Eschtaol
Andere Schreibweise: Eshtaol; Estaol; Esthaol
(erstellt: April 2009)
Permanenter Link zum Artikel: https://bibelwissenschaft.de/stichwort/17796/
Eschtaol ist ein Ort ca. 20 km westlich von Jerusalem. Aus seiner Nähe stammt nach der Darstellung des Alten Testaments →
Simson
1. Name
Der Ortsname Eschtaol (hebräisch אשׁתאול ’æštā’ôl bzw. אשׁתאל ’æštā’ol; griechisch Εσθαολ; lateinisch Esthaul / Esthaol) wird gewöhnlich von der Wurzel Š’L „befragen“ abgeleitet (Borée, 70). Wahrscheinlich liegt ein Rest eines Gt-Stammes vor, der hier die Form eines Infinitivs angenommen hat (Bauer, 410). Dementsprechend wird dieses Toponym mit „Ort der Befragung“ wiederzugeben sein (Görg, 596). Dies deutet auf die religiöse Qualität dieses Ortes hin, an dem vielleicht Orakel eingeholt wurden.
Gelegentlich wird ’æštā’ôl als Zusammensetzung von ’išt und ’ôl gedeutet, wobei ’išt im Ugaritischen als „Antwort der Gottheit“ belegt sei und ’ôl mit dem Hebräischen ’ôhel und dem Arabischen ’ahl „Zelt / Stadt“ in Verbindung gebracht werden könnte (Malky, 45). Eschtaol hieße demnach in etwa „Orakelschrein“. Allerdings würde man für eine solche Zusammensetzung eine Constructus-Verbindung erwarten, bei der das nomen regens ’ôl voransteht. Auch der Verlust bzw. der Ersatz des konsonantischen h mit der mater lectionis w wäre erklärungsbedürftig.
Auf ähnliche Bedenken stößt auch die Ableitung von Eschtaol als Kombination von ’ašd „Wasserscheide“ und ’ôl „Stadt“. Bei einer solchen Etymologie müsste man das Toponym mit „Stadt an der Wasserscheide“ wiedergeben (Malky, 46). Jedoch wären hier der Konsonantenbestand und die masoretische Vokalisation zu ändern.
2. Belege
2.1. Altes Testament
Der Ortsname Eschtaol kommt im Alten Testament siebenmal vor, ausschließlich im Josua- und Richterbuch und immer in Verbindung mit dem Ortsnamen Zora: Jos 15,33; 19,41; Ri 13,2.25; 18,2.8.11. Vom biblischen Ortsnamen Eschtaol sind zwei Schreibweisen überliefert: Im Josuabuch findet sich durchweg plene-Schreibung אשׁתאול ’æštā’ôl, während im Richterbuch die defektiv-Schreibung אשׁתאל ’æštā’ol bevorzugt wird.
In den Ortslisten des Josuabuches wird Eschtaol wie auch Zora entweder als judäischer (Jos 15,33) oder als danitischer Ort (
Jos 19,41
Nach
Ri 13,25
Die auf die Simsonerzählung folgende Landnahme der Daniten im Norden Ri 17-18 betont hingegen, dass die Daniten keinen Erbbesitz erhalten hätten (
Ri 18,1
Hinzu kommt die Spannung, dass die Daniten wohl nach
Ri 18,2
Möglicherweise wird mit der Erzählung von der Nordwanderung der Daniten in
Ri 18
2.2. Außerbiblische Belege
Der biblische Ort Eschtaol kann kaum mit dem in der →
Scheschonq
Im Onomastikon des →
Eusebius
3. Lage
Mit dem biblischen Ort Eschtaol werden in der historisch-topographischen Forschung fünf Orte identifiziert, die in bzw. bei der heutigen Siedlung Eschtaol liegen.
1) Išwa‘ (im heutigen Eschtaol; Koordinaten: 1511.1320; N 31° 46' 51'', E 35° 00' 41''
Die antike Siedlung
Išwa‘ erstreckt sich in ovaler Form über eine Fläche von 100 x 300 m. Nur eine einzige Scherbe der Eisenzeit IIC, ein lmlk-Stempel (Königsstempel; → Stempel
Petrus Diaconus verortet einen byzantinischen Ort Asoa 15 Meilen von Eleutheropolis. Vielleicht könnte Išwa‘ mit Asoa zu identifizieren sein. In Asoa befindet sich gemäß der Tradition das Grab des Propheten Esra (Schmitt, 72).
2) ‘Arṭūf (bei der Siedlung Nacham, ca. 2 km südsüdwestlich vom heutigen Eschtaol; Koordinaten: 1503.1306; N 31° 46' 01'', E 35° 00' 05''
Aufgrund moderner Überbauung kann die Größe des antiken Ortes nur ungefähr angegeben werden. Vermutlich erstreckte sich die antike Siedlung auf ein 230 x 150 m großes Oval. Der Keramikbefund deutet in die byzantinische, mittelalterliche und ottomanische Zeit (Lehmann / Niemann / Zwickel, 376). Auf dem nahe gelegenen Ruǧm ‘Arṭūf (1495.1297) fand man Keramik und einen größeren Komplex mit mehreren Räumen und Höfen aus der Frühbronzezeit I. Die südliche Halle dieses Komplexes mit neun bearbeiteten Mazzeben hatte vermutlich kultische Funktion. Das ursprünglich unüberdachte Heiligtum wurde erst später zur Halle ausgebaut (Mazar / Miroschedji).
3) Islīn (ca. 1 km nordwestlich des heutigen Eschtaol; Koordinaten: 1503.1325; N 31° 47' 04'', E 35° 00' 09''
Im Westen und Südwesten entdeckte man Weinpressen, Höhlen, Zisternen und Felsinstallationen. Der überwiegend rezente Keramikbefund bietet, abgesehen von einem vermutlich byzantinisch-omaijadischen Bodenfragment, keinen Hinweis für eine antike Besiedlung (Lehmann / Niemann / Zwickel, 352-353). In Islīn wird gemäß einer lokalen Tradition manchmal das Grab Simsons vermutet (Guérin, 324-325).
4) Chirbet Dēr Abū Qābūs (500 m nördlich des heutigen Eschtaol; Koordinaten: 1511.1325; N 31° 47' 08'', E 35° 00' 36''
5) Chirbet Dēr Šubēb (ca. 3 km nordwestlich vom heutigen Eschtaol; Koordinaten: 1488.1338; N 31° 47' 52'', E 34° 59' 07''
In der Frage einer Identifikation Eschtaols können aufgrund des mangelnden archäologischen Befundes ‘Arṭūf, Islīn und Chirbet Dēr Abū Qābūs sicher ausgeschlossen werden.
Von den verbleibenden zwei Kandidaten kann etymologisch nur der Ortsname Išwa‘ mit dem biblischen Toponym Eschtaol zusammenhängen. Allerdings finden sich in Išwa‘ keine Besiedlungsspuren der Eisenzeit I. Auch die Keramikfunde der Eisenzeit IIC sind für eine Identifikation mit dem biblischen Ort Eschtaol nur wenig signifikant.
Auf der Chirbet Dēr Šubēb fand man hingegen Keramik der Eisenzeit I und II. Eine Identifizierung dieses modernen Ortes mit dem biblischen Ort Eschtaol wäre daher naheliegend. Möglicherweise ist der biblische Ortsname Eschtaol irgendwann mit Išwa‘ verbunden worden (Gaß, 369). Jedoch müsste dann in byzantinischer Zeit von einer doppelten Namensform Asoa – Eschtaol für denselben Ort Išwa‘ oder einer späteren Namensübertragung Eschtaol = Asoa > Išwa‘ ausgegangen werden, wobei in byzantinischer Zeit Eschtaol und Asoa noch unterscheidbare Orte gewesen sind.
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
- The Interpreter’s Dictionary of the Bible, New York 1962/1976
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
- The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
- Eerdmans Dictionary of the Bible, Grand Rapids 2000
2. Weitere Literatur
- Abel, F.-M., 1938, Géographie de la Palestine. Bd. 2 Géographie politique, les Villes (Études Bibliques), Paris
- Bauer, H., 1917, Kanaanäische Miszellen, ZDMG 71, 410-413
- Borée, W., 1930, Die alten Ortsnamen Palästinas, 2. Aufl., Leipzig (Nachdruck Hildesheim 1968)
- Clancy, F., 1999, Shishak/Shoshenq’s Travels, JSOT 86, 3-23
- Clermont-Ganneau, C., 1896, Archaeological Researches in Palestine during the Years 1873-1874. Bd. 2, London
- Dagan, Y., 1992, The Shephelah during the Period of the Monarchy in Light of Archaeological Excavations and Survey (MA Thesis Tel Aviv University), Tel Aviv (hebr.)
- Gaß, E., 2005, Die Ortsnamen des Richterbuchs in historischer und redaktioneller Perspektive (ADPV 35), Wiesbaden
- Görg, M., 1991, Art. Eschtaol, in: Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a.
- Guérin, V., 1869, Description Géographique, Historique et Archéologique de la Palestine Accompagnée de Cartes Détaillées. Judée Bd 2, Paris
- Keel, O. / Küchler, M., 1982, Orte und Landschaften der Bibel. Ein Handbuch und Studien-Reiseführer zum Heiligen Land. Bd. 2 Der Süden, Göttingen
- Kuschke, A., 1971, Kleine Beiträge zur Siedlungsgeschichte der Stämme Asser und Juda, HThR 64, 291-313
- Lehmann, G. / Niemann, H.M. / Zwickel, W., 1996, Zora und Eschtaol. Ein archäologischer Oberflächensurvey im Gebiet nördlich von Bet Schemesch, UF 28, 343-442.
- Malky, S., 1946, Eshtaol and ‘Arṭūf, JPOS 20, 43-47
- Mazar, A. / Miroschedji, P.de, 1996, Hartuv, an Aspect of the Early Bronze I Culture of Southern Israel, BASOR 302, 1-34
- Niemann, H.M., 1985, Die Daniten. Studien zur Geschichte eines altisraelitischen Stammes (FRLANT 135), Göttingen
- Schmitt, G., 1995, Siedlungen Palästinas in griechisch-römischer Zeit. Ostjordanland, Negeb und (in Auswahl) Westjordanland (BTAVO B/93), Wiesbaden
- Tsafrir, Y. / Di Segni, L. / Green, J., 1994, Tabula Imperii Romani. Iudaea, Palaestina. Eretz Israel in the Hellenistic, Roman and Byzantine Periods. Maps and Gazetteer, Jerusalem
- Zissu, B., 2001, Rural Settlement in the Judaean Hills and Foothills from the Late Second Temple Period to the Bar Kokhba Revolt (PhD Dissertation, The Hebrew University), Jerusalem (hebr.)
Abbildungsverzeichnis
- Karte zur Lage von Eschtaol. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Chirbet Dēr Šubēb. © Erasmus Gaß
- Vorgeschlagene Orte für Eschtaol (rot) im Verhältnis zu Zora (blau). Aus: C. Schick, Artuf und seine Umgebung, ZDPV 10 (1887), 131-156
- Eingang zum Höhlensystem auf Chirbet Dēr Šubēb. © Erasmus Gaß
- Höhlensystem auf Chirbet Dēr Šubēb. © Boaz Zissu
- Blick von Chirbet Dēr Šubēb auf Zora. © Erasmus Gaß
PDF-Archiv
Alle Fassungen dieses Artikels ab Oktober 2017 als PDF-Archiv zum Download:
Abbildungen
Unser besonderer Dank gilt allen Personen und Institutionen, die für WiBiLex Abbildungen zur Verfügung gestellt bzw. deren Verwendung in WiBiLex gestattet haben, insbesondere der Stiftung BIBEL+ORIENT (Freiburg/Schweiz)