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Andere Schreibweise: Esmun; Eshmun (engl.); Echmoun (fr.)

(erstellt: Februar 2012)

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Eschmun ist ein phönizisch-punischer Gott, der insbesondere mit Heilung assoziiert und vor allem im Stadtstaat → Sidon verehrt wurde (→ Astarte, → Baal, → Krankheit und Heilung, Alter Orient).

1. Name

Die Deutung seines Namens Eschmun ist umstritten:

1.1. „Der Achte“. Nach dem phönizischen Priester Sanchunjaton (→ Philo von Byblos), galt Asklepius = Eschmun (s.u.) als achter Sohn des Gottes Sydyk, der auch der Vater der sieben Kabeiroi war (Attridge / Oden 1981, 52-53, 58-59). Der Name Eschmun wird dabei von der Zahl „acht“, semitisch ṯmn / šmn, abgeleitet. Die Tradition vom achten Sohn, der als besonders erfolgreich galt (vgl. 1Sam 16,10f.).

1.2. „Öl“. Die meisten Gelehrten aber halten es für möglich, dass Eschmun in → Ebla bereits im 3. Jahrtausend v. Chr. bezeugt ist, und zwar als sumerisch dÌ-GIŠ „der Öl-Gott“ oder akkadisch Sí-mi-nu / Sí-mi-na in eblaïtischen Personennamen. Das deutet auf einen Gott, dessen Name von semitisch šmn „Öl“ abzuleiten ist und wohl Šamnu lautete. Er findet sich vielleicht auch in ugaritischen Texten (Pardee 2000, 198, 1167; → Ugarit), doch ist es völlig unsicher, ob er mit Eschmun gleichgesetzt werden kann. Wegen des vorangestellten Vokals E- und des -u- im Namen ist es eher unwahrscheinlich, dass Eschmun ursprünglich Šamnu hieß. Auch der Verweis auf die Heilkraft von Öl kann nicht belegen, dass Šamnu ein Heilungsgott war.

1.3. „Der Gesalbte“. Die älteste Beleg für Eschmun findet sich wohl in einem um 754 v. Chr. anzusetzenden Vertrag zwischen Mati-El, dem König von → Arpad, und Assurnirari V., dem König von → Assyrien. Unter den Gottheiten, die als Zeugen des Vertrags genannt werden, ist Eschmun als [ia]-su*-mu-na aufgelistet (SAA [State Archives of Assyria] 2,2, VI 22; so auch in einem weiteren Vertrag, SAA 2,5, IV 22). Im 7. Jh. ist Eschmun dann in mehreren theophoren Personennamen als Samuna bezeugt (Lipiński 1995, 156.166; assyrisch s = babylonisch š). In einem Vertragstext Asarhaddons (etwa 675-670) findet sich die Schreibweise dia-su-mu-nu (SAA 2,5, IV 14). Der Unterschied zwischen den Formen sumunu und samunu ist leicht als Vokalassimilation erklärbar, wie sie für passive Partizipien belegt ist: *šamūn „Gesalbter“. Das der Wurzel vorangestellte ia geht dann auf den Artikel zurück, der phönizisch ha, später ’a lautet, aber im Akkadischen und Griechischen nicht einfach wiedergegeben werden konnte und deswegen ia- oder e- umschrieben wurde. ia-su-mu-nu geht dann auf *haššamūn / ’aššamūn „der Gesalbte“ zurück. Der Name Eschmun entspricht demnach aramäisch / hebräisch məšîḥā’ / māšîaḥ „Gesalbter“ (→ Messias). Die spätere Entwicklung wäre dann: ’aššamūn > ’aššəmūn > ’ašmūn > ’ešmūn. Eschmun könnte, da der Artikel in den kanaanäischen Sprachen im 2. Jahrtausend v. Chr. noch nicht ausgebildet war, sogar schon in dem ugaritischen Gott šmn belegt sein.

1.4. Ebenfalls verfehlt ist der Vorschlag, Eschmun in dem ugaritisch belegten Eigennamen ’aḏmnj zu finden (Clemens 2001, 286-287).

2. Eschmuns Kult

2.1. Verbreitung. Sicher bezeugt ist Eschmun nicht vor dem 8. Jh. Sein Kult hat sich sehr schnell in allen phönizische Kolonien ausgebreitet: Ägypten, Zypern, Piräus, Karthago, Sardinien, Italien, Spanien. Phönizische und punische Personennamen zeigen, dass Eltern ihre Kinder gern als Verehrer Eschmuns auswiesen: ’mt’šmn, „Dienerin Eschmuns“, ‘bd’šmn „Diener Eschmuns“, ’šmn’dnj „Eschmun ist sein Herr“ (Benz 1972, 270, 278-279, 371; Jongeling 1984, 44). Ein Siegel aus Tell Kazel (Syrien) nennt einen n‘r ’šmn „Jüngling Eschmuns“.

2.2. Tempel in Sidon. Der sidonische König Eschmunezer II. (5. Jh. v. Chr.) und seine Mutter bauten für Eschmun ein Heiligtum auf einer Anhöhe 2 km nördlich von Sidon (Bostan eš-Šech, Koordinaten: N 33° 34' 46'', E 35° 24' 02''; KAI [Kanaanäisch-Aramäische Inschriften], 14,16-17), das wohl erst Bodaschtart, der Nachfolger Eschmunezers, fertigstellte (KAI 15-16). Wahrscheinlich gab es in Sidon selbst noch ein zweites Heiligtum, doch ist das nicht sicher.

2.3. Verbindung zu anderen Gottheiten. Wie schon im 2. Jahrtausend Ugarit, Sidon und Tyrus ein zusammenhängendes Kultzentrum bildeten (KTU 1.14 IV.35-36), so wird im 1. Jahrtausend Eschmun von Sidon manchmal auch mit dem Stadtgott Melkart von → Tyrus assoziiert (so schon in SAA 2,5, IV 18; s. weitere Belege bei Xella 1993, 493-494). → Astarte war die Partnerin Eschmuns. In SAA 2,5, IV 18 wird sie unmittelbar nach Eschmun und Melkart als Rächerin genannt. Die Könige von Sidon waren Priester der Astarte und bauten auch für sie Tempel.

Im 2. Jh. v. Chr. weiht ein gewisser Kleon auf der Insel Sardinien Eschmun einen Kupferaltar, weil er ihn geheilt hat (rpj’; KAI 66). Die griechischen und lateinischen Übersetzungen der Trilingue nennen den Gott Asklepios bzw. Esculapius.

3. Eschmuns Funktionen

Die Identifikation mit Asklepios bzw. Esculapius kennzeichnen Eschmun als Heiler, doch sollte man sich davor hüten, dies als seine einzige Funktion zu betrachten. In KAI 14,17 trägt er das Epitheton ‘njdll, was vielleicht „der dem Elenden antwortet“ bedeutet (andere erklären ‘n als „Quelle“ und jdll als deren Namen). In der bereits genannten dreisprachigen Inschrift KAI 66 aus San Nicolo Gerrei auf Sardinien (2. Jh. v. Chr.) wird Eschmun als m’rḥ (Part. Pi. < ’rḥ „gehen / wandern“) tituliert: „der die (Lebens)reise gehen lässt“ (vgl. ugaritisch ’rḥ mḫ „reibungslos reisen“, De Moor 1987, 229, Fn. 39). In Personennamen ist Eschmun mit Prädikaten verbunden, die ihn charakterisieren als „Retter“ (ḥlṣ), „Gnädiger“ (ḥn), „Zeuge“ (‘d), „Geber“ (jtn), „Helfer“ (‘zr), „Träger“ (‘ms), „Aufseher“ (pls), „Erfolgreicher“ (ṣlḥ), „Befreier“ (šlk), „Heil(bringer)“ (šlm), „Behüter“ (šmr), „Tröster“ (nḥm). Fast alle diese positiven Epitheta werden in phönizischen und punischen Personennamen auch → Baal zugeschrieben. Deswegen dürfte Eschmun eine Erscheinungsform Baals sein (Xella 1993), zumal auch Baal in Ugarit den Titel rp’u „Heiler“ trug und mit Astarte verbunden war. So wie Baal in Ugarit für die Ernährung der Menschheit verantwortlich war (KTU [Keilschrifttexte aus Ugarit] 1.4:VII.50-52), so konnten Eschmun / Melkart den Feinden Sidons die Ernährung verweigern und Öl zur Körperpflege vorenthalten (SAA 2,5, IV 14’-17’). Eine weitere wichtige Parallele zwischen Baal und Eschmun ist, dass sich Asklepios (= Eschmun) von Beirut nach dem Bericht des Damascius (5. Jh. n. Chr.) selbst entmannte (und starb?), aber dank seiner Geliebten Astronoe (= Astarte?) wiederauflebte (Ribichini 1999, 307-308) wie Baal im ugaritischen Baalmythos stirbt und wiederauflebt. Allerdings ist diese Parallelisierung zurecht sehr umstritten (Mettinger 2001).

Die gelegentliche Gleichsetzung Eschmuns mit griechischen Göttern wie Asklepios, Apollon und Herakles darf nicht voreilig zur Übertragung von Eigenschaften dieser Götter auf Eschmun führen. Jedoch sind Funde wie die in San Nicolo Gerrei auf Sardinien (s.o.), in Amrit, wo Eschmun und Melkart zusammen verehrt wurden, und in Bostan eš-Šech überzeugende Beweise für die Gleichsetzung von Eschmun mit Asklepios. In beiden letzteren Orten war das Heiligtum des Gottes zudem mit einer Heilquelle verbunden.

Bisher sind keine anthropomorphen ikonographischen Darstellungen von Eschmun gefunden worden. Möglicherweise wurde Eschmun in der Form eines Beityls verehrt (Lipiński 1995, 167-168).

4. Hinweise im Alten Testament

Im Alten Testament kommt Eschmun nicht vor. Aber der antithetische Parallelismus in Jes 59,10 legt die Vermutung nahe, dass אַשְׁמַנִּים ’ašmannîm in Anspielung auf Eschmun (vgl. 1QJesa ’šmwnjm) gesunde, heile Menschen bezeichnet. In 2Kön 17,30 wird eine Schutzpatronin bzw. ein Schutzpatron → Aschima von Hamat genannt, doch ist die manchmal vorgeschlagene Identifikation mit Eschmun völlig unsicher (Cogan / Tadmor 1988, 211-212; Gesenius, 18. Aufl., 107).

Literaturverzeichnis

  • Amadasi Guzzo, M.G. / Xella, P., 2005, Eshmun-Melqart in una nuova iscrizione fenicia di Ibiza, Studi Epigrafici e Linguistici 22, 47-57
  • Attridge, H.W. / Oden, R.A., 1981, The Phoenician History / Philo of Byblos. Introduction, Critical Text, Translation, Notes (The Catholic Biblical Quarterly; Monograph Series 9) Washington, DC
  • Bonnet, C., 1988, Melqart: Cultes et mythes de l’Héracles Tyrien en Méditerranée (Studia Phoenicia 8), Leuven, 441-471
  • Clemens, D.M., 2001, Sources for Ugaritic Ritual and Sacrifice, Bd. 1 (AOAT 284/1), Münster
  • Cogan, M. / Tadmor, H., 1988, II Kings (Anchor Bible 11), New York, 211-212
  • De Moor, J.C., 1987, An Anthology of Religious Texts from Ugarit (Nisaba 16), Leiden
  • Lipiński, E., 1995, Dieux et déesses de l’univers phénicien et punique (Orientalia Lovaniensia Analecta 64), Leuven, 154-165
  • Lipiński, E., 1992, Art. Eshmun, in: Dictionnaire de la civilisation phénicienne et punique, Turnhout, 158-160
  • Mettinger, T.N.D., 2001, The Riddle of Resurrection: „Dying and Rising Gods“ in the Ancient Near East (CBOT 50), Stockholm, 155-165
  • Pardee, D., 2000, Les textes rituels (Ras Shamra-Ougarit XII), Paris
  • Ribichini, S., 1999, Art. Eshmun, in: Dictionary of Deities and Demons in the Bible, 2. Aufl., Leiden 1999, 306-309
  • Xella, P., 1993, Eschmun von Sidon: Der phönizische Asklepios, in: M. Dietrich / O. Loretz (Hgg.), Mesopotamica – Ugaritica – Biblica (FS K. Bergerhof), Neukirchen-Vluyn, 481-498

Abbildungsverzeichnis

  • Bereich des Eschmunheiligtums in Bostan eš-Šech: Aus dem Podium des Tempels der Perserzeit ragt die Ecke eines neubabylonischen Stufentempels. © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2004)
  • Kerubenthron im Bereich des Eschmunheiligtums in Bostan eš-Šech. © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2004)

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