Epiphanie (AT)
Andere Schreibweise: (mit einem Beitrag von Stephanie Ernst)
(erstellt: April 2015)
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1. Begriffsklärungen
„Epiphanie“ und „Theophanie“ sind theologische Fachbegriffe, die eine Gotteserscheinung bezeichnen, wie sie zur → Offenbarung
1.1. Abgrenzung
Epiphanie wird in diesem Artikel von folgenden Begriffen und Konzepten abgegrenzt:
- Die Offenbarung Gottes in → Mythos
und Sage: Gott kommuniziert direkt mit bestimmten Menschen, z.B. Adam und Eva, Noah, Abraham, Mose (Lang, 11; Jeremias 2008, 336, nennt dies „legitimierende Gotteserscheinungen“); - → Vision / Visionsschilderung
: „Wahrnehmung im exaltierten Wachzustand“ (Behrens, → Vision / Visionsschilderung , 1.); textlich im Alten Testament ausschließlich in prophetischen Kontexten (häufig mit dem Wort „Ich sah“ des Propheten eingeleitet, z.B. Jes 6; Ezechiel); - → Audition
: analog zur Vision akustischer Offenbarungsempfang vornehmlich in prophetischen Kontexten; - → Traum / Traumerzählung
: mit bestimmter Begrifflichkeit („Traum“, „Nacht“) versehene Offenbarung an eine Einzelperson; - Vermittlung der Offenbarung durch bestimmte Wesen (→ Engel
) oder Personen (→ Propheten ) bzw. herbeigeführt durch bestimmte Techniken (→ Divination ); - Verschriftlichte Offenbarung („Buch der Tora des Mose“ etc.);
- bestimmte „Hypostasen“ göttlicher Eigenschaften wie der „Name“ (šem), das „Angesicht“ (pānîm), die „Schönheit“ (ṭûv; z.B. Ex 33,19
) und der „Bote / Engel Gottes“ (mal’ākh JHWH) (s. Jeremias 1977, 2); lediglich die „Herrlichkeit“ (kāvôd, s.u.) wird (über Jeremias hinaus) einbezogen, da der Begriff häufig im Kontext anderer Termini begegnet, die typisch für Theophanien sind.
Zu Rezeptionsphänomenen in frühjüdischer, neutestamentlicher und frühchristlicher Literatur siehe v.a. Scriba, 132-223; Jeremias 1977, 51-55; Pax 1955, 146-268; ferner ebd., 20-85, zur griechischen und römischen Antike; Pax 1962, 867-909, zur christlichen Antike: NT und frühe Kirche; zu Josephus und Philo s. z.B. Bultmann / Lührmann, 10.
1.2. Begriffe und Definitionen
Im allgemeinsprachlichen und religionsgeschichtlichen Sinne kann man unter Epiphanie das hereinbrechende und wieder verschwindende Sichtbarwerden der / einer Gottheit verstehen (Pax 1962, 832), dessen literarische Darstellung normalerweise bestimmten Konventionen hinsichtlich der sprachlichen Form und der Motive folgt. Der Begriff leitet sich aus dem Griechischen ab (Substantiv: ἐπιφάνεια epiphaneia, Verb: ἐπιφαίνω epiphainō, Adjektiv: ἐπιφανής epiphanēs); ἐπιφάνεια epiphaneia bezeichnet im griechischen Sprachgebrauch im nichttheologischen Sinne die äußere Erscheinung eines Menschen (auch: Ansehen, Würde), die zweidimensionale Fläche (Oberfläche), die Front des Heeres und das Auftauchen des Feindes (dazu und zum Folgenden s. v.a. Oberlinner, 552-553, ferner Pax 1955, 6-19; Bultmann / Lührmann, 8).
Seit den homerischen Hymnen ist eine feste narrative Form der Epiphanie fassbar, in der Gottheiten zunächst unerkannt auftreten und sich dann als solche gegenüber den Menschen zu erkennen geben. „Feste Bestandteile dieser E[piphanie] sind die übermenschliche Größe der Gottheit, die sie begleitende Lichterscheinung und der göttl[iche] Wohlduft; die Menschen reagieren mit Furcht, welche die Gottheit zu zerstreuen sucht“ (Graf, 1151). – Etwa ab der hellenistischen Epoche wird der Begriff für das rettende Eingreifen der Gottheit für ihre Verehrer verwendet (Oberlinner, 552; Bultmann / Lührmann, 8-9). Das Adjektiv „Epiphanes“ (der „Erscheinende“ i.S.v. „der Rettende“) ist dann nicht mehr nur Gottesattribut, sondern auch Epitheton des Königsnamens, z.B. bei Ptolemaios V. Epiphanes oder → Antiochos IV. Epiphanes
In der → Septuaginta
Das Verb ἐπιφαίνω epiphainō wird in der LXX für die rettende Gotteserscheinung (z.B. Gen 35,7
Beim Adjektiv ἐπιφανής epiphanēs ist eine semantische Verschiebung in der Septuaginta zu notieren: Meist wird damit das hebräische Wort für „furchterregend“ (Partizip Nifal von JR’) übersetzt (s. Ri 13,6
Insgesamt ist beim Gebrauch des Begriffs „Epiphanie“ im Alten Testament festzustellen, dass es (gegen die profane und etymologisch zugrundeliegende Bedeutung) nicht um die Sichtbarkeit Gottes an sich geht, sondern um die Deutung von geschichtlichen Ereignissen und Rettungserfahrungen als Manifestationen göttlichen Eingreifens.
„Theophanie“ begegnet als Begriff in der griechischen Bibel (Altes und Neues Testament) nicht und hat auch keine eindeutige Entsprechung in der hebräisch-aramäischen Bibel (s. dazu und zum Folgenden Gamberoni, 828-830). Nach Herodot (Historien 1,51), war die Theophánia ein Frühjahrsfest in Delphi, an dem die Götterstatuen dem Volk gezeigt wurden (H.G. Liddell / R. Scott / H.S. Jones, A Greek-English Lexicon, 9th ed., Oxford 1996; Pax 1955, 20-21; Hiebert, 505). – In christlicher Schriftauslegung und Verkündigung fungiert „Theophanie“ als Oberbegriff für die wirksame Manifestation Gottes in der Geschichte, wobei diese Manifestation oder Präsenz in bestimmten literarischen Textsorten beschrieben bzw. anderweitig thematisiert (z.B. erbeten oder angekündigt) wird. In der Alten Kirche bezeichnet θεοφάνεια theophaneia „die Menschwerdung Christi, sein erstes Kommen“ (Scriba, 10).
1.3. Zur Unterscheidung von „Epiphanie“ und „Theophanie“
Die semantischen Bereiche von „Epiphanie“ und „Theophanie“ überlappen sich stark, teilweise können die Begriffe synonym verwendet werden. Will man dennoch eine Unterscheidung treffen, so findet man (mindestens) zwei unterschiedliche Konzepte (s. zur Problematik auch Banister, 1-2).
(1) Nach dem ersten Konzept betont „Epiphanie“ von der griechischen Etymologie her stärker den rettenden Aspekt des Eingreifens Gottes innerhalb der Geschichte, während „Theophanie“ entweder den allgemeineren Begriff (im Sinne von „Gotteserscheinung“) darstellt oder das Gewicht stärker auf das mysterium tremendum legt: das Erscheinen Gottes unter schreckenerregenden Begleitumständen (Scriba, 53-58), das in der Regel das Gericht mit sich bringt.
(2) Einer zweiten Kriteriologie nach (Lang, 11-12) sei religionsgeschichtlich von drei Erfahrungsformen auszugehen: die Hierophanie (Erscheinung des Heiligen / der Gottheit) in der Natur, die Epiphanie in der Geschichte (Deutung der Ereignisse als rettendes Eingreifen Gottes), die Theophanie im Wort (Gott spricht und tut so seinen Willen kund).
Wie im Folgenden an den konkreten Textbefunden deutlich wird, ist eine völlig trennscharfe Abgrenzung der Konzepte und Begrifflichkeiten nicht möglich. So ist etwa die Gotteserscheinung vor dem Volk am Sinai in Ex 19-20 die literarische Darstellung einer Rettung durch Gott in der Geschichte, mithin eine „Epiphanie“ nach (1) und (2), begleitet von dramatischen Naturereignissen (Gewitter, rauchender Berg), also eine „Hierophanie“ nach (2) bzw. „Theophanie“ nach (1), und zugleich eine Mitteilung des göttlichen Willens im Wort, also eine „Theophanie“ nach (2). Eine ähnliche Verbindung von Naturerscheinungen, Rettung und Wortmitteilung findet sich z.B. auch in Ps 18 par. 2Sam 22.
1.4. Systematische Aspekte von Theophanie
Nach Niehaus haben die biblischen Theophanien eine Reihe von Charakteristika gemeinsam: (1) Sie beruhen auf göttlicher Initiative und können nicht durch menschliche → Magie
(10) Ein weiterer ganz wesentlicher Aspekt (über die Ausführungen von Niehaus hinaus) besteht darin, dass es bei „Gotteserscheinungen“ in diesem Sinne nie um gestalthafte Phänomene geht, die Rückschlüsse auf das Aussehen Gottes erlauben würden (Hiebert, 510, mit Verweis auf das „Kultbilderverbot“: Ex 20,4.23
Mehrfach wird in der Hebräischen Bibel erwähnt, dass die unmittelbare Begegnung mit der Gottheit normalerweise zum Tod des Menschen führen würde. Entsprechende Selbstdemütigungen und Schutzmaßnahmen sind erforderlich. Wenn die Begegnung stattfindet und der Mensch überlebt, ist dies ein außergewöhnliches Ereignis, s. z.B. Gen 32,31
Nach Hiebert, 505-508, sind typische Orte für Gotteserscheinungen natürliche Umgebungen, die als „heilig“ gelten, z.B. Quellen (Gen 16,7
Während in anderen biblischen Kontexten Gott (JHWH) auch mit weiblichen Metaphern vorgestellt wird, dominiert in den Theophanie-Texten der männliche Aspekt (Hiebert, 511). Dies könnte ein Spiegel der menschlichen, hier patriarchalen Gesellschaftsstruktur sein, bei der der (maskuline) König an der Spitze steht. Das Konzept des Königtums könnte der gemeinsame Nenner der Theophanien sein: JHWH als König (→ Königtum Gottes
2. Hebräische Begriffe
Im Folgenden werden die Begriffe der Hebräischen Bibel zum Thema „Epiphanie“ inventarisiert. Dabei liegt der Schwerpunkt auf den Verben, die ein „Erscheinen“ Gottes bezeichnen. Die damit verbundenen Phänomene werden in Punkt 4. behandelt.
2.1. Das Kommen JHWHs (בוא BÔ’, אתה ’TH)
In den Theophaniekapiteln des Buches → Exodus
In der → Ladeerzählung
Im „Theophaniepsalm“ Ps 50 kommt Gott als „Gott der Götter“ vom Zion her unter Begleitung von Feuer und Sturm (Ps 50,3
Vor allem im → Jesajabuch
Im → Zwölfprophetenbuch
Anhand des Verbs „kommen“ lassen sich die schon erwähnten Abgrenzungen veranschaulichen: In Gen 20,3
Ein seltenes Synonym zum hebräischen Verb בוא BÔ’, ist אתה ’TH (21 Belege), das ebenfalls „kommen“ bedeutet (s. z.B. Dtn 33,2
2.2. Das Herabsteigen (ירד JRD) JHWHs
Stärker als das Verb „kommen“ betont die Formulierung mit „herabsteigen“ (hebräisch ירד JRD) die Distanz zwischen Himmel und Erde, zwischen Gottes Wohnort (→ Wohnsitz Gottes
Bei der Epiphanie in Exodus 19-20 wird mehrfach festgehalten, dass JHWH auf den Berg Sinai herabsteigt (Ex 19,11.18.20
Das Herabsteigen JHWHs kann auch erbeten (Ri 5,13
Nicht JHWH / Gott selbst, aber das göttliche Feuer steigt nach dem Gebet Salomos zur Tempelweihe in 2Chr 7,1-3
2.3. Das Ausziehen (יצא JṢ’ Qal) JHWHs (im kriegerischen Kontext)
Auch eine Art von „Theophanie“ ist das Ausziehen (יצא JṢ’) JHWHs / Gottes mit dem Heer Israels bzw. vor dem jeweiligen heldenhaften Heerführer (Ri 4,14
In der prophetischen Literatur wird das eschatologische Ausziehen JHWHs als Beginn des Strafgerichts angekündigt (Jes 26,21
2.4. Das Sich-Sehen-Lassen (ראה R’H Nifal) JHWHs
Der semantische Aspekt des Optischen bei der Theophanie / Epiphanie wird im Hebräischen mit der Wurzel ראה R’H „sehen“, im Nifal „sich sehen lassen / erscheinen“ ausgedrückt (s. z.B. Preuß 1991, 230-231). Der Ausdruck begegnet schwerpunktmäßig in der Tora:
- Gott erscheint Abram / Abraham (Gen 12,7
; Gen 17,1 ; Gen 18,1 ; Gen 22,14 ), Isaak (Gen 26,2.24 ), Jakob (Gen 35,1.9 ; s. auch Ex 6,3 ) und dem Mose am Dornbusch (Ex 3,2 ; Ex 3,16 ; Ex 4,1.5 ). In den Erzelternerzählungen der Genesis gehen das direkte Auftreten Gottes und des Engels Gottes / JHWHs ineinander über (s. Rendtorff, 172-173). - Die Herrlichkeit JHWHs (s.u.) erscheint in der Wolke (Ex 16,10
) und bei der Einrichtung der Opfer (Lev 9,4.6.23 ). - JHWH erscheint in der Wolke auf der Kapporet (der obere Teil der → Lade
) im Allerheiligsten des Heiligtums (Lev 16,2 ), was besondere Vorsichtsmaßnahmen seitens Aarons (bzw. des amtierenden Hohepriesters) erfordert. - JHWH bzw. die Herrlichkeit JHWHs erscheint aber auch dem ganzen Volk während der Wüstenwanderung (Num 14,10.14
; Num 16,19 ; Num 17,7 ; Num 20,6 ; Dtn 31,15 ).
Bei → Gideon
In eschatologischer Perspektive wird das Erscheinen JHWHs bzw. seiner Herrlichkeit für die Zukunft angekündigt: Ps 102,17
Die Verwendung der gleichen Wurzel ראה R’H „sehen“, im Hifil bezieht sich allermeist auf → Visionen
2.5. Das Erscheinen (יפע JP‘ Hif.) JHWHs
Das „strahlende“ Erscheinen Gottes wird – vergleichsweise selten – mit dem Verb יפע JP‘ Hifil ausgedrückt (Scriba, 21-22; Beyerle, 67-68). Wieder begegnet Dtn 33,2
2.6. Die Herrlichkeit (כָּבוֹד kāvôd) JHWHs
Ein Begriff, der häufig bei „Gotteserscheinungen“ auftritt, ist die „Herrlichkeit JHWHs“ (hebräisch כָּבוֹד kāvôd; → Ehre / Herrlichkeit
Ein weiterer Schwerpunkt der Rede von der Herrlichkeit JHWHs als Chiffre für die von den Menschen wahrnehmbare Seite Gottes findet sich in den Psalmen (Beispiele): Ps 19,2
Die Rede von der Herrlichkeit Gottes (JHWHs) zieht sich ferner durch alle Teile des → Jesajabuchs
2.7. Weitere Verben
Zwei weitere Verben begegnen selten, gehören aber auch zum semantischen Spektrum der Erscheinung Gottes bzw. seiner Präsenz: (1) גלה GLH Nifal (reflexiv: „sich offenbaren“; Preuß 1991, 229-230): Gen 35,7
3. Zentrale Texte und Konzepte
Aus der Zusammenschau der Belege ergibt sich eine Reihe von zentralen Texten, die als „Theophanietexte“ in konzentrierter Form und verschiedenen literarischen Gattungen sowie pragmatischen Sprechhandlungen von „Gotteserscheinungen“ sprechen. „Erzählungen“ von Gotteserscheinungen sind nie „nur“ Berichte, Feststellungen oder Behauptungen von Theophanien, sondern entfalten Wirkungen in der Gegenwart: Erinnerung dient als Vergegenwärtigung, Legitimation und Präsentation des machtvollen göttlichen Wirkens damals und jetzt, Vermittlung von Hoffnung usw. (→ erzählende Gattungen
Dabei ist in der biblischen Erzähllinie (grob gesagt: von der Genesis bis zum zweiten Buch der Könige), für die letztlich nachexilische Redaktoren verantwortlich sind, eine deutliche Abnahme der Häufigkeit von Epiphanie- bzw. Theophanie-Ereignissen festzustellen. Schon bei den Erzvätern ist ein Gefälle erkennbar: Gott erscheint dem Abraham häufiger und direkter als Isaak und Jakob (s. auch Rendtorff, 172). Der Höhepunkt ist das Exodusbuch (und dann, etwas schwächer und bedingt durch die „Spiegelung“ wichtiger Ereignisse, das Numeribuch): Die beiden großen Teile des Exodusbuches können als Epiphanie- und Theophanieerzählung gelesen werden. Im ersten Teil, Ex 1-18, dominiert die Erscheinung des wirkmächtigen Gottes („Epiphanie“) in Form der „großen Taten“ in der „Geschichte“, die zum Gründungsgeschehen des Volkes Israel als Bundesvolk Gottes werden und im weiteren Verlauf der Bibel sowie der Geschichte Israels bis heute (Seder-Abend: → Passa
Gegenüber dem → „Sehen
Im weiteren Verlauf der so genannten „Geschichtsbücher“ werden Epiphanien und Theophanien zunehmend seltener. Der „neue“ Offenbarungsweg besteht in → Visionen
Die Begrifflichkeit von Theophanieschilderungen begegnet auch in den Psalmen verstärkt, jedoch in unterschiedlichen Sprechakten. Ps 18 (par. 2Sam 22) schildert die Epiphanie Gottes als Erleben des göttlichen Eingreifens zur persönlichen Hilfe gegen Feinde mit gewaltigen Naturbildern (vor allem Ps 18,8-20
In seiner fundamentalen Arbeit zu „Theophanien“ nimmt Jeremias 1977, 2-6, vor allem auf der Basis bestimmter Psalmpassagen eine eigene Gattung „Theophanieschilderung“ an. Dazu zählt er u.a. Ps 18,8-16
In die Reihe dieser Psalmen gehören auch Texte wie Hab 3
4. Als Gotteserscheinung gedeutete Phänomene
Bestimmte meteorologische oder geologische Beobachtungen aus der Natur deutet die biblische Literatur als Sichtbarwerden (Erscheinen) Gottes (s.o. 1.3.: „Theophanie“ nach [1], „Hierophanie“ nach [2]). Dabei werden verschiedene literarische Darstellungsweisen gewählt. Der inhaltliche und formale Variantenreichtum lässt auf unterschiedliche Entstehungssituationen und Tradentenkreise schließen. Mit Scriba ist der literarische Befund als „Motivkomplex“ angemessen zu bezeichnen (zur Problematik s. Scriba, 122-131). Eine ausführliche Übersicht bietet Scriba, 14-79; im Folgenden können nur einige Beispiele besprochen werden.
Erneut sei darauf hingewiesen, dass eine unmittelbare Identifikation der Gottheit mit dem Naturphänomen unterbleibt, mithin ein Rückschluss vom Phänomen auf die Gestalt Gottes unterbunden wird. Wenn also Gott in diesen sichtbaren und hörbaren Dingen oder wie diese erscheint, dann ist damit an seine Präsenz und Wirkmacht, aber nicht an seine Gestalt gedacht. Die Epiphanie- oder Theophanievorstellung stellt die durchgehende absolute Transzendenz Gottes gegenüber der geschaffenen Welt nicht in Frage (Hiebert, 510). Menschengestaltige Vorstellungen von Gott (Gott mit Ohren, Nase, Mund, Händen, Füßen, Gesicht; Gott als König, Krieger, Richter, Gesetzgeber) sowie Erscheinungen in Menschengestalt (Engel) werden im Folgenden nicht besprochen (s. dazu Hiebert, 510-511).
4.1. Feuer
So ambivalent wie die Menschen im Alltag das Phänomen → „Feuer
Das Feuer Gottes ist das Gerichtswerkzeug, mit dem das strafende Eingreifen Gottes umschrieben wird. Beispiele dafür sind etwa Jes 29,6
Auch im Theophanietext Ps 18,13-14
4.2. Wolke
Eine analoge Chiffre für die literarische Darstellung des Erscheinens bzw. der Präsenz Gottes ist das Motiv der „Wolke“ (עָנָן ‘ānān). Im Buch Exodus ist JHWH in einer Wolke (bzw. Wolkensäule, s.u.) bei seinem Volk (Ex 19,9
Das Bedrohliche an der Gegenwart Gottes wird durch die Verbindung von „Wolke“ und „Dunkel“ (‘arāfæl; auch: ḥošækh) angezeigt: Ex 20,21
4.3. Die Feuer- und Wolkensäule
In nahezu personifizierter Weise fungiert die „Säule“ (עַמּוּד ‘ammûd) vor allem in den Büchern Exodus (Ex 13,21-22
4.4. Gewitter: Donner, Blitze, Sturm, Starkregen
„Gewitter“ ist der geeignete Oberbegriff für ein Bündel von Theophaniemotiven, die religions- und traditionsgeschichtlich auf den → „Wettergott“ (Syrien: Hadad / Adad; Ugarit: Baal; Babylon: Marduk) zurückgehen: Die Naturkräfte des Sturmes, des Donners, der Blitze und des Starkregens werden als Manifestationen göttlichen Wirkens interpretiert – sie werden einerseits als zerstörerisch und gewaltsam erlebt, andererseits ist der Regen essentiell für die → Fruchtbarkeit in der Landwirtschaft (z.B. Ps 68,10
Das Gewitter mit seinen verschiedenen Begleiterscheinungen ist das häufigste als Zeichen göttlicher Präsenz gedeutete Naturphänomen. Vor allem der Donner gilt als „Himmelsstimme“, einschlägige Texte dafür sind z.B. die paradigmatische Epiphanie Gottes in Ex 19 (vor allem Ex 19,16
Für den Sturmwind als literarische Manifestation des göttlichen Erscheinens und Einwirkens in diese Welt gibt es eine Reihe von Ausdrücken: Vom „großen Wind“ (רוּחַ גְּדוֹלָה rûaḥ gədôlāh) spricht 1Kön 19,11
4.5. Erdbeben
→ Erdbeben treten für die Menschen der Antike überraschend auf und reißen insofern aus der Normalität, als nun Dinge, die als „felsenfest“ gelten (der feste Boden unter den Füßen, die Berge), plötzlich erzittern oder gar zerbrechen. Das Land der Bibel liegt auf der Bruchzone zwischen eurasischer und afrikanischer Platte, so dass es in Israel bis heute immer wieder zu seismischen Erschütterungen kommt (Albani, 112). In der Antike werden die Phänomene Gottheiten zugeschrieben (mysterium tremendum; zu den „Schreckreaktionen“ s. auch Scriba, 54-58).
Erdbeben sind mithin Begleiterscheinungen der Epiphanie Gottes: Der Berg „erzittert“ (ḤRD) beim Kommen Gottes ebenso wie das Volk selbst (Ex 19,16.18
4.6. Chaoskampf
Eine gewisse Schnittmenge der beschriebenen Phänomene ergibt sich zwischen Epiphanie- bzw. Theophanievorstellungen und dem Motiv des Chaoskampfes (s. dazu → Chaos / Chaoskampf; Scriba, 64-70; Bauks, 96-97), vor allem mit dem → Meer bzw. dem → Urmeer. Beispiele sind Ps 18,16
4.7. Vulkanische Erscheinungen
Liest man Ex 19,18
Ähnliches gilt für die Rede vom „Rauchen der Berge“ in den Psalmen: Ps 104,32
4.8. Verdunkelung der Himmelskörper
Zu den „Schreckreaktionen“ der Natur auf die Präsenz Gottes gehört auch die Verdunkelung der Himmelskörper – wieder eine den Menschen verunsichernde und auf ungewöhnliche Ereignisse hindeutende Abweichung von der Normalität. Dabei ist erneut zu beachten, dass es sich nicht um Beobachtungen tatsächlicher Ereignisse an den konkreten Gestirnen handeln muss – der Rückschluss auf astronomische Ereignisse ist sehr schwierig bis unmöglich. Es reicht auf literarischer Ebene, dass man sich vorstellt, dass das gewohnte Licht von → Sonne, → Mond und → Sternen nicht mehr vorhanden ist. Vergleichsweise seltene Ereignisse wie Mond- und vor allem Sonnenfinsternisse sowie die Beobachtung von Kometen und Meteoriteneinschlägen („Sternschnuppen“) bereiten den Boden für derartige Vorstellungen, die dann auf literarischer Ebene entsprechend gesteigert werden können. Mit der Umkehr des normalen Naturablaufs arbeitet z.B. das Drohwort Jes 13,9-10
5. Religionsgeschichte – Alter Orient (Stephanie Ernst)
Eine Epiphanie- bzw. Theophanie-Schilderung lässt sich als „Gattung“ in den Kulturen des Alten Orients nicht nachweisen, allerdings sind einzelne Elemente in ihrer altorientalischen Tradition belegt und als Anregung bzw. Vorlage für die alttestamentlichen Texte denkbar.
In der Forschung gibt es im Wesentlichen zwei Positionen: (a) Die alttestamentlichen Epiphanie- bzw. Theophanie-Texte nehmen über die Herkunft Jahwes als ursprüngliche Wetter- bzw. Sturmgottheit die Tradition der Wettergottheiten auf: Das göttliche Erscheinen ist begleitet von Naturphänomenen (Regen, Sturm, Blitz, Donner, Erdbeben) bzw. wird dadurch angekündigt (Jeremias 1977, 73-90; Hamori; Müller; zu Belegen, Kult und Tradition der einzelnen altorientalischen Wettergottheiten siehe Schwemer 2001; → Wettergott / Wettergötter; → Wetterphänomene, theologische Bedeutung). Eine Einschränkung, dass nur Wettergottheiten über die Naturphänomene Regen, Sturm, Blitz, Donner, Erdbeben verfügen, ist nicht haltbar: Auch die großen sumerischen und akkadischen Götter erscheinen begleitet von Naturphänomenen, ohne dass diese zu ihrem Wirkungskreis gehören (Schwemer 2007, 129).
(b) Nach einer alternativen Sichtweise beschränkt sich die Ähnlichkeit nicht nur auf die Schilderung großer Naturphänomene als Zeichen göttlichen Erscheinens. Vielmehr lassen sich in einzelnen Texten darüber hinaus auch folgende Elemente belegen (Köckert 218; Pfeiffer 80-81, 86-88): (1) Nennen des Auszugsortes (Himmel, Heiligtum) und (2) Beschreibung des Ausziehens der Gottheit und (3) Schilderung der Rettungstat der Gottheit. Köckert und Pfeiffer stützen ihre These hauptsächlich auf das zweite Ermutigungsorakel Assurs an Asarhaddon (K 2401 II = SAA 9, 23-25), das die oben genannten Elemente enthalte (Köckert 218; Pfeiffer 81).
10-13 Now then, these traitors provoked you, had you banished, and surrounded you, but you opened your mouths (and cried): “Hear me, O Aššur!“
14-17 I heard you cry. I issued forth as a fiery glow from the gate of heaven, to hurl down fire and have it devour them.
18-21 You were standing in their midst, so I removed them from your presence. I drove them up the mountain and rained (hail)stones and fire of heaven upon them.
22-25 I slaughtered your enemies and filled the river with their blood. Let them see (it) and praise me, (knowing) that I am Aššur, lord of the gods. (Parpola 23-24)
Aber ähnliche Ankündigungen oder Schilderungen göttlichen Rettungshandelns im Kriegskontext lassen sich in unterschiedlichen Gattungen (z.B. Königsinschriften) mit oder ohne Schilderung des göttlichen Erscheinens mit Naturgewalten, Nennung des Auszugsortes nachweisen. Als Beispiel sei die Schilderung eines Ermutigungsorakels an Assarhaddon aus dem Bericht über seine Thronbesteigung angeführt, das ohne die entsprechenden Elemente auskommt:
58-61 Ich, Assarhaddon, der im Vertrauen auf die großen Götter, seine Herren, inmitten der Schlacht seine Brust nicht rückwärts wandte, hörte sofort von ihren (scil. der Brüder) bösen Taten und rief: wehe! und zerriss mein fürstliches Gewand und brach in Wehklagen aus. Wie ein Löwe wurde ich wütend, und mein Inneres tobte. Um das Königtum meiner Familie auszuüben, schlug ich mit den Händen.
Zu Assur, Sîn, Šamaš, Bēl, Nabû und Nergal, Ištar von Ninive, Ištar von Arbela erhob ich meine Hände, sie erhörten meine Worte. Mit ihrem zuverlässigen Jawort sandten sie mir wiederholt ein Ermutigungsorakel: „Geh! Lass dich nicht zurückhalten! An deiner Seite gehen wir und töten deine Feinde!“ (nach Weippert, 466; Nin A I 58-61 = Borger, 43-44)
Gegen eine Tradition der Gattung „Epiphanie- bzw. Theophaniephänomene“ als solche aus den altorientalischen Kulturen spricht daher insgesamt, dass die angeführten Textbelege zu Gattungen gerechnet werden können, die auch ohne diese Elemente vorkommen (Hymnen, Mythen, Königsinschriften, etc.), und eine andere Absicht haben (Preisung einer Gottheit, Ätiologie, Darstellung der Macht und der Taten eines Königs, etc.).
Literaturverzeichnis
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