Fels
(erstellt: August 2010)
Permanenter Link zum Artikel: https://bibelwissenschaft.de/stichwort/18257/
1. Begrifflichkeit
Die beiden Wörter צוּר ṣûr und סֶלַע sæla‘, die in der Hebräischen Bibel 74- bzw. 56-mal vorkommen, bedeuten „Fels“ im Sinne von Felsmassiv, Felsblock und Felsgestein (vgl. צר ṣor „Kiesel / Steinmesser“). חַלָּמִישׁ challāmîš (5-mal) meint einen Kiesel oder harten Stein. Schließlich bedeutet auch כֵּף kef (2-mal) „Fels“. Die Septuaginta übersetzt meist mit πέτρα pétra, dem auch im Neuen Testament (15-mal) verwendeten Begriff. Zum weiteren semantischen Feld gehört der allgemeinere Begriff → „Stein
Einige Namen sind mit צוּר ṣûr oder סֶלַע sæla‘ gebildet. Personennamen sind z.B. Zurischaddai „Schaddai ist mein Fels“ (Num 1,6
2. Gegenständlicher Gebrauch
Felsen bilden einen allgegenwärtigen Bestandteil der Topographie Palästinas und kommen daher in der Bibel häufiger vor. Werkzeuge konnten aus „Fels“ (צוּר ṣûr) hergestellt werden, d.h. wohl aus Feuerstein. Insbesondere werden steinerne Messer erwähnt, mit denen die Israeliten nach Jos 5,2f
3. Metaphorischer Gebrauch
3.1. Härte, Festigkeit, Zuverlässigkeit
Für Sprache und Theologie der Bibel ist vor allem die häufige metaphorische Verwendung des Begriffs relevant. Der Fels symbolisiert auch transkulturell Härte, Festigkeit, Zuverlässigkeit usw. So ist auf dem Fels, anders als im Schlamm, ein sicherer Stand möglich (Ps 40,3
Die Härte des Felsens kann auch negativ konnotiert sein: als Beschreibung für den unbewegten Gesichtsausdruck, der eine innere Starrheit und Verschlossenheit zum Ausdruck bringt (Jes 50,7
Wenn Felsen bersten, weist dies auf eine immense Krafteinwirkung und somit auf die Anwesenheit einer großen Macht hin, etwa bei dem Erscheinen Gottes (1Kön 19,11
3.2. Der Fels als Zufluchtsort
Felsen und Felsenklüfte dienten auch als Verstecke und Schutzorte (z.B. 1Sam 13,6
Gegen das Gericht Gottes, z.B. durch die Assyrer, bieten jedoch selbst Felsklüfte keinen sicheren Schutz (Jes 2,10
3.3. Der Fels als erhabener Ort
Die Höhe von Felsen kann → Stolz
An einigen Stellen ist die Höhe positiv konnotiert: Wen Gott über seine Feinde erhebt, den stellt er bildlich auf einen Felsen (Ps 27,5
3.4. Gott als Fels
In der Hebräischen Bibel wird Gott selbst ca. 35-mal als Fels bezeichnet. Das Bild steht neben einer Fülle anderer Bilder von Gott, die durchaus in Spannung zueinander stehen können. Dies zeigt, dass sie jeweils nur Aspekte Gottes, und zwar unterschiedliche Aspekte, veranschaulichen wollen. So widersetzt sich Israels Gottesbild einer reduktionistischen Homogenisierung (vgl. Brueggemann, 261-266).
Die Belege, die meist das Wort צוּר ṣûr verwenden, finden sich ausschließlich in poetischen Texten, vor allem im Psalter (19-mal) und im „Lied des Mose“ in Dtn 32
Verschiedene Eigenschaften Gottes werden mit dem Bild des Felsens illustriert. Vor allem steht es für die Sicherheit und Geborgenheit, die der Beter bei Gott erlebt, vergleichbar mit dem Schutz, den eine hochgelegene Felsenburg vor dem Feind bietet (Ps 18,3
Über die Hälfte der Belegstellen nennen jedoch keinen konkreten Vergleichspunkt. Das Bild von Gott als Fels ist so geläufig, dass es sich zu einer stehenden Metapher entwickelt und das Wort צוּר ṣûr geradezu die Funktion eines Beinamens Gottes übernimmt. So bezeichnet eine ganze Reihe von Stellen Gott als „Fels des Heils“ oder „Fels und Erlöser“, ohne dass das tertium comparationis eindeutig zu bestimmen wäre (Dtn 32,15
Dem Bild von Gott als Fels eng verwand ist das Bild von Gott als → Berg
Die Frage nach der zeitlichen Einordnung der Metaphorik wird kontrovers diskutiert. Freedman (93.114f) ordnet das Bild der Königszeit ab dem 10. Jh. v. Chr. zu, u.a. wegen der gehäuften Vorkommen in den Samuelbüchern und Davidspsalmen. Haag (879) stellt ebenfalls die Beziehung zum Berg Zion her, siedelt die Metaphorik aber um die Ereignisse von 701 v. Chr. (Bewahrung des Zion vor dem Angriff der Assyrer) oder 515 v. Chr. (Einweihung des zweiten Tempels) an. Wegen der weiten zeitlichen und räumlichen Verbreitung der Fels- und Berg-Metaphorik in den umgebenden Kulturen bleibt die Argumentation unsicher.
Die Tendenz der → Septuaginta
3.5. Der Wasser spendende Fels als Heilszeichen
Einige Stellen kontrastieren die Kargheit von Felsen mit Honig und mit Öl, die man auf ihnen finden kann (Dtn 32,13
Ein vergleichbares Bild, nämlich das vom Wasser, das aus dem Felsen sprudelt, findet sich in den Erzählungen von der → Wüstenwanderung
Das Jesajabuch beschreibt die Rückkehr Israels aus dem babylonischen Exil als einen „zweiten Exodus“ (Rendtorff, Bd. 2, 58-61). Versorgte Gott Israel unter Mose mit einer einzelnen Quelle aus dem Felsen (Jes 48,21
In 1Kor 10,3-4
Im rabbinischen Schrifttum entwickelt sich außerdem eine Legende von einem Wasser spendenden Felsen, der Israel auf seinem Weg durch die Wüste begleitet.
3.6. Der Fels des Anstoßes und der Eckstein der Gemeinde
Die Rede vom „Fels des Strauchelns“ in Jes 8,14
Umstritten in ihrer Bedeutung ist die Aussage von Mt 16,18
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
- Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, 2. Aufl., Stuttgart u.a. 1992
- Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg i.Br. u.a. 1993-2001
- New International Dictionary of Old Testament Theology and Exegesis, Grand Rapids 1997
- Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament, Wuppertal 2000
- Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
2. Weitere Literatur
- Albright, W.F., Yahweh and the Gods of Canaan: a Historical Analysis of two Contrasting Faiths, Winona Lake 1968
- Brueggemann, W., Theology of the Old Testament: Testimony, Dispute, Advocacy, Minneapolis 1997
- Falkenstein, A. (Hg.), Sumerische Götterlieder, Bd. 1, Heidelberg 1959
- Freedman, D.N., Divine Names and Titles in Early Hebrew Poetry, in: ders., Pottery, Poetry and Prophecy: Collected Essays on Hebrew Poetry, Winona Lake 1980
- Haag, E., Art. סֶלַע sæla‘, in: Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Bd. 5, Stuttgart u.a. 1986, 872-880
- Hossfeld, F.-L. / E. Zenger, Psalmen 51-100, Herders Theologischer Kommentar zum Alten Testament, 3. Aufl., Freiburg u.a. 2000
- Rendtorff, R., Theologie des Alten Testaments. Ein kanonischer Entwurf, Neukirchen-Vluyn 1999-2001
- Ringgren, H., Die Religionen des Alten Orients, Das Alte Testament Deutsch Ergänzungsreihe, Göttingen 1979
- Werbick, J., „Auf der Spur der Bilder“, Bibel und Kirche 54 (1999), 2-9
PDF-Archiv
Alle Fassungen dieses Artikels ab Oktober 2017 als PDF-Archiv zum Download:
Abbildungen
Unser besonderer Dank gilt allen Personen und Institutionen, die für WiBiLex Abbildungen zur Verfügung gestellt bzw. deren Verwendung in WiBiLex gestattet haben, insbesondere der Stiftung BIBEL+ORIENT (Freiburg/Schweiz)