Deutsche Bibelgesellschaft

Eschbaal / Isch-Boschet

(10. Jh. v. Chr.)

Andere Schreibweise: Eshbaal; Ishbaal; Ish-Baal; Ishbosheth; Ish-Bosheth

(erstellt: August 2012)

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1. Name

1.1. Esch-Baal

Der Name Esch-Baal (אֶשְׁבׇּעַל ̓æšbāʽal; vgl. Gesenius, 105) findet sich in der Hebräischen Bibel nur in 1Chr 8,33 (LXX: Ασαβαλ Asabal) und 1Chr 9,39 (LXX: Ισβααλ Isbaal) und bezeichnet einen der Söhne Sauls. Die Etymologie des Namens ist umstritten. Das erste Element -אֶשְׁ ʼæš- ist entweder mit dem Nomen אִישׁ ʼîš „Mann“ in Verbindung zu bringen, so dass der Name „Mann des Baal“ oder „Mann des Herrn“ bedeutet und einen Verehrer dieser Gottheit bezeichnet (Noth, 138: „Das Wort אישׁ mit abhängigem Genitiv einer Person bezeichnet in erster Linie den Gefolgsmann […]“; zu den Baal-Namen generell vgl. Noth, 120-122; Gray, 120-136; Fowler, 54-63). Weiterhin könnte sich -אֶשְׁ ʼæš- von der nur in 2Sam 14,19; Spr 18,24 und Mi 6,10 belegten Form der Existenzpartikel אִשׁ ʼiš ableiten (Spr 18,24: אִישׁ ʼîš, vgl. Gesenius, 104; vgl. aramäisch אִית ʼît oder אִיתַי ʼîtaj). Die Bedeutung des Namens wäre dann „Baal ist / existiert“. Mit dieser Benennung wird die „für die Familie wirkmächtige, erfahrbare Gegenwart“ (Rechenmacher, 40) der Gottheit ausgesagt. Eine dritte Möglichkeit ist, das erste Element des Namens vom Verb אושׁ ’wš „geben / belohnen“ (vgl. Gesenius, 28) abzuleiten (vgl. dazu die Namen יְהוֹאָשׁ Jǝhôʼāš [2Kön 12,1-3.5.7-8 u.ö.] und יוֹאָשׁ Jôʼāš [Ri 6,29-31; Ri 7,14; Ri 8,13; 1Kön 22,26; 2Kön 11,2 u.ö.]). Die Übersetzung von Esch-Baal lautet dann „Geschenk des Baal“ oder „Baal hat gegeben“. Der Namensträger wird von den Eltern als Gabe der Gottheit angesehen (vgl. McCarter, 86 und weiterhin Dahood, 52; Fowler, 57-58.112-113.160; Gröndahl, 102; Lipiński, 5-13; Maraqten, 134; Mulzer 1991, 595; Schneider, 43; Zadok, 52.60.180.223; dort finden sich jeweils auch Hinweise auf Namen anderer semitischer Sprachen, die eine ähnliche Bauweise zeigen).

1.2. Isch-Boschet

Derselbe Sohn Sauls wird in 2Sam 2,8.10.12; 2Sam 3,8.14.15 und 2Sam 4,5.8.12 als Isch-Boschet (אִישׁ־בֹּשֶׁת ̓îš-bošæt, vgl. Gesenius, 51) bezeichnet (LXX: Ιεβοσθε Iebosthe [2Sam 2,8.10.12], in 2Sam 3,8.14.15; 2Sam 4,5.8.12 Μεμφιβοσθε Memphibosthe [zu dieser Namensvariante vgl. Fischer 143-147]; mögliche Belege des Namens in 4Q51 [4QSama] müssen unsicher bleiben, vgl. Abegg, Bowley, Cook, 30; Schorch, 600; Herbert, 100.102). Hierbei handelt es sich um einen „artificially created name“ (Edelman 1992a, 509; vgl. auch Mathys, 222-223) für den jüngsten Sohn von Saul und Ahinoam. Bei dieser Namensform ist das zweite Element das umstrittene. Auf Abraham Geiger (Geiger, 728-732) geht die Theorie zurück, die das Verhältnis der beiden Namensformen der einen Person maßgeblich prägen sollte. Er sah in der Änderung baalhaltiger Namen (neben Esch-Baal seien davon auch Mefiboschet [ein Sohn → Jonatans] und der Richter → Gideon, der nach Ri 6,32; Ri 7,1 u.ö. Jerubbaal bzw. 2Sam 11,21 Jerubbeschet genannt wird, betroffen) einen tendenziellen Eingriff: „Ebenso sicher aber ist, dass die spätere Zeit, in ihrem Verlangen, ‚die Namen der Baal-Gottheiten aus dem Munde Israels zu entfernen, so dass ihrer nicht mehr mit ihrem Namen gedacht werde‘ (Hos 2,19), ‚den Ueberrest des Baal’s und den Namen seiner Priester aus Jerusalem auszurotten‘ (Zef 1,4), auch dazu führte, die aus früherer Erinnerung haftenden Spuren des Baal selbst in den Eigennamen möglichst zu tilgen“ (Geiger, 728; vgl. auch Dillmann, 612-620; Galter, 312). Mit der Änderung des Namens in Isch-Boschet wird aus dem Sauliden ein „Mann der Schande“ (בֹּשֶׁת bošæt ist abgeleitet von der Verbwurzel בושׁ bwš I: „beschämt, zuschanden werden, sich schämen müssen“; vgl. Gesenius, 133-134).

Matitiahu Tsevat (Tsevat, 71-73 [Forschungsüberblick] und 75-80) bestritt diese These. „Er schlug stattdessen vor, hebr. בשׁת in den genannten Personennamen mit akk. bāštu zu verbinden und mithin nicht als ‚Scham, Schande’, sondern als ‚protective spirit’ zu deuten“ (Schorch, 599; zu bāštu vgl. CAD B, 142-144). Für Tsevat ist bošæt somit „a divine name or epithet“ (Tsevat, 77). Dieses Epitheton kann durchaus auch als Ersatz für בעל bʻl stehen (Schorch, 607). Die These Tsevats ist von Gordan J. Hamilton (Hamilton, 228-250) aufgenommen und auf eine breitere Basis gestellt worden, denn er führt amoritische Personennamen an, „die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, daß auch im Alten Israel das theophore Element *bāšt- verbreitet war“ (Schorch, 599). Hamilton übersetzt Isch-boschet aus diesem Grund mit „(The) protective spirit exists“ bzw. „Man of the protective spirit“ (Hamilton, 237).

Welche der beiden Namensdeutungen die ursprüngliche ist, konnte bisher nicht eindeutig geklärt werden. בשׁת bšt kann legitimes theophores Element sein. Es bleibt aber „doch die Möglichkeit wahrscheinlich, daß Volksetymologien das Wort mit בשׁת = ‚Schande’ verbanden“ (Schorch, 610). Vielleicht entstand die Doppeldeutigkeit des Wortes auch aufgrund der Homographie zwischen dem hebräischen Wort בֹּשֶׁת bošæt, das die „Schande“ bezeichnet, und dem aus dem Akkadischen entlehnten bāštu (vgl. Hamilton, 233).

In 1Sam 14,49 wird ein Sohn Sauls mit dem Namen Jischwi (יׅשְׁוׅי jišwî) erwähnt. „It is common practice to suggest that the LXX reading Iessiou [Ιεσσιου] reflects an underlying Hebrew form ʼîšjô or ʼîšjahû, “man of Yahweh,” and that the name is a variant form of Eshbaal” (Edelman 1992b, 522; vgl. auch Veijola, 63 Anm. 15). Auch bei dieser Namensvariante wird erwogen, dass ursprüngliches Esch-Baal, wobei Baal hier als Epitheton für Jahwe fungiert, aufgrund der Ablehnung des Wettergottes Baal durch -jo bzw. -jahu ersetzt wurde. Letztlich ist also das gleiche Phänomen auszumachen wie bei der Änderung von Esch-Baal zu Isch-Boschet. Möglicherweise handelt es sich aber bei Jischwi um eine von Esch-Baal zu unterscheidende Person (vgl. Fischer, 70-73; zur Problematik der unterschiedlichen Genealogien in 1Chr 8,33; 1Chr 9,39 und 1Sam 14,49 vgl. Edelman 1992b, 522).

Von den meisten Forschern wird trotz der Diskussionen um die beiden Namensformen Esch-Baal für den eigentlichen Namen des Saulsohns gehalten.

2. Esch-Baal, der Sohn Sauls und König Israels

Die Überlieferung in der Hebräischen Bibel zu Esch-Baal ist nicht sonderlich umfangreich. Sie umfasst drei Kapitel in den → Samuelbüchern (2Sam 2-4), die in sich stark vernetzt sind (vgl. Dietrich, 218), und zwei genealogische Hinweise in den → Chronikbüchern (1Chr 8,33; 1Chr 9,39; zu den → Genealogien vgl. Gardner, 13-28 bes. 16-18 und Japhet, 208-209.227-228). Aber selbst in den umfangreicheren Berichten im 2. Samuelbuch, die von der Königsherrschaft Esch-Baals in → Mahanajim (zu Mahanajim vgl. Fischer, 81-84) handeln, tritt er letztlich nur als Randfigur auf, was ihm den Ruf eines „Schattenkönigs“ (Donner, 187) eingebracht hat. Episoden, in denen Esch-Baal als Akteur handelt (vgl. Dietrich 58-59), sind a) seine Einsetzung zum König (2Sam 2,8-10; vgl. Fokkelman, 36-38), b) sein Konflikt mit Abner (2Sam 3,6-21, vgl. Fokkelman, 70-78) und c) seine Ermordung (2Sam 4,1-12, vgl. Fokkelman, 121-137; Fischer, 166-188).

2.1. Esch-Baal wird von Abner, dem Heerführer Sauls, nach Mahanajim gebracht und zum König gemacht (Kunz, 54: „Die Subjekt-Objekt-Relation macht deutlich, daß Abner das alleinige agens ist, Isch-Boschet ist das agendum.“). Nach dem Tod seines Vaters Saul und seiner drei Brüder bei der Schlacht gegen die Philister am Berg Gilboa (1Sam 31) tritt er dessen Erbe an und regiert „ganz Israel“ (2Sam 2,9; zum Regierungsgebiet vgl. Stoebe, 106-107; Edelman 1992c, 615-616; Edelman 1985, 85-91; Na’aman, 33-37; Soggin, 41-43; Fischer 76-77). Ihm gegenüber steht der von → Hebron aus das Haus Juda beherrschende → David, der sofort beginnt, sich als Herrscher zu etablieren und diplomatische Brücken zu bauen (2Sam 2,4-6; McCarter, 89), was von Esch-Baal nicht gesagt wird. Ebenso fehlt bei ihm die Salbung zum König (zu David vgl. 2Sam 2,4). Vierzig Jahre ist Esch-Baal alt, als er für zwei Jahre den Thron Israels besteigt (2Sam 2,10). Nach Mulzer (1995, 241) entspricht die Notiz über das Alter beim Regierungsantritt und der Dauer der Herrschaft dem dtr. Eingangsformular. (Zu den Problemen, die Esch-Baals Alter und seine Regierungszeit aufwerfen [auch im Vergleich zu den siebeneinhalb Jahren Regierungszeit des David in Hebron], vgl. Edelman 1992c, 615-616, Soggin, 34-41; Fischer, 85-93).

2.2. In 2Sam 2,12-3,1 kommt es zwischen den „Knechten“ der beiden Königshäuser zu einem blutigen Konflikt (vgl. Kunz, 55-79; für die Darstellung bei Josephus vgl. Begg 2006, 187-204), dessen Ergebnis paradigmatisch für das kommende Schicksal Esch-Baals werden soll: Das Haus Davids erstarkt, während das Haus Sauls immer schwächer wird (vgl. 2Sam 3,1). Esch-Baals Geschichte wird die Geschichte eines Niedergangs. In diese Kerbe schlägt auch die Erwähnung der Söhne Davids in 2Sam 3,2-5. Dazu Hertzberg, 208: „Der Abschnitt soll nicht nur Davids Familienverhältnisse mitteilen, sondern zeigen, dass auch in dieser Hinsicht David ständig zunimmt und sich die gottgewollte Dynastie langsam und sicher vorbereitet.“ Von den Sauliden sind nur noch Esch-Baal und ein Sohn Jonatans (→ Merib-Baal / Mefiboschet; vgl. McCarter, 124-125) übrig (vgl. Dietrich, 57-58). Dieser leidet an einer Behinderung (vgl. 2Sam 4,4) und kann deswegen nicht König werden bzw. Blutrache üben (vgl. Schipper; Stoebe, 151; die Saulidendynastie stirbt aber nicht aus, vgl. Bodner, 7-8).

Neben der militärischen Niederlage kommt es zwischen Esch-Baal und Abner zum Bruch (2Sam 3,6-21). Hatte Abner in der Beziehung der beiden von Anfang an die mächtigere Position, verstärkt sich seine Stellung gegenüber Esch-Baal nach dem Konflikt mit Davids Knechten noch einmal zusehends (Stobe, 122 übersetzt 2Sam 3,6 sogar mit „Während der Auseinandersetzung zwischen dem Hause Sauls und dem Hause David wurde Abner immer mehr der eigentliche Halt im Hause Sauls“). Der Streit entzündet sich, als Abner ein Verhältnis mit → Rizpa, einer Nebenfrau Sauls, eingeht. Als Esch-Baal ihn zur Rede stellen will (die einzigen Worte, die Esch-Baal in der biblischen Überlieferung spricht), reagiert Abner unverhältnismäßig scharf (vgl. Fokkelman, 72), denn er sieht sich in seinem Handeln im Recht. Schließlich hat er immer treu zum Haus der Sauliden gehalten. Nun aber stellt er sich auf die Seite Davids (vgl. Soggin, 43-46). Auch hier zeigt sich erneut Esch-Baals Schwäche, da er „Abner nichts erwidern [kann]; denn er hatte Angst vor ihm“ (2Sam 3,11). Auch auf Davids Bedingung, ihm → Michal wiederzugeben, geht Esch-Baal ohne Zögern ein. Michal wird auf Befehl Esch-Baals ihrem Mann weggenommen und David erneut zur Frau gegeben (vgl. 1Sam 18,10-19,17; 1Sam 25,44; zur überraschenden Beteiligung Esch-Baals an diesen Vorgängen, die eigentlich nur Abner und David betreffen, vgl. McCarter, 114-115), der auf diese Weise seine Beziehung zu den Sauliden wieder herstellt (Vanderkam, 530). Ferner werden sich David und Abner handelseinig. Dann aber bricht ein alter Konflikt zwischen Joab, dem Heerführer Davids, und Abner auf. Joab nimmt Blutrache (vgl. McCarter, 99), weil Abner dessen Bruder Asael getötet hatte (2Sam 2,23).

2.3. Esch-Baal ist vom Tode Abners tief getroffen und verliert allen Mut (2Sam 4,1; vgl. Bodner, 4-5). Schließlich findet er durch die Hand zweier seiner Truppenführer, Baana und Rechab, während des Mittagschlafes den Tod (vgl. dazu ausführlicher Haelewyck, 145-153; Bodner, 8-12; Mastéy, 82-103; zum Mord an Esch-Baal bei Josephus vgl. Begg 1998, 241-253). Die Mörder hoffen in ihrem Tun auf eine Belohnung durch David (vgl. Soggin, 46-48; Tamarkin Reis, 177-181; Bodner, 5-7).

Esch-Baals Regierungszeit steht von Beginn an unter keinem guten Stern (vgl. dazu das niederschmetternde Fazit bei Donner, 187), denn er ist ein Spielball zwischen den Mächten. Soggin, 43: „Two factors, then, affected the normal development of the kingdom of Israel under ʼEšbaʽal: its relations with Judah and hence with David, and secondly, the relationship of its king with Abner, who held the real power.“ Selbst sein Tod geschieht zur Begünstigung anderer. Als Leser der Texte gewinnt man den Eindruck, als sei der Bericht über Esch-Baal nur dazu da, die Ablösung der Sauliden zugunsten Davids und der Vereinigung Israels und Judas zu beschreiben (McCarter, 129: „Cui bono? It was David who stood to gain most from Ishbaal’s death“). Dabei wird die Schuld an Abners und Esch-Baals Tod nicht bei David gesucht, sondern er wird komplett entschuldet (vgl. Stoebe, 153; Dietrich 68), da er von Abners Tod nichts weiß (2Sam 3,26.28) und diesem und später auch dem Esch-Baal ein würdiges Begräbnis in Hebron zuteil werden lässt (2Sam 3,37; 2Sam 4,12; nach Fokkelman [136] steckt eine gewisse Ironie in der Geschichte, denn der König von Israel und sein General, von dem er sich im Konflikt getrennt hat, werden in einem Grab in der Stadt beerdigt, in der Davids Thron steht). Schließlich richtet David auch die Mörder Esch-Baals hin, da sie einen rechtschaffenen Mann umgebracht hätten (2Sam 4,11). Die unglückliche Regentschaft des Esch-Baal wird so zur Projektionsfläche des gerechten Königs David, der durch die für ihn glücklichen Zufälle, die einen gewissen bitteren Beigeschmack behalten (vgl. Hertzberg, 217; Tamarkin Reis, 190 und v.a. Vanderkam, 529-534.539 und kritisch dazu Fischer, 188-193), zum König von ganz Israel aufzusteigen vermag.

Literaturverzeichnis

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