Eschatologie (AT)
(erstellt: Januar 2007)
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1. Die Begriffe „Eschatologie“ und „Apokalyptik“
Der Begriff „Eschatologie“ kommt von griechisch τὸ ἔσχατον to eschaton „das Letzte / Ende“ und bedeutet wörtlich „Lehre von den letzten Dingen / von der Endzeit“. Er hat sich im 19. Jh. in der systematischen Theologie als Bezeichnung für die Lehre von den letzten Dingen (Tod, Auferstehung, Jüngstes Gericht etc.) etabliert. In der alttestamentlichen Wissenschaft kann er sich in einem weiten Sinne verwendet auf alle prophetischen Ankündigungen beziehen, in einem engen nur auf die Vorstellung vom Ende der Welt und der Geschichte (vgl. 1Kor 15,52
→ Apokalyptik
2. Präsentische Eschatologie
Präsentische Eschatologie meint die Vorstellung, dass die Wende der Zeit schon geschehen ist und die eschatologische Heilszeit bereits begonnen hat, zumindest angebrochen ist. Im Alten Testament liegt diese Vorstellung der Jerusalemer Kulttradition (→ Zionstheologie
1. Wenn Jahwe sowohl im Himmel als auch auf dem Zion wohnt, wenn die himmlische Sphäre folglich im Zionstempel bis auf die Erde ragt und sich dort himmlischer und irdischer Bereich berühren, dann kann man umgekehrt sagen, dass der Zionsberg in den Himmel ragt und folglich der höchste Berg ist (vgl. Ps 48,2-3
2. Als mächtiger, auf dem Zion thronender Königsgott bewahrt Jahwe Jerusalem – mythisch gesprochen – vor dem Brausen der Chaoswasser und – historisch gesprochen – vor dem Ansturm der Völker. Die Völker können kämpfen, wie sie wollen, Jahwe wird sie besiegen, wie er einst die → Chaosmächte
3. Wenn Jahwe auf dem Zion wohnt, muss dieser Ort ein Ort der → Fruchtbarkeit
4. Zur Rechten Jahwes thront der davidische → König
In der Jerusalemer Tempeltheologie stoßen wir somit auf eine Konzeption, die von der Vorstellung der Gegenwart Gottes aus Vorstellungen von der Gegenwart des Heils entwickelt und sich dieser Gegenwart im Kult (→ Ritual
3. Futurische Eschatologie
Die Vorstellung von einer künftigen dauerhaften und damit endgültigen Heilszeit findet sich im Alten Testament vor allem in den Prophetenbüchern, jedoch keineswegs nur dort.
Auch in den Geschichtsbüchern artikuliert sich die Hoffnung auf eine heilvolle Zukunft: In der Vätertradition in der Verheißung von Nachkommen, Land und Gottes Beistand (→ Väterverheißungen
3.1. Die Entwicklung der Vorstellung von einer endgültigen Heilszeit
Die Gerichtspropheten der vorexilischen Zeit haben – was im Einzelnen allerdings umstritten ist – zum Teil mehr oder weniger zaghaft auch eine eschatologische Heilszeit angekündigt. Für die Propheten der exilisch-nachexilischen Zeit rückt die Verheißung einer Heilszeit angesichts schrecklicher Unheilserfahrungen ganz ins Zentrum. Im Zuge dieser Entwicklung sind auch die Bücher der Gerichtspropheten so bearbeitet worden, dass sie jetzt letztlich eine eschatologische Heilzeit ankündigen.
Inhaltlich beschränken sich die Verheißungen der vorexilischen Propheten auf die Ankündigung besserer Lebensverhältnisse in Palästina, ohne das Maß des Realisierbaren wesentlich zu überschreiten (Jes 11,1-5
3.1.1. Keine Heilszeit bei Amos, Micha und Zefanja
Der Prophet → Amos
3.1.2. Jesaja
Der Prophet → Jesaja
3.1.3. Hosea
→ Hosea
3.1.4. Jeremia
Rund 100 Jahre nach Hosea und Jesaja wirkt → Jeremia
Für die Authentizität der an das Nordreich gerichteten Worte (z.B. Jer 3,12-13
Vor allem kündigt Jeremia dem Südreich schreckliches Unheil an. Aus dem Norden wird ein Feind kommen, alles überrennen und auch die Äcker des Landes in Besitz nehmen (Jer 6,12
3.1.5. Ezechiel
Auch im Zentrum der Verkündigung → Ezechiels
3.1.6. Deuterojesaja
→ Deuterojesaja
3.1.7. Tritojesaja
Als sich in den Nöten der frühnachexilischer Zeit (um 520 v. Chr.) die Frage stellt, wann das von Deuterojesaja angekündigte Heil endlich kommt, antwortet → Tritojesaja
3.1.8. Haggai
→ Haggai
3.1.9. Sacharja
Wie Haggai ruft → Sacharja
3.1.10. Redaktoren der Prophetenbücher
Tradenten haben die Worte der Propheten immer wieder aktualisierend überarbeitet. In nachexilischer Zeit hatten sie dabei vor allem das Anliegen, den von materiellen und politischen Nöten geplagten Judäern die lebenswichtige Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu vermitteln. Deswegen bearbeiten sie die gesamte prophetische Überlieferung – sogar die der Gerichtspropheten – dahingehend, dass die Prophetenbücher letztlich eine eschatologische Heilszeit ankündigen und damit auch der Prophet, dem das Buch zugeschrieben wird, letztlich als Heilsprophet erscheint.
Erstens fügen die Redaktoren den Prophetenbüchern Heilsworte zu. Dabei nehmen sie gegenwartsbezogene Heilsaussagen der Jerusalemer Tradition auf und transformieren sie zu Zukunftsaussagen (vgl. Königsaussagen wie in Ps 21,8
Zweitens strukturieren die Redaktoren die Prophetenbücher nach dem sog. eschatologischen Schema, nach dem den Gerichtsworten Heilsworte folgen. Dieser Aufbau führt den Leser einen Weg vom Unheil zum Heil (vgl. den Aufbau des → Psalters
Drittens greifen die Redaktoren die aus Weisheit und Kult geläufige, von den Propheten jedoch kaum gemachte (vgl. Ez 21,8-9
3.1.11. Danielbuch
Das zwischen 167 und 164 v. Chr. entstandene → Danielbuch
3.2. Vorstellungen von einer endgültigen Heilszeit
3.2.1. Einleitung
1. Die Vielfalt der Bilder. Das Alte Testament entwirft von der eschatologischen Heilszeit kein in sich geschlossenes Bild, sondern eine Fülle divergierender, oft einander sogar widersprechender Vorstellungen. Die Fülle und Verschiedenheit der Bilder liegt zum einen daran, dass die Texte aus sehr verschiedenen Zeiten stammen, ist zum anderen aber auch in der Sache begründet, denn wir haben es nicht mit Prognostik zu tun, die genau weiß, was die Zukunft bringen wird, sondern mit dem Versuch einer Annäherung. Die Bilder stehen im Kanon nebeneinander und machen gerade in ihrer Widersprüchlichkeit deutlich, dass wir von der eschatologischen Heilszeit nur im vorsichtigen Tasten sprechen können, nicht deskriptiv, sondern nur aspektiv, nur in Bildern, die nicht abbilden, sondern allenfalls etwas aufblitzen lassen. Das Alte Testament bietet deswegen genau genommen keine Eschatologie, keine Lehre vom Ende, sondern in der Fülle der Entwürfe eine poetische Annäherung, die allein der Souveränität Gottes gerecht wird. In einem wesentlichen Punkt sind sich jedoch alle Entwürfe einig: Es ist Gott, und zwar der gnädige und liebende Gott, der die Heilszeit als eine Zeit der Freude und des Jubels (vgl. z.B. Jer 31,13
2. Eschatologisierung der Tradition. In den Schilderungen der Heilszeit werden häufig Traditionen von früheren Heilstaten Jahwes aufgenommen und zum Teil auch gesteigert. Aus der Überlieferung vom Auszug aus Ägypten wird bei Hosea, Deuterojesaja und im Ezechielbuch mit je eigenen Nuancen die Ankündigung eines neuen → Exodus
Von herausragender Bedeutung ist in den Heilsschilderungen die Aufnahme der Zionstradition. Schon im Rahmen der alten Jerusalemer Theologie galt der Zion als Ort der Gottespräsenz und daraus folgend als Zentrum und Quelle allen Heils. Genau diese Rolle soll der 587 v. Chr. zerstörten Stadt nach den eschatologischen Entwürfen des Alten Testaments in Zukunft wieder zukommen. Die Zionstradition wird in exilisch-nachexilischer Zeit eschatologisiert. Man erwartet ein neues Jerusalem, viel prächtiger als das alte. Man erwartet einen neuen Tempel, viel herrlicher als der alte. Und man erwartet einen neuen Heilskönig.
3. Israelbezug. Die Heilsvorstellungen des Alten Testaments beziehen sich weder auf die Menschheit, noch auf individuelle Menschen, sondern auf Israel. Individualistische Vorstellungen klingen in eschatologischen Entwürfen nur dort an, wo innerhalb Israels zwischen Gerechten und Sündern unterschieden wird. Von Universalismus kann man nur dort sprechen, wo die Völker in das Heil einbezogen werden, aber das Heil, an dem sie partizipieren, bleibt – in der Regel (anders z.B. Jes 19,16-25
4. Diesseitsbezug. Alttestamentliche Heilsvorstellungen verheißen das Ende von Hunger und Durst, von Kriegen und Katastrophen, von Sünde und Trauer, kurz das Ende aller Übel in dieser Welt. Damit nehmen sie die Nöte der Menschen in dieser Welt ernst. Sie protestieren ganz radikal gegen alle Missstände dieser Welt und stiften zugleich Hoffnung nicht nur auf eine bessere, sondern auf eine wirklich gute Welt.
3.2.2. Die Präsenz Jahwes und seine Königsherrschaft
Notzeiten werden im Alten Testament oft mit der Abwesenheit Jahwes erklärt (Ps 22,1
Eine Präzisierung erfährt der Präsenzgedanke in der Vorstellung von der → Königsherrschaft Gottes
3.2.3. Der neue Exodus
Die Erfahrung des babylonischen Exils und der Zerstreuung unter die Völker war für Israel ein einschneidendes, schreckliches Erlebnis. Ihm entspricht in exilisch-nachexilischer Zeit der Wunsch nach der Rückkehr aus dem Exil und der Sammlung der Zerstreuten. Um ihn zu artikulieren wurde die → Exodustradition
Die Ankündigung eines neuen Exodus, die sich vorexilisch schon bei Hosea (Hos 2,16-17
3.2.4. Das neue Jerusalem
In exilisch-nachexilischer Zeit hat Israel immer wieder Visionen von → Jerusalem
Das neue Jerusalem ist eine riesige und herrliche Stadt, deren Mauern und Tore Jahwe mit Saphiren und Rubinen ausstatten wird (Jes 54,11ff
3.2.5. Der neue Tempel
Ob zum neuen Jerusalem auch ein neuer → Tempel
Auch nach Haggai soll der neue Tempel den alten an Herrlichkeit übertreffen. Seine kostbaren Materialien verweisen auf eine andere Realität, nämlich auf die Herrlichkeit Gottes.
Neben diesen tempelzentrierten Ansätzen, die traditionellem Denken folgen, gibt es im Alten Testament aus der tempellosen Zeit des 6. Jh.s auch Zukunftsentwürfe, in denen die Präsenz Gottes unabhängig vom Tempel gedacht wird. Deuterojesaja entwirft in immer neuen Anläufen ein Bild von der Zukunft Israels mit dem Zionsberg als Zentrum, doch von einem neuen Tempel ist bei ihm keine Rede. Bei Tritojesaja wird in frühnachexilischer Zeit aus dem Schweigen zum Tempel sogar eine Polemik gegen den Tempel (Jes 66,1-2
3.2.6. Der neue »Messias«
Im Rahmen der vorexilischen Königsideologie zielt die Bezeichnung → Messias
Das Alte Testament entwickelt von diesem eschatologischen Heilskönig sehr unterschiedliche Vorstellungen. Die Verheißungen unterscheiden sich in den Fragen: Stammt er aus dem Haus Davids oder nicht? Ist er schon präsent oder noch nicht? Greift er machtvoll militärisch ein, oder ist er machtlos? Entsprechen die Erwartungen der traditionellen Königsideologie, oder gehen sie über diese hinaus?
1. Der Prophet Jesaja verheißt in Jes 11,1-5 einen Heilskönig. In der Beschreibung dieses Königs führt er ein Ideal vor Augen, an dem die Defizite des gegenwärtigen Königs und seiner ganzen Dynastie offensichtlich werden sollen. Der Text hat also eine königskritische Spitze (vgl. o. 3.1.2.).
2. Die Herrscherverheißung in Mi 5,1-5 enthält die gleiche königskritische Spitze, da der Heilskönig nicht aus Jerusalem, sondern aus Bethlehem kommen soll. Der König wird – das entspricht traditioneller Königsideologie – bis an die Enden der Erde herrschen, vor allem aber die Assyrer zurückschlagen und so Frieden schaffen.
3. Jes 9,1-6 sieht den eschatologischen Heilskönigs – anders als Jes 11 – in der Nachfolge Davids. Da es hier Jahwe ist, der das Joch der Feinde bereits zerbrochen hat, muss der König das Friedensreich nicht gegen Frevler oder Feinde durchsetzen, sondern repräsentiert es im Grunde nur. Insofern ist seine Herrschaft hier konsequenter als Friedensherrschaft gedacht als in Mi 5. Vermutlich wollte der Text ursprünglich → Josia
4. Die Vorstellung von einem machtlosen – sogar armen und hilfsbedürftigen – Heilskönig findet sich zugespitzt in Sach 9,9-10. Es ist Jahwe, der das Kriegsgerät vernichtet, während der Heilskönig den Völkern Frieden verkündet und ein weltweites Friedensreich repräsentiert.
Bei den sog. messianischen Texten muss man zwischen gegenwartsbezogenen Proklamationen und zukunftsbezogenen Verheißungen unterscheiden. Die Verheißungen, die sich auf eine nicht näher bestimmte Zukunft beziehen und im Alten Testament gegenüber den präsentischen Proklamationen sicher im Vordergrund stehen, können eine Kritik an gegenwärtigen oder vergangenen Königen implizieren (Jes 11
Von dem eschatologischen Heilskönig werden zum Teil ganz bestimmte Einzeltaten erwartet, deren Realisierung innergeschichtlich leicht vorstellbar ist, nämlich die Wiedervereinigung von Nord- und Südreich (Ez 37) oder der Bau des Tempels (Sach 6). Als Herrschaftsgebiet ist in diesen Texten nur Israel im Blick. Andere Erwartungen, nämlich dass der Heilskönig den Armen helfen, Recht und Gerechtigkeit üben sowie bis an die Enden der Erde herrschen wird, entsprechen traditioneller Königsideologie. Wie in der Königsideologie gibt es auch in den Herrscherverheißungen einerseits die Vorstellung, dass der Heilskönig den Frieden militärisch erkämpft (Ps 2; Mi 5), andererseits aber auch die, dass Jahwe den Kampf führt und der König als Handelnder ganz im Hintergrund bleibt und nur noch ein Repräsentant der Herrschaft zu sein scheint (Ps 110; Jes 9). Aus dem inaktiven »Messias« kann dann in Abweichung von der traditionellen Königsideologie, ja in bewusster Abgrenzung von ihr, ein machtloser und hilfsbedürftiger Heilskönig werden (Sach 4; Sach 9).
In der Vorstellung vom machtlosen und hilfsbedürftigen »Messias« spiegelt sich vermutlich die Ohnmacht des jüdischen Volkes. Die politische Machtlosigkeit hat hier – das ist beachtenswert – nicht dazu geführt, dass man von einer Umkehrung der Verhältnisse und von einem mächtigen Messias, der die Völker unterjochen würde, träumte, sondern die Erfahrung von Unterdrückung und Leid in den Traum von einer Welt einbrachte, in der es weder Unterdrückung noch Leid geben und in der sich das Ideal einer gewaltfreien Herrschaft realisieren sollte. Aus dem traditionellen Bild vom mächtigen Jerusalemer König, der die Völker unterwirft, wurde – vielleicht unter Beachtung der königskritischen Traditionen des Alten Testaments – das Bild von einem König, der ohne Macht regiert und weltweiten Frieden repräsentiert.
Im Alten Testament hat der Heilskönig noch nicht die zentrale Bedeutung, die ihm in späteren Messiasvorstellungen zukommt. Hier ist er noch nicht derjenige, der die Heilszeit bringt, sondern er kommt mit ihr und gehört deswegen nur zu den Gaben der Heilszeit.
3.2.7. Das Friedensreich
Das Alte Testament entwickelt von dem für die eschatologische Heilszeit erwarteten Friedensreich ganz unterschiedliche Vorstellungen (→ Friede
1. Friede vor den Völkern – Friede mit den Völkern
In nachexilischer Zeit, als Israel versuchte, sich unter persischer Herrschaft neu zu konstituieren, stellte sich die Frage, ob man den Völkern gegenüber auf radikale Absonderung oder friedliche Koexistenz setzen sollte. Während die einen die nationale Identität durch eine scharfe Abgrenzung nach außen herstellen wollten (→ Esra
Die Vernichtung der Völker. Die alte Vorstellung der Zionstradition, dass Jahwe Jerusalem schützt und alle angreifenden Völker unterwirft, wird in eschatologischen Gerichtsvorstellungen aufgenommen, die die Vernichtung der Völker zum Teil drastisch ausmalen und zu einem auch Israel einschließenden Weltgericht ausweiten. Sachlich ist zwischen einem eschatologischen Völkergericht, das die Völker vernichtet, um Israel Frieden in einer herrlichen Welt zu ermöglichen, und einem apokalyptischen Weltgericht, das alle Völker einschließlich Israel trifft und letztlich auf ein Ende der Welt zielt, dem nur die Gottesherrschaft folgen kann (Dan 2; Dan 7), zu unterscheiden. In beiden Zukunftsvisionen ersehnen sich Judäer, die mit den Völkern wie mit der Welt so negative Erfahrungen gemacht haben, den Traum von einem Leben ohne die Größen, die sie nur als Quellen tausendfachen Leids wahrnehmen konnten. Der eschatologische Friede ist hier ein Frieden vor den Völkern, teuer erkauft durch die Ausrottung der Feinde.
Sach 14,1ff
Die Versklavung der Völker. Zwischen den Vorstellungen von der Vernichtung und der Bekehrung der Völker, steht die Ankündigung, dass die Völker in Umkehrung bisheriger Verhältnisse Israel als Sklaven dienen und ihren Reichtum als Tribut nach Jerusalem bringen werden (Jes 14,2
Die Einbeziehung der Völker. Aus der Jerusalemer Vorstellung vom Völkerkampf hat sich nicht nur die Ankündigung eines eschatologischen Völkergerichts entwickelt, sondern auch die ganz anders geartete, ja ihr diametral entgegengesetzte Ankündigung einer Wallfahrt der Völker zum Zion. Die Völker ziehen nach Jerusalem, werden dort aber von Jahwe nicht unterworfen, sondern bekehren sich zu ihm und dürfen sogar am Kult partizipieren. So steht den beiden fremdenfeindlichen Linien eine gewichtige fremdenfreundliche Linie gegenüber, die mit der eschatologischen Bekehrung der Völker sowie ihrer Zulassung zum Jahwe-Kult rechnet.
Als eschatologische Erwartung findet sich die Vorstellung von der Bekehrung der Völker erstmals bei → Deuterojesaja
Nach Jes 56,3-8 wird Jahwe selbst Ausländer, die ihm dienen und die Gebote beachten, zum Tempel führen, der ein Bethaus für alle Völker sein soll. Anders als in der Aufnahme dieser Zusage in der neutestamentlichen Erzählung von der Vertreibung der Händler aus dem Tempel (Mt 21,13
2. Friede vor den Tieren – Friede mit den Tieren
Ägyptische und assyrische Könige stellten sich propagandistisch gerne als Sieger über Feinde und über wilde Tiere dar (→ Jagd
Die Vernichtung der wilden Tiere. Jes 35,9
Die Bannung der wilden Tiere. Hos 2,20
Die Einbeziehung der wilden Tiere. Nach Jes 11,6-8
3.2.8. Das neue Volk
Was geschieht in der eschatologischen Heilszeit mit den Sündern? Auf diese zentrale Frage gibt das Alte Testament grob gesagt zwei Antworten. Die Verheißungen eines neuen Herzens und eines neuen Geistes haben ebenso wie die eines neuen Bundes ein neues, sündloses Volk im Blick, das den Willen Jahwes tut. Eine ganz andere Vorstellung erwartet nicht, dass Israel als Ganzes einer heilvollen Zukunft entgegengeht, sondern dass es – wohl entsprechend der damals aktuellen Spaltung des Volkes in zwei Lager – eine Differenzierung zwischen Gerechten und Sündern geben wird. Die Sünder werden vergehen, die Gerechten dagegen leben. Die Sündlosigkeit wird hier nicht als heilszeitliche Gabe verstanden, sondern als Voraussetzung für die Gabe der Heilszeit. Die erste Antwort zielt auf das Ende der Sünde und damit auf das Leben der Sünder, die zweite auf das Ende der Sünder und damit auf deren Tod. Hier zeigt sich erneut, wie vielfältig, ja gegensätzlich die Vorstellungen von der Zukunft im Alten Testament sind.
1. Das Volk ohne Sünde
Die Vergebung vergangener Sünden. Das Leid des Exils hat Israel nach dem → Tun-Ergehen-Zusammenhang
Der neue Bund. Die deuteronomistische Tradition erklärt den Untergang Israels damit, dass Israel und seine Könige immer wieder den → Bund
Neues Herz und neuer Geist. Das → Herz
Nach Jo 3
Reinigung von künftigen Sünden. Die Verheißungen eines neuen Bundes, Herzens und Geistes kündigen an, dass Israel in der eschatologischen Heilszeit keine Sünden mehr begehen wird. Nach Sach 13,1
2. Das Volk ohne Sünder
Neben der Vorstellung, dass alle Israelitinnen und Israeliten in der erwarteten Heilszeit sündlos nach dem Willen Jahwes wandeln, und der ganz anderen Vorstellung, dass sie auch in der Heilszeit von ihren Sünden gereinigt werden, steht die Vorstellung, dass nicht ganz Israel am künftigen Heil partizipieren wird, sondern nur die Gruppe der Gerechten, während die Sünder ausgeschlossen werden. In dieser Erwartung spiegelt sich ein Konflikt im nachexilischen Judentum, der in einer Spaltung gipfelte (Jes 66,5
3.2.9. Die Auferstehung
Grabbeigaben lassen vermuten, dass man im Alten Israel an irgendeine Form des Weiterlebens glaubte. Einen ganz anderen Eindruck vermitteln jedoch alttestamentliche Texte, nach denen man den Tod für das endgültige Aus hielt (Gen 3,19
Im Rahmen eschatologischer Entwürfe kann die Vorstellung vom Tod als dem radikalen Aus nur zur Verheißung eines langen Lebens führen (Jes 65,20
In der Makkabäerzeit kommt es in Israel zwischen prohellenistischen und antihellenistischen Strömungen zu einem heftigen Konflikt, in dem auch Blut fließt und Menschen als Märtyrer ihr Leben lassen. In dieser Situation entsteht angesichts des Todes der Märtyrer die Vorstellung von der Auferstehung der Gerechten (der Zusatz Ez 37,9
3.2.10. Der Beginn der Heilszeit
Bei Deuterojesaja beginnt die Heilszeit mit dem Auszug aus Babylon, bei Ezechiel mit dem Einzug der Herrlichkeit Jahwes in Jerusalem, bei Haggai mit der Einweihung des Tempels und in einigen späten Texten wie der sog. → Jesaja-Apokalypse
Zu Versuchen, den Beginn der Heilszeit zu berechnen, ist es erst im Danielbuch gekommen, als man diesen Beginn angesichts extremer Leiden heftiger denn je herbeisehnte. Die Berechnungen sollen in dieser Situation den Glauben festigen, dass das angekündigte Heil nicht nur bald, sondern auch gewiss kommen wird. Auf das Verstreichen des Termins reagiert man mit neuen Berechnungen. In Dan 7,25
3.3. Zur Gegenwartsbedeutung futurischer Heilsvorstellungen
Die zukunftsbezogenen Heilsvorstellungen des Alten Testaments zielen nicht auf Zukunftsprognostik, sondern auf Gegenwartsbewältigung. In ihnen realisieren sich Wünsche, und sie entführen in eine bessere Welt. Das kann zu Verdrängung und Wirklichkeitsverlust führen, aber auch Orientierung bieten. Die Darstellungen sind aus Hoffnung geboren und schenken zugleich Hoffnung. Hoffnung ist die Mutter dieser Heilsvorstellungen, und umgekehrt sind sie die Mutter der Hoffnung. Solche Hoffnung ist wichtig für den Einzelnen und die Gruppe: Für den Einzelnen, da er ohne Hoffnung und Perspektive tot wäre; erst die Hoffnung gibt seinem Leben einen Sinn. Für die Gruppe, da sie durch die gemeinsame Hoffnung und das gemeinsame Ziel zusammengeschweißt wird und in ihnen ihre Identität finden kann.
Die Hoffnung weist auch einen Weg durch die Gegenwart, gibt den Menschen eine Perspektive, zeigt ihnen, in welche Richtung die konkrete Praxis schon im hic et nunc zu gehen hat, denn Hoffnung führt dem Handeln die Hand. Heilsvorstellungen bieten eine Vorgabe für die Ethik. Am eschatologischen Handeln Gottes zeigt sich der Wille Gottes mit der Welt. Er will das Wohl und Heil dieser Welt. Diesem Willen Gottes muss menschliches Handeln entsprechen. Das heißt: es muss so geartet sein, dass es auf das Wohl und Heil dieser Welt zielt. Was werden soll, sollte jetzt schon werden.
Zukunftsbezogene Heilsvorstellungen haben – im Gegensatz zu gegenwartsbezogenen Heilsvorstellungen – eine gegenwartskritische Funktion. Sie führen der Welt eine bessere Welt vor Augen und üben damit implizit Kritik an bestehenden Verhältnissen. An dem Bild von einem künftigen Messias, der Recht und Gerechtigkeit übt, kann man sich die Defizite des gegenwärtigen Königs, das Fehlen von Recht und Gerechtigkeit, klar machen. Wo das gegenwartskritische Potential von Heilsvorstellungen aktiviert wird, können sie als Widerstandsliteratur gelesen werden.
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
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- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
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- Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg i.Br. 1993-2001
- Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998ff.
- Handbuch theologischer Grundbegriffe zum Alten und Neuen Testament, Darmstadt 2006
2. Weitere Literatur
- Barthel, J., Prophetenwort und Geschichte (FAT 19), Tübingen 1997
- Deissler, A., Was wird am Ende der Tage geschehen? Biblische Visionen der Zukunft, Freiburg u.a. 1991
- Ebach, J., Ende des Feindes oder Ende der Feindschaft. Der Tierfrieden bei Jesaja und Vergil, in: ders., Ursprung und Ziel. Erinnerte Zukunft und erhoffte Vergangenheit, Neukirchen-Vluyn 1986, 75-89
- Fischer, G., Das Trostbüchlein. Text, Komposition und Theologie von Jer 30-31 (Stuttgarter Biblische Beiträge 26), Stuttgart 1993
- Gowan, D.E., Eschatology in the Old Testament, Philadelphia 1986
- Groß, W., YHWH und die Religionen der Nicht-Israeliten, ThQ 169 (1989), 34-44
- Hermisson, H.-J., Studien zu Prophetie und Weisheit (FAT 23), Tübingen 1998
- Herrmann, S., Die prophetischen Heilserwartungen im Alten Testament (BWANT 85), Stuttgart 1965
- Hieke, T., „Dann wohnt der Wolf beim Lamm …“ (Jes 11,6). Utopien in den prophetischen Schriften des Alten Testaments, Lebendiges Zeugnis 54/4 (1999), 245-264
- Koch, K., Vor der Wende der Zeiten. Gesammelte Aufsätze, Bd. 3, Neukirchen-Vluyn 1996
- Koenen, K. / Kühschelm, R., Zeitenwende (Die Neue Echter Bibel – Themen 2), Würzburg 1999
- Lutz, H.-M., Jahwe, Jerusalem und die Völker. Zur Vorgeschichte von Sach 12, 1-8 und 14,1-5 (WMANT 27), Neukirchen-Vluyn 1968
- Preuß, H.D., Eschatologie im Alten Testament (WdF 480), Darmstadt 1978
- Reventlow, H. Graf (Hg.), Eschatology in the Bible and in Jewish and Christian Tradition (JSOT.S 243), Sheffield 1997
- Roose, H., Teilhabe an JHWHs Macht. Endzeitliche Hoffnungen in der Zeit des zweiten Tempels (Beiträge zum Verstehen der Bibel 7), Münster 2004
- Schmidt, W.H., Aspekte der Eschatologie im Alten Testament, JBTh 8 (1993), 3-23; auch in: ders., Vielfalt und Einheit alttestamentlichen Glaubens 2, Neukirchen-Vluyn 1995, 233-253
- Schmidt, W.H. / Becker, J., Zukunft und Hoffnung (BiKon), Stuttgart u.a. 1981
- Seebass, H., Herrscherverheißungen im Alten Testament (BThSt 19), Neukirchen-Vluyn 1992
Abbildungsverzeichnis
- Die Auferstehung der Totengebeine als Bild für die Wiederherstellung Israels auf der Menora vor der Knesset in Jerusalem (20. Jh.). © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2001)
- Edward Hicks, Das Königreich des Friedens (1840) – der Tierfriede realisiert sich aktuell darin, dass William Penn mit den Indianern Frieden schließt.
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