Familie (AT)
(erstellt: November 2008)
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→ Eltern
1. Terminologie
Die moderne westliche Vorstellung definiert als Familie gewöhnlich eine aus heterosexuellem Elternpaar und deren Kindern bestehende Wohn- und Lebensgemeinschaft. Umgangssprachlich werden zur Familie ferner weitere Angehörige ersten Grades in linearer Abfolge (Vor- und Nachfahren) und in seitlicher Beziehung gezählt (→ Nackommen
Ein weiteres Problemfeld für das Verständnis von Familie stellt die Frage nach der sozialen oder der biologischen Gewichtung der Familie dar. Besteht der Sinn der Familie in der Erzeugung von Kindern und ihrer Sozialisation oder liegt ihr Focus eher in der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, in Sexualität und in Sozialität?
1.1. „Vaterhaus“
Als Ausdruck für „Familie“ wird lexikalisch auf den Terminus בית אב (bêt ’āv „Vaterhaus“) verwiesen; demgegenüber sei der Ausdruck משׁפחה (mišpāchāh) als Bezeichnung des Verbandes als „Mittelglied zw.[ischen] Stamm u.[nd] Familie“ (Gesenius, 472) zu verstehen. Ganz anders klassifiziert dagegen Zobel (ThWAT VII, 970), die soziale Strukturiertheit Israels: „Auf die Familie folgen Vaterhaus und → Sippe
In diesem Zusammenhang ist auf die Stellen zu verweisen, in denen zwischen den Brüdern der angesprochenen Person und ihrem בית אב (bêt ’āv „Vaterhaus“) unterschieden wird:
Josef sprach zu seinen Brüdern und zum בית אביו (bêt ’āvîw „seinem Vaterhaus“): Ich will hinaufgehen und Pharao bekannt geben, ich will zu ihm sagen: Meine Brüder und בית אבי (bêt ’āvî „mein Vaterhaus“), die aus dem Land Kanaan sind, sind zu mir gekommen. (Gen 46,31
Die terminologische Gestaltung des Satzes lässt die Frage offen, ob die Brüder eine Größe neben dem „Vaterhaus“ darstellen oder ob sie lediglich als exponierter Teil desselben herausgestellt werden (vgl. Gen 47,12
Demgegenüber betont Ri 12,6
Der Gileaditer Jiftach war ein starker Held. Er war der Sohn einer Prostituierten; Gilead hatte ihn gezeugt. Die Frau Gileads gebar ihm Söhne; als die Söhne der Frau groß geworden waren, vertrieben sie Jiftach und sprachen: „Du sollst nicht erben in unserem Vaterhaus (בבית אבינו), denn du bist der Sohn einer anderen Frau.“ (Ri 11,1f
Nach dieser Stelle ist das „Vaterhaus“ weniger mit dem Vater selbst, als vielmehr mit der Mutter in Verbindung gebracht.
1.2. „ein Haus bauen“
Viel spricht dafür, dass der Ausdruck „ein Haus bauen“ als terminus technicus für die Gründung einer Familie (A. Rainey, Encyclopaedia Judaica 6, 1166) anzusehen ist:
Die Amtleute sollen zu dem Volk sprechen: „Wer ist der Mann, der sich ein neues Haus (בית חדשׁ) gebaut hat und es noch nicht eingeweiht / eingewöhnt hat, der soll gehen und zurückkehren in sein Haus (לביתו), damit er im Krieg nicht stirbt und ein anderer Mann es einweiht / eingewöhnt. (Dtn 20,5
Dafür, dass „ein Haus bauen“ metaphorisch auf das Zeugen von Kindern hinweist, lassen sich entsprechende Formulierungen im → Deuteronomium
Seine Schwägerin soll herantreten an ihn vor den Augen der Ältesten, sie soll seinen Schuh von seinem Fuß ziehen, sie soll ihm ins Gesicht speien, sie soll ihm antworten und sagen: „So möge dem Mann getan werden, der das Haus seines Bruders nicht bauen will.“ (Dtn 25,9
1.3. „Mutterhaus“
Immerhin lassen sich Belege anführen, die von einem bleibenden Bezug der Tochter zum Haus ihrer Mutter sprechen. So läuft → Rebekka
Boas antwortete und sprach zu ihr: „Es ist mir eindringlich mitgeteilt worden, alles, was du für deine Schwiegermutter getan hast nach dem Tod deines Mannes, dass du deinen Vater, deine Mutter, deine Heimat verlassen hast und dass du zu einem Volk gegangen bist, dass du gestern und vorgestern noch nicht kanntest. (Rut 2,11
Die familiäre Beziehung Ruts zu ihren Eltern ist durch die Heirat (→ Ehe / Ehebruch
Aufschlussreich für die Rolle des „Mutterhauses“ ist Ri 9,1-5
Abimelech, der Sohn Jerubaals, ging nach Sichem zu den Brüdern seiner Mutter (אחי אמו), redete mit ihnen und mit der gesamten Sippe des Hauses des Vaters seiner Mutter (כל משׁפחת בית אבי אמו): „Redet doch zu den Ohren aller Bürger von Sichem. Was ist besser für euch, dass über euch alle siebzig Söhne Jerubaals herrschen oder (nur) ein Mann? Bedenkt, dass ich euer Bein und euer Fleisch bin (כי עצמכם ובשׂרכם אני).“ Da übermittelten die Brüder seiner Mutter seinetwegen zu den Ohren der Honoratioren Sichems alle diese Worte und ihr Herz neigte sich Abimelech zu, denn sie sprachen: „Er ist unser Bruder (אחינו)“. … Er kam zum Haus seines Vaters (בבית אביו) nach Ofra und tötete dort seine Brüder (אחיו), die Söhne Jerubaals, auf einem Stein … (Ri 9,1-3
Verwandtschaft definiert sich aus der Sicht der Brüder der Mutter → Abimelechs
1.4. „Vaterhaus“ in priesterlicher Sicht
Während in Ri 9,1-5
Rede zu der ganzen Gemeinde Israels: „Am Zehnten dieses Monats soll ein (jeder) Mann ein Lamm nehmen, nach dem Väterhaus (לבית אבת), ein Schaf für jedes Haus.“ (Ex 12,3
Im folgenden V. 4 wird die Vorgehensweise für den Fall einer zu geringen Anzahl von Familienmitgliedern benannt: Ist die Zahl der Angehörigen eines Hauses bzw. einer Familie zum Verzehr eines Jungschafes zu gering, dann soll mit dem „nächsten Nachbarn seines Hauses“ eine Mahlgemeinschaft gebildet werden. Nach dem späteren rabbinischen Verständnis sollte die Zahl der Tischgesellschaft zehn nicht unter- und 20 nicht überschreiten (Belege s. Baentsch, 1).
Während im priester(schrift)lichen Denken der Begriff „Vaterhaus“ (בית אבות bêt ’āvôt) den Familienverband rückwirkend auf die Vorfahren des Vaters bezieht, bezeichnet er in den Erzähltexten des → deuteronomistischen Geschichtswerks
Es (das Blut Abners) komme über das Haupt Joabs und über das ganze Haus seines Vaters (כל בית אביו), vom Haus Joabs (מבית יואב) soll nicht weichen ein am Ausfluss und an Lepra Leidender, ein am Stock gehender und ein vom Schwert erschlagener, sowie Mangel an Brot. (2Sam 3,29
Der Fluch richtet sich vertikal gegen die gegenwärtigen Familienmitglieder Jakobs als den Angehörigen seines „Vaterhauses“ und seinen potenziellen Nachfahren, den Angehörigen „seines Hauses“.
Dass die Bezeichnung „Vaterhaus“ kaum den Blick zurück auf den Vater bzw. die Vorfahren wirft, sondern vielmehr die lebenden und zukünftigen Familienangehörigen gemeint sind, zeigt Jes 22,23
Ich will ihn (Eljakim) als Pflock einschlagen an einem beständigen Ort, er soll zum Thron der Ehre werden für sein Vaterhaus. (Jes 22,23
Hier ist wohl eher nicht gemeint, dass sich die Verwandten fühlen, als säßen sie selbst auf dem Thron (Wildberger, 849), vielmehr erlangt der mit dem Thron Geehrte unter seinen Verwandten eine Ehrenposition.
1.5. Fazit
Die Sichtung der Belege von בית אב bêt ’āv bzw. בית אם bêt ’em offenbart ein Verständnis von Familie, dass sich vor allem auf die gemeinsame Abstammung von einer konkreten Person zusammen mit den anderen Familienangehörigen bezog. In erster Linie handelt es sich bei dieser Person um den Vater, gelegentlich werden verwandtschaftliche Verhältnisse über eine gemeinsame Mutter (und deren Vater) begründet.
Ein Verständnis von Familie als Beziehung zwischen Mann und Frau bzw. als Ort und Institution des Zeugens und Habens von Kindern lässt sich kaum nachweisen (eine substantielle Ausnahme bildet allerdings Gen 2,24
2. Sexuelle Tabus innerhalb der Familie
Lev 18 listet die verwandtschaftlichen Beziehungen auf, die eine sexuelle Beziehung ausschließen. Die unter dem Stichwort שׁאר בשׂרו (šə’er bəśārô „Fleisch seines Leibes“; Lev 18,6
- den Vater und die Mutter (Lev 18,7
), - die Ehefrau des Vaters (Lev 18,8
), - die Schwester als das Kind des Vaters oder der Mutter, auch wenn diese von der Mutter vor der Heirat des Vaters geboren worden ist (Lev 18,9
), - die weiblichen Enkel als die → Tochter
des Sohnes und die Tochter der Tochter (Lev 18,10 ), - die Tochter des Vaters, die dem Vater von seiner Frau geboren wurde (Lev 18,11
), - die Schwester des Vaters (Lev 18,12
), - die Schwester der Mutter (Lev 18,13
), - die Frau des Bruders des Vaters (Lev 18,14
), - die Schwiegertochter (Lev 18,15
), - die Frau des Bruders (Lev 18,16
), - die Schwester der Ehefrau, solange letztere am Leben ist (Lev 18,19
).
und
Aufgrund der Einschränkung in Lev 18,16
2.1. Tochter des Vaters
Gegenüber der Tabuisierung der als Schwester bezeichneten Tochter der Ehefrau des Vaters in Lev 18,9
Reventlow (1961), Kilian (1963, 21f.) und Cholewiński (1976, 33) erklären die Phrasen „die Tochter deines Vaters und die Tochter deiner Mutter“ und „die im Haus geborene und die außerhalb geborene“ in Lev 18,9
Sie ist wirklich meine Schwester, sie ist die Tochter meines Vaters, aber die Tochter meiner Mutter ist sie nicht, daher wurde sie meine Frau. (Gen 20,12
Während in Lev 18,9
Als sie zu ihm trat, damit er esse, ergriff er sie und sprach: „Meine Schwester (אחותי), komm, schlaf mit mir!“ (2Sam 13,11
Tamar ihrerseits weist ihn unter der Benennung „mein Bruder“ zurück (2Sam 13,12
Eben genau die Konstellation einer Ehe bzw. eines sexuellen Umgangs zwischen Halbgeschwistern wird in Lev 20 unter die todeswürdigen Vergehen gerechnet:
Ein Mann, der seine Schwester nimmt, unabhängig, ob sie die Tochter seines Vaters oder seiner Mutter ist, und er sieht ihre Blöße und sie sieht seine Blöße, dann ist das eine Abscheulichkeit, sie sollen ausgerottet werden vor den Augen ihres Volkes, weil er die Blöße seiner Schwester aufgedeckt hat und sie tragen ihre Verfehlung. (Lev 20,17
2.2. Frau des Onkels
Gegenüber Lev 18,14
Wenn ein Mann mit seiner Tante (דודה) schläft, dann hat er die Blöße seines Onkels aufgedeckt, ihre Verfehlung müssen sie tragen und kinderlos sterben. (Lev 20,20
Es muss offen bleiben, ob hier Kinderlosigkeit als (göttliche) Strafe für die trotz des Verbots eingegangene Ehe gemeint ist oder aber ob die (aus der verbotenen Ehe hervorgegangenen) Kinder noch vor den Eltern sterben müssen (vgl. Holzinger, 71).
2.3. Tante
Gegenüber den Tabuvorschriften des → Heiligkeitsgesetzes
Amram nahm Jochebed, seine Tante (דדתו), für sich zur Frau, sie gebar ihm Aaron und Mose. Amram wurde 137 Jahre alt. (Ex 6,20
Die Gegensätzlichkeit zwischen beiden Stellen zeigt sich im singulären Gebrauch des Ausdrucks „Tante“ (דודה dôdāh), der nur in Ex 6,20
2.4. Schwestern
Die שׁאר šə’er / שׁארה ša’ǎrāh-Konzeption betrifft hinsichtlich der Sexualpartnerin bzw. der Ehefrau die direkte genealogische Abstammung im ersten und zweiten Glied. Demgegenüber erlaubt Lev 18,18
Eine Frau und ihre Schwester sollst du nicht nehmen, dass du sie eifersüchtig (Gesenius, WB) machst, indem du ihre Blöße aufdeckst, während sie (noch) lebt. (Lev 18,18
Gegenüber dieser Rechtsauffassung scheinen die Erzähltexte Gen 29-35 unbefangen auf die Konstellation einer gleichzeitigen Ehe eines Mannes mit zwei Schwestern geblickt zu haben. Das Konkurrenzverhältnis zwischen beiden Frauen resultiert nicht aus ihrem Schwester-Verhältnis, sondern aus der Unfruchtbarkeit einer der beiden Frauen.
2.5. Fazit
Das sexuelle Tabu des Heiligkeitsgesetzes besteht somit für alle verwandtschaftlichen Konstellationen, die sich mit dem שׁאר šə’er / שׁארה ša’ǎrāh-Begriff umschreiben lassen. Die Wachstumsgeschichte von Lev 18 zeigt dabei, dass im Zuge der Fortschreibung des Abschnitts der שׁאר šə’er / שׁארה ša’ǎrāh-Personenkreis noch erweitert worden ist. Keineswegs lässt sich das Anführen gegenteiliger Auffassungen in Gen 20,12
Die Blöße einer Frau und ihrer Tochter sollst du nicht aufdecken, ebenso nicht die der Tochter ihres Sohnes und der Tochter ihrer Tochter; du sollst sie nicht nehmen, um ihre Blöße aufzudecken, eine שׁארה sind sie (jeweils), es wäre eine Schande. (Lev 18,17
Die Inzest-Tabus in Lev 18; Lev 20 gehen auf die Vorstellung zurück, dass die „Identität von Blut, Fleisch und Knochen“ (Kornfeld, 70), die zwischen blutsverwandten Personen vorliegt, eine nochmalige Vereinigung durch den Geschlechtsverkehr unmöglich mache. In diesen Zusammenhang gehört die Vorstellung, dass der Geschlechtsakt bzw. die eheliche Gemeinschaft aus Mann und Frau „ein Fleisch“ mache:
Deshalb wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen, er wird seiner Frau anhaften und sie werden ein Fleisch (בשׂר אחד) sein. (Gen 2,24
Das Verlassen der Eltern verhält sich komplementär zur Neustiftung der Beziehung auf der Grundlage der Ehe. Allerdings ist die Bindung des Mannes an seine Frau stärker als die an seine Eltern (Procksch, 29; König, 216: „Sogar die kindliche Pietät wird von der Liebe des Mannes zu seinem Weibe besiegt werden.“).
Im Verfassungsentwurf des → Ezechielbuches
Die unterschiedlichen Vorstellungshorizonte zu den sexuell tabuisierten Personen müssen im Zusammenhang mit der individuellen Betrachtung der Familie und ihrer Angehörigen durch die jeweiligen Autoren verstanden werden. Die priesterlichem Denken entstammenden Inzestverbote in Lev 18; Lev 20 beschreiben negativ die Mitglieder der Familie, zwischen denen Sexualität tabuisiert ist (Meyers, 17f.).
3. Hierarchische Strukturen der Familie
3.1. Hierarchie unter Frauen und unter Männern
Die vielfach geäußerte Behauptung, innerhalb der Familie übe der Vater die alleinige Macht gegenüber seiner Frau, den Kindern und deren Ehepartnern aus, muss durch die Belege relativiert werden, die der Mutter eine gleiche Verantwortlichkeit gegenüber den Kindern zuweisen wie dem Vater. In seiner Beschreibung der desolaten Umstände in Israel entwirft Mi 7,5f
Setze kein Vertrauen auf deinen Nächsten, deinem Vertrauten vertraue nicht, vor der Beiliegerin deiner Brust hüte die Öffnungen deines Mundes. Denn der Sohn hält den Vater zum Narren, die Tochter erhebt sich über / gegen ihre Mutter und die Braut gegen ihre Schwiegermutter, eines Mannes Feind sind seine Hausgenossen. (Mi 7,5
Abgesehen von den spannenden, aber nicht zu klärenden Fragen, ob mit der „Beiligerin“ die Ehefrau oder die Geliebte gemeint ist, inwieweit diese ihren Partner denunzieren kann und ob mit den Hausgenossen tatsächlich das „Gesinde“ (Rudolph, 125) oder doch summarisch die Familienmitglieder gemeint sind, fällt der Bezug der Tochter auf die Mutter sowie der Schwiegertochter auf ihre Schwiegermutter ins Auge. Nach dieser Konstellation gibt es in der Familie zwei parallele Hierarchien, eine männliche und eine weibliche. Das Thema Gehorsam und Unterordnung ist hinsichtlich des Ehepaares nicht thematisiert. Wohl nicht zufällig wird die Frau in einem Atemzug mit dem Nächsten und dem Vertrauten genannt. Mi 7,5
Eine ähnliche autoritäre Position nimmt die verwitwete Noomi gegenüber ihrer Schwiegertochter Rut ein (s.o.). In den Simsonerzählungen muss → Simson
Simsons Frau weinte vor ihm und sprach: „Nur weil du mich hasst und mich nicht liebst, hast du den Angehörigen meines Volkes ein Rätsel aufgegeben und sagst es mir nicht!“ Er sprach zu ihr: „Sieh, meinem Vater und meiner Mutter habe ich es nicht gesagt, und dir sollte ich es sagen?“ (Ri 14,16
3.2. Namensgebung durch Mutter oder Vater
Eine Durchsicht der Stellen, in denen Kinder ihren Namen bekommen, zeigt, dass mehrheitlich die Frauen das Sagen hatten. Bemerkenswerterweise lässt sich kein Beleg dafür anführen, dass Eltern gemeinschaftlich den Namen des Kindes festlegen. Gelegentlich lässt sich die Frage, ob Mutter oder Vater als Namensgeber des Kindes fungieren, literatursoziologisch ausdifferenzieren: Der schwangeren → Hagar
Der Engel JHWHs sprach zu ihr: „Siehe, schwanger bist du. Du wirst einen Sohn gebären. Seinen Namen sollst du Ismael nennen, denn JHWH hat von deinem Elend gehört. (Gen 16,11
Dass die Mutter in der nicht-priesterschriftlichen Erzählung dem Kind seinen Namen gibt, hat die spätere priesterschriftliche Redaktion nicht hinnehmen wollen. Der nachgetragene Rahmen Gen 16,1a
Hagar gebar Abram einen Sohn. Abram nannte den Namen seines Sohnes, den Hagar ihm geboren hatte, Ismael. (Gen 16,15
Auffällig ist, dass an zwei Stellen nicht von der Redaktion, sondern von späteren Abschreibern der Text dahingehend geändert wurde, dass der Vater anstelle der ursprünglich im Text genannten Mutter zum Namensgeber des Kindes avancierte. Das ist der Fall bei den drei Kindern → Judas
3.3. Autorität der Eltern
Dass sich die elterliche Autorität nicht grundsätzlich lebenslang über die erwachsenen Kinder legte, lässt die mehrfach in der → Weisheitsliteratur Israels
Wer den Vater angreift und die Mutter in die Flucht schlägt, ist ein verachtenswerter und schändlicher Sohn. (Spr 19,26
Der Liste der verpönten negativen Handlungen des Sohnes an seinen Eltern lässt sich noch erweitern mit → Fluchen
Demgegenüber lässt Dtn 21,18
Wenn jemand einen widerspenstigen und ungehorsamen Sohn hat, der auf die Stimme seines Vaters und seiner Mutter nicht hört, der auch dann nicht hört, wenn sie ihn züchtigen (oder: mahnen), dann sollen ihn sein Vater und seine Mutter ergreifen und ihn zum Tor seines Ortes führen. (Dtn 21,18f
Die beiden folgenden Verse in Dtn 21,20f
4. Innerfamiliäre Beziehungen
4.1. Mann und Frau
Über das emotionale Verhältnis von Mann und Frau während der andauernden Zeit einer → Ehe
Wohl nicht zufällig spricht die Weisheit sowohl positiv von den Freuden der Liebesbeziehung (vgl. Spr 5,18
Besser ist das Wohnen in einer Ecke des Hausdachs als (das Leben) mit einer streitsüchtigen Frau im Haus. (Spr 21,9
Einzelfälle, dass eine Nebenfrau oder Konkubine ihrem Mann davonläuft und er keine andere Möglichkeit hat, als sie freundlich zur Rückkehr zu überreden (Ri 19,1f
Dass eine Ehe auch in großer emotionaler Verbundenheit geführt werden konnte, dokumentiert das Buch → Tobit
4.2. Vater und Tochter
Erzählungen wie die von der Opferung der Tochter Jiftachs (Ri 11,30-40
Ri 11,30-40
Erhellend für das emotionale Verhältnis zwischen Vater und Töchtern ist, dass die drei Töchter des restituierten → Hiob
Das Motiv der besonderen emotionalen Bindung des Vaters an eine Tochter begegnet auch im ägyptischen Märchen vom Schiffbrüchigen. Der auf eine Insel verschlagene Held begegnet dort einer Schlange (wohl in anthropomorpher maskuliner Gestalt), die ihn über ihren selbst erlittenen Schicksalsschlag aufklärt:
Wir waren mit meinen Kindern und meinen Geschwistern zusammen 75 Schlangen. Dabei will ich dir eine kleine Tochter nicht erwähnen, die mir auf ein Gebet hin geschenkt worden war. (Übersetzung nach Brunner-Traut, 8)
Die Tragik des Schicksals zeigt sich hier gerade darin, dass die Existenz der besonders geliebten Tochter sich dem Gebet verdankt und dass ihr Tod als ein besonders schwerer Schicksalsschlag angesehen wird.
Deutlich rigider fällt die väterliche Einflussnahme auf die Tochter im Zusammenhang mit der Eheschließung aus. Die Mehrheit der betreffenden Stellen ist formelhaft geprägt: „Vater NN gibt (נתן) seine Tochter NN dem NN zur Frau“ oder „NN nimmt sich (לקח) NN zur Frau“.
Nach dem → Sirachbuch
Hast du Söhne, so halte sie in Zucht, und beuge ihren Nacken von Jugend auf. Hast du Töchter, so behüte ihren Leib, und mache ihnen kein allzu freundliches Gesicht. (Sir 7,23f
Dieser pädagogischen Maxime geht ein Spruch über die notwendige Sorgfalt bei der Tierhaltung voraus (Sir 7,22
Die Weisheitslehre des Sirachbuchs warnt vor einer nachlässigen Erziehung der Söhne und einem allzu nachsichtigen und überfreundlichen, vielleicht verhätschelndem, Auftreten gegenüber der Tochter.
Eine Tochter bereitet dem Vater, ohne es zu wissen, sorgenvolle Nächte, und die Sorge um sie verscheucht den Schlaf: In ihrer Jugend, dass sie nicht zu spät heiratet, und verheiratet, dass sie nicht verhasst werde. In ihrer Jungfrauenschaft, dass sie sich nicht „entweiht“ werde und im Haus ihres Vaters nicht schwanger werde, bei ihrem Mann, dass sie nicht verkehrte Wege gehe, und verheiratet, dass sie nicht unfruchtbar ist. Über eine unbelehrbare Tochter wache streng, dass sie dir nicht einen bösen Namen mache, zum Stadtgespräch werde, zum Gerede beim Volk, und dich beschäme vor den Augen aller. (Sir 42,9-11
Die väterliche Sorge gilt der Tochter ein Leben lang. Beeinflussen kann der Vater nur das angemessene Auftreten der Tochter in der Öffentlichkeit. Zudem drohen Schicksalsschläge wie die Infertilität der Tochter, die nicht zu beeinflussen sind.
4.3. Vater und Sohn
Das Verhältnis zwischen Vater und Sohn bzw. Söhnen wird von den einzelnen Quellen und Autoren der Hebräischen Bibel ausgesprochen unterschiedlich betrachtet. Von Verhätschelung einzelner Söhne und deren Bevorzugung vor den anderen Brüdern bzw. Halbbrüdern wird gelegentlich in den Erzähltexten berichtet (Gen 25,28
Demgegenüber stehen Belege in der Weisheitsliteratur, die für rabiate Erziehungsmaßnahmen werben. Auch wenn dabei an das Lehrer-Schüler-Verhältnis gedacht ist, so hat doch die Vater-Sohn-Beziehung an dieser Stelle eine Vorbildfunktion eingenommen.
Wer seinen Stock schont, hasst seinen Sohn, wer ihn liebt, beginnt ihn vorzeitig zu erziehen / züchtigen (מוסר). (Spr 13,24
Unklar bleibt, ob das Verb מסר hier auf eine Erziehung zu beziehen ist, die drakonische Strafen impliziert, oder nur eine verbale Erziehung im Sinne einer Unterrichtung in weisheitlichen Traditionen gemeint ist, wobei die Prügelstrafe als die ultima anzusehen wäre. Eine crux interpretum stellt Spr 19,18
Weise deinen Sohn zurecht, wenn es noch Hoffnung gibt, doch ihn zu töten, dazu lass dich nicht hinreißen! (Plöger, 218)
Züchtige deinen Sohn, denn es ist noch Hoffnung: aber nicht darauf, dass er zu Tode kommt, richte deinen Sinn. (Meinhold, 320)
Nach der ersten Übersetzung kann die körperliche Züchtigung des Sohnes so intensiv ausfallen, dass sie einem Totschlag gefährlich nahe kommen kann, nach der zweiten geschieht Erziehung, auch unter Einsatz drakonischer körperlicher Strafen, um einer Entgleisung des Sohnes, die in den Tod führen kann, entgegenzuwirken.
Für die Existenzsicherung ist es wichtig, viele Söhne zu haben:
Siehe, ein Erbbesitz von JHWH sind Söhne, ein Lohn der Frucht des Leibes. Wie Pfeile in der Hand des Helden, so sind die Söhne der Jugendzeit. Wohl dem Mann, der seinen Köcher mit ihnen gefüllt hat, sie werden nicht beschämt, wenn sie mit ihren Feinden im Tor reden. (Ps 127,3-5
Bemerkenswert ist, dass sich die exegetische Perspektive gegenüber dieser Stelle grundlegend verschoben hat. Während → Duhm
An dieser Stelle ist gerade nicht gesagt, dass die Söhne die Interessen ihres Vaters verteidigen (Allen, 240). Der hebräische Wortlaut „sie werden nicht beschämt“ (לא יבשו) hält vielmehr fest, dass die Söhne in der öffentlichen Gerichtsbarkeit erfolgreich sind, von einer Interessendurchsetzung zugunsten des Vaters wird gerade nichts gesagt.
Das Bild der Söhne, die sich auf dem Gerichtsplatz aggressiv geben (vgl. Spr 25,18
Ich werde für ihn ein Vater sein, er wird für mich ein Sohn sein, den ich, wenn er sündigt, mit Menschenstock und Menschenschlägen strafen will. (2Sam 7,14
Nach diesem Bild bleibt der Vater für das Handeln seines Sohnes mitverantwortlich; dessen Leben von Entgleisungen abzuhalten, stellt für ihn eine lebenslange Aufgabe dar.
Die schon in Ps 127,3-5
Die Krone der Greise sind Söhne der Söhne, der Stolz der Väter sind ihre Söhne. (Spr 17,6
In einer auffällig gedoppelten Weise definiert die → Josefsgeschichte
4.4. Mutter und Sohn
Die Bindung zwischen Mutter und Sohn erscheint im Fall polygamer Familienstrukturen besonders intensiv. So, wie das Haben von Kindern zur entscheidenden Prestigefrage im konkurrierenden Verhältnis zwischen den Ehefrauen eines Mannes beiträgt, so können auch die Mütter zugunsten ihrer Söhne in die Gestaltung der innerfamiliären Hierarchie und Nachfolgeregelungen eingreifen.
Der berühmteste Fall ist die durch die Mutter → Batseba
Einen ähnlichen Vorgang, bei dem die Mutter ihren Sohn gegen dessen ältere Halbbrüder beim Vater und König als Nachfolger durchsetzt, hat es bei der Thronbesteigung → Asarhaddons
In Hhld 3,11
Zieht heraus und seht, Töchter Jerusalems, den König Salomo mit seiner Krone, mit der ihn bekrönt hat seine Mutter am Tag seiner Hochzeit, am Tag seiner Herzensfreude. (Hhld 3,11
Die Stelle spielt, wie im → Hohelied
4.5. Mutter und Tochter
Die in der Bewirtschaftung des Hauses anfallenden Arbeiten und Aufgaben setzen bei den Frauen ein hohes Maß an Know How bei der Verarbeitung und Konservierung landwirtschaftlicher Produkte, der Herstellung von Textilien, der Zubereitung von Speisen und Kompetenzen bei der wirtschaftlichen Organisation und der Selbstvermarktung voraus (vgl. Spr 31). „Another distinction between male and female labor is that, taken as a whole, female tasks required a higher degree of expertise, judgment, and skill than did male tasks.“ (C. Meyers, Family, 26). Dass die entsprechenden Kompetenzen von der Mutter auf die Tochter in einem learning by doing-Prozess weitergegeben worden sind, liegt ebenso nahe wie die Annahme, dass das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter intensiver Natur gewesen ist.
Bemerkenswerterweise idealisiert die hebräische Liebeslyrik zwei Orte für das Stelldichein des verliebten Paares, das sich in der Öffentlichkeit nicht gemeinsam zeigen darf: den Obstbaum (Hhld 8,5
Wer machte dich zu meinem Bruder, zum Säugling meiner Mutter Brust, fände ich dich draußen, küssen würde ich dich, man würde mich nicht schelten. Leiten würde ich dich, bringen würde ich dich zu meiner Mutter Haus, wo sie mich lehrt (oder: belehre du mich!) (תלמדני). Zu trinken gäbe ich dir Würzwein und Granatapfelmost. (Hhld 8,1f
Bei aller lyrischen Metaphorik, die natürlich keinen Einblick in die sozialen Gegebenheit Israels gewährt, klingt hier doch das „Haus der Mutter“ als Ort der Sicherheit und Schutz vor öffentlicher Wahrnehmung und Beeinflussung an. Sowohl von der Mutter als Lehrenden, als auch von dem heimlichen Wunsch, den Geliebten verführen zu dürfen, ist im Imperfekt die Rede, sofern nicht doch der Geliebte angesprochen ist. Dringt hier der heimliche Wunsch nach einer imaginären Präsenz und Hilfe der Mutter im Moment des erstens Erlebens von Sexualität durch? Soviel lässt die Poesie des Textes durchschimmern, dass hier die Mutter für eine „vertraute Welt“ (Keel, 240) steht, die im Moment einer ersten abenteuerlichen Liebe für Sicherheit sorgt.
Dass Mutter und Tochter in einem so intensiven Verhältnis stehen, dass die Tochter als das Abbild ihrer Mutter angesehen werden konnte, zeigt das (hier) negativ eingefärbte Sprichwort: „Siehe, jeder, der in Sprichwörtern redet, sagt zu dir: Wie die Mutter, so ist ihre Tochter.“ (Ez 16,44
4.6. Geschwisterbeziehungen
Die Erzähltexte der Hebräischen Bibel listen eine ganze Reihe von Konflikten zwischen Brüdern und Halbbrüdern auf. → Esau
Über ein freundschaftliches Verhältnis zwischen Brüdern schweigt sich die Hebräische Bibel auffällig aus, demgegenüber ist das Verhältnis zwischen Bruder und Schwester häufig von inniger Natur dargestellt. Dazu zählt die Anrede mit „mein Bruder“ und mit „meine Schwester“ als Anrede zwischen Liebenden im Hohelied. Möglicherweise reflektiert die Liebeslyrik des Hoheliedes an einer Stelle eine Konstellation, in der sich die Brüder wegen der (als zu langsam empfundenen) physischen Entwicklung ihrer Schwester Sorgen machen:
Unsere Schwester ist klein, Brüste hat sie keine. Was sollen wir mit unserer Schwester machen an dem Tag, an dem um sie geworben wird? Wenn Sie eine Mauer ist, bauen wir auf ihr eine Silberzinne, wenn sie eine Tür ist, „verrammeln“ wir diese mit einem Zedernbrett.
Ich bin eine Mauer, meine Brüste sind wie Türme, ich bin in seinen Augen wie eine geworden, die Befriedung gefunden hat. (Hhld 8,8-10
Auch wenn sich die Metaphorik dieser Stelle einer genauen Entschlüsselung entzieht, so ist doch deutlich, dass hier die Trias Brüder, Schwester und Geliebter (implizit im Ausdruck „in seinen Augen“) begegnet. Dass zwischen Hhld 8,8f
In eine ähnliche Doppelrolle als Bruder und Vater der Braut ist → Laban
Die Erzählung von der Vergewaltigung → Tamars
Absalom sprach zu ihr: „Amnonlein, dein Bruder, bei dir war er? Jetzt aber schweige, er ist dein Bruder! Setze dein Herz nicht in diese Sache.“ Tamar wohnte – verwüstet, wie sie war – im Haus ihres Bruders Absalom. (2Sam 13,20
Die Erzählung lässt keinen Zweifel daran, dass sich die Vergewaltigung der Schwester emotional auf Amnon auswirkt. Wie die Worte an Tamar gemeint sind, muss ebenso offen bleiben wie die Frage, ob der Ausdruck „Verwüstete“ als umgangssprachliche Bezeichnung für ein vergewaltigtes Mädchen angesehen werden muss. Mit Kottsieper (61) wird man aus 2Sam 13 herauslesen können, dass die emotionale Bindung zwischen Vollgeschwistern verschiedenen Geschlechts sehr intensiv waren. Ob sich damit allerdings (im Bewusstsein des Erzählers) eine emotional wesentlich weniger intensiv gestaltete Vater-Tochter-Beziehung nachzeichnen lassen könne, kann nicht geklärt werden. David ist in 2Sam 13 als der gezeichnet, der er in 2Sam 14; 2Sam 19; 1Kön 1 bleiben wird, als ein König, der dem Treiben seiner Söhne tatenlos zusieht.
Sehr intensiv werden die Beziehungen der Kinder Hiobs untereinander bezeichnet. Sie leben in verschiedenen Häusern, in denen sie reihum Feste feiern, zu denen auch die Schwestern eingeladen werden (Hi 1,5
4.7. Familiengröße
Angesichts der angeführten Unterschiede in den Vorstellungen von Familie, insbesondere der Frage des sexuell tabuisierten Personenkreises, bleibt es schwierig, die Personenzahl und die einzelnen Angehörigen einer Familie zu bestimmen. Mit Sicherheit blieben die familiären Bande zwischen männlichen Geschwistern bestehen. Dass diese dabei in einem Haus wohnten, ist eher unwahrscheinlich. Dtn 25,5
Wenn Brüder zusammen wohnen und einer von ihnen stirbt, ohne einen Sohn zu hinterlassen, dann soll die Frau des Toten nicht „außerhalb“ die Frau eines fremden Mannes sein, sondern ihr Schwager soll zu ihr gehen und sie zur Frau nehmen und mit ihr die Schwagerehe schließen. (Dtn 25,5
Dtn 25,5
Ja, es ist wahr, dass ich ein (potenzieller) Löser bin, allerdings existiert noch ein Löser, der näher (קרוב) ist als ich. (Rut 3,12
Der Begriff „Bruder“ taucht im Rutbuch im Munde des Boas auf, der den verstorbenen Mann Ruts vor den zehn Stadtältesten als „unser Bruder“ bezeichnet (Rut 4.3.10. Da der Ausdruck „Bruder“ an dieser Stelle auf eine ethische und keine familiäre Beziehung verweist und der Verstorbene, der namenlose Nähere (קרוב qārôv) und Boas nicht verschwistert sind, bezeichnet קרוב qārôv eine Verwandtschaftsbeziehung, die weniger eng ist als die zwischen Brüdern und die graduelle Abstufungen kennt.
Die Vorstellung eines konzentrischen Familienbildes liegt auch Lev 25,48f
Während in den genannten Stellen Verwandtschaft horizontal definiert wird, lässt sich an anderen Stellen auch die Vorstellung vertikaler Verwandtschaft aufzeigen, die einen ganzen Familienverband konstituiert. Jakobs Zug nach Ägypten umfasst drei Generationen:
Seine Söhne, die Söhne seiner Söhne mit ihm, seine Töchter und die Töchter seiner Töchter, seine ganze Nachkommenschaft (כל זרעו) brachte er nach Ägypten. (Gen 46,7
Auffällig ist, dass auch die Töchter der Töchter, mit denen wohl auch die Knaben mit gemeint sind, unter dem Begriff „seine ganze Nachkommenschaft“ (כל זרעו) zusammengefasst werden. Die familiäre Bindung der Töchter an ihre Ehemänner wird an dieser Stelle ignoriert. Die Erzählnotiz will sicherstellen, dass wirklich alle Nachkommen Jakobs bis in das dritte Glied nach Ägypten ziehen.
Angesichts des widersprüchlichen Befundes fällt es schwer, Aussagen über die Vorstellungen von der Familie in Israel zu treffen. Das vielfach in der Hebräischen Bibel thematisierte Problem der Kinderlosigkeit lässt zudem vermuten, dass die häufig unterstellten hohen Geburtsraten nicht immer der Realität entsprachen. Entsprechende Überlegungen sind auch auf ägyptologischer Seite angestellt worden. Der Umstand, dass zahlreiche untersuchte Frauenmumien einen für das Gebären nachteiligen sehr schmalen Körperbau aufwiesen, dass aufgrund der Einträge in den sog. Zensuspapyri die Kinderzahl der erfassten Familien auffallend gering ist und dass die Vielzahl der möglichen Krankheiten und Infektion im heißen Nilklima sich nicht gerade vorteilhaft auf die Reproduktionsrate ausgewirkt habe, rechtfertige die Annahme durchschnittlich geringer Kinderzahlen pro Familie (vgl. Kunz-Lübcke, 2007b, 29ff., mit Lit.).
Der archäologische Befund legt ebenfalls die Annahme relativ geringer Kinderzahlen nahe. Anders wäre nicht zu erklären, warum die räumliche Ausdehnung eisenzeitlicher Siedlungen (von Ausnahmen wie Tell → Hazor
Literaturverzeichnis
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Abbildungsverzeichnis
- Das „Händchenhalten“ des Paares und die elterliche Umgebung des Sohnes drücken intensive Verbundenheit aus (Stele des Shed-itef; Ägypten, 7.-11. Dynastie). Zeichnung: Naghmeh Jahan; © Andreas Kunz-Lübcke
- Die Frau legt zärtlich ihre überproportional ausgeführte Rechte auf die Schulter des Grabherrn. Auf der hier nicht abgebildeten Vorderseite wird das Paar von Sohn und Tochter flankiert (Rückseite der Statue des Jetef, Ägypten, Gizah). Zeichnung: Naghmeh Jahan; © Andreas Kunz-Lübcke
- Der Grabherr erscheint mit seiner Frau. Er hält Bogen und Köcher. Seine Frau vollzieht einen Gestus der Zärtlichkeit (Stele des Nenu; Ägypten 9.-10. Dynastie). Zeichnung: Naghmeh Jahan; © Andreas Kunz-Lübcke
- Die Grabherrin erscheint mit ihrem (wahrscheinlich) ältesten Sohn. Dessen Status als Kind wird auch durch seine Nacktheit, die Kinderlocke und das Halten des Zeigefingers an den Mund betont (Statue der Khentet-Ka mit ihrem Sohn Rudju; Ägypten, Gizah, 4. Dyn.). Zeichnung: Naghmeh Jahan; © Andreas Kunz-Lübcke
- Mutter unterrichtet ihre Tochter im Kochen (Griechenland, 1. Viertel des 5. Jh.s v. Chr.). Zeichnung: Theresa Steckel; © Andreas Kunz-Lübcke
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