ Leviticus, → Numeri, → Deuteronomium).

Gegenüber dem → „Sehen“ in Exodus (vor allem Ex 19,21) legt Deuteronomium den Akzent stärker auf das → „Hören“ (Dtn 4,33; s. Weinfeld, 483-484). Im Erzählverlauf rückblickend und doch umso eindrucksvoller „wiederholt“ der Beginn des Mosesegens in Dtn 33,2 mit einem ganzen Inventar an Epiphanie- und Theophanieverben das Erscheinen JHWHs in der gesamten Landschaft und weist zugleich wieder auf die Funktion der Theophanie hin: die Etablierung des göttlichen Gesetzes für die Menschen.

Im weiteren Verlauf der so genannten „Geschichtsbücher“ werden Epiphanien und Theophanien zunehmend seltener. Der „neue“ Offenbarungsweg besteht in → Visionen und → Auditionen von Propheten. Signifikant wird dies in der Erzählung von Elia am Gottesberg beschrieben: In 1Kön 19,11-18 werden die Naturerscheinungen der Sinai-Theophanie von Ex 19-20 wiederholt, doch es wird betont, dass JHWH gerade nicht in diesen Phänomenen erscheint (s. u.a. Banister, 25-26; Jeremias 1977, 65-66). Elia nimmt die Präsenz JHWHs in einer קוֹל דְּמָמָה דַקָּה qôl dəmāmāh daqqāh, einer „Stimme verschwebenden Schweigens“ (Buber / Rosenzweig) wahr. Die genaue Bedeutung dieser Wendung bleibt rätselhaft, in jedem Fall steht sie im Kontrast zu den lauten „Theophanie“-Ereignissen (Sturm, Erdbeben, Feuer), die vorausgehen und die – gegen die Tradition – nun nicht mehr die Präsenz JHWHs signalisieren (Brueggemann, 236; s.u. 4.4.). Der Offenbarungsweg JHWHs hat sich gewandelt. Später wird es die „stumme“ Schrift der göttlichen Weisung sein, in der sich JHWH auf ewig mitteilt – wird sie verlesen, so ist Gottes Präsenz dennoch da, so dass das Volk in Neh 8,5-6.9 ähnlich emotional reagiert wie bei der Sinai-Theophanie.

Die Begrifflichkeit von Theophanieschilderungen begegnet auch in den Psalmen verstärkt, jedoch in unterschiedlichen Sprechakten. Ps 18 (par. 2Sam 22) schildert die Epiphanie Gottes als Erleben des göttlichen Eingreifens zur persönlichen Hilfe gegen Feinde mit gewaltigen Naturbildern (vor allem Ps 18,8-20). In eine ähnliche Richtung geht Ps 50,2-3. Auch Ps 29 feiert die Macht Gottes, die sich im Gewittersturm zeigt. Auf die in der Tora geschilderten Naturphänomene bei Exodus und Wüstenwanderung nehmen Ps 68,8-9 und Ps 77,16-21 Bezug. Zeitlos sieht Ps 97,2-5 die „Epiphaniemotive“ (verzehrendes Feuer, Blitze, Erdbeben usw.) als dauernde göttliche Machterweise. Ps 144,5-7 dagegen erbittet derartige „Epiphanien“ (im Sinne des „Berichts“ in Ps 18) für ein helfendes Eingreifen Gottes in der Zukunft.

In seiner fundamentalen Arbeit zu „Theophanien“ nimmt Jeremias 1977, 2-6, vor allem auf der Basis bestimmter Psalmpassagen eine eigene Gattung „Theophanieschilderung“ an. Dazu zählt er u.a. Ps 18,8-16; Ps 50,2-3; Ps 68,8-9; Ps 77,17-20; Ps 97,2a.3-5; Ps 144,5-6; Nah 1,2a.3b-6; Hab 3,3-15. Die Vermutung einer eigenen „Gattung“ mit einem „Sitz im Leben“ (s. Jeremias 1977, 118-150) und die Rekonstruktion einer „ursprünglichen“ Form und ihre „Geschichte“ (ebd., 150-164) wird mittlerweile abgelöst durch die Rede von „Grundtypen“ (Jeremias 2008, 336) oder vom „Motivkomplex“ (Scriba).

In die Reihe dieser Psalmen gehören auch Texte wie Hab 3 und Nah 1, die in poetischer Sprache das geschichtliche Handeln Gottes mit Hilfe von Epiphaniemotiven (Aufstrahlen, Leuchten, Naturerscheinungen) preisend beschreiben. Von ihrer Pragmatik her dürfte sich darin vermutlich auch der Wunsch Bahn brechen, dass Gott in der Gegenwart der Verfasser seine Macht (wieder) in ähnlicher Weise zeigen möge. Womöglich also gibt die Situation der Schwäche und Ohnmacht in der nachexilischen Zeit Anlass dazu, sich einerseits durch Erinnerung an Gottes machtvolles Handeln in der Geschichte der eigenen Identität zu vergewissern, andererseits die poetische Hoffnung auf ein ebensolch kraftvolles Erscheinen in unmittelbarer Zukunft auszuprägen.

4. Als Gotteserscheinung gedeutete Phänomene

Bestimmte meteorologische oder geologische Beobachtungen aus der Natur deutet die biblische Literatur als Sichtbarwerden (Erscheinen) Gottes (s.o. 1.3.: „Theophanie“ nach [1], „Hierophanie“ nach [2]). Dabei werden verschiedene literarische Darstellungsweisen gewählt. Der inhaltliche und formale Variantenreichtum lässt auf unterschiedliche Entstehungssituationen und Tradentenkreise schließen. Mit Scriba ist der literarische Befund als „Motivkomplex“ angemessen zu bezeichnen (zur Problematik s. Scriba, 122-131). Eine ausführliche Übersicht bietet Scriba, 14-79; im Folgenden können nur einige Beispiele besprochen werden.

Erneut sei darauf hingewiesen, dass eine unmittelbare Identifikation der Gottheit mit dem Naturphänomen unterbleibt, mithin ein Rückschluss vom Phänomen auf die Gestalt Gottes unterbunden wird. Wenn also Gott in diesen sichtbaren und hörbaren Dingen oder wie diese erscheint, dann ist damit an seine Präsenz und Wirkmacht, aber nicht an seine Gestalt gedacht. Die Epiphanie- oder Theophanievorstellung stellt die durchgehende absolute Transzendenz Gottes gegenüber der geschaffenen Welt nicht in Frage (Hiebert, 510). Menschengestaltige Vorstellungen von Gott (Gott mit Ohren, Nase, Mund, Händen, Füßen, Gesicht; Gott als König, Krieger, Richter, Gesetzgeber) sowie Erscheinungen in Menschengestalt (Engel) werden im Folgenden nicht besprochen (s. dazu Hiebert, 510-511).

4.1. Feuer

So ambivalent wie die Menschen im Alltag das Phänomen → „Feuer“ erfahren (Licht und Wärme vs. Vernichtung), so unterschiedlich wird die Erscheinung Gottes im Feuer (meist אֵשׁ ’) beschrieben. Bekannt ist die Szene am → Dornbusch, der brennt und doch nicht verbrennt (Ex 3,2), und in dieser Ambivalenz die Gegenwart Gottes anzeigt. In den Kult wird dies paradigmatisch in Lev 9,24 transformiert: „Feuer ging von JHWH aus und verzehrte auf dem Altar das Brandopfer und die Fettstücke“ – damit wird nach der umfangreichen Vorbereitung des Opferkultes und des priesterlichen Personals der von Gott angeordnete Kult von Gott selbst inauguriert (s. auch 2Chr 7,1-3). Das künftig immerwährende Opferfeuer (Lev 6,5) zeigt Gottes Präsenz im Opfergottesdienst sinnenfällig an. Zugleich aber ist das göttliche Feuer der menschlichen Manipulation entzogen, was exemplarisch am Schicksal von → Nadab und Abihu gezeigt wird: Ihr Versuch, ein nicht von JHWH angeordnetes Ritual einzuführen („fremdes Feuer“), wird von Gott mit dem gleichen von JHWH ausgehenden Feuer bestraft, das Nadab und Abihu vernichtet (Lev 10,1-2). Die von Gott zugesagte Präsenz im Kult beeinträchtigt also nicht Gottes Souveränität; Gottes Erscheinen kann nicht magisch erzwungen werden. Auch die Möglichkeit der Vernichtungsgewalt Gottes ist durch den Kult nicht eingeschränkt. Geradezu eine Vermischung der Motive „kultisches Feuer vom Himmel“ („Feuer JHWHs“) und „Strafgericht / Vernichtung“ findet sich im Sieg Elias über die Baalspropheten, die nach dem göttlichen Entzünden des Opferfeuers abgeschlachtet werden (1Kön 18; vor allem 1Kön 18,38-40).

Das Feuer Gottes ist das Gerichtswerkzeug, mit dem das strafende Eingreifen Gottes umschrieben wird. Beispiele dafür sind etwa Jes 29,6 und Jes 30,27-30: Gepaart mit dem (seltenen) Begriff für „Flamme“ (lahav, in Ex 3,2: labbāh) und weiteren Gewitterphänomenen (Donner, Getöse, Wind, Wirbelsturm etc.) erscheint Gott zum Strafgericht gegen die Feinde Jerusalems. In Jes 66,15-16 wird dies zu einem kosmischen Reinigungsgericht „über alles Fleisch“ (über alle Sterblichen) ausgeweitet (ähnlich Jer 25,30-31; s. auch Jeremias 1977, 56-62).

Auch im Theophanietext Ps 18,13-14 (par. 2Sam 22,13) ist das Feuer (hier: gaḥalê ’eš „glühende Kohlen“) gepaart mit → Wetterphänomenen (Wolken, Hagel, Donner). Da der Gerichtskontext offenbar mit „Sprechen“ einhergeht, wird das göttliche Feuer in seinem Mund (Lippen, Zunge) verortet, s. Ps 18,9; Jes 30,27 (Scriba, 28-31).

4.2. Wolke

Eine analoge Chiffre für die literarische Darstellung des Erscheinens bzw. der Präsenz Gottes ist das Motiv der „Wolke“ (עָנָן ‘ānān). Im Buch Exodus ist JHWH in einer Wolke (bzw. Wolkensäule, s.u.) bei seinem Volk (Ex 19,9); am markantesten ist wohl die Erscheinung Gottes vor Mose nach der Sünde Israels mit dem → Goldenen Kalb und der Vergebung sowie Bundeserneuerung Gottes: JHWH steigt in der Wolke herab (Ex 34,5) und stellt sich selbst als gnädiger und barmherziger Gott vor (Ex 34,6-7, → „Gnadenformel“). Im weiteren Verlauf nimmt dann JHWH (bzw. die „Herrlichkeit JHWHs“) in Gestalt der Wolke Wohnung im errichteten Zeltheiligtum und ist darin sichtbar präsent (Ex 40,34-35; s. auch Lev 16,2; Num 9,15-17,7; Dtn 1,33). Die Wolke ist auch Anzeiger der Gegenwart JHWHs bei der Einweihung des salomonischen Tempels (1Kön 8,10-11). Die Ezechiel-Visionen (Ez 1,4; Ez 10,3-4) greifen dieses Konzept auf.

Das Bedrohliche an der Gegenwart Gottes wird durch die Verbindung von „Wolke“ und „Dunkel“ (‘arāfæl; auch: ḥošækh) angezeigt: Ex 20,21; Dtn 4,11; Dtn 5,22; Ps 18,10 par. 2Sam 22,10; Ps 97,2; Jo 2,2; Zef 1,15; Ez 30,3.18; Klgl 3,44. Auch hier ist die Motivik durchaus ambivalent; im Alltag zeigt die „dunkle Wolke“ das Kommen des Gewittersturms an, der ebenfalls das Erscheinen Gottes umschreibt (s.u.). Zugleich dient die Wolke bzw. das Gewölk als Element, um die konkrete Gestalt, das Aussehen Gottes, zu verhüllen und dem menschlichen Zugriff, auch der bloßen optischen Wahrnehmung, zu entziehen (z.B. Ps 18,12 par 2Sam 22,12; letztlich auch im kultischen Bereich: Lev 16,2; 1Kön 8,12; 2Chr 6,1).

4.3. Die Feuer- und Wolkensäule

In nahezu personifizierter Weise fungiert die „Säule“ (עַמּוּד ‘ammûd) vor allem in den Büchern Exodus (Ex 13,21-22; Ex 14,19.24; Ex 33,9-10) und Numeri (Num 12,5; Num 14,14) als literarisches Zeugnis der Erscheinungsweise Gottes bei seinem Volk. Dabei wird das Wort „Säule“ entweder mit „Wolke“ oder „Feuer“ kombiniert: Am Tag ist eine Wolkensäule am üblicherweise unbewölkten Himmel auffällig, in der Nacht wäre sie nicht sichtbar, daher wird zum Feuer gegriffen – dass es sich hier nicht um Naturbeobachtungen, sondern um literarische Bildungen handelt, zeigt Ex 14,24: Dies ist die einzige Stelle, wo – sinnigerweise in der Morgendämmerung, im Übergang von der Nacht zum Tag – beide Phänomene zur „Feuer- und Wolkensäule“ kombiniert werden. Diese auffällige Form der Theophanie als Wolkensäule oder Feuersäule wird in Ps 99,7; Neh 9,12 und Neh 9,19 rückblickend rezipiert. Hintergrund für diese literarische Bildung dürften neben der Sinai-Theophanie in einer Wolke (Ex 19,9) die zahlreichen Stellen sein, die Gott mit „Feuer“ oder mit der / einer „Wolke“ assoziieren (s.o. und ferner Ps 78,14: Wolke und Feuer als Zeichen der Leitung durch Gott, ohne „Säule“). Von Versuchen, die „Feuer- und Wolkensäule“ mit vulkanischen Erscheinungen in Verbindung zu bringen (Jeremias 1977, 104), nimmt man inzwischen Abstand (Keel / Lippke, 41-42; Lieber, 161). Der beiden Motiven (Feuer und Wolke) gemeinsame semantische Aspekt der Dynamik (Kraft und Bewegung) wird literarisch ausgewertet, so dass sich eine ebensolche Gottesvorstellung ergibt: JHWH zieht mit seinem Volk mit und beschützt es machtvoll.

4.4. Gewitter: Donner, Blitze, Sturm, Starkregen

„Gewitter“ ist der geeignete Oberbegriff für ein Bündel von Theophaniemotiven, die religions- und traditionsgeschichtlich auf den → „Wettergott“ (Syrien: Hadad / Adad; Ugarit: Baal; Babylon: Marduk) zurückgehen: Die Naturkräfte des Sturmes, des Donners, der Blitze und des Starkregens werden als Manifestationen göttlichen Wirkens interpretiert – sie werden einerseits als zerstörerisch und gewaltsam erlebt, andererseits ist der Regen essentiell für die → Fruchtbarkeit in der Landwirtschaft (z.B. Ps 68,10; → Wetterphänomene). Eine ganze Reihe von Psalmen arbeitet mit dieser Grundspannung (z.B. Ps 18; Ps 29; Ps 50; Ps 77; Ps 83; Ps 97; Ps 104; Ps 144; s. dazu im Detail: Müller, 18-146). In dieser Ambivalenz spiegelt sich das Erleben Gottes als mysterium tremendum et fascinans (Hiebert, 508-509).

Das Gewitter mit seinen verschiedenen Begleiterscheinungen ist das häufigste als Zeichen göttlicher Präsenz gedeutete Naturphänomen. Vor allem der Donner gilt als „Himmelsstimme“, einschlägige Texte dafür sind z.B. die paradigmatische Epiphanie Gottes in Ex 19 (vor allem Ex 19,16 und Ex 20,18 als Rahmen um den Dekalog) sowie Ps 29 (s.u.). Durch den Parallelismus in Ps 29,3 wird klar, dass die „Stimme JHWHs“ (qôl JHWH) der Donner (Verb R‘M) ist (s. auch Ps 18,14 par. 2Sam 22,14). Die Kernbotschaft ist die Demonstration der göttlichen Macht (s. neben Ps 29 auch 1Sam 2,10 in einem hymnischen Text; 1Sam 7,10 in einem Kriegsbericht; Hi 37,4-5; Hi 40,9). Ps 18,14 par. 2Sam 22,14 steht im Kontext einer Gewitterschilderung mit allen Begleiterscheinungen: Beben, dunkle Wolken, Wind, dichtes Gewölk, Donner, Blitze. Da Gewitter die Grenzen von Nationen überschreiten, zeigt die „Himmelsstimme“ auch die Macht JHWHs über die Völker: Ps 68,31-35 (Scriba, 15). Der kriegerisch-militärische Kontext ist dann nicht weit: Die ugaritische Vorstellung des „Wolkenfahrers“ (rkb ‘rpt; die Gottheit nutzt die Wolken als „Streitwagen“) wird in Ps 68,5.34; Ps 104,3; Dtn 33,26 aufgegriffen. Die gängigen Übersetzungen geben Ps 68,5 als „Wolkenfahrer“ wieder und folgen damit einem Vorschlag des textkritischen Apparats der Biblia Hebraica Stuttgartensia. Vom masoretischen Text her müsste man „Wüstenfahrer“ sagen (Scriba, 16). Die Blitze (bārāq) im Gewitter werden dann als „Pfeile“ und damit als Kriegswaffen interpretiert (Ps 18,15 par. 2Sam 22,15; Ps 144,6; Hab 3,9.11; Sach 9,14; Yeivin, 710). Auch der Wolkenbruch als Starkregen sowie der Hagel gehören hierher (Ri 5,4; Jes 30,30; zu den „Naturwaffen“ s. auch Jeremias 1977, 20.71-72; ferner Ps 68,9, Scriba, 77). Als Begleiter des Donners sind die Blitze aber auch so Zeichen der Präsenz Gottes (Ex 19,16; Jer 10,13 par Jer 51,16 [ein vollständiges Gewitter mit Donner, Blitz, Wolken, Regen]; Ps 77,19; Ps 97,4; Ps 135,7). Der Donner als Stimme Gottes schreckt nicht nur die Elemente, sondern auch die Feinde Gottes (z.B. Assur: Jes 30,30-31; alle Nationen: Jes 33,3). Als Krieger erhebt Gott den Schlachtruf (Jes 42,13; Jo 2,11; Jo 4,16; Scriba, 19).

Für den Sturmwind als literarische Manifestation des göttlichen Erscheinens und Einwirkens in diese Welt gibt es eine Reihe von Ausdrücken: Vom „großen Wind“ (רוּחַ גְּדוֹלָה rûaḥ gədôlāh) spricht 1Kön 19,11 und verbindet damit die Lesererwartung, JHWH zeige sich im Sturm – doch genau dies wird verneint! JHWH zeigt sich auch nicht im Erdbeben und im Feuer (s.o.), so dass 1Kön 19 ein Zeugnis dafür ist, dass bestimmte Erscheinungen konventionell als Manifestationen der Gottheit gelten. JHWH aber übersteigt diese menschlichen Erwartungen in seiner Souveränität und offenbart sich als der Ganz Andere (s.o.). Hier wird der Beginn der Abgrenzung von den Gottesvorstellungen der Umwelt (Baalskult etc.) sichtbar: die Überwindung der Identifizierung von Naturerscheinungen mit dem Göttlichen (Albani, 113; Jeremias 1977, 115). – JHWH ist nicht im „großen Wind“, aber er kann über ihn gebieten, wie Jon 1,4 zeigt (s. auch Ps 107,25.29: סְעָרָה sə‘ārāh). Hos 13,15 spricht daher gleich vom „Sturm JHWHs“ (רוּחַ יְהוָה rûaḥ JHWH), der das Gericht über Efraim (das Nordreich) bringt. Ein weiterer Ausdruck ist סְעָרָה sə‘ārāh „Wirbelsturm / Wettersturm“: In ihm wird Elia in den Himmel aufgenommen (2Kön 2,1.11), und aus ihm spricht JHWH zu Hiob (Hi 38,1; Hi 40,6). Es ist der Sturm, der JHWHs Wort vollzieht (Ps 148,8), ein Zeichen seines Zorns (Jes 29,6; Jer 23,19; Jer 30,23; Ez 13,13). Der Sturm ist eine unmittelbare Begleiterscheinung des Kommens Gottes (Ez 1,4: ein Sturmwind von Norden [ṣāfôn]; Sach 9,14: Sturmwinde von Süden [temān]). Etymologisch mit סְעָרָה sə‘ārāh verwandt ist das Verb Ś‘R, das in Ps 50,3 und Ps 58,10 den von Gott ausgelösten Sturm bezeichnet. – In ikonographischer Hinsicht repräsentieren die → Keruben, die sowohl die Bundeslade zieren (Ex 25,18-22) als auch im Tempel begegnen (1Kön 6,29-36), die Präsenz JHWHs als Wettergott: Keruben gelten als Mischwesen aus Menschenkopf und Löwenkörper (analog zum ägyptischen Sphinx) sowie Flügeln. Der „Löwe“ steht mit seinem Brüllen für den Donner, die Flügel symbolisieren den Sturmwind, s. Ps 18,11; Ps 104,3 (Hiebert, 509-510).

4.5. Erdbeben

→ Erdbeben treten für die Menschen der Antike überraschend auf und reißen insofern aus der Normalität, als nun Dinge, die als „felsenfest“ gelten (der feste Boden unter den Füßen, die Berge), plötzlich erzittern oder gar zerbrechen. Das Land der Bibel liegt auf der Bruchzone zwischen eurasischer und afrikanischer Platte, so dass es in Israel bis heute immer wieder zu seismischen Erschütterungen kommt (Albani, 112). In der Antike werden die Phänomene Gottheiten zugeschrieben (mysterium tremendum; zu den „Schreckreaktionen“ s. auch Scriba, 54-58).

Erdbeben sind mithin Begleiterscheinungen der Epiphanie Gottes: Der Berg „erzittert“ (ḤRD) beim Kommen Gottes ebenso wie das Volk selbst (Ex 19,16.18, Albani, 113), dieses Zittern ist also Zeichen für die Präsenz Gottes (s. auch 1Sam 14,15; Jes 41,5). Dabei wirkt die Darstellung in Ex 19,16-18 wie die Schilderung eines Vulkanausbruchs (s.u.), da zum Erdbeben Feuer und Rauch hinzukommen. Wenn Gott einherschreitet, erbebt die Erde (Ri 5,4; Ps 18,8 par. 2Sam 22,8; Jes 13,13; Jes 24,18-20 [„apokalyptische“ Bilder der Zerstörung!, Beuken, 331-333; s. auch Ez 38,20]; Jer 10,10; Jer 51,29; Jo 2,10; Ps 29,8; Ps 68,9; Ps 77,19; Ps 97,4; Ps 99,1; Ps 114,7), auch die Berge wanken (Jes 5,25; Jer 4,24; Nah 1,5; Hab 3,10; Ps 46,4) und spalten sich (Sach 14,4: der Ölberg!), selbst der Himmel erbebt (Jo 2,10; Jo 4,16; Hag 2,6.21; Jeremias 1977, 68-69; Scriba, 58-64). Die verwendeten Wortwurzeln in der Hebräischen Bibel sind u.a. R‘Š, RGZ, ḤÎL / ḤÛL. Neben dem „Erschrecken“ der Natur, das sich im „Zittern“ äußert, ist es vor allem das kriegerische Eingreifen Gottes in seinem Zorn zum Gericht, das die Erde etc. erbeben lässt.

4.6. Chaoskampf

Eine gewisse Schnittmenge der beschriebenen Phänomene ergibt sich zwischen Epiphanie- bzw. Theophanievorstellungen und dem Motiv des Chaoskampfes (s. dazu → Chaos / Chaoskampf; Scriba, 64-70; Bauks, 96-97), vor allem mit dem → Meer bzw. dem → Urmeer. Beispiele sind Ps 18,16 par. 2Sam 22,16; Nah 1,4; Ps 29,3; Ps 77,17-20 (Verbindung mit dem Exodus; Jeremias 1977, 26-28.90-97); Hab 3,8-15.

4.7. Vulkanische Erscheinungen

Liest man Ex 19,18 unvoreingenommen, so könnte man an einen Vulkanausbruch denken: „Der ganze Sinai war in Rauch gehüllt, denn der Herr war im Feuer auf ihn herabgestiegen. Der Rauch stieg vom Berg auf wie Rauch aus einem Schmelzofen. Der ganze Berg bebte gewaltig“ (Einheitsübersetzung). Da die Szenerie jedoch noch durch Gewitterphänomene gesteigert wird (Ex 19,16) und „übernatürlicher“ Hörnerschall (Ex 19,19) hinzukommt, liegt der Verdacht nahe, dass gleichsam alle Register des Motivkomplexes „Theophanie“ gezogen werden, um eine theologische, keine geologisch-historische Botschaft zu vermitteln: Die späteren Rezipientinnen und Rezipienten sollen überwältigt sein von der Präsenz Gottes in diesem entscheidenden Moment und an diesem einmaligen Ort der Vermittlung der göttlichen Weisung. „Der Vulkan von Ex 19, sofern die Stelle in diesem Sinne auszuwerten ist, ist vor allem eines: Theologie“ (Pfeiffer, 261; ähnlich Dohmen, 70). Verschiedentlich gab es Versuche, den „Berg Sinai“ mit einem (damals) aktiven Vulkan zu identifizieren; doch auf der Halbinsel → Sinai sind keine Vulkane nachgewiesen. Fündig wird man in Nordwestarabien (s. die Karte bei Keel / Lippke, 41), was abseits der sonst üblicherweise angenommenen Exodus-Routen liegt. Eher ist es so, dass man von vulkanischen Phänomenen aus dieser Gegend durch Erzählungen (oder eigene Anschauung) wusste und dieses Motiv zur Steigerung des literarischen Eindrucks in die Sinaitheophanie aufgenommen hat.

Ähnliches gilt für die Rede vom „Rauchen der Berge“ in den Psalmen: Ps 104,32; Ps 144,5 – vielleicht steht das „kulturelle Wissen“ um Vulkane und Vulkanausbrüche („rauchende Berge“) hinter solchen Texten; konkrete Datierungen oder Lokalisierungen sind damit nicht möglich (weitere Belege z.B. bei Scriba, 63). – Das „Zerschmelzen“ der Berge, z.B. in Mi 1,3-4 („wie Wachs in der Hitze des Feuers“, s. auch Ps 97,5; Jdt 16,15 [Lutherbibel: Jdt 16,18]), ist nicht zwingend vulkanischen Erscheinungen zuzuschreiben, vielmehr kann es sich auch um Bergerosionen größeren Ausmaßes handeln (z.B. Erdrutsche in den → Wadis). Interessant ist, dass das Verb für „zerschmelzen“ (MSS Nifal) in Verbindung mit „Herz“ die Redewendung für „den Mut verlieren, Angst haben“ bildet (z.B. Dtn 20,8; Jos 2,11; Jos 5,1; 2Sam 17,10; Jes 13,7; Nah 2,11). Das Zerschmelzen der Berge zeigt somit wieder das Erschrecken der Natur vor der Präsenz Gottes an („Hierophanie“).

4.8. Verdunkelung der Himmelskörper

Zu den „Schreckreaktionen“ der Natur auf die Präsenz Gottes gehört auch die Verdunkelung der Himmelskörper – wieder eine den Menschen verunsichernde und auf ungewöhnliche Ereignisse hindeutende Abweichung von der Normalität. Dabei ist erneut zu beachten, dass es sich nicht um Beobachtungen tatsächlicher Ereignisse an den konkreten Gestirnen handeln muss – der Rückschluss auf astronomische Ereignisse ist sehr schwierig bis unmöglich. Es reicht auf literarischer Ebene, dass man sich vorstellt, dass das gewohnte Licht von → Sonne, → Mond und → Sternen nicht mehr vorhanden ist. Vergleichsweise seltene Ereignisse wie Mond- und vor allem Sonnenfinsternisse sowie die Beobachtung von Kometen und Meteoriteneinschlägen („Sternschnuppen“) bereiten den Boden für derartige Vorstellungen, die dann auf literarischer Ebene entsprechend gesteigert werden können. Mit der Umkehr des normalen Naturablaufs arbeitet z.B. das Drohwort Jes 13,9-10, das die göttliche Strafe für alle Sünder androht und zur Steigerung des literarischen Eindrucks und des Gewichts der Aussage die Verdunkelung von Sonne, Mond und Sternen als Begleiterscheinung ankündigt. Der → Tag JHWHs bringt diese eschatologischen Zeichen (→ Eschatologie) mit sich (s. auch Jo 2,10; Jo 4,15; Hab 3,11; Scriba, 77-79).

5. Religionsgeschichte – Alter Orient (Stephanie Ernst)

Eine Epiphanie- bzw. Theophanie-Schilderung lässt sich als „Gattung“ in den Kulturen des Alten Orients nicht nachweisen, allerdings sind einzelne Elemente in ihrer altorientalischen Tradition belegt und als Anregung bzw. Vorlage für die alttestamentlichen Texte denkbar.

In der Forschung gibt es im Wesentlichen zwei Positionen: (a) Die alttestamentlichen Epiphanie- bzw. Theophanie-Texte nehmen über die Herkunft Jahwes als ursprüngliche Wetter- bzw. Sturmgottheit die Tradition der Wettergottheiten auf: Das göttliche Erscheinen ist begleitet von Naturphänomenen (Regen, Sturm, Blitz, Donner, Erdbeben) bzw. wird dadurch angekündigt (Jeremias 1977, 73-90; Hamori; Müller; zu Belegen, Kult und Tradition der einzelnen altorientalischen Wettergottheiten siehe Schwemer 2001; → Wettergott / Wettergötter; → Wetterphänomene, theologische Bedeutung). Eine Einschränkung, dass nur Wettergottheiten über die Naturphänomene Regen, Sturm, Blitz, Donner, Erdbeben verfügen, ist nicht haltbar: Auch die großen sumerischen und akkadischen Götter erscheinen begleitet von Naturphänomenen, ohne dass diese zu ihrem Wirkungskreis gehören (Schwemer 2007, 129).

(b) Nach einer alternativen Sichtweise beschränkt sich die Ähnlichkeit nicht nur auf die Schilderung großer Naturphänomene als Zeichen göttlichen Erscheinens. Vielmehr lassen sich in einzelnen Texten darüber hinaus auch folgende Elemente belegen (Köckert 218; Pfeiffer 80-81, 86-88): (1) Nennen des Auszugsortes (Himmel, Heiligtum) und (2) Beschreibung des Ausziehens der Gottheit und (3) Schilderung der Rettungstat der Gottheit. Köckert und Pfeiffer stützen ihre These hauptsächlich auf das zweite Ermutigungsorakel Assurs an Asarhaddon (K 2401 II = SAA 9, 23-25), das die oben genannten Elemente enthalte (Köckert 218; Pfeiffer 81).

10-13 Now then, these traitors provoked you, had you banished, and surrounded you, but you opened your mouths (and cried): “Hear me, O Aššur!“

14-17 I heard you cry. I issued forth as a fiery glow from the gate of heaven, to hurl down fire and have it devour them.

18-21 You were standing in their midst, so I removed them from your presence. I drove them up the mountain and rained (hail)stones and fire of heaven upon them.

22-25 I slaughtered your enemies and filled the river with their blood. Let them see (it) and praise me, (knowing) that I am Aššur, lord of the gods. (Parpola 23-24)

Aber ähnliche Ankündigungen oder Schilderungen göttlichen Rettungshandelns im Kriegskontext lassen sich in unterschiedlichen Gattungen (z.B. Königsinschriften) mit oder ohne Schilderung des göttlichen Erscheinens mit Naturgewalten, Nennung des Auszugsortes nachweisen. Als Beispiel sei die Schilderung eines Ermutigungsorakels an Assarhaddon aus dem Bericht über seine Thronbesteigung angeführt, das ohne die entsprechenden Elemente auskommt:

58-61 Ich, Assarhaddon, der im Vertrauen auf die großen Götter, seine Herren, inmitten der Schlacht seine Brust nicht rückwärts wandte, hörte sofort von ihren (scil. der Brüder) bösen Taten und rief: wehe! und zerriss mein fürstliches Gewand und brach in Wehklagen aus. Wie ein Löwe wurde ich wütend, und mein Inneres tobte. Um das Königtum meiner Familie auszuüben, schlug ich mit den Händen.

Zu Assur, Sîn, Šamaš, Bēl, Nabû und Nergal, Ištar von Ninive, Ištar von Arbela erhob ich meine Hände, sie erhörten meine Worte. Mit ihrem zuverlässigen Jawort sandten sie mir wiederholt ein Ermutigungsorakel: „Geh! Lass dich nicht zurückhalten! An deiner Seite gehen wir und töten deine Feinde!“ (nach Weippert, 466; Nin A I 58-61 = Borger, 43-44)

Gegen eine Tradition der Gattung „Epiphanie- bzw. Theophaniephänomene“ als solche aus den altorientalischen Kulturen spricht daher insgesamt, dass die angeführten Textbelege zu Gattungen gerechnet werden können, die auch ohne diese Elemente vorkommen (Hymnen, Mythen, Königsinschriften, etc.), und eine andere Absicht haben (Preisung einer Gottheit, Ätiologie, Darstellung der Macht und der Taten eines Königs, etc.).

Literaturverzeichnis

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